Wer immer sich mit § 93 des BVerfGG nicht als abstraktem Paragraphen, sondern als konkretem
Verhältnis beschäftigt, wird aus den Offizialdaten des Bundesverfassungsgerichts (vgl.
http://www.bundesverfassungsgericht.de) gehaltvolle und über jeden Einzelfall hinausgehende
Schlüsse ziehen (können): Im hier interessierenden Zehnjahreszeitraum 1993-2002 gab es
insgesamt (N=) 49.400 Verfassungsbeschwerden (Mittelwert: 4.940, Maximalwert: 5.766 [1995],
Minimalwert: 4.523 [2002], Standardabweichung oder Streuung [als Mass der durchschnittlichen
Abweichung vom arithmetischen Mittel]: 377,451). Weil aber – einerseits - in diesem Zeitraum
nicht alle erforderlichen Daten in der Offizialstatistik erscheinen und – andererseits - ab 2000 die
mit-geteilten Daten infolge innerbetrieblicher Neuorganisation umgruppiert wurden, so dass sie
nicht (mehr) mit denen des angemessen dokumentierten Fünfjahreszeitraum 1995-1999
vergleichbar sind - kann, methodisch angemessen, nur dieser hälftige Zeitraum als pars-pro-toto
untersucht und sodann auf die Grundgesamtheit rückbezogen werden.
I.
Wer immer sich mit § 93 des BVerfGG nicht als abstraktem Paragraphen, sondern als konkretem Verhältnis beschäftigt, wird aus den Offizialdaten des Bundesverfassungsgerichts (vgl. http://www.bundesverfassungsgericht.de) gehaltvolle und über jeden Einzelfall hinausgehende Schlüsse ziehen (können): Im hier interessierenden Zehnjahreszeitraum 1993-2002 gab es insgesamt (N=) 49.400 Verfassungsbeschwerden (Mittelwert: 4.940, Maximalwert: 5.7661995, Minimalwert: 4.5232002, Standardabweichung oder Streuung [als Mass der durchschnittlichen Abweichung vom arithmetischen Mittel]: 377,451). Weil aber - einerseits - in diesem Zeitraum nicht alle erforderlichen Daten in der Offizialstatistik erscheinen und - andererseits - ab 2000 die mit-geteilten Daten infolge innerbetrieblicher Neuorganisation umgruppiert wurden, so dass sie nicht (mehr) mit denen des angemessen dokumentierten Fünfjahreszeitraum 1995-1999 vergleichbar sind - kann, methodisch angemessen, nur dieser hälftige Zeitraum als pars-pro-toto untersucht und sodann auf die Grundgesamtheit rückbezogen werden.
II.
1995-1999 befasste sich nur die 1. Kammer (ab 2000 1. Senat genannt) des Bundes(verfassungs)gerichts mit Verfassungsbeschwerden (aktuelles Aktenzeichen derzeit 1 BvR). Es gab in diesen fünf Jahren insgesamt 25.250 Verfassungsbeschwerden ("Eingänge"), das waren jahresdurchschnittlich 5.050 (Maximalwert: 5.7661995, Mininalwert: 4.6761998, Standardabweichung: 391,869). Es gab 1995-1999 23.116 oder etwa 92 Prozent begründungslose Ablehnungen ("Nichtannahmen"). Von diesen nichtangenommenen Verfassungsbeschwerden 1995-1999 passierten schlussendlich 397 den Doppelfilter und wurden sowohl angenommen als auch anerkannt ("Stattgabe"): Das waren in diesem Fünfjahreszeitraum 18,6 % der angenommenen oder 1,6 % der gesamten Verfassungsbeschwerden. Rechnet man nun diese beiden Anteilsfaktoren auf die bekannte Grundgesamtheit (=N) des Zehnjahreszeitraums 1993-2002 aller Verfassungsbeschwerden hoch - dann mögen in den letzten zehn Jahren auf Grundlage des § 93 BVerfGG eher mehr als weniger denn 45.000 Beschwerdeführer/innen begründungslos abgelehnt worden sein. Bei diesen -jahresdurchschnittlich 4.500 Einzelbeschwerden - besteht rechtslogisch die Möglichkeit, dass trotz Anwendung des § 93 BVerfGG verfassungsmäßig garantierte Grundrechte verletzt wurden. Unterlegt man nun entgegen einer abstrakten, statistisch-binären ´Normalverteilung´ erstens eine konkrete, schiefe, hier asymptotisch quartile, Verteilung hinsichtlich der Ablehnungsberechtigung von Verfassungsbeschwerden, die begründungslos abgelehnt wurden, und unterstellt zweitens eine zeitliche ´Normalverteilung´ über den Zehnjahreszeitraum - dann könnten von 1993 bis 2002 jährlich etwa tausend Verfassungsbeschwerden von Bürger/innen nicht nur begründungslos, sondern auch unberechtigt, also weder legal noch legitim, vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen worden sein. Man kann also unter genannten Voraussetzungen und Annahmen davon ausgehen, dass im Zehnjahreszeitraum 1993-2002 etwa 10.000 rechtsschutzsuchenden Bürger/innen der Bundesrepublik Deutschland Rechtsschutz vom Bundes(verfassung)gericht verweigert wurde und sie damit auf so illegale wie illegitime Weise Justizopfer des Bundesverfassungsgericht genannten deutschen Ober(st)gerichts wurden.
