Beschäftigt man sich mit dem Thema Kinderarmut in der Bundesrepublik Deutschland, so wird deutlich, dass es sich dabei längst um keine Einzelerscheinung mehr handelt.
Tatsächlich sieht es so aus, dass gerade Kinder in unserer Gesellschaft, aus unterschiedlichen Beweggründen, in Armut leben, womit nicht nur materielle Einschränkungen gemeint sind. Die Auswirkungen der Armut sind mehrdimensional, wie wir in der folgenden Arbeit darlegen werden.
Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen in welchem Ausmaß Kinder und Jugendliche von Armut betroffen sind, welche ursächlichen Faktoren dieser Armut vorausgehen, welche Gruppen besonders armutsgefährdet sind und schließlich auch, wie die Folgen für die Betroffenen aussehen. Dazu liegen uns der Düsseldorfer Armutsbericht (1998) und der Sozialbericht der AWO „Gute Kindheit – schlechte Kindheit“ (2000)vor.
Weiterhin werden wir aufzeigen welche Faktoren für das „Wohlergehen“ des Kindes maßgebend sind und wie eine Basisfürsorge vernachlässigter Kinder und Jugendlicher aussehen könnte. Des weiteren sollen Strategien vorgestellt werden, die zu einer Verbesserung und Sicherung der Lebensgrundlagen von Kindern und Jugendlichen beitragen könnten.
INHALTSVERZEICHNIS
1. DIE AUSLEGUNGS-/ DEFINITIONSPROBLEMATIK DES BEGRIFFS „ARMUT“
1.1. Absolute Armut
1.2. Relative Armut
1.3. Das Ressourcenkonzept
1.3.1. Bekämpfte Armut
1.3.2. Verdeckte Armut
1.4. Der Lebenslagenansatz
1.5. Neue Armut
2. ARMUTSFORSCHUNG/FORSCHUNGSDEFIZITE
3. SPEZIFISCHE RISIKOGRUPPEN FÜR ARMUT
3.1. Kinderreiche Familien/ Familien mit Kindern
3.2. Alleinerziehende
3.3. Familien mit Arbeitslosigkeit des Ernährers/ Ernährerin
3.4. Ausländische Familien
4. URSÄCHLICHE FAKTOREN/ FAKTOREN, DIE DAZU BEITRAGEN ARMUT ZU VERFESTIGEN
5. KRITERIEN DER BASISFÜRSORGE VERNACHLÄSSIGTER KINDER
6. AUSWIRKUNG VON ARMUT AUF DIE ENTWICKLUNG VON KINDERN UND JUGENDLICHEN
6.1. „Bildungsbenachteiligung“
6.2. „Seelische/emotionale/psychische Armut“
6.3. „Geistige/ kulturelle Armut“
6.4. „Gesundheitliche Armut“
7. EMPOWERMENT IN DER SOZIALEN ARBEIT
7.1.Definition
7.2.Wurzeln des Empowerment
7.3. Individualisierung und Empowerment
7.4. Klientenbilder im Wandel
7.4.1. Der Verlust von Lebensregie und erlernter Hilflosigkeit
7.4.2. Defizitblickwinkel
7.4.3. Rezepte gegen erlernte Hilflosigkeit
7.5. Werkzeuge der Praxis des Empowerment
7.5.1. Das Arrangieren von Ressourcen
8. STRATEGIEN ZUR ARMUTSBEKÄMPFUNG
8.1. Strukturelle/ sozialpolitische Maßnahmen
8.1.1. Bildungspolitik
8.1.2. Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik
8.1.3. Wohnungsmarktpolitik
8.2. Handlungsorientierte/ sozialpädagogische Maßnahmen (Notwendigkeit der Vernetzung sozialer Handlungsfelder)
8.2.1. Soziale Arbeit und ihre Möglichkeiten
8.2.2. Entwicklung von Basisfürsorgekriterien
8.2.3. Jugendhilfe
8.2.4. Sozialhilfe
8.2.5. Medizin und Gesundheitswesen
EINFÜHRUNG
Beschäftigt man sich mit dem Thema Kinderarmut in der Bundesrepublik Deutschland, so wird deutlich, dass es sich dabei längst um keine Einzelerscheinung mehr handelt.
Tatsächlich sieht es so aus, dass gerade Kinder in unserer Gesellschaft, aus unterschiedlichen Beweggründen, in Armut leben, womit nicht nur materielle Einschränkungen gemeint sind. Die Auswirkungen der Armut sind mehrdimensional, wie wir in der folgenden Arbeit darlegen werden.
Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen in welchem Ausmaß Kinder und Jugendliche von Armut betroffen sind, welche ursächlichen Faktoren dieser Armut vorausgehen, welche Gruppen besonders armutsgefährdet sind und schließlich auch, wie die Folgen für die Betroffenen aussehen. Dazu liegen uns der Düsseldorfer Armutsbericht (1998) und der Sozialbericht der AWO „Gute Kindheit – schlechte Kindheit“ (2000)vor.
Weiterhin werden wir aufzeigen welche Faktoren für das „Wohlergehen“ des Kindes maßgebend sind und wie eine Basisfürsorge vernachlässigter Kinder und Jugendlicher aussehen könnte. Des weiteren sollen Strategien vorgestellt werden, die zu einer Verbesserung und Sicherung der Lebensgrundlagen von Kindern und Jugendlichen beitragen könnten.
1. DIE AUSLEGUNGS-/ DEFINITIONSPROBLEMATIK DES BEGRIFFS „ARMUT
Es existiert kein allgemein anerkannter Armutsbegriff. Unterschiedliche Menschen und Institutionen definieren „Armut“ auf verschiedene Weise. „Wo Armut beginnt, wird entweder durch eine gesellschaftliche oder wissenschaftliche Konvention oder durch eine politische Entscheidung festgelegt. Jeder einzelne Bürger kann jedoch aufgrund seiner eigenen, religiös oder philosophisch begründeten Werteüberzeugung zu einer hiervon abweichenden Werteüberzeugung kommen [Müller, Siegfried; Otto, Ulrich, 1997, S. 31].
1.1. Absolute Armut
Mit dem Begriff „absolute Armut“ ist ein Leben unter dem physischen Existenzminimum gemeint, wie es in der Bundesrepublik Deutschland praktisch nicht vorzufinden ist. Ein dauerhaftes Überleben ist nicht möglich, da Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Obdach- und Gesundheitspflege nicht zu befriedigen sind. Dieses Ausmaß an Armut wird auch als „extreme Armut“ bezeichnet.
(vgl. Mansel, Jürgen; S. 277)
1.2. Relative Armut
Eine relative Armut liegt oberhalb des physischen Existenzminimums und ist nicht mit Armut in anderen, z. B. „Dritte Welt- Ländern“, zu vergleichen. Relativ zu anderen Ländern liegt in der Bundesrepublik Deutschland keine Armut vor. Zur Bestimmung dieses Armutstyps wird eine relative Armutsgrenze festgelegt. Danach wird auf die relativ bezogene Einkommensarmut eine Einkommensgrenze festgelegt. So werden „alle Haushalte, die unter der 50% Schwelle liegen und damit die Einkommensschwelle unterschreiten als „in Armut lebende“ bezeichnet. Die Haushalte, die knapp darüber liegen, z. B. 60%, leben in einem sogenannten „prekären Wohlstand“, der leicht zur Armut hin kippen kann. Alles was über 65% liegt wird bereits als gesicherter Wohlstand bezeichnet“ [Mansel, Jürgen; Neubauer, Georg, 1990, S. 119].
1.3. Das Ressourcenkonzept
Einen Schwerpunkt der Armutsforschung in der Bundesrepublik bildet die Diskussion um eine geeignete Definition von Armut und die Festlegung einer Armutsgrenze. Da Armut schwer zu messen ist, gibt es verschiedene Ansätze zur Armutsforschung, die ganz unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen.
(vgl. Schaubild auf der folgenden S.)
Armutsforschung unterscheidet zwei Gruppen von Armut, der bekämpften- und der verdeckten Armut.
1.3.1. Bekämpfte Armut
Aus Sicht der Regierung gibt die Sozialhilfe einen Überblick über die bekämpfte Armut. Mit diesem Begriff soll betont werden, dass „Menschen, die Leistungen der Sozialhilfe beziehen nicht mehr als arm zu bezeichnen sind. Die Leistungen der Sozialhilfe definieren normativ die amtliche Armutsgrenze“ [Adamy, Wilhelm; Steffen, Johannes, 1998, S. 8].
Der Sozialhilfesatz berücksichtigt das Existenzminimum und ist jedem ohne Kürzungen gewährt ( vgl. z. B. das Urteil des BVerfG vom 25.09.1992 zur Steuerfreistellung des Existenzminimums)
1.3.2.Verdeckte Armut
Unter dem Begriff „verdeckte Armut“ werden „jene Personen und Haushalte erfasst, die Rechtsansprüche auf Sozialhilfe haben, diese jedoch aus verschiedenen Gründen nicht in Anspruch nehmen“ [Döring, Dieter; Hanesch, Walter, 1990, S. 116].
