Norddeutschland ist von einem Nebeneinander von Regionalsprache und Regionalkultur einerseits sowie Nationalsprache und Nationalkultur anderer-seits gekennzeichnet, das Hochdeutsche hat dabei den Status der Standard-sprache erlangt und verdrängt die regionalen „Minderheitensprachen“ immer mehr. Diese Entwicklung setzte bereits im 16./17. Jahrhundert ein, als das Hochdeutsche zur allgemeinen Schriftsprache wurde und das Mittelniederdeutsch in dieser Funktion ablöste (Appenzeller 2004, S.25). Besonders gravierend für die Regionalsprache ist die Situation seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges: Viele Flüchtlinge aus den ehemaligen ostdeutschen Gebie-ten siedelten im Nordwesten Deutschlands, woraufhin regionale Mundarten ihren Status als Umgangssprache verloren, da es plötzlich immer mehr Personen im Umkreis gab, die die regionale Mundart nicht beherrschten. Zur Alltags- und Verkehrssprache wurde somit immer häufiger das Hochdeutsche herangezogen, das bis dahin die Stellung der Mundarten als tägliche Gebrauchssprache kaum antasten konnte (Sjölin 1997, S.469). Nun aber sahen sich Einheimische zunehmend damit konfrontiert, dass „fremde“ Kinder Vorteile in der Schule hatten, da sie bereits vor der Einschulung Hoch-deutsch sprachen, wohingegen die meisten Einheimischen bis dahin die regionale Mundart als Muttersprache erlernten und das Hochdeutsche erst ab dem 6. Lebensjahr in der Schule.
Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind die friesischen Dialekte sowie das Niederdeutsche – in der Regel verfügen Personen, die nach 1945 geboren sind, zwar vielfach über äußerst gute Passivkenntnisse der regionalen Mundart, oftmals wird der Dialekt aber nicht mehr auf natürlichem Weg an die Kinder weitergegeben und ist insofern stark gefährdet.
In dieser Arbeit soll daher die norddeutsche Mehrsprachigkeitssituation untersucht werden, im Fokus der Arbeit stehen das (Nord-)Friesische sowie das Niederdeutsche, da diese beiden Sprachen seit 1999 durch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen gefördert werden, was sowohl die Gefährdung dieser beiden Sprachen als auch das Bemühen um ihren Fortbestand und ihre Pflege verdeutlicht.
Durch welche sprachlichen Kontakte hat sich also die Verwendung der regionalen Mundarten in den letzten Jahrhunderten geändert? In welchen Kommunikationssituationen werden die regionalen Dialekte heutzutage noch verwendet und wie angesehen sind sie? Kann von einer generellen Bevorzugung des Hochdeutschen gesprochen werden?
Inhaltsverzeichnis
- Norddeutschland ist von einem Nebeneinander von Regionalsprache und Regionalkultur einerseits sowie Nationalsprache und Nationalkultur andererseits gekennzeichnet
- Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind die friesischen Dialekte sowie das Niederdeutsche
- Sprachschwund und Sprachverdrängung betreffen nicht nur entlegene Gebiete der Erde
- Besonders interessant für die Frage nach Mehrsprachigkeit ist der Landkreis Nordfriesland
- Der erste große Sprachkontakt in Nordfriesland fand im 13./14. Jahrhundert statt
- Die Sprachverdrängung durch das Hochdeutsche setzte erst im ausgehenden 19. Jahrhundert ein
- Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkte sich ebenfalls die Verdrängung des Friesischen durch das Niederdeutsche
- Dennoch kam es in den ersten drei Jahrzehnten zu sprachpflegerischen Bemühungen in Friesland
- Bedroht wurde das Friesische nicht nur durch das Hoch- und Niederdeutsche
- Könnte man aufgrund dieser Ergebnisse jedoch auf die Idee kommen, dass die nordfriesischen Dialekte durch andere, nämlich niederdeutsche bzw. dänische öder jütische Mundarten, verdrängt wird, ist dieser Eindruck zu korrigieren
- Die Sprachverdrängung durch das Hochdeutsche geht darüber hinaus aus unterschiedlichen Erhebungen hervor
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die norddeutsche Mehrsprachigkeitssituation mit dem Fokus auf das (Nord-)Friesische und das Niederdeutsche. Im Zentrum stehen die sprachlichen Kontakte, die zu Veränderungen in der Verwendung der regionalen Mundarten geführt haben, sowie die sozioökonomischen Gründe für diesen Wandel. Die Arbeit beleuchtet die aktuellen Kommunikationsbedingungen und die gesellschaftliche Wertschätzung der regionalen Dialekte.
- Sprachkontakt und Sprachwandel in Norddeutschland
- Sozioökonomische Ursachen der Sprachverdrängung
- Status und gesellschaftliche Wahrnehmung der regionalen Dialekte
- Die Rolle des Hochdeutschen als Standardsprache
- Die Gefährdung und Förderung von Minderheitensprachen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung der Mehrsprachigkeit in Norddeutschland, insbesondere die Situation des Friesischen und des Niederdeutschen. Sie analysiert die historischen Sprachkontakte und die sozioökonomischen Faktoren, die zur Verdrängung der regionalen Mundarten durch das Hochdeutsche geführt haben. Die Arbeit untersucht die aktuellen Kommunikationsbedingungen und die gesellschaftliche Wertschätzung der regionalen Dialekte, um die Frage nach dem Fortbestand der Minderheitensprachen zu beleuchten.
Schlüsselwörter
Mehrsprachigkeit, Sprachkontakt, Sprachverdrängung, Regionalsprache, Minderheitensprache, Friesisch, Niederdeutsch, Hochdeutsch, Norddeutschland, Sozioökonomie, Kommunikationsbedingungen, Sprachwandel.
- Citation du texte
- Britta Wehen (Auteur), 2010, Niederdeutsch und Friesisch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154467
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