Die Arbeit beschäftigt sich mit der Umsetzung der höchst umstrittenen Biopatentrichtlinie ins deutsche Patentgesetz. Sämtliche, im Dezember 2004 verabschiedeten Gesetzesänderungen werden einzeln erläutert. Dabei wird auf die politischen Hintergründe und die wirtschaftlichen Auswirkungen eingegangen. Im Besonderen beleuchtet die Arbeit den Einfluß internationaler Abkommen auf das Gesetzeswerk (TRIPS, WIPO, CBD) und setzt sich mit der Kritik von NGOs auseinander.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung
2 Grundbegriffe des materiellen Patentrechts
2.1 Materielle Voraussetzungen des Patentschutzes
2.2 Materielle Wirkung des Patents
3 Internationale Abkommen im Rahmen der WIPO
3.1 Die Pariser Verbandsübereinkunft
3.2 Abkommen zum formellen Patentrecht
3.3 Interessengegensätze in der WIPO
4 Das TRIPs-Abkommen im Rahmen der WTO
4.1 Entstehungsgeschichte des TRIPs
4.2 Vertragsschlußkompetenz für TRIPs in der EU
4.3 Unmittelbare Anwendbarkeit des TRIPs-Abkommens
5 Die Konvention über biologische Vielfalt (CBD)
6 Materielles Patentrecht in Europa
6.1 Verordnungen und Richtlinien
6.2 Das Europäische Patentübereinkommen
7 Die Änderungen des Patentgesetzes
7.1 Biologisches Material als Gegenstand einer Erfindung
7.2 Patente auf Bestandteile des menschlichen Körpers
7.3 Verstoß eines Patents gegen die öffentliche Ordnung
7.4 Verfahren zur genetischen Veränderung von Tieren
7.5 Patente auf Pflanzensorten und Tierrassen
7.6 Herstellung durch Vermehrung
7.7 Privilegien für Landwirte
7.8 Umfassender Schutz auf genetische Informationen
7.9 Erweiterung des Forscherprivilegs
7.10 Zwangslizenzen für abhängige Patente
7.11 Die Angabe des geographischen Herkunftsorts
8 Wertung
8.1 Absoluter Stoffschutz
8.2 Patentierung von Pflanzen
8.3 Angabe des geographischen Ursprungsorts
9 Fazit
10 Literatur- und Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung
Am 3. Dezember 2004 fanden im Bundestag Beratungen über ein Gesetz zur Änderung des deutschen Patentrechts statt. In der anschließenden Abstimmung wurde das Gesetz, das den Schutz biotechnologischer Erfindungen verbessern soll, mit den Stimmen der Regierungskoalition und denen der CDU/CSU verabschiedet. Das war der vorläufige Schlußpunkt einer jahrelangen parlamentarischen Auseinandersetzung[1]. Mit dem Gesetz soll eine Richtlinie der Europäischen Kommission zum Schutz biotechnologischer Erfindungen (BioPat-RL)[2] umgesetzt werden. Diese war selbst in ganz Europa heftig umstritten und kam ebenfalls erst nach jahrelangem Tauziehen zustande[3].
Das Gesetz und die Richtlinie waren deshalb so schwer durchzusetzen, weil die Patentierung von biologischem Material eine Vielzahl von Befürchtungen hervorruft: Die einen sehen Körper und Leben des Menschen zu einem bloßen Wirtschaftsgut herabgestuft. Andere wittern die Gefahr einer Monopolisierung der weltweiten Nahrungsmittelproduktion zu Gunsten multinationaler Konzerne. Wieder andere betrachten die sogenannten Biopatente als bloßes Mittel zur Ausplünderung der Entwicklungsländer. Gleichzeitig betonen Befürworter eines umfassenden Patentschutzes auf biologisches Material, daß dieser für die Forschung und den Fortschritt geradezu lebensnotwendig sei. Politiker befürchten außerdem eine Schädigung des Wirtschaftsstandortes Europa, falls geistiges Eigentum nicht angemessen geschützt werde. Man versteht daher, daß es für die Bundesregierung schwierig war, einen Kompromiß zwischen all diesen Positionen zu erreichen. Darüber hinaus war ihr Handlungsspielraum eng begrenzt, da der Gesetzentwurf nicht nur mit der Richtlinie, sondern auch mit weiteren internationalen Abkommen in Einklang zu bringen war.
