Einleitung:
Zusammen mit „Der Fall Franza“ und „Requiem für Fanny Goldmann“ sollte „Malina“ nach dem Willen Ingeborg Bachmanns den Zyklus „Todesarten“ bilden. Im Jahre 1971 wurde der Roman „Malina“ als der einzige vollendete Teil dieses künstlerischen Werkes (und einziger Roman überhaupt) veröffentlicht. Auch 30 Jahre nach dem Tod der Autorin gibt es unzählige Lesarten und unterschiedlichste Interpretationen, das Buch lässt keine rein eindimensionale Betrachtung zu. Immer wieder stand und steht noch die Frage nach den möglichen biographischen Zusammenhängen im Vordergrund, welche zum einen ganz verworfen und zum anderen als elementar angesehen wird.
INHALTSVERZEICHNIS
1.0 Einleitung
1.1 Allgemeines
1.2 Begrenzungen und Thema der Arbeit
2.0 Der Roman Malina
2.1 Entstehung und Erscheinen des Romans/ Hintergründe
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund/ Einordnung
3.0 Die Rezeptionsgeschichte
3.1 Die Rezeption der 70er Jahre
3.2 Die Rezeption der 80er Jahre/ feministische Rezeption
3.3 Die Rezeption anlässlich der Verfilmung (90er Jahre)
4.0 Der autobiographische Aspekt
4.1 Der verstellte Blick auf Bachmanns Werk
4.2 Bachmanns Selbstinterpretation
4.3 Trennung von Werk und Autor
Resümee
Anhang
Anmerkungen
Bibliografie
Einleitung
1.1 Allgemeines
Zusammen mit „Der Fall Franza“ und „Requiem für Fanny Goldmann“ sollte „Malina“ nach dem Willen Ingeborg Bachmanns den Zyklus „Todesarten“ bilden. Im Jahre 1971 wurde der Roman „Malina“ als der einzige vollendete Teil dieses künstlerischen Werkes (und einziger Roman überhaupt) veröffentlicht. Auch 30 Jahre nach dem Tod der Autorin gibt es unzählige Lesarten und unterschiedlichste Interpretationen, das Buch lässt keine rein eindimensionale Betrachtung zu. Immer wieder stand und steht noch die Frage nach den möglichen biographischen Zusammenhängen im Vordergrund, welche zum einen ganz verworfen und zum anderen als elementar angesehen wird.
1.2 Begrenzungen und Thema der Arbeit
Obgleich die Rezeptionsgeschichte von "Malina" einen vergleichsweise kurzen Zeitraum umfasst, liegt bereits eine Fülle an Sekundärliteratur zu Bachmanns Werk vor.
Der Grund für die breitgestreute und intensive Auseinandersetzung mit dem Roman, sowohl in der Wissenschaft als auch in den Medien, liegt auch in den äußeren Umständen seiner Entstehung, auf die ich im weiteren Verlauf der Arbeit zu sprechen komme.
Die nähere Untersuchung der "Malina"- Rezeption lässt grundsätzliche Probleme beim Umgang mit Bachmanns Werk erkennen, Andrea Stoll sieht darin gar den "Schlüssel der Bachmann-Forschung"1.
Einen ausführlichen Gesamtüberblick der Rezeptionsgeschichte zu geben, würde den Rahmen hier jedoch sprengen. Deshalb möchte ich mich auf einen kurzen Abriss derselben beschränken, und dabei das Hauptaugenmerk auf die autobiographische Lesart richten.
Trotz der sukzessiven Etablierung verschiedenster Interpretationsansätze, vor allem begünstigt durch die feministische Rezeption seit Beginn der 80er Jahre, wurde und wird immer wieder die Frage nach der Legitimierung einer (rein) autobiographischen Lesart aufgeworfen.
Auch die Autorin selbst sah sich zu Lebzeiten oftmals mit der Reduktion ihrer Texte
auf biographische Fakten konfrontiert.
Trotz ihrer entschiedenen Haltung gegen die biographische Lesart, ist diese bis heute von entscheidender Präsenz in der Bachmann-Rezeption.
Nicht zuletzt geben bestimmte Parallelen zwischen der Welt in Malina und der "realen Welt" der Autorin zu einer autobiographischen Lesart Anlass. Zu diesem Aspekt des Romans lassen sich wiederum unterschiedliche Positionen feststellen und Fragen formulieren:
Welchen Zweck verfolgt die Autorin mit den teils detaillierten Übereinstimmungen?
Und welche Rolle spielen sie tatsächlich im Hinblick auf die Interpretation des Textes?
Auch hierauf werde ich eingehen.
Darüberhinaus soll die Autorin selbst zu Wort kommen, und ihr Topos der
"Geistigen Autobiographie" geklärt werden.
Zum Schluss soll das Problem zur Trennung von Werk und Autor, vor dem im
Seminar behandelten Text "Was ist ein Autor?", beleuchtet werden.
2.0 Der Roman Malina
2.1 Entstehung und Erscheinen des Romans/ Hintergründe
Nach diversen Aufenthalten in Italien siedelt Ingeborg Bachmann 1966 endgültig nach Rom über. Hier sucht sie die Einsamkeit, zieht sich auf ein fast einsiedlerisches, asketisches Leben zurück. "Denken ist solitär, Alleinsein ist eine gute Sache"2.
