Unsere Gesellschaft befindet sich in einer permanenten Entwicklung. Das Leben im 21. Jahrhundert ist rasant, schnelllebig und zeichnet sich durch eine rapide voranschreitende Technisierung aus und verlangt nach dementsprechend angepassten Medien und Kommunikationsmöglichkeiten. Das Verlangen nach Interaktionsalternativen, die räumliche und zeitliche Trennung bestmöglich überwinden, steigt zunehmend.
Als eine Antwort auf dieses Verlangen wurde Ende der 60er-Jahre die E-Mail entwickelt, der mittlerweile meist genutzte Dienst im World Wide Web. Sie ermöglicht dem User eine kostengünstige und bequeme Kommunikation in Sekundenschnelle, ob mit dem Kollegen im Büro nebenan oder mit dem Freund in Japan. Der elektronische Bruder zur im Computerjargon bezeichneten Snail-Mail (Schneckenpost) bietet verführerische Vorteile und scheint in der heutigen digitalen Welt aus dem beruflichen wie auch privaten Alltag in so extremem Maße unersetzlich, dass sich vermuten lässt, dass ein „urtümlicher“ Brief, versendet via Gelbe Post, eine vom Aussterben bedrohte Form zwischenmenschlichen Kommunizierens ist.
Als eine Umsetzungsmöglichkeit des neuen Mediums PC gerät die E-Mail häufig in Kritik, wenn von „der Jugend“ die Rede ist, die durch permanentes „e-mailen, chatten und smsen“ die Fähigkeit verliert, grammatisch und syntaktisch fehlerfreie Sätze zu konstruieren.
Im vorliegenden Beitrag soll dieses Urteil anhand unterschiedlicher E-Mails untersucht werden. Empirische Grundlage bildet ein Korpus verschiedener E-Mails, die hinsichtlich sprachlicher Aspekte und deren Aufbau analysiert werden. Zuvor soll jedoch der Begriff
E-Mail geklärt werden, indem die unter Sprachwissenschaftlern diskutierte Frage nach der Definition als Textsorte, Kommunikationsform oder gar Medium untersucht wird und das ineinander übergreifende Problem der Unterscheidung zwischen Mündlichkeit oder Schriftlichkeit analysiert wird. Im Anschluss wird ein Vergleich angestellt zwischen der E-Mail und anderen Arten der Kommunikation, genauer gesagt dem Brief, dem Telefongespräch und der Postkarte, um die zentrale Frage zu diskutieren, ob die E-Mail „altbewährte“ Kommunikationsformen verdrängt oder lediglich erweitert.
Inhaltsverzeichnis
1. Zentrale Überlegungen und Fragen
2. Was ist eine E-Mail eigentlich? Worin liegen die Vorteile der E-Mail- Kommunikation?
2.1. Die E-Mail: Textsorte, Kommunikationsform oder gar Medium?
2.2. Gibt es eine typische E-Mail-Sprache?
2.3. Wie ist eine E-Mail aufgebaut?
2.4. Gesprochene Schriftlichkeit oder geschriebene Mündlichkeit?
3. Welchen Platz nimmt die E-Mail inmitten „neuer“ Kommunikationsformen ein?
3.1. E-Mail und SMS- Möglichkeiten der schnellen Erreichbarkeit?
3.2. E-Mail und Chat- zwei ungleiche Geschwister?
4. Gibt es Situationen, in denen „alte“ Kommunikationsformen modernen vorgezogen werden?
4.1. Kann die E-Mail den Brief ablösen?
4.2. In welchen Situationen wird die E-Mail dem Telefon vorgezogen?
4.3. E-Mail oder Postkarte?
5. Ausblick: Erweitert die E-Mail bestehende Kommunikationsformen oder wird sie sie in absehbarer Zeit verdrängen?
6. Anhänge
7. Literaturverzeichnis
1. Zentrale Überlegungen und Fragen
Unsere Gesellschaft befindet sich in einer permanenten Entwicklung. Das Leben im 21. Jahrhundert ist rasant, schnelllebig und zeichnet sich durch eine rapide voranschreitende Technisierung aus und verlangt nach dementsprechend angepassten Medien und Kommunikationsmöglichkeiten. Das Verlangen nach Interaktionsalternativen, die räumliche und zeitliche Trennung bestmöglich überwinden, steigt zunehmend.
