Musik hat auf den Menschen je nach Art der Musik und Situation eine unterschiedliche Wirkung. Haisch, welcher den Versuch unternimmt Musik psychoanalytisch zu deuten, fasst den Unterschied zwischen Musik und Sprache ihren Einfluss auf den Menschen treffend zusammen.
"Die Musik begreift weiterreichende und subtilere Bezirke als das gesprochene Wort. Der offenkundige Mangel an Genauigkeit der Tonsprache erklärt sich teils aus ihrer außerordentlichen Generalität, die bis an das Wort heranreicht, teils daraus, dass die affektiven Besetzungen von verdrängten Vorstellungsinhalten leicht auf nichtsprachliche, einfach-klangliche Träger verlagert werden." (Haisch, In: Musik und Macht, von Fred Prieberg. Frankfurt am Main 1991, S. 87)
Besonders in schwierigen Situationen suchen Menschen nach Auswegen und Gelegenheiten, die ihnen ihre Probleme im Alltag erträglicher machen. Freud stellte 1930 fest, dass Menschen hierfür drei Möglichkeiten besitzen: Linderung von Problemen, Enttäuschungen oder Schmerzen kann durch Ablenkungen, Ersatzbefriedigungen oder Rauschmittel geschehen, da die Einschätzung einer schwierigen Lage bei Ablenkung positiver ausfällt, der Schmerz und die Probleme durch Ersatzbefriedigungen gemindert werden und Rauschmittel sogar dazu führen, dass diese gar nicht erst empfunden bzw. wahrgenommen werden. "Die Ersatzbefriedigungen, wie die Kunst sie bietet, sind gegen die Realität Illusionen, darum nicht minder psychisch wirksam dank der Rolle, die die Phantasie im Seelenleben behauptet hat."
(Freud, Siegmund: Das Unbehagen in der Kultur. Wien 1930, S. 22.)
Prieberg greift Freuds These auf und liefert eine treffende Begründung für diese Art der Nutzung von Musik, die allgemein in autoritären Gemeinwesen und speziell im „Dritten Reich“ wiederzufinden ist: Das Ziel eines autoritären Regimes ist die „Kollektivierung“ des Volkes. Diese wird erreicht, indem das Volkes „unter Musik gesetzt“ und so über die Realität des Alltages im NS-Staat hinweggetäuscht wird.(Vgl. Prieberg 1982, S. 242.)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorhandene Quellen zur Musikerziehung
- Erziehungsvorstellung im „Dritten Reich"
- Allgemeine pädagogische Leitlinien und Erziehungsvorstellungen
- „Musische Erziehung" als eine Leitidee der NS-Erziehung
- Musik und Politik im „Dritten Reich"
- Funktionaler Einsatz von Musik im Nationalsozialismus
- Hitlers Propagandatheorie der Massenpsychologie
- Subtiler Einsatz von Propaganda als Prinzip des Propagandaministers
- Das Zusammenwirken von Musik und NS-ldeologie zur Schaffung einer „Gesinnungsgemeinschaft"
- Unstimmigkeiten und Unklarheiten in der Musikpolitik
- Gründe für die Vereinnahmung der Musikerziehung durch die Nationalsozialisten
- Fritz Jöde als Fallbeispiel eines „unpolitischen" Musikpädagogen
- Historischer Kontext der Musikerziehung
- Funktionaler Einsatz von Musik im Nationalsozialismus
- Musikerziehung in der Hitlerjugend
- Historische Entwicklung der Musikarbeit in der Hitlerjugend
- Gliederung der Musikarbeit der Hitlerjugend nach Wolfgang Stumme
- Die Musik als Vermittlerin eines Gemeinschaftsgefühls
- Singen in der Hitlerjugend
- Funktion der Lieder: Indoktrination durch Singen
- Das Liedgut in der Hitlerjugend
- Wirkung der Lieder und des Singens im „Dritten Reich"
- Langzeitwirkung der Lieder
- Instrumentalmusik in der HJ
- Die Verantwortung der Musikerzieher in der Hitlerjugend
- Fazit
- Anhang
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Bachelor-Arbeit befasst sich mit der Rolle der Musik in der nationalsozialistischen Erziehung, insbesondere in der Hitlerjugend. Ziel ist es, die Funktionsweise des Musik- und Liedereinsatzes im „Dritten Reich" zu analysieren und die zugrundeliegenden ideologischen Absichten aufzudecken. Dabei wird untersucht, inwieweit die Nationalsozialisten die Musik zur Verbreitung und Verinnerlichung ihrer Weltanschauung einsetzten und welche Rolle sie bei der Erziehung der Kinder und Jugendlichen spielte.