Diese Arbeit stellt die verabschiedeten Gesetzesänderungen vor und nimmt dabei zu den Argumenten von Befürwortern und Kritikern Stellung. Zuvor werden Grundbegriffe des Patentrechts und internationale Abkommen erläutert, die in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind.
Als Grundlage dieser Arbeit dient der Gesetzentwurf[4], den das Bundesjustizministerium im Oktober 2003 in den Bundestag eingebracht hat. Spätere Änderungen im Gesetzgebungsverfahren[5] konnten nicht berücksichtigt werden, da genaue Formulierungen nicht veröffentlicht wurden.
2 Grundbegriffe des materiellen Patentrechts
Zunächst sollen hier Grundbegriffe erläutert werden, die für das Verständnis des Biopatentrechts und der damit verbundenen internationalen Abkommen von Bedeutung sind. Im Kap. 2.1 geht es dabei um die Frage, was patentiert werden darf. Anschließend behandelt Kap. 2.2 die rechtliche Wirkung von Patenten.
2.1 Materielle Voraussetzungen des Patentschutzes
Die Patentfähigkeit einer Erfindung ist lediglich an drei bzw. vier Voraussetzungen geknüpft. Nach §1 I PatG muß sie "neu" sein, auf einer "erfinderischen Tätigkeit" beruhen, "gewerblich anwendbar", sowie eine Erfindung sein. Diese Rechtsbegriffe sind allerdings derart unbestimmt und umstritten, daß ihre genaue Definition in einem Lehrbuch durchaus an die 200 Seiten umfassen kann[6]. Deshalb werde ich hier auf abgekürzte Begriffsbestimmungen zurückgreifen.
Der Ausdruck "Erfindung" wird im Gesetz negativ definiert: Laut §1 II PatG sind "die Wiedergabe von Informationen", "Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten", "Ästhetische Formschöpfungen", "mathematische Methoden", "wissenschaftliche Theorien" und "Entdeckungen" keine Erfindungen. Eine Entdeckung liegt dann vor, wenn man etwas in der Natur bereits vorhandenes lediglich auffindet oder bekannt macht[7].
Die Rechtsprechung bestimmt die Erfindung als "Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges"[8]. Das schließt u.a. Zufallserfindungen aus: Wenn jemand keine Handlungsanweisung geben kann, wie er etwas "erfunden" hat und er den Vorgang auch nicht wiederholen kann, dann zählt das nicht als Erfindung. Es fehlt dann am planmäßigen Handeln.
Die Neuartigkeit einer Erfindung bedeutet, daß durch sie der "Stand der Technik" erweitert wird. Dies ergibt sich aus §3 PatG. Demnach ist alles, was vor dem Tag der Patentanmeldung bereits veröffentlicht wurde, nicht mehr neuartig. Um zu beurteilen, was dem Stand der Technik entspricht, geht man vom Kenntnisstand eines Durchschnittsfachmanns aus. Der Inhalt einer Patentanmeldung mit älterem Zeitrang zählt im übrigen auch als veröffentlicht (§3 II PatG)[9]. Im Zusammenhang mit der Neuartigkeit fällt häufig der Begriff Neuheitsschonfrist. Diese ist im deutschen Patentrecht nicht vorgesehen. Eine Neuheitsschonfrist läßt es zu, daß Erfindungen veröffentlicht werden, aber eine spätere Anmeldung innerhalb einer Frist trotzdem möglich bleibt[10].
Wann beruht eine Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit? Nach §4 PatG ist das immer dann der Fall, "wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt". Der Erfinder soll eine "geistig-schöpferische Leistung"[11] vollbringen und nicht nur die Technik "routinemäßig"[12] weiterentwickeln. Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Fällen ist schwierig. Man stellt hier unter anderem wieder auf den Kenntnisstand eines Durchschnittsfachmanns ab[13].
Gewerblich anwendbar ist eine Erfindung, "wenn ihr Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann" (§5 I PatG). Zu diesen gewerblichen Gebieten gehört jede "fortgesetzte, selbständige, erlaubte, auf Gewinn gerichtete Tätigkeit mit Ausnahme der Tätigkeit in freien Berufen"[14].