Als eine Antwort auf dieses Verlangen wurde Ende der 60er-Jahre die E-Mail entwickelt, der mittlerweile meist genutzte Dienst im World Wide Web. Sie ermöglicht dem User eine kostengünstige und bequeme Kommunikation in Sekundenschnelle, ob mit dem Kollegen im Büro nebenan oder mit dem Freund in Japan. Der elektronische Bruder zur im Computerjargon bezeichneten Snail-Mail (Schneckenpost) bietet verführerische Vorteile und scheint in der heutigen digitalen Welt aus dem beruflichen wie auch privaten Alltag in so extremem Maße unersetzlich, dass sich vermuten lässt, dass ein „urtümlicher“ Brief, versendet via Gelbe Post, eine vom Aussterben bedrohte Form zwischenmenschlichen Kommunizierens ist.
Als eine Umsetzungsmöglichkeit des neuen Mediums PC gerät die E-Mail häufig in Kritik, wenn von „der Jugend“ die Rede ist, die durch permanentes „e-mailen, chatten und smsen“ die Fähigkeit verliert, grammatisch und syntaktisch fehlerfreie Sätze zu konstruieren.
Im vorliegenden Beitrag soll dieses Urteil anhand unterschiedlicher E-Mails untersucht werden. Empirische Grundlage bildet ein Korpus verschiedener E-Mails, die hinsichtlich sprachlicher Aspekte und deren Aufbau analysiert werden. Zuvor soll jedoch der Begriff
E-Mail geklärt werden, indem die unter Sprachwissenschaftlern diskutierte Frage nach der Definition als Textsorte, Kommunikationsform oder gar Medium untersucht wird und das ineinander übergreifende Problem der Unterscheidung zwischen Mündlichkeit oder Schriftlichkeit analysiert wird. Im Anschluss wird ein Vergleich angestellt zwischen der E-Mail und anderen Arten der Kommunikation, genauer gesagt dem Brief, dem Telefongespräch und der Postkarte, um die zentrale Frage zu diskutieren, ob die E-Mail „altbewährte“ Kommunikationsformen verdrängt oder lediglich erweitert.
2. Was ist eine E-Mail eigentlich? Worin liegen die Vorteile der E-Mail-Kommunikation?
Unter die Bezeichnung E-Mail „fallen alle digitalen Datenübertragungen, die von einem Computer auf einen anderen mit speziellen, für E-Mail geschaffenen Mail-Programmen übermittelt werden, ohne „zu Papier“ zu kommen.“ (Günther/Wyss 1996: 61)
Eine E-Mail realisiert dialogische Zweiwegkommunikation in speichernder Form (vgl. Holly 1997: 5), somit kann sich der Empfänger die Nachricht beliebig oft vor Augen führen, kopieren, speichern oder darauf antworten. Die Kommunikation per E-Mail verläuft asynchron, einerseits durch den Weg über die Telefonleitung oder das Netzwerk und andererseits durch Einstellungen der Mailserver, die nur in bestimmten Intervallen nach ankommenden Nachrichten suchen. Dennoch besitzt die E-Mail eine enorm hohe Übertragungsgeschwindigkeit, was beinahe eine Wechselseitigkeit entstehen lässt. Der Kommunikationskanal bleibt jedoch, anders als beim Telefonieren beispielsweise, nur in eine Richtung geöffnet, dem Empfänger ist es nicht möglich, spontane Einwände zwischen die Sätze des Adressaten zu werfen. Da E-Mails raumunabhängig sind, sie also von überall aus verfass- und abrufbar sind, hat sich ein häufig auftretendes „Phänomen“ entwickelt: die E-Mail wird nicht nur dazu benutzt, räumlich größere Distanzen zu überwinden, sondern wird sogar im gleichen Raum von einem Rechner zum anderen versendet. Die E-Mail kann durch unterschiedliche Codes realisiert werden, denn dank multimedialen PCs ist das „e-mailen“ multimodal geworden und kann mehr Sinne als nur das Sehen ansprechen. Durch Anhänge, so genannte Attachments, können Töne versendet werden, die die auditive Wahrnehmungsebene ansprechen. Darüber, inwiefern der Tastsinn beim Betätigen der Tastatur während des Schreibens einer E-Mail eine Rolle spielt, gibt es unterschiedliche Ansichten, was in diesem Beitrag nicht analysiert werden soll.