- Die Integration der Musik in die NS-Erziehungspolitik
- Die Nutzung von Musik als Instrument der Propaganda und Massenbeeinflussung
- Die Rolle der Musik im Aufbau einer „Gesinnungsgemeinschaft"
- Die Kontinuität und Veränderung der Musikerziehung von der Weimarer Republik zum „Dritten Reich"
- Die spezifische Wirkung der Musik und des Singens auf die Kinder und Jugendlichen in der Hitlerjugend
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und erläutert die Forschungsfrage. Im Fokus steht dabei die Rolle der Musik in der Hitlerjugend als Erziehungsinstitution der NSDAP. Es werden die verschiedenen Ebenen von Absicht, Umsetzung und Wirkung der Musik im „Dritten Reich" beleuchtet.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Quellenlage. Es werden die verschiedenen Arten von Quellen, wie Veröffentlichungen aus der Zeit des Nationalsozialismus, Liederbücher, Schulbücher und Zeitzeugenberichte, vorgestellt und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile im Hinblick auf eine zuverlässige Rekonstruktion der historischen Situation erläutert.
Kapitel drei beleuchtet die Erziehungsvorstellungen im „Dritten Reich". Es wird die zentrale Rolle der Partei in der Erziehung der Kinder und Jugendlichen im „Dritten Reich" hervorgehoben. Die Familie und die Schule spielen eine untergeordnete Rolle. Die NS-Erziehung zielte auf die Formung eines „neuen" Menschen ab, der sich der nationalsozialistischen Gemeinschaft bedingungslos unterordnet. Die „Musische Erziehung", die eine wichtige Rolle im NS-Erziehungskonzept spielte, wird als eine der Leitideen der NS-Pädagogik vorgestellt. Die „Musische Erziehung" diente der Erziehung zur Wehrhaftigkeit und zum „soldatischen Geist" in den Jugendorganisationen der Partei.
Kapitel vier analysiert die Funktion von Musik in der NS-Politik. Es wird Hitlers Propagandatheorie der Massenpsychologie und Goebbels subtile Propagandakonzeption vorgestellt. Die Musik sollte die Emotionen des Volkes ansprechen und zur Schaffung einer „Gesinnungsgemeinschaft" beitragen. Die NS-Ideologie sah in der Musik ein wichtiges Mittel zur Vermittlung ihrer Weltanschauung. Es wird jedoch auch auf die Unstimmigkeiten und Unklarheiten in der Musikpolitik des NS-Regimes hingewiesen. Die Gründe für die Vereinnahmung der Musikerziehung durch die Nationalsozialisten werden im Anschluss beleuchtet. Am Beispiel von Fritz Jöde, einem der führenden Persönlichkeiten der Jugendmusikbewegung, wird die komplexe Beziehung zwischen Musikpädagogik und NS-Ideologie verdeutlicht. Das Kapitel schließt mit einer Analyse des historischen Kontextes der Musikerziehung. Es wird gezeigt, dass die Nationalsozialisten in vielen Bereichen an Traditionen der Jugendbewegung anknüpften und diese für ihre Zwecke nutzten.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Musikerziehung in der Hitlerjugend. Es wird die historische Entwicklung der Musikarbeit in der Hitlerjugend dargestellt und die Gliederung der Musikarbeit nach Wolfgang Stumme vorgestellt. Die Musik spielte eine zentrale Rolle bei der Vermittlung eines Gemeinschaftsgefühls und der ideologischen Indoktrination. Das Singen von Liedern, insbesondere von Volksliedern, war ein wichtiger Bestandteil der Musikarbeit in der Hitlerjugend. Es werden die Funktion der Lieder, das Liedgut in der Hitlerjugend und die Wirkung des Singens auf die Kinder und Jugendlichen analysiert. Das Kapitel schließt mit einer Betrachtung der Instrumentalmusik in der Hitlerjugend und der Verantwortung der Musikerzieher.
Das Fazit fasst die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit zusammen und zeigt, dass die Musik im „Dritten Reich" ein wichtiges Instrument der ideologischen Beeinflussung war. Die Arbeit verdeutlicht die Komplexität der Beziehung zwischen Musik und Politik und die Gefahren des funktionalen Einsatzes von Musik für politische Zwecke.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Rolle der Musik in der nationalsozialistischen Erziehung, insbesondere in der Hitlerjugend. Die Arbeit analysiert den funktionalen Einsatz von Musik als Instrument der Propaganda und Massenbeeinflussung, die Vermittlung nationalsozialistischer Ideologie durch Musik und Lieder, die Bedeutung von Gemeinschaftserleben und die Kontinuität der Musikerziehung von der Weimarer Republik zum „Dritten Reich". Weitere wichtige Themen sind die Wirkung des Singens auf die Kinder und Jugendlichen in der Hitlerjugend, die Verantwortung der Musikerzieher und die Langzeitwirkung der Lieder.
- Arbeit zitieren
- Miriam Garmatter (Autor:in), 2010, Die Rolle der Musik in der nationalsozialistischen Erziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267155
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