In der vorliegenden Arbeit soll das Verhalten des Ford-Managements im Ford-Pinto-Fall aus ethischer Sicht bewertet werden. Hierzu sollen zuerst die Begriffe Konsequentialismus und Deontologie erklärt und die Entscheidungsfindung mittels der durchgeführten Kosten-Nutzen-Rechnung anhand dieser Theorien beurteilt werden. Abschließend erfolgt ein Fazit.
1 Fragestellung und Vorgehensweise
Um mit den japanischen Automobilherstellern sowie mit dem amerikanischen Importschlager „VW Käfer“ des Volkswagenkonzerns konkurrieren zu können, erteilte der ehemalige Vizepräsident des Automobilkonzerns Ford, Herr Lee Iacocca, im Mai 1968 den Auftrag, einen Kleinwagen herzustellen. Nach einer zweijährigen Entwicklungszeit wurde im Jahr 1970 das Modell „Ford Pinto“ vorgestellt und bis ins Jahr 1980 angeboten.
Im direkten Leistungsvergleich mit den Kleinwägen „Toyota Corolla“ und „Honda Civic“ konnte sich der Kleinwagen von Ford durchsetzen. Zudem bot er seinen Kunden einen höheren Komfort, mehr Laderaum und war preiswerter als der bei der amerikanischen Bevölkerung beliebte „VW Käfer“. Trotz seiner Vorteile, wies der „Ford Pinto“ aufgrund seiner Konstruktion einen gravierenden Mangel auf, welcher die Fahrzeuginsassen bei Auffahrunfällen großer Gefahr aussetzte. Der sich an der Rückseite des Fahrzeuges befindende Tank war nicht ausreichend isoliert, was bei leichten Heckkollisionen häufig dazu führte, dass dieser beschädigt wurde und Benzin austrat. Folglich bestand die Gefahr, dass sich der Kleinwagen entzündete oder gar explodierte. Dieses Problem war dem Ford-Management bekannt, jedoch wiesen sie den Vorschlag der Betriebsingenieure, das Risiko auslaufenden Benzins mittels des Einsetzens von Gummihüllen in das Tanksystem, zu minimieren, zurück. Das Management begründete seine Entscheidung auf der Basis einer durchgeführten KostenNutzen-Rechnung, in welcher die Kosten für die Nachrüstung ihrem Nutzen, die Vermeidung von Verletzten und Todesopfern, gegenübergestellt wurde. Folglich entschied sich das FordManagement die Fahrzeuge mit einem fehlerhaften Tanksystem auszuliefern und nahm laut Schätzungen demnach 500 Todesopfer und die damit verbundenen Kosten in Kauf.
In der vorliegenden Arbeit soll das Verhalten des Ford-Managements im Ford-Pinto-Fall aus ethischer Sicht bewertet werden. Hierzu sollen zuerst die Begriffe Konsequentialismus und Deontologie erklärt und die Entscheidungsfindung mittels der durchgeführten Kosten-NutzenRechnung anhand dieser Theorien beurteilt werden. Abschließend erfolgt ein Fazit.
Das vorliegende Essay basiert auf der vermittelten Theorie aus Kapitel 2 „Grundlagen zum Konsequentialismus/Deontologie“, auf den Foliensatz „Kosten-Nutzen-Rechnung bei ethischen Entscheidungen am Beispiel des Ford Pinto“, sowie auf zusätzliche Quellen, welche im Literaturverzeichnis vermerkt wurden.
2 Konsequentialistische und deontologische Beurteilung der Kosten-Nutzen-Rechnung
Ethische Theorien ermöglichen es, menschliches Handeln hinsichtlich der moralischen Richtigkeit beurteilen zu können. In der Ethik differenziert man zwischen zwei Theorietypen: dem Konsequentialismus, auch Teleologie genannt, und der Deontologie.
Konsequentialistische Ethiken bemessen die moralische Richtigkeit einer Handlung lediglich von den abzusehenden Konsequenzen, wohingegen deontologische Ethiken eine Handlung selbst und nicht deren Folgen als pflichtgemäß beziehungsweise geboten, erlaubt oder verboten beurteilen. Beispielsweise lässt ein Arzt einen Schwerkranken im Unklaren über den Ernst seiner Situation und täuscht ihm gute Genesungsaussichten vor, um eine psychische Belastung des Patienten zu vermeiden, seinen Gesundungswillen zu stärken und somit einen Beitrag zu dessen tatsächlicher Gesundung zu leisten, so handelt er durch die Vermittlung dieser Unwahrheit nach teleologischer Auffassung moralisch richtig, da hierdurch positive Konsequenzen für den Patienten entstehen. Aus deontologischer Sichtweise ist das Verhalten des Arztes jedoch moralisch verwerflich, da er durch seine Lüge gegen das Achte der zehn Gebote der Bibel verstoßen hat.
Hinzuzufügen ist, dass der Konsequentialismus ein Sammelbegriff für weitere ethische Theorien ist. Diesem ist der klassische Utilitarismus, der moralische Egoismus sowie der selbstreferentielle Altruismus zuzuordnen. Der klassische Utilitarismus besagt, dass eine Handlung genau dann moralisch richtig ist, wenn sie das Glück aller ethischen Subjekte maximiert. Eine Handlung im Rahmen des moralischen Egoismus gilt als richtig, wenn sie lediglich das Glück des Handelnden maximiert, wohingegen im selbstreferentiellen Altruismus neben den Interessen des Handelnden selbst, auch das Glück beziehungsweise die Interessen nahestehender Individuen in die moralische Bewertung miteinbezogen werden.
