Die Aufgabe dieser Seminararbeit wird es sein, einen Überblick der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Jugoslawien im Zeitraum von 1974 bis 1986 zu geben, um dadurch zu versuche n, in Ansätzen zu klären, ob es sich bei der zu behandelnden Zeitspanne um eine Periode der Stagnation handelt oder man von „goldenen Jahren“ sprechen kann. Angesichts dessen, stellt sich die Frage nach grundlegenden politischen Reformen. Gab es solche Reformen in Jugoslawien in den Jahren zwischen 1974 und 1986? Und wenn ja, in wie fern waren diese ein Novum und was waren die innenpolitischen und volkswirtschaftlichen Folgen? Es ist ebenso von enormer Wichtigkeit, in Grundzügen die Außenpolitik des genannten Zeitabschnitts zu erläutern, um mögliche Zusammenhänge zwischen außen- und
innenpolitischen Entwicklungen zu prüfen. In wie fern wurde die jugoslawische Außenpolitik von möglichen innenpolitischen Reformprozessen beeinflusst? Kann man die außenpolitische und die innenpolitische Entwicklung Jugoslawiens separat von einander betrachten und beurteilen? In Anbetracht der Komplexität des Themas sei an dieser Stelle kurz auf die Quellenlage verwiesen. In den Beständen der meisten deutschen und der ausländischen Bibliotheken ist eine enorme Quellensammlung zu dem Sachgebiet Jugoslawien vorhanden. So gibt es zum Beispiel eine Fülle von Monographien,
Sammelbänden, Bibliographien, Statistiken, Dokumente und andere Quellen in der Staatsbibliothek zu Berlin. Eine Vielzahl von Quellen ist auch beim Bibliotheksverbund Bayern vorhanden, aber auch in der Nationalbibliothek Serbiens, in der National- und Universitätsbibliothek „Petar Kocic“, der Bibliothek „Matica
Srpska“ und in der Universitätsbibliothek „Svetozar Markovic“. Auffallend ist jedoch, dass trotz des großen Angebots relativ wenig Literatur, die in den 1980er Jahren erschienen ist bzw. Literatur, die etwa den Zeitraum zwischen 1980 und 1986 behandelt, in den Beständen aufzufinden ist, wie das zum Beispiel bei dem Kooperativen Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg der Fall ist. [...]
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Entwicklungshilfe und gescheiterter Integrationsversuch
3. Die Selbstverwaltung in der jugoslawischen Wirtschaft
4. Reformüberlegungen
5. Die Hauptmerkmale der jugoslawischen Außenpolitik zwischen 1974-1986 in Grundzügen
6. Zusammenfassende Schlussbetrachtung
7. Literatur
1. Einleitung
Die Aufgabe dieser Seminararbeit wird es sein, einen Überblick der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Jugoslawien im Zeitraum von 1974 bis 1986 zu geben, um dadurch zu versuchen, in Ansätzen zu klären, ob es sich bei der zu behandelnden Zeitspanne um eine Periode der Stagnation handelt oder man von „goldenen Jahren“ sprechen kann. Angesichts dessen, stellt sich die Frage nach grundlegenden politischen Reformen. Gab es solche Reformen in Jugoslawien in den Jahren zwischen 1974 und 1986? Und wenn ja, in wie fern waren diese ein Novum und was waren die innenpolitischen und volkswirtschaftlichen Folgen? Es ist ebenso von enormer Wichtigkeit, in Grundzügen die Außenpolitik des genannten Zeitabschnitts zu erläutern, um mögliche Zusammenhänge zwischen außen- und innenpolitischen Entwicklungen zu prüfen. In wie fern wurde die jugoslawische Außenpolitik von möglichen innenpolitischen Reformprozessen beeinflusst? Kann man die außenpolitische und die innenpolitische Entwicklung Jugoslawiens separat von einander betrachten und beurteilen?
In Anbetracht der Komplexität des Themas sei an dieser Stelle kurz auf die Quellenlage verwiesen. In den Beständen der meisten deutschen und der ausländischen Bibliotheken ist eine enorme Quellensammlung zu dem Sachgebiet Jugoslawien vorhanden. So gibt es zum Beispiel eine Fülle von Monographien, Sammelbänden, Bibliographien, Statistiken, Dokumente und andere Quellen in der Staatsbibliothek zu Berlin. Eine Vielzahl von Quellen ist auch beim Bibliotheksverbund Bayern vorhanden, aber auch in der Nationalbibliothek Serbiens, in der National- und Universitätsbibliothek „Petar Kocic“, der Bibliothek „Matica Srpska“ und in der Universitätsbibliothek „Svetozar Markovic“. Auffallend ist jedoch, dass trotz des großen Angebots relativ wenig Literatur, die in den 1980er Jahren erschienen ist bzw. Literatur, die etwa den Zeitraum zwischen 1980 und 1986 behandelt, in den Beständen aufzufinden ist, wie das zum Beispiel bei dem Kooperativen Bibliotheksverbund Berlin-Brandenburg der Fall ist.
