In diesem Artikel wird ein Forschungsvorhaben im Bereich DaF zur Rolle der Sprachbasis im fremdsprachigen Textproduktionsprozess vorgestellt. Diese Forschung liegt einer zukünftigen Dissertation zugrunde, die an der Doktorandenschule für Angewandte Linguistik an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Eötvös Loránd in Budapest eingereicht wird. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die interlingualen Transferprozesse beim Textproduktionsprozess, die Sprachlernende mit L1 Ungarisch in L2 oder L3 Deutsch durchlaufen.
Der Beitrag gliedert sich in folgende thematische Teile: in der Einleitung wird auf die Aktualität des Themas eingegangen, im darauf folgenden Teil werden die Problemstellung der Forschung bzw. die Relevanz des Erkenntnisinteresses dargestellt. Anschließend werden Ziele der zu entstehenden wissenschaftlichen Arbeit bzw. Ziele der geplanten empirischen Forschung thematisiert. Nach der Skizzierung der Forschungsfragen, -hypothesen und der geplanten Forschungsmethoden endet der Artikel mit einem Ausblick auf den gehofften wissenschaftlichen Ertrag der Arbeit bzw. über ihren Ertrag für praxisorientierten Fremdsprachenunterricht.
ABSTRACT
Im vorliegenden Artikel wird ein Forschungsvorhaben im Bereich DaF zur Rolle der Sprachbasis im fremdsprachigen Textproduktionsprozess vorgestellt. Diese Forschung liegt einer zukünftigen Dissertation zugrunde, die an der Doktorandenschule für Angewandte Linguistik an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Eötvös Loránd in Budapest eingereicht wird. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die interlingualen Transferprozesse beim Textproduktionsprozess, die Sprachlernende mit L1 Ungarisch in L2 oder L3 Deutsch durchlaufen.
Der Beitrag gliedert sich in folgende thematische Teile: in der Einleitung wird auf die Aktualität des Themas eingegangen, im darauf folgenden Teil werden die Problemstellung der Forschung bzw. die Relevanz des Erkenntnisinteresses dargestellt. Anschließend werden Ziele der zu entstehenden wissenschaftlichen Arbeit bzw. Ziele der geplanten empirischen Forschung thematisiert. Nach der Skizzierung der Forschungsfragen, -hypothesen und der geplanten Forschungsmethoden endet der Artikel mit einem Ausblick auf den gehofften wissenschaftlichen Ertrag der Arbeit bzw. über ihren Ertrag für praxisorientierten Fremdsprachenunterricht.
1. EINLEITUNG
Infolge der Globalisierung bzw. der Entwicklung der Mobilität haben Fremdsprachenkenntnisse in der heutigen Welt einen besonders hohen Stellenwert. Sie schaffen Zugang zu anderen Menschen aus anderen Kulturen und ermöglichen ihre Verständigung im internationalen Kontext. In Europa war Mehrsprachigkeit bis zur Entstehung der Nationalstaaten im 18. und 19. Jahrhundert eine Normalität, die nach der Entstehung der europäischen Einheit des 20. Jahrhunderts und durch das Verschwinden der politischen Grenzen wieder an Bedeutung zugenommen hat(Feld-Knapp, 2014a: 15-16). Kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit sind also auch heute in Europa Realität und als Potenzial vorhanden.
Wenn aber Menschen aus verschiedenen Ländern in Europa aufeinandertreffen, wird meistens Englisch als Verkehrssprache Nummer Eins, als lingua franca verwendet, das vorhin erwähnte Potenzial des traditionellen mehrsprachigen Europas wird dementsprechend selten ausgenutzt. Für Sprachlernende mit L1 Ungarisch bedeutet es eine besonders große Herausforderung, einen Zugang z.B.: zu den germanischen Sprachen wie Englisch oder Deutsch zu schaffen. Das Ungarische als Teil der finnougrischen Sprachfamilie befindet sich nämlich in Europa in einer isolierten Situation, indem es sprachgenetisch weit von den anderen europäischen Sprachen steht. Die wichtigste Frage im ungarischen Kontext ist aus diesem Grund in Bezug auf das Fremdsprachenlernen, wie der Prozess der Aneignung der erwähnten Fremdsprachen für Sprachlernende mit L1 Ungarisch optimiert werden kann. Als Ziel des Fremdsprachenunterrichts in Ungarn gilt also in diesem Kontext, im Sinne der Mehrsprachigkeit und der Handlungsorientierung, dass mehrere Fremdsprachen ˗ am häufigsten also Englisch und Deutsch ˗ mit möglichst geringem Energieaufwand effektiv erlernt werden und die kommunikative Handlungsfähigkeit in mehreren Sprachen gefördert wird.