Wie ihren analogen Bruder, den Brief, lässt sich die E-Mail weltweit verschicken. Hierbei zeigt sich ihre bereits erwähnte größte Stärke, ihre Schnelligkeit. Innerhalb weniger Sekunden erhält der Empfänger die Nachricht, wobei ein Misslingen des Versands dem Absender binnen weniger Sekunden angezeigt wird, während die Rücksendung eines Briefes die Kommunikation um mindestens zwei Tage verzögert. Lässt man die Anschaffungskosten für die nötige Hardware, also den PC an sich, und Software, also Programme zum Nutzen der elektronischen Post, die die Vorraussetzungen zum „e-mailen“ bilden, bei den Berechnungen der Kosten außer Acht, so wird der zweite prägnante Pluspunkt der E-Mail deutlich: dem User wird eine äußerst günstige Form der Kontaktaufnahme geboten. Neben den Kosten, die für die Internetnutzung anfallen, gibt es keine weiteren, während der Brief für den Schreiber eine permanente Kostenbelastung bedeutet, denn die abkürzend als „Hardware eines Briefes“ zu bezeichnenden Anschaffungen, wie Briefumschläge, Briefmarken, Papier und Stifte sind für jeden einzelnen Brief nötig. Der E-Mail-Verkehr bietet sich an, um eine Meldung mehreren Personen gleichzeitig zugänglich zu machen, vergleichbar mit einem Flugblatt oder Aushang, mit dem Vorteil, dass der Autor genauer selektieren kann, wer genau informiert werden soll. Während ein Brief kopiert werden muss, oder gar manuell abgeschrieben, kann eine so genannte „Rundmail“ per Mausklick an individuell viele Personen verschickt werden.
Ein besonderes Angebot des „e-mailens“ stellen die Mailing-Listen dar, bei denen nach der Anmeldung eine ganze Gruppe mit unbegrenzter Teilnehmerzahl über ein bestimmtes Thema informiert werden kann, indem die E-Mail lediglich an eine Adresse versendet werden muss.
Neben dem Text kann die E-Mail Töne, Bilder oder Videos enthalten, was sie zu einer sehr persönlichen Kommunikationsform macht, da private Fotos, Familienvideos oder die eigene Stimme versendet werden können. In den Möglichkeiten des Versands lässt sich ein Nachteil vermerken: via E-Mail lassen sich lediglich digitale Daten übertragen, jedoch sind keine Gegenstände versendbar. Während der „analoge Posteingang“, also der Briefkasten vorm Haus, den einzigen Ort zum Erhalten eines Briefes oder einer Postkarte darstellt, lassen E-Mails oder E-Cards, das Internet-Pendant zur Postkarte, sich von überall aus abrufen. Vorraussetzung bildet ein Rechner bzw. Notebook, das an jeglichen Orten der Welt, an denen eine Internetverbindung herstellbar ist, das Aufrufen des Posteingangs ermöglicht. Während ein Brief den umständlichen Hinweis auf Quellen, in denen der Empfänger eventuell gewünschte Informationen erlangen kann, enthält, kann in einer E-Mail ein bestimmter Link notiert werden, was dem Erhaltenden sofort die Möglichkeit bietet, sich per Mausklick zum gewünschten Thema leiten zu lassen. Ähnlich wie ein Hinweis am Briefkasten, der dem Postboten das Einwerfen von Werbung verweigert, arbeiten so genannte Spam-Filter. Indem ankommende E-Mails auf bestimmte, in der Werbung typische, Worte untersucht werden oder vom Administrator gezielte Absenderadressen gesperrt werden, wird dem Benutzer lästiges Löschen unerwünschter Post erspart. Einzige Gefahr liegt darin, dass Nachrichten als Spam identifiziert werden, welche der Empfänger gern erhalten hätte.
Ein letzter zentraler Punkt, der das „e-mailen“ so symphatisch macht, liegt in der bequemen Handhabung, denn der Empfänger kann erhaltene Post ganz leicht bearbeiten oder weiterleiten, was die Übersichtlichkeit eines „urtümlichen“ Briefs enorm beeinträchtigen würden.
