Ziel dieser Arbeit ist es den so genannten Submissionsbetrug hinsichtlich seiner strafrechtlichen Relevanz zu untersuchen. Vorangestellt ist eine Darstellung über den Sinn und die Ausgestaltung von Ausschreibungsverfahren. Dem folgt eine Übersicht über mögliche Konstellationen von unlauterer Einflussnahme durch Absprachen im Rahmen eines Submissionsverfahrens.
Gegenstand der Untersuchung ist neben einer Einschlägigkeit des Betrugstatbestandes gem. § 263 StGB auch eine Strafbarkeit wegen Wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen gem. § 298 I StGB.
Gliederung
A. Einleitung
B. Sinn & Ausgestaltung einer Submission
C. Mögliche Fallkonstellationen
D. Strafrechtliche Beurteilung des Submissionsbetruges
I. Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 I
1. Objektiver Tatbestand
a. Täuschung
b. Irrtum
c. Verfügungsbedingter Vermögensschaden
aa. Der „angemessene Preis“ als Vergleichsmaßstab
bb. Verlust einer vermögenswerten Exspektanz der Vergabestelle
cc. Schadensgleiche Vermögensgefährdung
dd. Schadensfeststellung anhand des personalen Vermögensbegriffes
ee. Der hypothetische Wettbewerbspreis als Vergleichsmaßstab
2. Zwischenergebnis
II. Strafbarkeit wegen Wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen gem. § 298 I
III. Konkurrenzverhältnis zwischen § 263 I und § 298 I
E. Fazit
Gutachten
A. Einleitung
Ziel dieser Arbeit ist es den so genannten Submissionsbetrug hinsichtlich seiner strafrechtlichen Relevanz zu untersuchen. Vorangestellt ist eine Darstellung über den Sinn und die Ausgestaltung von Ausschreibungsverfahren. Dem folgt eine Übersicht über mögliche Konstellationen von unlauterer Einflussnahme durch Absprachen im Rahmen eines Submissionsverfahrens. An einzelnen Stellen musste eine Eingrenzung des Themas vorgenommen werden, um die ausgewählten Untersuchungsgegenstände hinreichend ausführlich behandeln zu können.
B. Sinn & Ausgestaltung einer Submission
Die Ausschreibung ist ein Verfahren bei dem Interessenten aufgefordert werden, Angebote für eine gewünschte Lieferung oder Leistung einzureichen.[1] Eine Submission kann entweder individuell, d.h. an eine bestimmte Anzahl von mindestens zwei potentiellen Anbietern (sog. beschränkte Ausschreibung, vgl. § 8 Nr. 2 II VOB/A), oder durch öffentliche Bekanntmachung, d.h. an eine unbeschränkte Anzahl von potentiellen Anbietern (sog. öffentliche Ausschreibung) erfolgen.[2] Darüber hinaus ist zu differenzieren, ob eine Verdingung durch einen öffentlichen oder privaten Auftraggeber (sog. freihändige Vergabe) durchgeführt wird. Bei der Auftragsvergabe durch staatliche Stellen ist die Anwendung eines derartigen Verfahrens gesetzlich gem. § 30 HGrG, § 55 I BHO, Art. 55 I BayHO, §§ 97ff GWB vorgeschrieben.
Eine Ausschreibung erfolgt unter den Gesichtpunkten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu dem Zweck die Beschaffung von Gütern und Leistungen aus der Sicht der Vergabestelle zu optimieren (vgl. § 97 IV u. V GWB). Insbesondere für Leistungen, an die hohe individuelle Anforderungen seitens der Vergabestelle gestellt werden, fehlt es an einem Markt von Anbietern.[3] Die Verwirklichung eines geplanten Flughafens oder anderen Großprojekten hängt beispielsweise von so vielen Determinanten ab, dass jedes einzelne Bauvorhaben ein Unikat darstellt. Die Vergabestelle kann daher den Preis bzw. die Kosten für z.B. ein geplantes Bauvorhaben nicht sicher vorhersagen (Preisintransparenz). Würde die ausschreibende Partei einen Vertrag über ein Bauvorhaben mit einem beliebigen Anbieter schließen wäre nicht sichergestellt, ob dieser Vorgang dem Rationalitätsgebot genüge würde.