III.
Die Novellierung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes/BVerfGG im allgemeinen und seines begründungslose Nichtannahmen/Ablehnungen rechtfertigenden § 93 im besonderen stand erweislich unterm Primat der Verwaltungsentlastung und stellte damit grundsätzlich - so zutreffend die vom Bundesminister der Justiz eingesetzte Kommission zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts im Januar 1998 - "Belange des Individualrechtsschutzes" zurück (Bundesministerium der Justiz [Hrg.], Entlastung des Bundesverfassungsgerichts; m.e.Vorw. v. Edzard Schmidt-Jortzig; Bonn: BMJ, Januar 1998, hier zitiert Seite 35). Wie im Bericht jedoch anhand der dort ausgewerteten Gesamtstatistik des Bundesverfassungsgerichts 1996 nachgewiesen wird, erbrachte die Novellierung n i c h t die erwartete/beanspruchte Entlastung, sondern veränderte, weil nun zur Annahmen von Verfassungs(individual)beschwerden nicht mehr ein ´schwerer Nachteil´, sondern vielmehr ein ´besonders schwerer Nachteil´ als existentielle Betroffenheit für die (begründungslose) Annahme erforderlich wurde, durch Verfahrensneuregelung faktisch den Charakter des Rechtsinstituts: Verfassungsbeschwerde als "grundrechtsähnliches Verfahrensrecht des Bürgers auf Prüfung seiner Verfassungsbeschwerde" (aaO., hier zitiert Seite 35). Es gehört zur bitteren Ironie der empirischen Wirksamkeit des § 93 BVerfGG, dass offensichtlich das angestrebte Ziel der Verwaltungsentlastung sich nicht nur ins Gegenteil verkehrte, sondern dass sich aus der neuen begründungslosen Ablehnungs/Nichtannahmepraxis faktisch ober(st)gerichtliche Rechtsschutzverweigerung ergab. Aus erhoffter Verwaltungsentlastung wurde -psychomoralisch gesehen- Bürgerbelastung. Anstatt beanspruchter Rechtssicherheit wurde faktische Rechtsunsicherheit produziert.
IV.
Der von Vertretern der Bundesrepublik Deutschland staatsautoritativ vorzubringende Grundsatz: iura novit curia würde sich angesichts dieses ´unerhörten Vorgangs´ (Bertolt Brecht) als Bumerangeffekt erweisen: Denn würde das Bundes(verfassungs)gericht diesen Grundsatz angewandt haben wollen, dann hätte es seit 1993 Zeit genug gehabt, seine Tätigkeit verfassungskonform legalisieren zu lassen. Dies aber hat das deutsche Ober(st)gericht mehr als zehn Jahre lang unterlassen, woraus folgt: supremum iudicium constitutionale confederationis Germanicae non novit iura sua.
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- Arbeit zitieren
- Dr. Richard Albrecht (Autor:in), 2003, Verfassungsbeschwerden in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19738
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