Um den Prozess des Fremdsprachenlernens optimieren zu können, müssen Lernende ihre Sprachbasis optimal verwenden lernen. „Die Sprachbasis umfasst das phonologische, orthografische, lexikalische und grammatische Wissen um sprachliche Mittel und Strukturen. Sie ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass Sprache im jeweiligen soziokulturellen Kontext verstanden und verwendet werden kann. (Feld-Knapp, 2014b: 13).
Grammatisches Wissen zur Satzstruktur ist Gegenstand sprachwissenschaftlicher Forschungen, die das Ziel haben „eine Modellvorstellung von der Struktur eines grammatischen Wissens zu gewinnen, welches Lernenden wirklich zur Verfügung steht und somit in Funktion zu sein vermag.” (Funke, 2005: 5)
Als Grundlage für diese Forschungen können verschiedene linguistische Sprachbeschreibungsmodelle dienen. Für die vorliegende Arbeit und für die geplante Forschung haben von diesen die Ergebnisse der Valenztheorie eine hohe Relevanz. Sie geht davon aus, dass verschiedene Einheiten im Satz (meistens das Verb) die Eigenschaft haben, Leerstellen zu eröffnen, die mit anderen sprachlichen Ausdrücken gefüllt werden, damit ein semantisch vollständiger und grammatisch korrekter Ausdruck gebildet werden kann (Zifonun, 1997). Die Valenztheorie hat eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Position unter dem Unterricht zugrunde gelegten Grammatikmodellen. Das zeigt sich auch darin, dass sie in Wörterbüchern, Grammatiken und Lehrwerke Eingang gefunden hat (Müller-Küppers, 1991). Als eine einfache und transparente Theorie mit Kombination von Wortschatz und Syntax ist sie durch die Vorrangstellung des Verbs – zur Beschreibung von Sprachen wie dem Deutschen, die über ein ausgeprägtes Kasussytem verfügen, besonders geeignet (Thurmair, 2006: 1377).
Im Kontext des Fremdsprachenunterrichts des Deutschen in Ungarn bedeutet es, dass zur optimalen Förderung der fremdsprachigen Textproduktion die Entwicklung eines grammatischen Wissens, das sprachstrukturelle Unterschiede auf die Erkenntnisse der Valenztheorie basierend betrachtet, wesentlich beitragen kann. AuchCurcio (2012)behauptet, dass das Wissen in Bezug auf das Verb die Basis für die Konstruktion von Sätzen ist und große Verantwortung für den produktiven Gebrauch der Sprache hat. Die Entwicklung des grammatischen Wissens über die von den Verben organisierten Satzstrukturen im Deutschen kann folglich einen wichtigen Beitrag zum optimalen Fremdsprachenerwerb, zur Förderung der kommunikativen Handlungsfähigkeit im Spiegel der Mehrsprachigkeit leisten.
2. PROBLEMSTELLUNG
Die optimale Förderung der Sprachbasis, wodurch Fremdsprachenlernenden mit L1 Ungarisch ein Zugang zur Mehrsprachigkeit ermöglicht wird, befähigt also die Lernenden dazu, dass sie als „sozial Handelnde“, als Mitglieder einer globalisierten und mehrsprachigen Gesellschaft unter bestimmten Umständen, in spezifischen Umgebungen und Handlungsfeldern, in verschiedenen Situationen kommunikative Aufgaben bewältigen können.
Im Spiegel der Globalisierungstendenzen und der Mehrsprachigkeit als sprachen- und bildungspolitische Zielsetzung kommt der Förderung der grammatischen Kompetenzen in mehreren Sprachen eine wichtige Rolle hinzu. Im Vergleich zu den früheren Ansätzen, bei denen die Grammatik isoliert unterrichtet wurde, wurden in letzter Zeit verschiedene didaktische Konzepte entwickelt, wie zum Beispiel das sogenannte Gesamtsprachencurriculum, das die integrierte Förderung von Fremdsprachen erzielt(Hufeisen, 2005, 2008, 2011), indem es die Bewusstmachung u.a. sprachstruktureller Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Fremdsprachenunterricht als Basis nimmt.
Die Optimierung des Fremdsprachenerwerbprozesses ist im Spiegel der Mehrsprachigkeit im institutionellen Fremdsprachenunterricht in Ungarn besonders wichtig. In der Sprachkonstellation Ungarisch (L1), Englisch (L2) und Deutsch (L3) oder Ungarisch (L1), Deutsch (L2) und Englisch (L3) führt es aber oft zu Schwierigkeiten, dass sich die sprachstrukturelle Organisation im Ungarischen anders als im Englischen und Deutschen äußert. Die sprachstrukturellen Unterschiede sind vor allem auf die genetische Verwandtschaft und auf die daraus resultierenden typologischen Unterschiede zurückzuführen. Die Unterschiede ergeben sich daraus, dass das Ungarische als Teil der uralischen Sprachfamilie genealogisch weit vom westgermanischen Englischen und Deutschen steht.