2.2 Materielle Wirkung des Patents
Im deutschen Patentrecht differenziert man nach dem Gegenstand einer Erfindung. Laut §9 PatG genießen Erzeugnispatente anderen Schutz als Verfahrenspatente oder Verfahrenserzeugnisse.
Erzeugnispatente (=Sachpatente) sind an bestimmte Eigenschaften oder Merkmale der Sache gebunden. Der Schutzumfang richtet sich an diesen Merkmalen aus, d.h. alle anderen Erzeugnisse mit denselben Eigenschaften fallen unter das Patent. Es kommt weder darauf an, ob die Sache dem in der Anmeldung beschriebenen Verwendungszweck dient, noch spielt es eine Rolle, ob das gleiche Herstellungsverfahren angewandt wurde. Zwar kann ein überraschend neuer Verwendungszweck oder ein revolutionäres Herstellungsverfahren für dasselbe Erzeugnis eigens patentiert werden. Man spricht dann aber von einer Abhängigkeit des neuen Schutzrechts vom alten[15]. Liegt ein Erzeugnispatent vor, dann darf die Sache nach §9 Nr.1 PatG von Dritten nicht ohne Erlaubnis hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken weder eingeführt noch besitzt werden. Hat ein Patentinhaber allerdings ein Erzeugnis, das auf seinem Patent beruht, einmal in Verkehr gebracht, so darf diese Sache angeboten, weiter verkauft und gebraucht werden. Diesen Verlust der Rechte an dem Erzeugnis bezeichnet man als Erschöpfungsgrundsatz[16]. Die Erschöpfung bezieht sich aber nur auf das Exemplar der Sache, das vom Patentinhaber veräußert wurde.
Im Gegensatz zum Erzeugnispatent bezieht sich das Verfahrenspatent nicht auf eine Sache. Grundsätzlich ist nur die Anwendung (bzw. das Anbieten der Anwendung) einer bestimmten Methode geschützt (§9 Nr.2 PatG). So kann beispielsweise ein Herstellungsprozeß an sich unter ein Verfahrenspatent fallen. Daneben können Transport-, Registrierungs-, Untersuchungs- oder Analysemethoden unter Umständen geschützt werden. Findet man einen neuen Verwendungszweck für eine Sache, die durch ein Erzeugnispatent geschützt wird, so kann diese Anwendung auch Gegenstand eines Verfahrenspatents sein. Allerdings ist dieses Schutzrecht dann von dem älteren Erzeugnispatent abhängig[17].
Gehen Sachen aus einem geschützten Herstellungsverfahren hervor, so erstreckt sich das Patent auch auf diese Verfahrenserzeugnisse. Das ergibt sich aus §9 Nr.3 PatG: Es ist Dritten verboten, diese Produkte "anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen". Im Wesentlichen entspricht dies dem Sachschutz von Erzeugnispatenten. Allerdings sind gleiche Produkte, welche durch einen anderen Herstellungsprozeß entstanden sind, nicht geschützt[18].
Einen Sonderfall im deutschen Patentrecht stellen chemische Stoffe dar. Isoliert ein Forscher eine neue chemische Verbindung, oder stellt er sie her, so macht er im Grunde nichts anderes als etwas in der Natur schon vorhandenes aufzufinden. Es handelt sich also um eine Entdeckung, die nach deutschem Recht nicht patentierfähig wäre. Deshalb war es in Deutschland auch lange nicht möglich, chemische Stoffe schützen zu lassen. Allerdings wurde in der Rechtsprechung allmählich der Grundsatz entwickelt, daß chemische Stoffe als Verfahrenserzeugnisse aufgefaßt werden können. Das gilt nach dem sogenannten Analogieverfahren für Herstellung durch innovative wie nicht innovative Verfahren[19], wenn der neue Stoff "überraschende Eigenschaften oder Wirkungen"[20] aufwies. Unklarheit bestand lange Zeit darüber, ob diese Bindung an Eigenschaften und Wirkungen auch eine Bindung an einen bestimmten Verwendungszweck bedeutete. Letztendlich entschied der BGH im Fall "Imidazoline"[21], daß die Patentierung von chemischen Stoffen nicht an einen Verwendungszweck gebunden ist. Gleichzeitig wurden in der Rechtsprechung ähnliche Herstellungsverfahren von chemischen Stoffen überwiegend als nicht neu beurteilt. Damit ist das Patent auf einen chemischen Stoff auch vom Herstellungsprozeß unabhängig. Man spricht daher vom absoluten Stoffschutz für chemische Produkte. Es genügt, einen chemischen Stoff erstmals aus der Natur zu isolieren, um ein umfassendes Patent auf ihn erlangen zu können[22].