Wie in der Einleitung bereits erwähnt wurde, begründete das Ford-Management seine Entscheidung basierend auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Diese ergab, dass eine Nachrüstung mittels einer Gummihülle pro Fahrzeug einen Ressourcenverzehr in Höhe von 11$ verursacht hätte. Bei 12,5 Millionen geplanten PKW hätte dies einer Gesamtsumme von 137 Millionen Dollar entsprochen. Demgegenüber versuchte der Automobilkonzern die Kosten für eine ausbleibende Nachrüstung abzuschätzen. Hierbei berechneten sie den finanziellen Aufwand für 180 Todesopfer, 180 schwer Verletzte sowie für 2100 brandgeschädigte Fahrzeuge. Gemäß ihrer Kalkulation entsprach dies einem Schadenswert in Höhe von 49,5 Millionen Dollar, was in Relation zu einer Nachrüstung ein Ausgabendefizit von 87,5 Millionen Dollar entsprochen hätte.
Betrachtet man die Entscheidungsfindung von Ford aus einer konsequentialistischen Sichtweise, insbesondere aus der Sicht des klassischen Utilitarismus, wird deutlich, dass das Management moralisch falsch gehandelt hat, da lediglich die Folgen für den Ford-Konzern und nicht für alle ethischen Subjekte berücksichtigt wurden. Der Automobilhersteller war auf eine kostengünstige Entscheidung bedacht und vernachlässigte dabei das Interesse ihrer Kunden an Sicherheit und Produktqualität. Folglich wurde lediglich die Glücksbilanz der Ford Eigentümer und Aktionäre, ohne Rücksicht auf die Kunden, maximiert.
Gemäß dem moralischen Egoismus stellt die durchgeführte Kosten-Nutzen-Rechnung und die Entscheidung zur Auslieferung der Fahrzeuge mit einem fehlerhaften Tanksystem eine moralisch richtige Handlung dar, da das Ford-Management davon profitierte. Durch die kostengünstigere Entscheidung trugen sie zur Wirtschaftlichkeit und Liquidität des Unternehmens bei, was sich letztlich positiv auf ihre individuellen Gehälter beziehungsweise auf ihre Ergebnisbeteiligungen auswirkte. Darüber hinaus festigten sie hierdurch ihre Arbeitsplatzsicherheit im Rahmen ihrer Managementposition, da kostenintensive Entscheidungen schnell zu einer Degradierung führen können.
Hinsichtlich des selbstreferentiellen Altruismus wird das Verhalten des Ford-Managements ebenfalls als moralisch richtig angesehen, da durch die Entscheidung nahestehende Individuen wie beispielsweise alle Arbeitnehmer und die Aktionäre des Ford-Konzerns profitierten. Es ist anzunehmen, dass aufgrund der kostengünstigeren Variante keine Kosteneinsparungen in anderen Unternehmensbereichen beispielsweise in Form von Personalfreisetzungen notwendig waren, was wiederum die Arbeitsplatzsicherheit der Beschäftigten erhöhte. Zudem war es dem Ford-Konzern möglich mehr Gewinn zu erwirtschaften, was sich positiv auf die Ergebnisbeteiligung der Arbeitnehmer sowie auf die Dividende der Aktionäre auswirkte.
Betrachtet man die Entscheidungsfindung des Automobilkonzerns jedoch aus deontologischer Sicht, dann ist das Verhalten des Ford-Managements als unmoralisch zu bewerten. Ford verheimlichte seinen Kunden und der Allgemeinheit den gravierenden Sicherheitsmangel. Der Automobilkonzern hat zwar nicht gelogen, jedoch gegenüber den Käufern wichtige Informationen hinsichtlich der Produktqualität unterschlagen, was im Zusammenhang mit einem abgeschlossenen Kaufvertrag als Betrug anzusehen ist. Darüber hinaus wurde vom FordManagement mutwillig in Kauf genommen, dass die Bevölkerung aufgrund des fehlerhaften Tanksystems ihr Leib und Leben gefährden, was eindeutig gegen das Grundrecht des Menschen auf körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel zwei Absatz zwei des Grundgesetzes verstößt.
3 Fazit
Die von Ford durchgeführte Kosten-Nutzen-Rechnung ist der konsequentialistischen Ethik zwar sehr nahe, jedoch ist sie lediglich im Rahmen des moralischen Egoismus und selbstreferentiellen Altruismus ethisch vertretbar. Aus der Sichtweise des klassischen Utilitarismus und der Deontologie handelte der Automobilkonzern unmoralisch, da weder der Gesamtnutzen aller ethischen Subjekte maximiert wurde, noch Pflichten und menschliche Grundrechte geachtet wurden.
[...]
- Citation du texte
- Florian Koch (Auteur), 2021, Kosten-Nutzen-Rechnung bei ethischen Entscheidungen. Am Beispiel des Ford Pinto, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1334119