Ein Mensch ist entweder männlich oder weiblich – diese Ansicht ist in den westlichen Gesellschaften selbstverständlich. Die Welt der zwei Geschlechter erscheint ihren Mitgliedern als naturgegeben und unabhängig von ihrem Tun existierend. Dass Geschlecht eine soziale Konstruktion darstellen soll, widerstrebt dieser Auffassung, doch genau dies ist die zentrale These des in dieser Arbeit vorgestellten Sozialkonstruktivismus. Des Weiteren müssen laut Lindemann auch Gefühle und Empfindungen der Individuen bezüglich ihres jeweiligen Geschlechts beachtet werden. Ausgehend von dieser Sichtweise des phänomenologischen Geschlechtskörpers wird in diesem Essay eine phänomenologisch fundierte Betrachtung der Berdache erarbeitet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Geschlechtskörper – verschiedene Sichtweisen
2.1 Der Sozialkonstruktivismus
2.2 Der phänomenologische Körper
2.2.1 Lindemanns erweiterte Sichtweise
2.2.2 Die Verschränkung von Körper und Leib
2.2.3 Das Begehren
2.3 Die Berdache – das dritte Geschlecht
2.3.1 Eine kurze Vorstellung
2.3.2 Darstellung anhand der phänomenologischen Sichtweise
3.Schluss
Literatur
1. Einleitung
Ein Mensch ist entweder männlich oder weiblich – diese Ansicht ist in den westlichen Gesellschaften selbstverständlich. Die Welt der zwei Geschlechter erscheint ihren Mitgliedern als naturgegeben und unabhängig von ihrem Tun existierend. Dass Geschlecht eine soziale Konstruktion darstellen soll, widerstrebt dieser Auffassung, doch genau dies ist die zentrale These des Sozialkonstruktivismus, welcher in Kapitel 2.1 genauer vorgestellt wird (vgl. Villa 2001: 63). Gesa Lindemann geht noch einen Schritt weiter und postuliert in ihren Arbeiten, dass auch Gefühle und Empfindungen der Individuen bezüglich ihres jeweiligen Geschlechts beachtet werden müssen (vgl. ebd.: 182). Auch dies wird im Laufe dieser Arbeit ausführlicher dargestellt. Ausgehend von dieser Sichtweise des phänomenologischen Geschlechtskörpers lässt sich nun fragen, wie eine phänomenologisch fundierte Betrachtung der Berdache aussehen würde. Diese können als eine Art drittes Geschlecht gesehen werden und sind bei den Indianern in Nordamerika zu finden (Lindemann 1994: 5). Nach einer kurzen Vorstellung der Berdache soll in Kapitel 2.3.2 ihr phänomenologischer Körper im Kontext der Mikrosoziologie untersucht werden.
2. Der Geschlechtskörper – verschiedene Sichtweisen
2.1 Der Sozialkonstruktivismus
Der Sozialkonstruktivismus grenzt sich klar von der Sichtweise einer objektiven Wirklichkeit ab und geht im Gegenzug dazu davon aus, dass Realität allein durch Menschen und ihre Wahrnehmung konstruierbar ist. Dabei ist Wahrnehmung immer nur mit anderen Wahrnehmungen, niemals aber mit dem wahrgenommenen Gegenstand selbst vergleichbar, was der Autorin des Textes zufolge „eine zentrale Denkfigur aller konstruktivistischen Perspektiven“ (Villa 2001: 62f.) ist. In Bezug auf das Geschlecht und den Geschlechtskörper bedeutet das, dass auch ihre Wirklichkeit „durch Menschen und ihr sowohl kognitives wie unbewusstes Tun und Erleben konstruierte Wirklichkeiten sind“ (ebd.: 63). Diese Wirklichkeiten produzieren wir uns also, wie jede andere Wirklichkeiten auch, kontinuierlich selbst. Damit grenzt sich diese Sichtweise von der Überzeugung der meisten Menschen ab, der Geschlechtskörper und somit die Dichotomie des Geschlechts sei eine objektive und natürliche Wirklichkeit. Wie es sein kann, dass uns dies so erscheint, damit beschäftigt sich die konstruktivistische Geschlechterforschung.
Wichtig ist, bezogen auf den Sozialkonstruktivismus, dass seine Anhänger Geschlecht als soziale Konstruktion ansehen und somit die Kontingenz von Geschlecht postulieren.