Der PC, als Medium der Neuzeit, öffnet die Fülle an Informationen und die neuen Arten des Kommunizierens nur jenen Personen, die die Kompetenzen besitzen, mit den technischen Gegebenheiten umzugehen. Da geschäftliche Angelegenheiten, beispielsweise Informationen des Vorgesetzten einer Firma an die Angestellten oder Rechnungszustellungen, immer mehr im Format E-Mail geklärt werden, ist Medienkompetenz ein unumgänglicher Aspekt unserer Zeit, was für Anfänger durchaus Probleme mit sich bringen kann.
Schon die Rahmenbedingungen beim E-Mail-Verkehr gestalten sich anders als jene via Gelbe Post. Die Ermittlung von E-Mail-Adressen ist mit mehr Aufwand verbunden, als die von Wohnadressen. Im Telefonbuch lassen sich Wohnadressen leicht herausfinden, während es für E-Mail-Adressen zwar verschiedene Register gibt, jedoch kein zentrales, bei welchen fraglich ist, ob die gesuchte Person überhaupt registriert ist.
Auf den genauen Aufbau einer E-Mail und den Adressatenbezug soll jedoch an späterer Stelle eingegangen werden.
Die erwähnte Kompetenz lässt sich nicht nur am Umgang mit dem Medium selbst festmachen, denn mit dem Medienwandel geht ein weiterer einher, nämlich der der Sprache.
Kommunikation per E-Mail birgt einen neuen Standard in sich, es entsteht eine zwanglosere Kommunikation, die mehr Freiheiten zulässt und eindeutig sprechsprachlich beeinflusst ist.
Neue, kreative und beinahe künstlerische Wortgebilde entstehen, wobei Kreationen wie mfg nur den Anfang darstellen. Da diese Form des Kommunizierens keine paraverbalen bzw. nonverbalen Aspekte der Sprache zulässt, haben sich Alternativmöglichkeiten, wie Inflektive und Emoticons etabliert, um Stimmungen auch schriftlich zu vermitteln, worauf ebenfalls an späterer Stelle eingegangen wird.
2.1. Die E-Mail: Textsorte, Kommunikationsform oder gar Medium?
Äußerst zutreffend formuliert Janich, dass „Pauschale Aussagen zur Form und Sprache der ‚Electronic Mail an sich’ sich im Grunde nicht machen lassen. Immer sind Kommunikationssituation und Teilnehmerkreis […] Hauptursache für die Wahl der Sprach- und Stilmittel.“ (Janich 1994: 156ff.) So ist festzustellen, dass eine E-Mail, die eine Information unter den Mitarbeitern eines Unternehmens verbreitet, ein anderes Sprach- und Stilspektrum enthält, als eine E-Mail unter Freundinnen.
Ziegler definiert eine Kommunikationsform als ein virtuelles Gebilde, dass einen Zeichentyp realisiert, eine Kommunikationsrichtung, also entweder monologisch oder dialogisch, öffnet, eine Übertragungs- bzw. Speicherungskapazität und eine gewisse Zeitlichkeit besitzt und mindestens einen Interaktionspartner beteiligt. Diese Anforderungen werden von der E-Mail erfüllt, da sie den Zeichentyp der geschriebenen Sprache realisiert, asynchrone und dialogische Speicherung ermöglicht und mindestens zwei Kommunikationspartnern bedarf.
Laut Ziegler „stehen Kommunikationsform und Textsorte in einer hierarchischen Beziehung zueinander, die es erlaubt, eine bestimmte Textsorte im Rahmen verschiedener Kommunikationsformen zu erfassen“ (Ziegler 2002: 22). So beschreibt er die E-Mail als „tertiäre Kommunikationsform“, deren ursprüngliche Form dem Brief zugrunde liegt, welcher durch voranschreitende Technisierung von den neuen Medien ausgestaltet und neu realisiert wird. Die „hierarchische Beziehung“ beinhaltet, dass innerhalb der Kommunikationsform unterschiedliche Textsorten eingearbeitet werden können, die im Format E-Mail sinnvoll erscheinen. So können beispielsweise Einladungen oder Rechnungen verschickt werden, während ein Roman eine unangemessene Textsorte innerhalb einer E-Mail darstellt.
