„Diz vliegende bîspel
Ist tumben liuten gar ze snel,
sine mugens niht erdenken:
wand ez kann vor in wenken
rehte alsam ein schellec hase.“(vgl.1,15)
Dies sind einige der ersten Verse des einleitenden Prologs des Parzivals von Wolfram von Eschenbach. Nimmt man sich diese Worte zu Herzen und besinnt sich auf deren Bedeutung, wird schnell klar, dass dieses Werk keines Falles als „leichte Kost“ angesehen werden kann.
Dies sind einige der ersten Verse des einleitenden Prologs des Parzivals von Wolfram von Eschenbach. Nimmt man sich diese Worte zu Herzen und besinnt sich auf deren Bedeutung, wird schnell klar, dass dieses Werk keines Falles als „leichte Kost“ angesehen werden kann. So sollte die „Geschichte“ nicht nur als solche gelesen und für bare Münze genommen werden, sondern die diffizilen Anspielungen auf Personen und Umstände stets genauestens beleuchtet werden. Diesem Rate folgend möchte ich im Folgenden nun genauer auf die Fragestellung: „Wie werden die Pole Natur und Kultur besetzt?“ eingehen.
Grundlegend möchte ich zuerst die Begriffe Natur und Kultur ein wenig einschränken, beziehungsweise erläutern. Unter Natur verstehe ich im Zusammenhang mit dem vorliegenden Werk, dem Parzival, die Natur des Menschen, also seine Wesenhaftigkeit und das innere Streben nach Entfaltung und Entwicklung. Auch Familienverhältnisse, wie enge Verwandtschaft und Herkunft, spielen hier eine entscheidende Rolle. Kultur kann sich in Form von Erziehung, Geboten, sowie Verboten und im Allgemeinen in der ritterlichen Gesellschaft der Zeit deutlich machen. Man sollte nun meinen, dass beide Pole, sowohl die Wesenhaftigkeit, als auch die Entwicklung und das Wachsen in eine Gesellschaft hinein fließend ineinander übergehen. Doch werden wir schon im dritten von 16 Büchern eines Besseren belehrt.
Herzeloyde, die Mutter von Parzival, leidet unter schrecklichen Verlustängsten. Begründet liegen diese wohl in den schmerzlichen Erfahrungen die sie mit dem Vater Parzivals, Gahmuret, machte. Dieser verließ die schwangere Königin um an einem Ritterturnier teilzunehmen, kehrte aber nicht mehr zurück. Der Tod des Geliebten schien unüberwindbar, weshalb sich Herzeloyde krampfhaft an Trost durch ihren Sohn klammert. Dieser ist für sie die „Wiedergeburt“ ihres Liebsten und hält sie gleichsam am Leben. Diese übertriebenen Verlustängste laufen nun aus dem Ruder und die Königin lässt all ihren Reichtum und ihre Besitztümer zurück, um mit ihrem Sohn in der Einöde des Waldes zu leben. Sie verfolgt den Gedanken fernab des gesellschaftlichen Lebens eine Art Schutzzone um ihrem Sohn herum aufzubauen und lenkt so ganz gezielt seine Entwicklung in eine Richtung, die sie vorgibt. Vom Rittertum soll der Junge erst gar nichts wissen, um ihn nicht auf verlockende Gedanken zu bringen. Der junge Parzival bekommt ein sehr eingeschränktes Bild der Welt anerzogen und weiß über das Leben außerhalb des Waldes kaum bescheid, wofür die Mutter einiges unternimmt (117,19 „ê daz sich der versan, ir volc si gar für sich gewan: ez waere man oder wîp, den gebot si allen an den lîp, daz se immer ritters wurden lût.“).
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- Citation du texte
- Anica König (Auteur), 2008, Wolfram von Eschenbachs Parzival - Wie werden die Pole von Natur und Kultur besetzt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147463