Warum kollabieren demokratische Staaten? Was sind Gründe für ihren Zerfall, beziehungsweise ihre Stabilität? Gibt es eventuell bestimmte Elemente, Schlüsselmechanismen oder Strukturen, welche Aufgrund gewisser Ausprägungen den „democratic collapse“ herbei führen? Und könnte man bei der Kenntnis solcher Effekte durch statistische Analysen den „worst-case“ schätzen oder vorhersagen? Diese und ähnliche Fragen stehen im Kontext des Artikels: „Why democracies collapse: The reasons for democratic failure and success“, von Abraham Diskin, Hanna Diskin und Reuven Y. Hazan, veröffentlicht im Jahr 2005 in der „International Political Science Review“, welcher auf den folgenden Seiten analysiert und erörtert wird.
Inhalt
Einleitung
1 Variablen zur Messung demokratischer (In)Stabilität institutionell – gesellschaftlich - verbindend - extern
2 Methode – Durchführung – Ergebnisse kodieren – berechnen – interpretieren
3 Fazit
4 Literatur
Anhang
Einleitung
Warum kollabieren demokratische Staaten? Was sind Gründe für ihren Zerfall, beziehungsweise ihre Stabilität? Gibt es eventuell bestimmte Elemente, Schlüsselmechanismen oder Strukturen, welche Aufgrund gewisser Ausprägungen den „democratic collapse“ herbei führen? Und könnte man bei der Kenntnis solcher Effekte durch statistische Analysen den „worst-case“ schätzen oder vorhersagen? Diese und ähnliche Fragen stehen im Kontext des Artikels: „Why democracies collapse: The reasons for democratic failure and success“, von Abraham Diskin, Hanna Diskin und Reuven Y. Hazan, veröffentlicht im Jahr 2005 in der „International Political Science Review“.[1]
Alle drei Autoren sind am Institut für politische Wissenschaften der Universität Jerusalem tätig und beschäftigen sich primär mit vergleichenden politischen Studien, Wahlsystemen, Wahlverhalten, israelischer Politik und Spieltheorie.[2] Ihr Forschungsprojekt: „Democratic stability and consolidation of democracy“[3], dient hierbei als Rahmen für den eben genannten Aufsatz, welcher auf den folgenden Seiten vorgestellt werden soll. Zum Aufbau und zur Gliederung ist insofern anzumerken, dass sich diese Hausarbeit streng an dem erwähnten Text orientiert, um ein Verständnis im Sinne Diskins zu gewährleisten. Des Weiteren wird bei dem Verweis auf die Autoren nur Abraham Diskin in Stellvertretung für Hanna Diskin und Reuven Y. Hazan genannt. Die Tabellen und Diagramme im Anhang dienen der Illustration des Geschriebenen, sodass im Verlauf gelegentlich auf sie verwiesen wird. Die gesamte Arbeit wird in zwei Hauptteile gegliedert, wobei der erste Teil sich mit Variablen auseinander setzt, welche Diskin für seine Analyse als relevant betrachtet. Im zweiten Abschnitt werden die Arten und Möglichkeiten der Berechnung vorgestellt, sowie Ergebnisse präsentiert. Das Fazit fasst das Erörterte zusammen und gibt ein Resümee.
Bevor ich in den Hauptteil überleite, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass dieser Forschungsansatz den Anspruch erhebt, bisher durchgeführte, ähnliche Studien kritisch in den Schatten zu stellen. Diskin argumentiert: „There are a number of comparative and empirical studies centered on democratic stability. Most have focused on either the socioeconomic or the politico-institutional tradition, but usually not on both.”[4] Dieser Forderung, einer Synthese zweier bisher getrennter Forschungsansätze, möchten die Autoren nun gerecht werden, um interdiziplinäre, verlässliche Ergebnisse zu erzeugen. Sie behaupten: „A new theory on democratic stability and consolidation of democracy is developed. Some of the findings challenge prominent previous perceptions. “[5]
1 Variablen zur Messung demokratischer (In)Stabilität
institutionell – gesellschaftlich - verbindend - extern