Die beschriebenen Rechte eines Patentinhabers können eingeschränkt werden, indem das Patentgericht eine Zwangslizenz gemäß den Bestimmungen des §24 PatG einräumt. Hierfür gibt es zwei Voraussetzungen: Erstens muß ein Lizenzsucher sich ausreichend bemüht haben, eine Einigung mit dem Patentinhaber herbeizuführen (§24 I Nr.1 PatG). Zweitens muß die Erteilung der Zwangslizenz an den Lizenzsucher im öffentlichen Interesse liegen (§24 I Nr.2 PatG). Dieses ist gegeben, wenn gesamtwirtschaftliche oder soziale Gründe vorliegen. Für abhängige Patente (s.u. Kap. 7.10), für die Halbleiterindustrie, sowie für die Gewährleistung einer ausreichende Inlandsversorgung existieren Spezialvorschriften zur Erteilung der Zwangslizenz (§24 II-V PatG). Was die Wirkungen angeht, so darf der Lizenzsucher bei Ausstellung der Erlaubnis die Erfindung nur gegen ein Entgelt an den Patentinhaber nutzen[23].
3 Internationale Abkommen im Rahmen der WIPO
Zum Verständnis der verabschiedeten Änderungen des Patentgesetzes muß man neben den Grundzügen des Rechts auch den internationalen Kontext kennen. Dazu gehören völkerrechtliche Verträge, die im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) geschlossen wurden.
Die WIPO wurde 1970 gegründet und ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Als solche hat sie unterschiedliche Aufgaben. Sie ist einerseits für international registrierte Patente, Marken und andere Gegenstände geistigen Eigentums zuständig. In dieser Funktion verwaltet sie Anträge auf Registrierung, führt Prüfungen sowie Recherchen durch und leitet Informationen an diverse nationale Patentbehörden weiter. Daneben bietet sie andererseits einen Rahmen für internationale Verhandlungen und erfüllt eine Art Sekretariatsfunktion für völkerrechtliche Verträge auf allen Gebieten des geistigen Eigentums[24]. Gesteuert wird die WIPO von mehreren Gremien, in dem jedes Mitgliedsland eine Stimme hat und mit einem Delegierten vertreten ist[25].
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde durch völkerrechtliche Abkommen im Rahmen der WIPO oder ihrer Vorgängerorganisationen angestrebt, nationale Patentrechtssysteme zu vereinheitlichen, was aber nie vollständig gelungen ist[26].
Die WIPO-Abkommen haben die Änderungen des deutschen Patentgesetzes daher nur in geringem Ausmaß direkt beeinflußt. Allerdings diente die PVÜ als Grundlage für das spätere TRIPs-Abkommen. PCT und PLT 2000 wirkten sich auf den neuen §34a PatGn aus (s.u. Kap. 7.11+8.3). Argumente in der Diskussion über das neue Patentgesetz ähneln denjenigen, die in den Verhandlungen über PLT 1991 und DSPLT zwischen Entwicklungs- und Industrieländern ausgetauscht wurden. Deswegen gehe ich in den folgenden Kapiteln kurz auf die genannten Verträge ein.
3.1 Die Pariser Verbandsübereinkunft
Die Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) wurde 1883 in Paris geschlossen und beschäftigt sich mit Rechten an geistigem Eigentum aller Art, worunter laut Art. 1 II PVÜ auch Patente fallen. Mit dem Abkommen wurde ein Verband mit einem angeschlossenen internationalen Büro gegründet, das 1970 in der WIPO aufging. Insofern kann die durch die Pariser Verbandsübereinkunft gegründete Organisation als Vorläufer der Weltorganisation für geistiges Eigentum aufgefaßt werden[27]. Deutschland ist Mitglied des Pariser Verbandes und damit auch der WIPO.