Um den Medienbegriff besser fassen zu können, unterteilt Holly in Zeichensysteme, Kommunikationsformen und Medien. Zeichensysteme gibt es innerhalb zwischenmenschlicher Interaktion mehrere, Holly nennt zum Beispiel gesprochene oder geschriebene Sprache, Bilder, Laufbilder, Töne, u.a.. Der Begriff Kommunikationsform wird als „virtuelle Konstellation von einem bestimmten Zeichenspeicherungs- oder Übertragungspotential in eine oder beide Richtungen.“(Holly 1997: 4) definiert. Ein Medium wiederum fast Holly als „konkretes, materielles Hilfsmittel, mit denen Zeichen verstärkt, hergestellt, gespeichert und/oder übertragen werden.“(vgl. Holly 1997: 4) auf. Auch nach diesen Definitionen lässt sich die E-Mail klar der Kommunikationsform zuordnen, die durch das Medium PC, dessen Tastatur, Maus, Bildschirm, usw., realisiert wird.
Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass die E-Mail eine Kommunikationsform ist, die durch den Zeichentyp „geschriebene Sprache“ (der Einfluss der gesprochenen Sprache in die E-Mail-Kommunikation wird an späterer Stelle analysiert) ihren Ausdruck findet und durch das Medium PC verwirklicht wird. In dieser Kommunikationsform können verschiedene Textsorten enthalten sein, abhängig ist die Form der Nachricht vom Adressaten und Empfänger und der Situation bzw. dem Verhältnis, in dem sich beide zum Verfassungszeitpunkt befinden.
2.2. Gibt es eine typische E-Mail-Sprache?
Wie bereits erwähnt wurde, ist die E-Mail eine neue Kommunikationsform, die durch ihre Komplexität viele Fragen aufwirft, von denen nicht alle eindeutig beantwortet werden können. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der wir im Alltag mit der E-Mail umgehen, zeigt uns, dass sie einen wichtigen Platz inmitten der traditionellen Kommunikationsformen eingenommen hat. Nicht zuletzt deswegen stellen wir uns auch immer wieder die Frage, ob die E-Mail diese nicht verdrängen kann und wird.
Ein Bestandteil dieser Untersuchungen muss natürlich auch die sprachliche Ebene sein, die schon in zahlreichen Studien zum Thema gemacht wurde. Bittner konnte einige sprachliche Besonderheiten herausarbeiten (vgl. Bittner 2003: 159ff.) und auch Rehm beispielsweise hat sich in seiner Studie mit der Mischform zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Internet, zu der auch die E-Mail-Sprache gehört, beschäftigt (vgl. Rehm 2002: 280ff.). Dürscheid hingegen ist der Meinung, dass es keine Belege für die Entwicklung einer typischen Netzsprache- also auch nicht in der E-Mail-Kommunikation- gibt, da die „als typisch genannten sprachlichen Merkmale [...] auch in anderen Verwendungskontexten“ auftreten und „nicht generell, sondern nur situations- und sprecherabhängig verwendet“ werden. (Dürscheid 2003: 5)
Und in der Tat kann man diese sprachlichen Aspekte nicht pauschalisieren, da sie erheblich sowohl vom Thema als auch von Absender und Empfänger abhängen. Insbesondere in Bezug auf Humor und flapsige Sprachelemente variieren die Schreibstile in der E-Mail-Kommunikation häufig.
Das ist jedoch kein neues Phänomen, denn auch in traditionellen Kommunikationsformen, wie dem Brief beispielsweise, gibt es diesbezüglich Unterschiede. Beachtet werden muss dabei auch die Unterteilung in privat und geschäftlich, die ja bei jedem Medium eine wichtige Rolle spielt.
Den Grund für die entstandenen Varianzen sieht Bittner darin, dass „verstärkt Textsortenmuster aus traditionellen, analogen Textsorten in das digitale Medium übertragen werden“ (Bittner 2003: 159f.) Das heißt also, dass der Mensch „auf etablierte Muster und Formen“ (Bittner 2003: 160) zurückgreift und sich zum Beispiel am Brief orientiert. Hierbei ist zu untersuchen, inwiefern sich Ähnlichkeiten entwickelt haben.
