Seitdem Otto Kade den Begriff der Translation einführte, wurden Übersetzen und Dolmetschen Teil einer gemeinsamen Wissenschaft, die sich aber auch damit beschäftigt, die Unterschiede zwischen den Teildisziplinen aufzuzeigen. Einer der wichtigsten davon, der sich später auf fast alle Dolmetschmodelle auswirkt, findet sich in den Entscheidungsprozessen. Während beim Übersetzen das Gesamtwerk vorliegt, gibt es beim Dolmetschen keine Gesamtheit – eine Tatsache, die ganz andere Denk- und Handelsstrategien erfordert. Oder mit anderen Worten gesagt: Die Abgeschlossenheit eines Textes spielt eine
wesentliche Rolle bei Rezeption, Verstehen und Produktion in der Zielsprache. Genau dieser fehlende Überblick über die Kohärenzen in einem Text lässt die Frage aufkommen: Ist Dolmetschen als getreue Wiedergabe eines Textes überhaupt möglich? Wenn ja, dann was für Umformulierungs- und Verstehensprozesse spielen sich im Kopf eines Dolmetschers ab? Diese und die Frage, was für eine Rolle der Dolmetscher als Mensch und Persönlichkeit in der Kommunikationskette spielen muss oder darf, sind Ausgangspunkte für kontroverse, aber auch sehr aufschlussreiche Meinungen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Kirchhoff-Modell – Elemente und Akteure
- Elemente des Systems und ihre Funktion
- Die Interaktionspartner
- Rollenverteilung
- Verhaltensweisen innerhalb des Systems: Sender – Dolmetscher – Empfänger
- Die Doppel-Rolle des Dolmetschers
- Verlaufsformen der Äußerungen und deren Verdolmetschung: konsekutiv vs. simultan
- Konsekutivdolmetschen
- Simultandolmetschen
- Mögliche kommunikationsstörende Faktoren im dreigliedrigen System
- Englisch als Konferenzsprache für Träger anderer Sprachen
- Neuronale Prozesse beim Dolmetschen
- Daniel Giles „effort model“
- Redeflussunterbrechungen im Dolmetschprozess
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist die Untersuchung der Position des Dolmetschers im Dolmetschprozess. Das Kirchhoff-Modell (1976) des dreigliedrigen, zweisprachigen Kommunikationssystems Dolmetschen dient als Grundlage zur Analyse verschiedener Meinungen und Situationen, die aus Studien und ausgewählten Kapiteln oder Artikeln zur Dolmetschforschung stammen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf den neuronalen Prozessen, die beim Dolmetschen ablaufen, und der Frage, ob der Dolmetscherberuf nur für "multikulturelle Sprachengenies" geeignet ist.
- Das Kirchhoff-Modell und die Rolle des Dolmetschers im Kommunikationssystem
- Die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz und der Situationsanpassung
- Die kognitiven Herausforderungen des Dolmetschens und die Rolle des mentalen Lexikons
- Der Einfluss von Redeflussunterbrechungen und non-fluencies auf den Dolmetschprozess
- Der Dolmetscherberuf und seine Rolle in der Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit und das Ziel der Autorin vor, das Kirchhoff-Modell zu analysieren und die Rolle des Dolmetschers im Kommunikationsprozess zu beleuchten. Kapitel 2 analysiert das Kirchhoff-Modell, beschreibt die Elemente des Systems und ihre Funktion, sowie die Interaktionspartner und ihre soziokulturellen Hintergründe. Kapitel 3 befasst sich mit der Rollenverteilung innerhalb des Systems, beschreibt die Verhaltensweisen von Sender, Dolmetscher und Empfänger und untersucht die Doppelrolle des Dolmetschers als Zweitempfänger und Zweitsender. Es werden die verschiedenen Dolmetschmodi (konsekutiv und simultan) sowie mögliche kommunikationsstörende Faktoren im dreigliedrigen System analysiert. Kapitel 4 widmet sich den neuronalen Prozessen beim Dolmetschen, erklärt das Effort-Modell von Daniel Giles und beleuchtet Redeflussunterbrechungen und non-fluencies im Dolmetschprozess.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Dolmetschen, Dolmetscherprozess, Kirchhoff-Modell, Kommunikationssystem, Interaktionspartner, Rollenverteilung, konsekutiv und simultan, neuronale Prozesse, "effort model", Redeflussunterbrechungen, non-fluencies, mentale Energie und Sprachgenies.
- Quote paper
- Eliza Kalderon (Author), 2004, Die Position des Dolmetschers im Dolmetschprozess , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166371