In die nationalen, materiellen Patentrechtssysteme greift die PVÜ nur indirekt oder in geringem Maße ein. So schreibt das Abkommen in allen Verbandsstaaten das sogenannte Inländerprinzip vor. Demnach müssen bei der Patenterteilung jedem Ausländer mindestens die gleichen Rechte wie den eigenen Staatsangehörigen eingeräumt werden. Jedoch nur, wenn sein Herkunftsland Mitglied der Pariser Verbandsübereinkunft ist. Weiterhin genießen Ausländer aus einem Verbandsstaat bestimmte Mindestrechte, auch für den Fall, daß Inländern diese Rechte nicht zugänglich sind. Daraus ergab sich eine gewisse Harmonisierung der nationalen Regelungen, da Regierungen i.d.R. eine Diskriminierung der eigenen Staatsangehörigen vermeiden wollten. Zu den Mindestrechten gehört im Bereich des Patentrechts beispielsweise eine verbesserter Schutz vor Verfall des Patents oder Zwangslizenzierung (Art. 5 A PVÜ)[28].
Bestimmungen der Pariser Verbandsübereinkunft können in Deutschland unmittelbar angewandt werden, wenn sie hinreichend klar formuliert sind und bestimmten Inhalt haben. Jeder In- und Ausländer kann sich demnach vor einem Deutschen Gericht direkt auf einzelne Artikel der Pariser Verbandsübereinkunft berufen[29].
3.2 Abkommen zum formellen Patentrecht
Die PVÜ wurde in ihrer Geschichte mehrmals einer Revision unterzogen. Ziel war es, nationalen Regelungen des Patentrechts zu vereinheitlichen. Dies ist nur zum Teil gelungen. Vor allem wurden Genehmigungsverfahren, Formerfordernisse und Recherchemöglichkeiten verbessert und aneinander angeglichen. Die drei wichtigsten Abkommen in diesem Zusammenhang sind der "Patent Cooperation Treaty" (PCT)[30], das Straßburger Abkommen über die internationale Patentklassifikation[31] und der "Patent Law Treaty" aus dem Jahr 2000 (PLT 2000)[32].
Der PCT und der PLT 2000 legen beide Anforderungen an die Inhalte von Patentanmeldungen fest[33]. Nationale Gesetzgeber dürfen keine Angaben fordern, die über die Bestimmungen von PCT und PLT 2000 hinausgehen[34]. Deshalb mußte der im deutschen Patentgesetz neu eingefügte §34a derart unbestimmt formuliert werden (s.u. Kap. 7.11)
3.3 Interessengegensätze in der WIPO
Anders als die 2000 verabschiedete Fassung des "Patent Law Treaty" (s.o. 3.2) enthielt der erste Entwurf aus dem Jahr 1991 sachliche Vorschriften zum Patentschutz. So regelte er u.a. die Voraussetzungen für die Schutzfähigkeit von Erfindungen und die Wirkungen des Patents. Allerdings konnte man sich in den materiellen Fragen nicht einigen, weshalb dieser Themenbereich ausgeklammert und der Vertrag später als PLT 2000 ohne diese Vorschriften geschlossen wurde. Ausschlaggebend für das teilweise Scheitern der Verhandlungen war der Interessengegensatz zwischen den USA und Europa, der sich um Neuheitsschonfrist und Ersterfindergrundsatz drehte[35]. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt auch bereits ein Interessengegensatz zwischen Entwicklungs- und Industrieländern sichtbar. Letztere profitieren von einer Erhöhung des Patentschutzes, weil das ihren hochentwickelten und technisch führenden Industrien nützt. Die Entwicklungsländer wollen sich dagegen die Möglichkeiten erhalten, ihre Volkswirtschaften durch billige Nachbauten zu entwickeln, wie dies Japan und andere südostasiatische Staaten lange Zeit erfolgreich betrieben haben. Daher ist diese Staatengruppe eher an einem niedrigen Schutzniveau interessiert[36]. Diese stark vereinfachte Darstellung gibt auch die derzeitige Konstellation bei den weiteren Verhandlungen zur Vereinheitlichung des materiellen Patentrechts wieder.
Im Moment wird im Rahmen der WIPO über den "Draft Substantive Patent Law Treaty" (DSPLT) verhandelt. Wieder ist die Harmonisierung materieller Vorschriften das Hauptthema und wieder ist eine Einigung eher in weiter Ferne. Die USA und Europa vertreten mittlerweile zusammen mit Japan eine relativ einheitliche Position, die aber bei Entwicklungsländern wie Brasilien, Argentinien, Indien und Iran auf Ablehnung trifft[37].