11 Variablen verbindet Diskin mit demokratischer Stabilität. Diese Kategorien verteilt er auf vier Gruppen, welche er „institutionell“, „gesellschaftlich“, „verbindend“, sowie „extern“ nennt, und testet sie an 30 Fällen demokratischen Zerfalls und an 32 Beispielen für demokratische Stabilität.[6]
Institutionelle Variablen sind Föderalismus, Präsidentalismus, Proportionalität und konstituelle Schwäche. Er meint: „The first group is made up of institutional variables, and addresses elements ranging from the type of regime to the concentration of powers within it.”[7] Mann erkennt sehr deutlich den makropolitischen Hintergrund, welchen dieser Variablenblock erfüllen soll. Es ist noch wichtig anzumerken, dass jede der 11 Variablen eine positive und eine negative Ausprägung besitz. Je nachdem wie die Variable in dem jeweiligen Fall ausgebildet ist, trägt sie auf ihre Art und Weise zu demokratischer Stabilität beziehungsweise demokratischem Kollaps bei.[8] Für die erste Variable „Föderalismus“ würde somit die These lauten: „Föderale Staaten sind eher dazu geneigt demokratisch zusammen zu brechen als einheitliche Staaten.“[9] Er meint, dass die Einführung von Föderalismus zu Kämpfen peripher der Mitte führen kann, und so Demokratie untergraben wird. Als Beispiel nennt er den Amerikanischen Bürgerkrieg.[10] Er untermauert seine Annahme mit Hadenius, welcher in einer umgekehrten Art und Weise behauptet, dass es keine signifikante, quantitative Beziehung zwischen Föderalismus und der „Haltbarkeit“ von Demokratien in entwickelten Ländern gibt.[11] Präsidentalismus untersucht Diskin mit Hilfe von Juan Linz. Er erkennt bei dieser Variable eine Starrheit, eine mangelnde Kompromissfähigkeit, Nullsummenwahl und doppelte Legitimität als Gefahr für demokratische Stabilität.[12] Kritiker dieser Ansichten sind unter anderem Horowitz und Przeworskis, auf welche Diskin verweist, jedoch nicht näher auf deren Theorien eingeht. Im Kontext des zu untersuchenden Gegenstandes lautet demnach die These wie folgt: „We hypothesize that presidential or semi-presidential regimes are more prone to democratic collapse than parliamentary ones.“[13] Proportionalität beschäftigt sich mit dem polischen Wahlsystem. Dabei zielt die Argumentation auf die gängige Unterteilung zwischen Verhältniswahl und Mehrheitswahl. Der Unterschied liegt darin, dass bei einer Mehrheitswahl die Wahl zu einer parlamentarischen Regierungsmehrheit einer Partei oder eines Parteienbündnisses führen soll (Kanada). Bei der Verhältniswahl sollen die bestehenden sozialen und politischen Kräfte und Gruppen in der Bevölkerung weitgehend im Parlament widergespiegelt werden (Niederlande[14]).[15] Abraham Diskin ist sich bei dieser Variable nicht ganz sicher. Er meint, dass einerseits hohe Proportionalität zu einer Zersplitterung des Parteiensystems führt, allerdings andererseits somit eine erweiterte Repräsentativität gewährleistet sein würde, welche Konflikte außerhalb des Systems reduziert, da diese nun im Parlament ausgetragen werden könnten.[16] Die Auswirkung dieser Variable auf demokratische Stabilität gilt es demnach bei den weiterführenden statistischen Analysen genauer zu beobachten.[17] Konstitutionelle Schwäche ist die letzte Variable in diesem Block. Jene beschäftigt sich mit dem normativen Rahmen eines demokratischen Staates. Ist dieser schwach ausgeprägt, das heißt, besitzt jener eine starke Verfassung wie zum Beispiel die USA seit 1787[18], welche sich seit jeher kaum geändert hat, ist diese Demokratie weniger dazu geneigt demokratisch zu kollabieren, als ein Staat wie Israel, der zwar seit 1948 unabhängig ist, allerdings kein geschriebenes Verfassungsdokument verabschiedet hat[19], so Diskin.[20] Ein solcher fehlender normativer Rahmen, könnte sich somit in Zeiten der Krise als negativ auswirken.