Bis zum ihrem Tode arbeitet sie trotz labiler Gesundheit intensiv am Todesarte n-Projekt.
von dem 1971 Malina als "Ouvertüre" erscheint und in dessen Kontext auch der 1972 veröffentlichte Erzählzyklus Simultan gehört.3
Der Suhrkamp Verlag lässt seit Februar 1971 Leseproben aus "Malina" in den Printmedien abdrucken.4 Das Medienecho ist enorm, binnen kürzester Zeit erscheinen zahlreiche Rezensionen. Das Fernsehen zeigt ein Interview unter dem Titel "Mit meiner verbrannten Hand" , ebenso werden Interviews in den Printmedien veröffentlicht.
"Malina avanciert im Jahr 1971 zu einem der dominanten Themen der Feuilletons und Kulturzeitschriften" schreibt Heidi Borhau, und führt hiezui ein Zitat an, dass "die Gründe für diese Präsenz [...] einleuchtend" beschreibt:
"Ingeborg Bachmann gilt zu dieser Zeit als lebende Klassikerin, 'die in hohem Maße die Signaturen des Anderen, des Abstands von der Welt, vom Erwartbaren und Normalen' verkörpert".5
Der Name Ingeborg Bachmann ist mit einem festgelegten Image und bestimmten Assoziationen verbunden, welche die Rezeption maßgeblich mit beeinflussen.
Darüber hinaus ist es der erste Roman einer bedeutenden Dichterin (Ingeborg Bachmann war vor allem durch ihre Lyrik bekannt geworden), die seit zehn Jahren nichts mehr veröffentlicht hat. Dies erklärt die enorme Spannung und Erwartungshaltung, die dem Werk entgegengebracht wurde.
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund/ Einordnung
"Malina" erscheint zu einer Zeit, in der sich eine Verschiebung der Werte in Allgemeinen, durch die Ausläufer der Achtundsechziger-Bewegung, wie auch im Speziellen, nämlich im kulturellen Bereich bemerkbar macht: Von der Politisierung zur Entpolitisierung. Hier liegt einer der Gründe für die kontroverse Diskussion um den Roman. Vorwürfe, Bachmann "drücke sich" um politische Themen werden laut, die Ausklammerung von Sexualität (wenige Jahre nach der Sexuellen Revolution) wird bemängelt .
In unterschiedlichen Verallgemeinerungsversuchen der Kritik, wo die Rede ist von "einer
neuen Romantik", einer "Hinwendung zur Innerlichkeit", lässt sich nach Borhau bereits die später als "Tendenzwende" bezeichnete Epoche der frühen 70er Jahre erahnen.6
"Entpolitisierung", "Neue Subjektivität", die "Politisierung des Privaten " sind hinlänglich bekannte Schlagworte dieser literaturgeschichtlichen Phase.
Eine differenziertere Situationsbetrachtung geben Prof. Dr. Helmuth Kiesel und Roman Luckscheiter vom Germanistischen Seminar in Heidelberg. Für sie ist
"[...]die sogenannte 'Tendenzwende', die sich zwischen 1972 und 1975 abzeichnete und die oft als 'Entpolitisierung' der Literatur beschrieben wurde, keine eigentliche Tendenzwende [...], sondern das Dominantwerden eines Literaturverständnisses, das schon vor 1968 [...] entwickelt worden war. Dieses Literaturverständnis trieb keinen Keil zwischen die Literatur und die Politik [...]. Im Gegenteil: Es ging davon aus und bestand darauf, daß Literatur auch dann politisch war und wirkte, wenn sie sich nicht um politische Theorien kümmerte [...] und nach einer nicht politisch vorgeprägten Artikulation suchte. Die Literatur gewann [...] an Bewegungsfreiheit, wurde thematisch [...] vielfältiger [...], insbesondere durch die Thematisierung spezifisch weiblicher Erfahrungen und durch die Zuwendung zum Alltag [...]. Alle Versuche, [...] poetische[s] Denken [...] in der Literatur unter [...] Etiketten wie "Entpolitisierung",[...] "Neue Subjektivität", "Romantischer Rückfall" und so weiter zu begreifen, können der Kontinuität und Vielschichtigkeit dieses Vorgangs nicht gerecht werden."7
In dieser Umbruchphase werden literarische Neuerscheinungen mit großer Aufmerksamkeit registriert.8 Diese wird gesteigert durch die Werbung des Verlags, der "Malina" als das literarische Ereignis 1971 präsentiert. Ferner findet eine Lesereise statt, die zwanzig Städte umfasst. Parallel gibt Bachmann zahlreiche Interviews, in denen sie sich auch zu interpretatorischen Fragen äußert, und bereits hier die autobiographische Lesart im üblichen Sinne ausdrücklich ablehnt.9
[...]
1 Andrea Stoll: Kontroverse und Polarisierung. S.149, In: Ingeborg Bachmanns >Malina<, hrsg. von Andrea Stoll, 1992.
2 zitiert nach Kurt Bartsch: Ingeborg Bachmann, S.177, 1997
3 vgl. Kurt Bartsch: Ingeborg Bachmann, S.177, 1997
4 vgl. Heidi Borhau: Ingeborg Bachmanns "Malina". Eine Provokation?. S.67, 1994
5 ebd. S.73
6 ebd.S.76
7 Prof. Dr. Helmuth Kiesel, Roman Luckscheiter: Literatur um 1968 – politischer Protest und postmoderner Impuls, 1998. Link: http://www.uni-heidelberg.de/uni/presse/RuCa2_98/kiesel.htm
8 ebd. S.74
9 vgl. Ingeborg Bachmann: Gespräche und Interviews, S.73, 1983
- Quote paper
- David Schaack (Author), 2004, Ingeborg Bachmann: Malina - Der autobiographische Aspekt im rezeptionsgeschichtlichen Kontext, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46208
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