2.2 Der phänomenologische Körper
2.2.1 Lindemanns erweiterte Sichtweise
Wie dies eben schon angesprochen wurde, widerstrebt dem Alltagsverständnis der meisten Menschen die sozialkonstruktivistische Auffassung, der Geschlechtskörper sei ein sozial konstruiertes Objekt. Villa nach liegt dies auch am „subjektiven Gefühl, eine Frau oder ein Mann zu sein“ (ebd.: 179), das den meisten Menschen eigen ist. Dass die sozialkonstruktivistische Annahme damit nicht unbrauchbar geworden ist, sondern um diesen Punkt der „sinnlichen Sicherheit“ (ebd.: 180) erweitert werden sollte, diese Meinung vertritt Gesa Lindemann. Insbesondere ihre Arbeiten werden im Kontext der mikrosoziologischen Phänomenologie von Villa herangezogen und kritisch diskutiert.
Lindemann kritisiert an den sozialkonstruktivistischen Perspektiven vor allem, dass hier der Leib verdrängt werde (vgl. ebd.: 185). Dabei meint ‚Leib’, salopp gesagt, das eigene Fühlen, während sich ‚Körper’ auf das soziale Äußerliche bezieht (vgl. ebd.: 182). Diese Unterscheidung wird im Laufe dieser Arbeit noch näher erläutert. Der Sozialkonstruktivismus kann Lindemann zufolge so die Stabilität der Reproduktion der Geschlechterdifferenz nicht ausreichend erklären, da hierzu ihrer Meinung nach erst die Klärung der Frage nach der „leiblich-affektive[n] Bindung der Individuen an ihr Geschlecht“ (ebd.: 187) nötig ist. Demnach sind der Konstruktion von Geschlecht Grenzen gesetzt und die vom Sozialkonstruktivismus postulierte Kontingenz des Geschlechts ist durch die leibliche Verinnerlichung sozialer Strukturen eingeschränkt. Ihre These lautet also: Menschen sind nicht nur ein Geschlecht für andere, indem sie es darstellen, sondern Menschen müssen sich zudem auch als Geschlecht spüren (vgl. ebd.: 186f.).
2.2.2 Die Verschränkung von Körper und Leib
Um den eben angesprochenen Zusammenhang zwischen eigenem leiblichen Spüren und sozial konstruiertem Körper näherzukommen, nimmt sich Lindemann die phänomenologische Leibesphilosophie von Plessner zu Hilfe. Plessner unterscheidet hier zentrische und exzentrische Positionalität. In der ersteren „erlebt man sich selbst als das unmittelbare Zentrum der Wahrnehmung“ (ebd.: 189). Man spürt also zunächst ohne Bezug auf etwas Äußeres, hat bspw. Bauchschmerzen. In der exzentrischen Positionalität dagegen empfindet man sich selbst relativ zur Umwelt, weiß also, um an das Beispiel anzuknüpfen, dass die Bauchschmerzen von zu viel Essen kommen. In dieser Position verortet sich der Körper als soziales Körperwissen, während der Leib „das subjektive Erleben dieses Wissens“ (ebd.: 190) in der zentrischen Positionalität meint. Der enge Zusammenhang zwischen sozialen Umständen und leiblichem Spüren wird hier besonders deutlich. Zusammenfassend hierzu ist also zu sagen, dass der Körper „zum Programm (wird), wie der körperliche Leib zu spüren ist“ (Lindemann 1993: 60).
Bezogen auf die Geschlechterdifferenz bedeutet dies, dass bestimmte Körperformen wie Penis, Vagina, Busen usw. strukturieren, wie der Leib geschlechtlich erlebt wird. Das soziale Körperwissen und somit auch das soziale Wissen um die Geschlechterdifferenz wird subjektiv erlebt, was über sog. ‚Leibesinseln’ geschieht, welche „bestimmte Stellen des Körpers [sind], die als geschlechtlich relevant empfunden werden“ (Villa 2001: 194), wie bspw. Brüste. Die sozial konstruierte Dichotomie des Geschlechts wird also verleiblicht und verinnerlicht, so dass es uns gar nicht anders möglich ist, als ein Geschlecht zu sein und zwar das Geschlecht, das der Körper bedeutet.
Diese Verschränkung von Körper und Leib wird Lindemann zufolge besonders bei der Sexualität deutlich, so dass sie das Begehren als einen zentralem Verknüpfungspunkt zwischen Körper und Leib ansetzt.
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- Manuela Pelzl (Autor), 2003, Eine phänomenologische Betrachtung der Berdache. Geschlecht als Konstruktion, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/82216
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