Obwohl die südlichen Republiken und die autonome Provinz Kosovo über mehr Naturschätze verfügten als beispielsweise Slowenien oder Kroatien, war in diesen Gebieten das Prokopfeinkommen deutlich niedriger.[1] Die Gründe dafür sind geographisch und historisch bedingt. Geographisch, da die Infrastruktur nicht genügend ausgebaut war und folglich die Zugänglichkeit zur Küste und zu den nördlichen Gebieten erschwert wurde. Und historisch bedingt, da die unterentwickelten Gebiete den Teil Jugoslawiens ausmachten, der über Jahrhunderte vom Osmanischen Reich besetz war, was die Industrialisierung erheblich erschwerte und verzögerte. Wobei im Gegenzug die nördlichen Gebiete ab dem Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss der Habsburger standen und dies zum Ausbau der Infrastruktur und zur Industrialisierung führte. Somit war das Ziel - die ökonomische Gleichheit zwischen den entwickelten und den unterentwickelten Regionen - mitunter kennzeichnend für alle jugoslawischen Verfassungen in der Nachkriegszeit. So hatte sich auch die Verfassung von 1974 die Beschleunigung der Wirtschaftsentwicklung in den rückständigen Republiken (Makedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro) und der autonomen Provinz Kosovo zur Aufgabe gemacht. Weiterhin kann man in Grundzügen die wirtschaftlichen Ziele der Verfassung von 1974 und der Fünfjahrespläne von 1971-1975, 1976-1980 und 1981-1985 wie folgt zusammenfassen: dynamisches Wachstum und Steigerung der Effektivität der Volkswirtschaft mit Hilfe durchgreifender gesellschafts-ökonomischer Reformen, Verbesserung der bilanziellen Ausgeglichenheit der Volkswirtschaft und der Außenwirtschaftsbeziehungen, Beseitigung der strukturellen Missverhältnisse durch maximale Erschließung eigener Brennstoff- und Energiequellen, Nachhaltiges Wachstum des Lebensstandards der Werktätigen, Beschäftigungszuwachs.
2. Entwicklungshilfe und gescheiterter Integrationsversuch
Die Entwicklungspolitik der Bundesrepublik beruhte maßgeblich auf zwei Säulen. Zum einen waren das Finanzzuweisungen aus dem Bundeshaushalt im Rahmen des Finanzausgleichs und zum anderen der Föderationsfonds für die Kreditierung einer schnelleren Entwicklung in ökonomisch unterentwickelten Republiken und Provinzen oder auch regionaler Entwicklungsfonds der Föderation genannt. Dieser Entwicklungsfonds war eine eigenständige Organisation, die durch Vertreter der einzelnen Republiken und Provinzen verwaltet wurde. Die Hauptfunktionen des Fonds waren die Finanzverteilung an unterentwickelte Regionen, wirtschaftliche und technische Hilfeleistung für Unternehmen und Betriebe in diesen Gebieten, aber auch die Förderung von wirtschaftlicher Zusammenarbeit von Betrieben aus entwickelten Regionen und solchen aus unterentwickelten, sowie die Analyse der wirtschaftlichen Lage in den unterentwickelten Teilen Jugoslawiens. Die Refinanzierung des Fonds wurde durch die Verfassung von 1974 nicht mehr durch Zwangsabgaben, sondern durch Zwangsanleihen, die von allen selbstverwalteten Unternehmen in ganz Jugoslawien gezeichnet wurden, sichergestellt und an die unterentwickelten Republiken als gering verzinste Kredite verteilt. So nahmen die Entwicklungsfondsmittel für das Kosovo, das am geringsten entwickelte Teilgebiet der Bundesrepublik, in allen Gesellschaftsplanperioden zwischen 1966 und 1985 stetig zu, wobei die Mittel für Bosnien-Herzegowina, Makedonien und Montenegro abnahmen.[2] Dabei hatten die für Kosovo gewährten Kredite eine längere Laufzeit und wurden geringer verzinst als im Vergleich zu den anderen unterentwickelten Regionen.