Infolgedessen bedient sich der ungarische Sprachlernende während des Fremdsprachenerwerbprozesses anderer struktureller Mittel im Dienste der Kommunikation und aufgrund sprachstruktureller Unterschiede können Fehler wegen negativem Transfer bei der Sprachproduktion in Deutsch oder Englisch als Fremdsprache vorkommen. Wenn man aber anfängt eine zweite germanische Fremdsprache zu lernen, können die Gemeinsamkeiten zwischen Deutsch und Englisch den Fremdsprachenerwerb durch positiven Transfer fördern.
Beispiele für Fehler lassen sich auch in Texten von Abiturienten mit L1 Ungarisch finden. Die meisten Schwierigkeiten sind im Bereich Kasus, Infinitivkonstruktionen und Präpositionalobjekte zu finden. Diese Fehler lassen sich auf die Unterschiede zwischen den Sprachen Ungarisch und Deutsch zurückführen.
Oft vorkommende Arten von Fehlern liefern zum Beispiel die reflexiven Verben, wie im folgenden Beispielsatz von einem Schüler: „Bei übergewichtigen Menschen * erhöht die Wahrscheinlichkeit für Herzkrankheiten.“ Im Hintergrund solcher Fehlertypen steht die Tatsache, dass das Ungarische als agglutinierende Sprache die Reflexivität des Verbes „sich erhöhen“ als Suffix realisiert (növekszik). Folglich fehlt in von Sprachlernenden mit L1 Ungarisch produzierten deutschsprachigen Texten das Wort „sich“ bei reflexiven deutschen Verben ziemlich oft. Auch die richtige Verwendung von Infinitivkonstruktionen wie „Wir leben * um kämpfen.“ können ungarischen Lernenden Schwierigkeiten bereiten, als Grund lassen auch in diesem Fall die sprachstrukturellen Unterschiede zwischen ihrer L1 und L2 oder L3 nennen. Im Ungarischen werden auch in diesem Fall Suffixe verwendet, um einen Zielsatz auszudrücken (Azért élünk, hogy harcoljunk.). Die meisten Beispiele für sprachstrukturelle Fehler können aber im Bereich Präpositionalobjekte gefunden werden. Die folgenden Sätze lassen sich wahrscheinlich auf Transferprozesse aus dem Ungarischen zurückführen:
„... erhöht sich die Wahrscheinlichkeit *auf Herzkrankheiten.“
(Ung.: Megnövekszik az esély, lehetőség valamire = auf + Akkusativ statt für + Akkusativ)
„Schwimmen ist das Einzige, *in dem ich gute Erfahrungen gesammelt habe.“
(Ung.: Az úszás az egyetlen (dolog), amiben jó tapasztalatokat szereztem. = in + Dativ statt mit + Dativ)
„Es gibt bestimmte Gründe, warum man *einen Sport beginnt.“
(Ung.: Vannak bizonyos okok, melyek miatt az emberek elkezdenek egy sportot. = Akkusativ statt mit + Dativ)
„Also sie waren darauf gezwungen, Fußball als Leistungssport zu treiben.“
(Ung.: Tehát arra voltak kényszerülve, hogy a labdarúgást versenysportként űzzék. = auf + Akkusativ statt zu + Dativ)
Die Bezugnahme auf andere Sprachen, d.h. die Einbeziehung der Muttersprache und der vorher bzw. parallel gelernten Fremdsprache können dementsprechend durch kontrastive Analyse zur Erklärung der Schwierigkeiten und zur Analyse von möglich bestehenden Potenzialen eingesetzt werden. Bei einer differenzierten Betrachtung der Kontrastivität eröffnen sich nämlich vielfältige Möglichkeiten für die optimale Steuerung des Unterrichtsprozesses(Brdar-Szabó, 2010: 524). Die Aufdeckung der Fehlerquellen in Lernertexten könnte beispielsweise Zugang zu den Indikatoren im Lernprozess ermöglichen und wegen Ähnlichkeiten im Fremdsprachenunterricht des Deutschen und Englischen zur Optimierung der Bewusstmachung von Fehlerquellen bzw. von ungenutzten Potenzialen beitragen.
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- Enikő Jakus (Autor), 2015, Die Rolle der Sprachbasis bei der Förderung der fremdsprachigen Textproduktion, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/434813
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