Mit der Entwicklung der E-Mail traten auch Probleme auf, denn sie erfordert nicht nur ein gewisses Maß an technischem Verständnis sondern auch den Umgang mit einer neuen Sprache. Wie schreibt man eine E-Mail? Gibt es Regeln? Was muss beachtet werden? Die Antworten auf diese Fragen kann man in einem der zahlreichen E-Mail-Ratgeber, so genannte Netiketten, finden. Thim-Mabrey hat sich ebenfalls mit dieser Problematik auseinandergesetzt und die häufigsten Ratschläge in ihrem Aufsatz zusammengefasst. Dazu gehören beispielsweise der Hinweis, dass man auf Rechtschreibung und Grammatik achten sollte, mit Humor vorsichtig umgehen und die Anredeformen den „Gepflogenheiten des Empfängers anpassen“ sollte. (vgl. Thim-Mabrey 2002: 130ff.) Dabei ist zu überprüfen, wie häufig diese Ratschläge umgesetzt werden.
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, inwieweit sich tatsächlich eine typische E-Mail-Sprache entwickelt hat und welche sprachlichen Besonderheiten sich herausgehoben haben. Nicht zu vergessen ist dabei die Frage, ob die E-Mail den Brief oder das Telefongespräch beispielsweise verdrängen kann oder diese Kommunikationsformen erweitert werden.
Um die Entstehung einer möglichen Typisierung von Sprache in E-Mails nachzuweisen, haben wir einen kleinen Korpus von verschiedenen E-Mails gesammelt, die sich auf verschiedene Themengebiete und Adressaten erstrecken. So wurde zum Beispiel eine private E-Mail zwischen zwei Personen, eine Geschäftsmail zwischen zwei und mehreren Kommunikationspartnern und eine Rundmail einbezogen. Anhand der E-Mails sollen die sprachlichen Besonderheiten, die in verschiedenen Aufsätzen genannt werden, empirisch erarbeitet werden. In jedem Fall kann man feststellen, dass der Adressaten- und Themenbezug maßgeblichen Einfluss auf den Sprachstil in einer E-Mail hat.
Da zwischen privaten und geschäftlichen E-Mails klar unterschieden werden muss, werden zunächst die persönlichen E-Mails auf deren sprachliche Merkmale untersucht.
Die erste Beispiel-E-Mail wurde zwischen zwei vertrauten Personen verschickt, was auch an der Sprache zu erkennen ist. Aus dem Text lässt sich ableiten, dass es sich um eine Liebesnachricht handelt und es kein spezielles Thema gibt.
Hallo mein kleines Mäusl. J
Hab mir grad mal Zeit genommen um dir ne süße Mail zu schreiben.
Es ist wieder mal so langweilig ohne dich und ich wäre jetzt gerne bei dir. L
Geh dann erst mal schön was essen und dann schnellstens zurück zu dir. Freu mich schon
langsam ungemein auf Weihnachten. Wird bestimmt wunderschön mit dir. J
Jetzt tütel ich noch ein wenig am Computer rum. Na dann bis später. Dein dich liebender [Name]
Was sofort ins Auge fällt, sind die Smileys oder Emoticons. Wie auch Rehm in seinem Aufsatz feststellte, sind Smileys wohl das bekannteste Mittel um in
E-Mail- oder Chat- Kommunikation die fehlende Gestik und Mimik zu ersetzen (vgl. Rehm 2002: 281f.) .
In vorliegendem Beispiel verwendet der Absender den ersten Smiley bereits in der Anrede.
Das lachende Gesicht unterstützt die liebevolle Form der Anrede. In einer face- to- face- Kommunikation hätte eine angemessene Mimik ausgereicht, um die herzliche Bezeichnung zu unterstreichen.
Das Emoticon wurde bereits im Jahre 1982 von einem Studenten erfunden, als über das Internet nur Texte verschickt werden konnten. Mittlerweile kann man auch Bilder und Animationen einfügen und so wird häufig das echte Smiley mit dem runden gelben Gesicht benutzt. Mittlerweile gibt es viele verschiedene Emoticon und ständig kommen neue dazu. Auch gibt es nicht nur einen Emoticon pro Gefühlsausdruck sondern viele Varianten.
: ) :] =) : D usw.
Im weiteren Verlauf der E-Mail wird das traurige Emoticon verwendet. Ohne dieses Hilfsmittel würde die Aussage an emotionaler Aussagekraft verlieren, die in einem Gespräch vielleicht durch Mimik und Gestik entstanden wäre.
