Jedes Rechtsgeschäft ist auf eine bestimmte Gegebenheit von tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnissen bezogen.1 Die Parteien haben
entweder konkrete Vorstellungen von den Umständen des Vertragsumfelds,
die wichtig für die weitere Vertragsabwicklung sind, oder sie sind
selbstredend davon ausgegangen, dass die vorherrschenden Verhältnisse
gleich bleiben werden, ohne sich darüber weitere Gedanken zu
machen. Ändern sich nun diese maßgeblichen Verhältnisse, oder entsprachen
sie von Anfang an gar nicht der Wirklichkeit, kann dem Vertrag
seine Grundlage entzogen werden, was etwa dazu führen kann,
dass der mit dem Vertrag verfolgte Zweck gar nicht oder nur noch mit
unverhältnismäßig hohem Aufwand erreicht werden kann. Dabei stellt
sich die Frage, wann es sinnvoll ist am Grundsatz der Vertragstreue
festzuhalten und wann bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Abgehen
vom Vertrag möglich sein soll. Hier setzt die Lehre von der Störung
der Geschäftsgrundlage an, die im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung
des Schuldrechts zum 01.01.2002 in § 313 BGB2 erstmals
rechtlich verankert wurde.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
A. Einführung
B. Das Institut der Geschäftsgrundlage
I. Historische Entwicklung
1. Clausula rebus sic stantibus
2. Entwicklung der Rechtssprechung des RG und BGH
II. Das neue gesetzliche Konzept
III. Der Begriff der Geschäftsgrundlage
1. Subjektive Geschäftsgrundlage
2. Objektive Geschäftsgrundlage
3. Große und kleine Geschäftsgrundlage
C. Anwendbarkeit
I. Anwendungsbereich
II. Verhältnis zu anderen Regelungen
1. Vertragsinhalt und -auslegung
2. Irrtumsanfechtung
3. Unmöglichkeit
4. Gewährleistungsrecht
5. Zweckverfehlungskondiktion
6. Kündigung aus wichtigem Grund
D. Voraussetzungen
I. Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 I BGB
1. Grundlage des Vertrags
2. Schwerwiegende Veränderung
3. Keine Risikozuweisung
4. Unzumutbarkeit
II. Fehlen der Geschäftsgrundlage, § 313 II
E. Fallgruppen
I. Äquivalenzstörungen
II. Leistungserschwerungen
III. Zweckstörungen
IV. Gemeinsamer Irrtum
1. Kalkulationsirrtum
2. Rechtsirrtum
3. Fehlvorstellungen über künftige Entwicklungen
V. Sonstige Anwendungsfälle
F. Rechtsfolgen
I. Anspruch auf Anpassung des Vertrags
II. Rücktrittsrecht oder Kündigungsrecht
G. Schlussbetrachtung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Literaturverzeichnis
1. Kommentare
Bassenge/Brudermüller/Diederichsen/Edenhofer/Heinrichs/Heldrich/Putzo/Sprau
Palandt- Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
63. Auflage
Beck Verlag, München 2004
[zitiert: Palandt/Bearbeiter].
Schulze/Dörner/Ebert/Eckert/Hoeren/Kemper/Saenger/Schulte-Nölke/Staudinger
BGB - Bürgerliches Gesetzbuch Handkommentar
3. Auflage
Nomos Verlag, Baden- Baden 2003
[zitiert: Hk-BGB/Bearbeiter].
Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
Band 2 (§§ 241-432), 4. Auflage
Beck Verlag, München 2003
[zitiert: MüKo/Bearbeiter].
2. Lehrbücher
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Monographien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4. Aufsätze
Dauner- Lieb, Barbara, Kodifikation von Richterrecht, in:
Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001
Seite 305 - 328
[zitiert: Dauner- Lieb, Richterrecht].
Peer, Gundula Maria, Die Rechtsfolgen von Störungen der Geschäftsgrundlage, in:
Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 2001
Seite 61 – 83
[zitiert: Peer, Jb.J.ZivRWiss. 2001].
5. Gesetzesmaterialien
Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode
Bundestags– Drucksache 14/6040
„Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“
[zitiert: BT-Drucksache].