Gründe für dieses Verhalten können Unwissenheit, Scham, Stolz oder Furcht vor dem Rückgriff auf Eltern oder Kinder zur Kostenerstattung, oder die Angst vor der Stigmatisierung in der Öffentlichkeit sein. “Schätzungen verdeckter Phänomene sind naturgemäß schwierig und mit Unsicherheiten behaftet. Aber die Größenordnungen der verdeckten Armut sind durch verschiedene, unabhängig voneinander angestellte Schätzungen ermittelt worden: Auf zwei Sozialhilfeempfänger treffen nochmals ein bis zwei Personen, die ihren Sozialhilfeanspruch nicht geltend machen.
(vgl. Hauser, R.; Hübinger W., 1993, S. 54)
1.4. Der Lebenslagenansatz
Eine andere Möglichkeit stellt der Lebenslagenansatz dar, der nicht nach den verfügbaren Ressourcen fragt, sondern nach der tatsächlichen Versorgungslage von Personen, Haushalten oder sozialen Gruppen in zentralen Lebensbereichen.
Armut bezeichnet in diesem Zusammenhang die Unterversorgung in einer oder mehreren Dimensionen der Lebenslage.
Im Rahmen der AWO (Sozialbericht 2000) wurde mit Hilfe des Frankfurter Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) eine Studie mit über 70 Fachkräften verschiedener Einrichtungen aus dem Bereich Kinder-, Jugend-, und Familienhilfe der AWO durchgeführt (1997-2000). Dabei wurden konkret folgende Fragen gestellt:
a) Was ist unter Armut zu verstehen?
b) Was kommt tatsächlich beim Kind an?
Es wurden folgende Dimensionen der Lebenslage des Kindes untersucht:
- Materielle Versorgung:
Grundversorgung, d.h. Wohnen, Nahrung, Kleidung; materielle Partizipationsmöglichkeiten
- Versorgung im kulturellen Bereich:
z. B. kognitive Entwicklung, sprachliche und kulturelle Kompetenzen, Bildung
- Situation im sozialen Bereich:
soziale Kontakte, soziale Kompetenzen
- Psychische und physische Lage:
Gesundheitszustand, körperliche Entwicklung
( vgl. Sozialbericht der AWO , Kapitel 4.2., S. 4; Siehe Abb. S. 5)
„Der Lebenslagenansatz scheint „doch am ehesten geeignet zu sein, materielle und imaterielle, ökonomische und psychosoziale Dimensionen des Armutproblems zu erfassen“ [Döring, Diether, 1990].
1.5. Neue Armut
Seit den 80. Jahren, bedingt durch die gesellschaftlichen Veränderungen, existiert der Begriff der „neuen Armut“. Besonders „Arbeitslose, Alleinerziehende und kinderreiche Familien, unabhängig von der Klassenzugehörigkeit, sind davon betroffen. Das Armutsrisiko ist bis in die Mittelschicht vorgedrungen“ [VENRO 2000].
„Armutslagen sind vor allem quantitativ breiter verteilt, zeitlich verschoben, unsystematischer lokalisierbar sowie individuell anders spürbar und wirksam als traditionelle Armut und Verelendung, die mit elementarer Unterversorgung, Krankheit und Elend (z. B. in Nachkriegsphasen), einherging“ [Bieback, Karl- J.; Milz, Helga, 1995, S.11/12].
Multidimensionales Konzept von Armut (Quelle: Sozialbericht der AWO 2000)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. ARMUTSFORSCHUNG
Die bisherige Armutsforschung hat „Kinderarmut“ bzw. die Problemlagen von Kindern und Jugendlichen, die in armen Familien aufwachsen, nur am Rande gestreift. Kinder und Jugendliche wurden als „Armutsrisiko“, als Mitbetroffene oder gar nicht thematisiert. Dass der Armut bei Kindern und Jugendlichen ein eigenes Gewicht zukommt, das wesentlich geprägt ist von den Verteilungsstrukturen innerhalb der Familien, den individuellen Potentialen der Eltern sowie den gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, blieb ebenso unbeachtet.
(vgl. Sozialbericht der AWO 2000)
Neumann sieht den Mangel der Armutsforschung unter anderen Aspekten:
- Mangelnde Berücksichtigung der Wohnkosteen bei den relativen Armutsgrenzen
- Unzureichende Erforschung der verdeckten Einkommensarmut
Die relative Einkommensarmut basiert auf dem Ressourcenansatz. Zu der zentralen Annahme gehört es, dass Güter für alle frei zugänglich und zu annähernd gleichen Preisen erwerbbar sind. Für Wohnraum trifft dies allerdings nicht zu. Die etablierte 50% Grenze der relativen Armut trägt der Verletzung dieser Annahme nicht Rechnung. In Untersuchungen sollte deshalb eine wohnkostenbereinigte Armutsgrenze angewandt werden.
(vgl. Neumann, 1999, S. 108)
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