Um einen Preis unter den skizzierten Umständen im Vorfeld zu bestimmen kommt außerdem die Heranziehung von räumlichen, zeitlichen oder sachlichen Vergleichsmärkten (vgl. kartellrechtliche Vergleichsmarktkonzept)[4] in Betracht. Doch selbst bei Massengütern führt die Anwendung des Vergleichsmarktskonzepts, wegen der nicht uneingeschränkten Vergleichbarkeit der Märkte, selten zu klaren Ergebnissen.[5] Im Umkehrschluss folgt daraus, dass dieses Konzept bei der Übertragung auf „Unikatleistungen“ erst recht nicht den gewünschten Erfolg erzielen kann. Zwar wurden eventuell vergleichbare Bauprojekte bereits verwirklicht, diese weisen jedoch in aller Regel andere Attribute auf. Somit kann wegen des fehlenden Marktes im Vorfeld einer Ausschreibung kein Preis seitens der Vergabestelle für die ausgeschriebene Leistung ermittelt werden.
Mit Hilfe einer Ausschreibung unternimmt die Vergabestelle deshalb den Versuch künstlich einen Markt zu kreieren, wodurch nach Beendigung des Submissionsverfahrens unter den verschiedenen Angeboten das annehmbarste Angebot ausgewählt werden kann.[6] Freilich soll zwischen den möglichen Anbietern durch die Submission ein Wettbewerb ausgelöst werden, der den Preis der ausgeschriebenen Leistung zugunsten der Vergabestelle beeinflussen soll (Wettbewerbspreis).[7]
Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn zwischen den Anbietern eine absolute Geheimhaltung bezüglich des Inhalts ihrer jeweiligen Angebote eingehalten wird.[8] Im Gegensatz dazu herrscht auf natürlichen Märkten z.B. für Konsumgüter für konkurrierende Unternehmen wechselseitig eine hohe Transparenz über die Preishöhe von Konkurrenzprodukten. Dadurch ist der „Submissions-Markt“ im Vergleich zu „natürlichen“ Märkten für die Unternehmen ebenfalls intransparent.[9]
C. Mögliche Fallkonstellationen
Absprachen können zwischen verschiedenen Parteien, die an einer Submission beteiligt sind, vorgenommen werden. Zum einen kann ein Übereinkommen zwischen den Anbietern stattfinden (horizontale Absprache)[10]. Dabei vereinbaren die Anbieter, dass einer von ihnen (Herausgestellter) den Zuschlag zu einem festgelegten Preis („Nullpreis“ eventuell durch Ausgleichszahlungen erhöht) erhalten soll, während die übrigen Anbieter entweder gar keine oder lediglich höhere Angebote abgeben (sog. „Schutzangebote“[11]) und dafür z.B. eine Ausgleichszahlung von dem Herausgestellten erhalten.
Zum anderen sind Absprachen zwischen einem Anbieter und einem Mitarbeiter des Auftraggebers möglich (vertikale Absprache).[12] In der Regel versucht ein Anbieter in diesen Konstellationen durch Zahlung einer Geldsumme die Auftragsvergabe zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Schließlich ist auch eine Kombination der eben skizzierten Fälle möglich, bei der eine Absprache sowohl zwischen den Anbietern, als auch im Verhältnis zum Auftraggeber erfolgt (horizontal-vertikale Absprache).[13]
D. Strafrechtliche Beurteilung des Submissionsbetruges
Die Abgabe von abgesprochenen Angeboten an die Vergabestelle durch die Mitglieder des Submissionskartells könnte sowohl den Tatbestand des Betruges gem. § 263 I StGB[14] erfüllen, als auch wegen wettbewerbsbeschränkender Absprache bei Ausschreibungen gem. § 298 strafbar sein. Vorliegend soll ausschließlich eine strafrechtliche Beurteilung lediglich die „horizontalen Absprachen“ erfolgen.
I. Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 I
Indem durch die Kartellmitglieder abgesprochene Angebote bei der Vergabestelle eingereicht werden, könnte sich die Kartellmitglieder wegen Betruges gem. § 263 I strafbar gemacht haben. Im Folgenden soll lediglich ein Betrug zum Nachteil der Vergabestelle untersucht werden. Darüber hinaus sei erwähnt, dass auch ein Betrug zulasten von Außenseitern in Betracht kommen könnte.[15]
1. Objektiver Tatbestand
a. Täuschung
Dazu müssten die Kartellmitglieder eine natürliche Person, die für die Vergabestelle handelt, durch die Abgabe der abgesprochenen Angebote über Tatsachen getäuscht haben. Eine Täuschung ist entweder eine ausdrücklich wahrheitswidrige Behauptung oder ein sonstiges, der Irreführung eines anderen Menschen dienendes Verhalten mit bestimmtem Erklärungswert.[16] Die Abgabe eines Angebots erfolgt jedenfalls nicht mit der (konkludenten) Erklärung, dass der angebotene Preis angemessen sei.[17] Für die Abstellung auf einen „angemessenen Preis“ wurde allerdings vorgebracht, dass ein abgesprochener Preis nicht unmittelbar damit gleichbedeutend ist, dass die angebotene Leistung im Verhältnis zum Preis nicht gleichwertig ist.[18] Dabei wird jedoch verkannt, dass Leistungen, die auf einem Markt frei zugänglich sind, keinen abstrakten Wert haben, sondern lediglich einen Marktpreis besitzen, der ein Produkt von Angebot und Nachfrage ist.[19] Entscheidend für den Preis einer bestimmten Ware oder Dienstleistung sind die konkreten Umstände des Marktes. Durch eine hohe Nachfrage in einem Markt, welcher (auch) durch ein Kartell versorgt wird, kann unter besonderen Umständen (z.B. allgemeine Terrorgefahr, Anschläge auf Fördersysteme) der Marktpreis für ein Wirtschaftsgut über den „angemessenen Preis“ - sogar über den durch das Kartell (OPEC) festgelegten Preis - steigen (Rohölpreise von 50 $ pro Barrel im Oktober 2004). Darüber hinaus sind Ausschreibungen von Bauleistungen stets ein kombinierter Leistungs-, Qualitäts- und Preiswettbewerb, so dass der Preis als einziger Parameter nicht taugen kann.[20]
Die Einschätzung eines Preises als „angemessen“ stellt demnach nur ein Werturteil dar, welches dem Beweis nicht zugänglich ist, und daher keine Tatsache ist.[21]
Vielmehr müsste die Abgabe des Angebots die Erklärung beinhalten, dass das Angebot ohne jede Form der Absprache zustande gekommen ist. Unschädlich ist, dass eine ausdrückliche Erklärung nur in den Fällen vorliegen kann, in denen der Anbieter mit dem Auftraggeber explizit vereinbart, dass keine Absprachen oder Manipulationen bei der Angebotsermittlung erfolgt sind. Denn freilich enthält, vor dem Hintergrund des § 1 GWB unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung die Angebotsabgabe, jedenfalls bei einem förmlichen Vergabeverfahren, die konkludente Erklärung des Anbieters, dass keine Preisabsprache vorgenommen worden ist.[22]
[...]
[1] BGBl I, 2038.
[2] Hohmann NStZ 2001, 566, 567.
[3] Cramer NStZ 1993, 42, 42.
[4] Immenga/Mestmäcker/Möschel § 22 Rn. 152; Langen/Bunte/Schultz § 22 Rn. 79ff.
[5] Moosecker FS Lieberknecht, 407, 423.
[6] BGHSt 38, 186, 191; Hohmann NStZ 2001, 566, 567; Immenga WuW 1998, 809, 813f; Jaath FS Schäfer, 89, 93.
[7] Satzger, S. 28f.
[8] Bartmann, S. 9; Satzger, S. 29; Satzger JR 2002, 389, 391; Jaath FS Schäfer, 89, 92.
[9] Moosecker FS Lieberknecht, 407, 415.
[10] Satzger, S. 38.
[11] Moosecker FS Lieberknecht, 407, 407; Satzger, S. 38.
[12] Satzger, S. 217.
[13] Satzger, S. 242.
[14] Im Folgenden sind §§ ohne Gesetzesangabe solches des StGB.
[15] Vgl. Satzger S. 213ff
[16] Wessels/Hillenkamp Rn. 493.
[17] BGH JZ 1989, 759, 760; Tröndle/Fischer § 263 Rn. 21; Hohmeier/Sander § 263 Rn. 25; Lackner/Kühl § 263 Rn. 10; .
[18] BGHSt 16, 367, 373; LG Frankfurt a.M. NStZ 1991, 86, 87; Hefendehl JuS 1993, 805, 811.
[19] BGHSt 38, 186, 190f; Joecks wistra 1992, 247, 249; Lüderssen wistra 1995, 243, 246.
[20] Sch/Sch/Cramer, § 263 Rn. 137a.
[21] Rönnau JuS 2002, 545, 545.
[22] BGHSt 16, 367, 371; 47, 83, 86f.; Sch/Sch/Cramer § 263 Rn. 16f; Oldigs, S. 61; Satzger, S. 59f.
- Citation du texte
- Dipl.-Jur. Alexander Koch (Auteur), 2005, Der Submissionsbetrug, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45584
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