A. Einführung
Jedes Rechtsgeschäft ist auf eine bestimmte Gegebenheit von tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen bezogen.[1] Die Parteien haben entweder konkrete Vorstellungen von den Umständen des Vertragsumfelds, die wichtig für die weitere Vertragsabwicklung sind, oder sie sind selbstredend davon ausgegangen, dass die vorherrschenden Verhältnisse gleich bleiben werden, ohne sich darüber weitere Gedanken zu machen. Ändern sich nun diese maßgeblichen Verhältnisse, oder entsprachen sie von Anfang an gar nicht der Wirklichkeit, kann dem Vertrag seine Grundlage entzogen werden, was etwa dazu führen kann, dass der mit dem Vertrag verfolgte Zweck gar nicht oder nur noch mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erreicht werden kann. Dabei stellt sich die Frage, wann es sinnvoll ist am Grundsatz der Vertragstreue festzuhalten und wann bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Abgehen vom Vertrag möglich sein soll. Hier setzt die Lehre von der Störung der Geschäftsgrundlage an, die im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zum 01.01.2002 in § 313 BGB[2] erstmals rechtlich verankert wurde.
Zielsetzung dieser Arbeit soll es sein, einen Überblick über die Regelung zu geben. Dabei sollen zunächst Entwicklung, Zweck und Bestrebungen der Vorschrift dargestellt und mögliche Änderungen zwischen dem bisherigen und dem „neuen“ Recht aufgezeigt werden. Im Rahmen der Anwendbarkeitsprüfung wird eine Abgrenzung zu konkurrierenden Rechtsinstituten vorgenommen, um anschließend die in § 313 relativ unbestimmt gehaltenen[3] Tatbestandsvoraussetzungen zu erläutern. Weiterhin soll ein Einblick in die von der bisherigen Rechtssprechung und Literatur anerkannten Fallgruppen die verschiedenen Anwendungsbereiche der Lehre von der Geschäftsgrundlage verdeutlichen. Schließlich sind noch die Rechtsfolgen auszuführen, die sich aus einer gestörten Geschäftsgrundlage ergeben können.
B. Das Institut der Geschäftsgrundlage
Im Rahmen dieses Abschnittes soll ein Überblick über die Entwicklung der Regelung von dessen historischer Entstehung über die Rechtssprechung des RG und BGH, bis hin zum neuen gesetzlichen Konzept des § 313 gegeben werden.
I. Historische Entwicklung
1. Clausula rebus sic stantibus
Die älteste Wurzel der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage bildet das Institut der clausula rebus sic stantibus[4], („Vorbehalt gleichbleibender Verhältnisse“[5] ) das bereits im frühen Gemeinen Recht entwickelt wurde und anerkannt war. Dieses besagt, „daß der Fortbestand eines jeden Vertragsverhältnisses seinem Sinne nach von der Fortdauer derjenigen Verhältnisse abhängig ist, die bei seinem Abschluß bestanden und sinngemäß vorausgesetzt wurden, und deren Änderung für die Vertragsparteien nicht vorhersehbar war.“[6] Danach enthält jeder Vertrag auch ohne besondere Vereinbarung eine Klausel, die die vertragliche Bindung entfallen lässt, wenn sich die bei Vertragsschluss vorliegenden Verhältnisse grundlegend ändern.[7]
Zunächst als Generalklausel verstanden, wurde die Lehre von der „clausula“ später zunehmend eingeschränkt: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts führte die verstärkte Besinnung auf den Wert der Vertragstreue („pacta sunt servanda“) dazu, dass sie mehrheitlich abgelehnt wurde, und weil man durch sie das Vertrauen in den Bestand vertraglicher Verpflichtungen gefährdet sah, wurde sie in der Folge ganz aufgegeben.[8]
Angesichts dieser Entwicklungen entschlossen sich die Verfasser des BGB gegen eine allgemeine Aufnahme in das Gesetz und übernahmen den Grundgedanken der Lehre nur für einige Einzelausprägungen (vgl. §§ 321, 490, 519, 528, 530, 605, 775 I).[9]