Die zweite große Gruppe beschäftigt sich mit gesellschaftlichen Hintergrundvariablen. Diese erstrecken sich von sozialen Konfliktlinien (Cleavages) bis hin zu „Bads“ in Wirtschaft und Geschichte.[21] Diskin verweist im Kontext gesellschaftlicher Konfliktlinien auf Lipset, welcher der Ansicht ist, dass zum Beispiel cross-cutting-cleavages für mehr stabile Demokratien sorgen.[22] In seinem Ansatz mit Stein Rokkan charakterisiert er beispielsweise das Parteiensystem als Produkt sozialer Konflikte und verdeutlicht somit dessen Wert für demokratische Regime.[23] Diskin bestreitet diesen Sachverhalt nicht, sondern erläutert, dass er in seinem Ansatz nicht jene Konfliktlinien untersuchen möchte, welche zu einer demokratischen Blüte beitragen, sondern solche, die einen Einfluss auf den Zusammenbruch von Demokratien haben. Mit Blick auf Schweden und den Libanon argumentiert er: „Countries with deep or parallel social cleavages, or both, are more prone to democratic collapse than those with low or cross-cutting cleavages, or both.“[24] Ähnlich verhält es sich bei einer so genannten störenden Ökonomie, welche die zweite Variable in diesem Block ist. Länder mit schwachen oder instabilen Ökonomien sind demnach anfälliger für den Kollaps, als jene mit einem guten Wachstum und niedriger Inflation.[25] Mit Przeworskis Worten meint er sogar, das ein gewisser Reichtum einer Nation zu demokratischer Stabilität führen würde und diese ein demokratisches Regime wahrscheinlicher unterstützt.[26] „Unfavorable history“ ist eine sehr komplexe Variable. Sie bildet die dritte Kategorie in dem Block gesellschaftlicher Hintergrundvariablen und umschließt den Umfang der demokratischen Kultur eines Systems. Die politische Entwicklung, der Grad der Entfaltung der Zivilgesellschaft sowie eine demokratische Vergangenheit sind von besonderer Relevanz. Staaten wie die Schweiz, welche seit 1848 stabil demokratisch organisiert ist[27], sind demnach weniger dazu geneigt zu zerfallen, als Regime wie Peru[28] oder die Türkei, welche eine undemokratische Geschichte, beziehungsweise einen gemischten historischen Hintergrund vorweisen.[29]
[...]
[1] Diskin, A. et al.: Why Democracies Collapse, The Reasons for Democratic Failure and Success, in: International Political Science Review 26, 2005, S. 291-309.
[2] http://www.huji.ac.il/cgi-bin/mm/new/data/ihoker/MOP-STAFF_LINK?sno=243287&Save_t= ,download am 26.03.07 um 10:33.
[3] Ebenda.
[4] Diskin 2005, S. 291.
[5] http://www.huji.ac.il/cgi-bin/mm/new/data/ihoker/MOP-PROJ_LINK?itz_hfix=n&project_id=+++++4619&Save_t= , download am 26.03.07 um 15:06.
[6] Siehe Anhang: Tabelle 1 und 7.
[7] Diskin 2005, S. 292.
[8] Anmerkung des Verfassers.
[9] Übersetzt aus: Diskin 2005, S. 292.
[10] Ebenda.
[11] Diskin verweist auf: Hadenius, Axel: The Duration of Democracy, Institutional vs. Socio-economic Factors, in: Beetham, David (Hrsg.): Defining and Measuring Democracy, London 1994, (ohne Seitenangabe).
[12] Diskin verweist auf: Linz, Juan J.: Presidential or Parliamentary Democracy, Does It Make A Difference? , in: Linz, Juan J.; Valenzuela, Arturo (Hg.): The Failure of Democratic Regimes, Baltimore 1994, (ohne Seitenangabe).
[13] Diskin 2005, S. 292.
[14] Siehe Anhang: Diagramm 1.
[15] Anderson, Uwe; Woyke, Wichard (Hg.): Handbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 4. überarbeitete Auflage, Opladen 2000, S. 655.
[16] Diskin 2005, S. 293.
[17] Siehe Kapitel 2.
[18] Roberts, John M.: Das Moderne Europa und die Welt, Vom Zeitalter der Revolutionen bis zur globalen Ära, Bd. 3, Deutsche Erstausgabe, München 2001, S. 86.
[19] http://www.hagalil.com/israel/verfassung/verfassung.htm , download am 27.03.07 um 16:09.
[20] Diskin 2005, S. 292.
[21] Formulierung des Verfassers.
[22] Diskin verweist auf: Lipset, S.M.: The Social Requisites of Democracy Revisited, in: American Sociology Review 59, 1994, S. 1-22.
[23] http://politik.euv-ffo.de/ws0607/Der%20Cleavage-%20Ansatz%20PP%20END.ppt#259,4,Der Cleavage-Ansatz von Lipset/Rokkan , download am 27.03. um 17:31.
[24] Diskin 2005, S. 293.
[25] Ebenda.
[26] Diskin verweist auf: Przeworski, A.; Alvarez, M.; Cheibub, J.A.; Limongi, F. (Hg.): Democracy and Development, Political Institutes and Well-Being in the World 1950-1990, Cambridge 2000, (ohne Seitenangabe).
[27] http://demokratie.geschichte-schweiz.ch/direkte-demokratie-schweiz.html , download am 27.03.07 um 18:25.
[28] http://209.85.135.104/search?q=cache:gzoJtyk4lCQJ:www.lateinamerica.de/pgeschichte/geschichteperu.htm+Geschichte+Peru&hl=de&ct=clnk&cd=3 , download am 27.03.07 um 18:38.
[29] Diskin 2005, S. 294.
- Arbeit zitieren
- Erik Buder (Autor:in), 2007, Demokratische (In)Stabilität messen - A. Diskin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73147
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