4 Das TRIPs-Abkommen im Rahmen der WTO
Das TRIPs-Übereinkommen hat einige Passagen des jetzt verabschiedeten Patentgesetzes beeinflußt. Deshalb werde ich an dieser Stelle die Entstehungsgeschichte und rechtliche Wirkung des TRIPs kurz darstellen. Es geht dabei darum, zu klären, ob einzelne Änderungen des Patentgesetzes wirkungslos sind. Dies wäre dann der Fall, wenn eine Änderung dem Abkommen zuwider läuft und sich der einzelne Bürger direkt auf TRIPs statt auf das Patentgesetz berufen könnte.
Im übrigen wird in späteren Kapiteln (s.u. Kap. 7.3, 7.5, 7.10, 7.11) gezeigt werden, daß sich der deutsche Gesetzgeber schon aus völkerrechtlichen Gründen an den Vorgaben des TRIPs orientiert hat.
4.1 Entstehungsgeschichte des TRIPs
Während man in der WIPO noch über den Entwurf des PLT von 1991 stritt, zeichnete sich bereits ab, daß eine Vereinheitlichung des materiellen Patentrechts auf ganz anderem Wege erfolgen würde. Im Zuge der Gründung der Welthandelsorganisation 1994 unterschrieben die Gründungsmitglieder nicht nur die Abkommen GATT und GATS, sondern auch das sogenannte TRIPs. Dieses Übereinkommen über "Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights" enthält eine ganze Reihe von Regelungen zum materiellen Patentrecht zu deren Umsetzung in nationales Recht sich die Unterzeichnerstaaten verpflichteten. Im einzelnen soll auf diese Vorschriften weiter unten noch eingegangen werden[38]. Warum wurde nun im Rahmen der WTO die Einigung erzielt, die durch die WIPO so lange erfolglos versucht worden war? Der Grund mag im Charakter des WTO-Abkommens als "Bündel" verschiedener Verträge liegen. So konnten Kompromisse gefunden werden, in denen Staaten Nachteile im einen Vertrag in Kauf nahmen, weil diese durch Bestimmungen der anderen Verträge kompensiert wurden. Viele Entwicklungsländer werden das TRIPs-Abkommen beispielsweise nur deshalb unterschrieben haben, um Vorteile im internationalen Handelsrecht zu erlangen, bzw. um dort handelsrechtliche Sanktionen zu vermeiden. Außerdem wurden ihnen großzügige Übergangsfristen im eingeräumt[39]. Daneben waren einige Entwicklungsländer im Verhandlungsprozeß überfordert und haben deswegen den Inhalt und die Bedeutung der Verträge nicht überblicken können, was zur Überbrückung des in Kap. 3.3 beschriebenen Interessengegensatzes beigetragen haben mag[40].
Das TRIPs-Abkommen wurde jedenfalls sowohl von den Europäischen Gemeinschaften als auch von Deutschland unterzeichnet. So dürften beide Rechtspersönlichkeiten dazu verpflichtet sein, es in nationales bzw. europäisches Recht umzusetzen. Ob man sich in Deutschland unmittelbar auf die Bestimmungen von TRIPs berufen kann, ist allerdings umstritten und soll in den folgenden Kapiteln geklärt werden.
4.2 Vertragsschlußkompetenz für TRIPs in der EU
Bei den WTO Verhandlungen wurde die EU und ihre Mitgliedsstaaten von der europäischen Kommission vertreten. Hierfür wurde die Kommission vom Rat der Europäischen Gemeinschaft und den Regierungen der Mitgliedsstaaten ermächtigt. Hintergrund dieses Verfahrens ist, daß die Kommission der EG die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten in Handelsfragen nach außen vertritt, was sich aus Art. 113 EG (alt) ergibt. Tatsächlich gehören aber nicht alle Teile des WTO-Abkommens zum Bereich Handelspolitik. Gerade TRIPs enthält wie erwähnt materielle Rechtsvorschriften. Deshalb war man sich nicht einig, wer für Verhandlungen und Abschluß des WTO-Vertrages wirklich zuständig ist: Die europäische Kommission oder die Regierungen der Mitgliedsstaaten? Eine Antwort auf diese Frage wurde vorerst vertagt[41]. Sowohl der Präsident des Rates der EG, als auch ein Mitglied der EU-Kommission und die jeweiligen Regierungsvertreter der einzelnen Mitgliedsstaaten unterzeichneten das Abkommen[42]. Mit der Frage der Zuständigkeit wurde später der EuGH befaßt, der im Gutachten vom 15.November 1994 folgendes feststellte: Die Kompetenz zum Abschluß des TRIPs-Übereinkommens ist zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedsstaaten geteilt[43].