Unberücksichtigt blieb auch die von Windscheid entwickelte Lehre von den Voraussetzungen, nach der jedem Vertrag die Bedingung zugrunde liegen sollte, dass sich die bei Vertragsschluss vorausgesetzten Verhältnisse nicht ändern.[10] Sie beachtet die Interessen des Vertragspartners allerdings nicht ausreichend und untergräbt auf diese Weise wiederum das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Beständigkeit von Rechtsgeschäften.[11] Die „clausula rebus sic stanibus“ stellt deshalb im Bürgerlichen Gesetzbuch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar.[12]
2. Entwicklung der Rechtssprechung des RG und BGH
Als 1. Weltkrieg, Revolution und vor allem die inflationsbedingte Geldentwertung eine Vielzahl von Schuldverhältnissen erschütterten, musste die Rechtssprechung korrigierend eingreifen. Um unzumutbare Härten für die einzelnen Vertragsparteien zu vermeiden, räumte das Reichsgericht ein Recht auf Änderung oder Aufhebung des Vertrags ein. Zur Begründung griff das Gericht zunächst noch auf die „clausula rebus sic stantibus“ zurück[13], wobei maßgebend allein die nachträgliche Veränderung der Verhältnisse war, unabhängig davon, ob die Parteien diese Veränderung vorausgesehen hatten oder nicht.[14]
Im Jahre 1922 verwendete das Reichsgericht erstmals die Geschäftsgrundlage als den entscheidenden Gesichtspunkt für die Berücksichtigung grundlegend veränderter Umstände bei der Erfüllung von Schuldverträgen.[15] Der Begriff geht auf Oertmann zurück, der 1921 in seinem Werk zur Geschäftsgrundlage[16] eine Formulierung fand, die vom Reichsgericht übernommen und später zu ständiger Rechtssprechung ausgebaut wurde.[17] Als Rechtsgrundlage für diese Lehre wurde im Verlauf der weiteren Rechtsentwicklung der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) herangezogen.[18]
Geschäftsgrundlage ist nach Oertmanns Formel „die beim Geschäftsabschluß zutage getretene und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Sein oder vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille sich aufbaut“[19]. Ähnlich der Lehre Windscheids von den Voraussetzungen knüpfte Oertmann damit am subjektiven Ausgangspunkt an, indem er unter Geschäftsgrundlage eine Vorstellung verstand, die für den Willensentschluss einer Partei bestimmend ist.[20] Im Gegensatz zur „clausula“- Lehre umfasst die Geschäftsgrundlage nach Oertmann auch die Vorstellung von Verhältnissen, die der Vergangenheit angehören, sowie die Vorstellung vom künftigen Eintritt noch nicht vorhandener Umstände.[21] Diese Grundsätze wurden vom Reichsgericht primär zur Lösung von Fällen herangezogen, in denen das Äquivalenzverhältnis der Leistungen inflationsbedingt gestört worden war.[22]
[...]
[1] Larenz, Schuldrecht I, S. 321.
[2] §§ ohne nähere Kennzeichnung sind im Folgenden die des Bürgerlichen Gesetzbuches.
[3] Emmerich, Leistungsstörungen, S. 412.
[4] Zur Worterklärung des Begriffs der „clausula“ siehe Köbler, Die „clausula“, S. 1-6.
[5] Zur Übersetzung siehe Larenz, Schuldrecht I, S. 321.
[6] Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 11.
[7] Köbler, Die „clausula“, S. 27 f.
[8] Köbler, Die „clausula“, S. 30-71, grundlegend ist das 1. Branntweinsteuer- Urteil des RG,
RGZ 21, S. 178, 180.
[9] MüKo/Roth, § 313 Rn 42.
[10] Windscheid/Kipp, Pandektenrecht I, §§ 97ff. zitiert bei: Emmerich, Leistungsstörungen,
S. 405. Dieses Buch war mir leider nicht zugänglich.
[11] Wollny, Geschäftsgrundlage, S.76 f.
[12] Palandt/Heinrichs, § 313 Rn 22 mwN.
[13] RGZ 100, S. 129, 130.
[14] Emmerich, Leistungsstörungen, S. 406.
[15] RG vom 03.02.1922 - RGZ 103, S. 328, 332 f. – „Vigogne-Spinnerei“.
[16] Oertmann, Die Geschäftsgrundlage – Ein neuer Rechtsbegriff, 1921.
[17] Emmerich, Leistungsstörungen, S. 406 f. mwN.
[18] Larenz, Schuldrecht I, S. 322.
[19] Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 37.
[20] Quass, Nutzungsstörung, S. 61; Larenz, Geschäftsgrundlage, S. 7.
[21] Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 46.
[22] Hammer, Frustration of contract, S. 51 mwN.
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