[3] Einen verstärkten Anreiz für Investitionen in die unterentwickelten Regionen glaubte man dadurch zu schaffen, in dem man Unternehmen aus den entwickelten Gebieten, die in den unterentwickelten investierten, 20% der Zwangsanleihen erließ. Das war wie sich herausstellte eine Fehleinschätzung, da trotz der versicherten Vergünstigungen und gleichwohl die Durchschnittseinkommen der Beschäftigten in den unterentwickelten Regionen niedriger waren, also auch die Produktion billiger war, es nicht verstärkt zu Investitionen kam. Der Grund dafür war, dass Unternehmen, die investierten, den Partnerunternehmen de facto gleichgestellt wurden. Das hatte Lohnanpassungen und eine gleichmäßige Verteilung des Profits zur Folge und stellte somit keine günstigen Rahmenbedingungen für Investitionen dar. Weiterhin waren ein gering vorhandenes Know-how der Arbeiter und Probleme in der Infrastruktur in den unterentwickelten Regionen ebenfalls ausschlaggebend für die schwache Investitionsbereitschaft der Unternehmer aus den nördlichen Gebieten. Trotz der Finanzzuschüsse des Bundes und des Entwicklungsfonds, trotz gewährten Anleihen westlicher Banken und Handels- und Kooperationsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft, und zumal auch der Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter in den unterentwickelten Regionen gering war, die Arbeitslosenquote anstieg, die Arbeitsproduktivität unter dem jugoslawischen Durchschnitt lag und eine bedeutende Landflucht zu verzeichnen war, was zu einem Nachfrageüberhang nach nicht-landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen führte, war ein enormer Wachstumsrückgang des Gesellschaftsprodukts ab dem Jahr 1981 festzustellen. So sank beispielsweise das Gesellschaftsprodukt 1983 in Kroatien auf -2,0% und im Kosovo auf 0,0%[4]. Folglich kann man die Entwicklungspolitik als gescheitert betrachten.
Angesichts der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise stieg auch der Unmut der Bevölkerung in der gesamten Bundesrepublik und im Besonderen im Kosovo. Die Krise führte beispielsweise dazu, dass der allgemeine Lebensstandard im Kosovo Anfang der 1980er Jahre auf das Niveau der 1960er Jahre zurückfiel[5] und die Arbeitslosigkeit dreimal höher als im jugoslawischen Durchschnitt war[6]. Zugespitzt wurde die Situation auch dadurch, dass in Anbetracht der geringen Anzahl von Arbeitsplätzen, diese auch noch einseitig auf bestimmte Nationalitätengruppen verteilt wurden, was zu Spannungen unter den einzelnen ethnischen Gruppen führte und somit auch die Forderungen nach sozialer Gleichheit verstärkt wurden. So hatten Anfang der 1980er Jahre im Kosovo von 1000 Einwohnern 109 Albaner, 228 Serben und 258 Montenegriner einen Arbeitsplatz, wobei man beachten muss, dass die Albaner 90% der Gesamtbevölkerung im Kosovo ausmachten[7]. Die Unzufriedenheit der albanischen Bevölkerung im Kosovo fand, wie auch 1968, durch die Studentenproteste vom 1. April 1981 ihren Ausdruck. Es wurden Forderungen nach nationalen, politischen und Bürgerrechten gestellt, sowie die soziale Gleichstellung von im Kosovo lebenden Albanern und Minderheitengruppen verlangt. Die Proteste wurden durch Polizeiaufgebote aus ganz Jugoslawien unterdrückt, es kam zu Massenverhaftungen und ein dreimonatiger Ausnahmezustand wurde verhängt. Weitere Sanktionen, wie etwa Berufsverbote, gingen noch in den darauf folgenden Jahren weiter.
[...]
[1] Grothusen, Klaus-Detlev/ Haberl,Otmar Nikola/ Höpken, Wolfgang (Hg.), Jugoslawien am Ende der Ära Tito,2, München 1986, S.144, Tab. 1
[2] Izdatelstwo Nauka, Sozialistitscheskaja Federatiwnaja Rebublika Jugoslawija, Moskau 1985, S.175, Tab.8
[3] Grothusen, Klaus-Detlev/ Haberl, Otmar Nikola/ Höpken, Wolfgang (Hg.), Jugoslawien am Ende der Ära Tito,2, München 1986, S. 24
[4] Izdatelstwo Nauka, Sozialistitscheskaja Federatiwnaja Respublika Jugoslawija, Moskau 1985, S.166, Tab.6
[5] Izdatelstwo Nauka, Sozialistitscheskaja Federatiwnaja Respublika Jugoslawija, Moskau 1985, S.230, Tab.20
[6] Furkes, Josip/ Schlarp, Karl-Heinz (Hg.), Jugoslawien: Ein Staat zerfällt, Hamburg 1991, S.72
[7] Furkes, Josip/ Schlarp, Karl-Heinz (Hg.), Jugoslawien: Ein Staat zerfällt, Hamburg 1991, S.73
- Quote paper
- Ljubomir Milev (Author), 2003, 1970er: "Goldene Jahre" oder Stagnation? (1974-1986), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21561
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