[...]
[1] Vgl. DBtag, 15. Wahlperiode, 146. Sitzung, Drucksache 15/146, S.13688-13689
[2] ABl. (EG), L 213/13, Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 6. Juli 1998 (BioPat-RL)
[3] Vgl. DBtag, 15. Wahlperiode, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 15.10.2003, Drucksache 15/1709, Punkt A. der Begründung
[4] DBtag, 15. Wahlperiode, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 15.10.2003 (PatGn), Drucksache 15/1709
[5] Vgl. DBtag, 15. Wahlperiode, 146. Sitzung, Drucksache 15/146, S.13679 (C)
[6] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.113-325
[7] Vgl. Osterrieth, Patentrecht, S.37
[8] Kraßer, Patentrecht, S.2
[9] Vgl. Osterrieth, Patentrecht, S.55-58
[10] Vgl. Osterrieth, Patentrecht, S.60
[11] Osterrieth, Patentrecht, S.61
[12] Osterrieth, Patentrecht, S.60
[13] Vgl. Osterrieth, Patentrecht, S.61
[14] Osterrieth, Patentrecht, S.65
[15] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.776-777
[16] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.818ff
[17] Vgl. Osterrieth, Patentrecht, S.42-43
[18] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.796-798
[19] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.125-128
[20] Kraßer, Patentrecht, S.126
[21] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.129 (Beschluß vom 14.3.1972 BGHZ 58, 280)
[22] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.129-134
[23] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.857-863
[24] Vgl. WIPO, General Information about WIPO, URL: http://www.wipo.int/about-wipo/en/gib.htm, abgefragt am 16.12.2004
[25] Vgl. WIPO, Convention Establishing the World Intellectual Property Organisation, Artikel 6 I b, 7 I b + 8 I b, URL: http://www.wipo.int/clea/docs/en/wo/wo029en.htm, abgefragt am 16.12.2004
[26] Vgl. WIPO, General Information about WIPO, URL: http://www.wipo.int/about-wipo/en/gib.htm, abgefragt am 16.12.2004
[27] Vgl. WIPO, General Information about WIPO, URL: http://www.wipo.int/about-wipo/en/gib.htm, abgefragt am 16.12.2004
[28] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.79-80
[29] Vgl. Drexl, Nach "GATT und WIPO": Das TRIPs-Abkommen und seine Anwendung in der Europäischen Gemeinschaft, in: GRURINT 1994, S.780
[30] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.81-82
[31] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.82
[32] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.84
[33] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.81, 82 + 84
[34] Vgl. Straus, Angabe des Ursprungs genetischer Ressourcen als Problem des Patentrechts, in: GRURINT 2004, S.794
[35] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.81
[36] Vgl. Pacón, Was bringt TRIPs den Entwicklungsländern?, in: GRURINT 1995, S.875-886
[37] Vgl. Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Zehnte Sitzung des Standing Committee on the Law of Patents der WIPO in Genf vom 10.-14. Mai 2004, in: GRURINT 2004, 840 (1)
[38] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.85-88
[39] Vgl. Kraßer, Patentrecht, S.85
[40] Vgl. Tussie/Lengyel, Developing Countries - Turning Participation into Influence, in: "Development, Trade, and the WTO", World Bank (2002), Washington, S.486
[41] Vgl. Drexl, Nach "GATT und WIPO": Das TRIPs-Abkommen und seine Anwendung in der Europäischen Gemeinschaft, in: GRURINT 1994, S.777
[42] Vgl. EuGH, Gutachten 1/94 vom 15. November 1994, in: GRURINT 1995, S.239-250, unter: "Aus den Gründen" - III.
[43] Vgl. EuGH Gutachten 1/94 vom 15. November 1994, in: GRURINT 1995, S.239-250, unter: "Stellungnahme des Gerichtshofes" - VIII.B. - para 105
- Quote paper
- Michael Obst (Author), 2005, Die Änderungen des Patentgesetzes zum Schutze biotechnologischer Erfindungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41666
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