Auffällig sind weiterhin die Reduktionen und Ellipsen, die auch Bestandteil der Mündlichkeit einer E-Mail sind. Die Produktionsschnelligkeit ist sehr hoch und da es auch kein richtiges Thema gibt, geht es nur darum, mal schnell „Hallo“ zu sagen. Fortgeführt wird dieser Stil in Verwendung von umgangssprachlichen Elementen, wie in der letzten Zeile. Die Anrede und der Gruß wurden nicht optisch vom Kern des Textes abgegrenzt, welches ein weiteres Indiz für die Schnelligkeit der Produktionsweise einer E-Mail ist. In einem Brief beispielsweise findet man meist zwischen Anrede, Textkern und Grußformel eine Leerzeile.
Das zweite Beispiel aus der Gruppe der privaten E-Mails fällt sofort durch seine Zeichen auf.
Das Thema ist wieder sehr alltäglich, es geht um das noch so weit entfernte Wochenende.
Hallihallo,
es ist zwar erst Montag, aber ich freu mich trotzdem schon aufs WE! :-D
Am Samstag wollen [Name] und [Name] mit uns essen gehen- wie wär's mit Spanisch??? Klingt doch lecker, oder?
Hmmmmm, wenn ich an die Tapas denke... =)
Sonntag könnten wir ja endlich ma wieder in die Natur, vielleicht bleibt das geile Wetter ja!? Abwarten und Tee trinken. ;-)
Ach mann, ich sitz hier noch auf Arbeit rum, dabei wär ich viel lieber bei dir! *schluchz*
Naja, ich hab hier auch noch 'n bisschen was zu tun. Also bis später!
Knuddel und Gruß
Drei unterschiedliche Emoticons wurden mit Hilfe von Satz- und Sonderzeichen gebildet, die alle ein lachendes oder verschmitztes Gesicht darstellen. Wieder findet man Reduktionen und Assimilationen, was auf den Grad der Vertrautheit zurückzuführen ist. Auch eine Ellipse wurde in der 6. Zeile am Anfang des Satzes benutzt, was auch umgangssprachlich ist und ebenfalls ein Zeichen für die so oft erwähnte Produktionsschnelligkeit.
Sehr bekannt und häufig auch in Chat und SMS vorkommend, sind die Inflektive. Diese sind isolierte Verbstämme, die zum Ausdruck von Emotionen verwendet werden. Sie sind häufig eingeschlossen in Asterisken, wie auch bei vorliegendem Beispiel in der 8. Zeile.
Als weiteres Merkmal kann man verschiedene Iterationen feststellen, die sowohl bei Satzzeichen als auch bei Buchstaben vorkommen können. In vorliegender E-Mail kommen beide Varianten vor. Sie dienen der Betonung oder Hervorhebung einer Aussage, Fragestellung oder eines emotionalen Zustandes. So verleihen sie der Nachricht mehr Ausdruck.
Auch häufig als Beispiel für „typische E-Mail-Sprache“ genannt sind Akronyme. Diese sind Worte, die aus den Anfangsbuchstaben einzelner Wörter zusammengesetzt sind. Eine andere Definition besagt, dass es Abkürzungen sind, die auch in der Lautschrift existieren. Meist treffen jedoch beide Beschreibungen zu. Ein Beispiel wäre „LKW“ oder wie in vorliegendem Beispiel „WE“ für Wochenende. Sie dienen der Ökonomisierung, da sie sowohl das Schreiben als auch das Sprechen vereinfachen.
Besonders hervorzuheben sind die Diskurspartikel, die häufig Verwendung finden. Diese gehören zu den Hauptmerkmalen der face- to- face- Kommunikation und sind bei der E-Mail-Kommunikation, ebenso bei Chat und SMS, Hinweis auf die Vermischung von Schriftlichkeit und Mündlichkeit. In unserer 2. E-Mail ist das zum Beispiel das angehängte oder.
Klingt doch lecker, oder?
Auch folgender Satz würde in der korrekten Schreibsprache so nicht existieren.
[...] vielleicht bleibt das geile Wetter ja!?
Das „ja“ am Ende des Satzes bedeutet in der Schreibsprache sowohl regelwidrige Grammatik als auch schlechten Ausdruck, doch in der mündlichen Sprache kommt eine solche Konstruktion durchaus vor.
Schließlich finden wir noch einige Ausdrücke der Umgangssprache, zum Beispiel in der Anrede oder die Bezeichnung des Wetters als „geil“.
[...]
- Citation du texte
- Kathrin Lotholz (Auteur), 2006, Die E-Mail. Eine Bedrohung für analoge Kommunikationsformen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92747
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