Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche und -auswertung ist das Ziel dieser Bachelorarbeit, die Potenziale von Modellprojekten zur Gesundheitsförderung im Setting Grundschule auf deren Güte zu prüfen. Die angesprochene Zielgruppe im gegebenen Setting stellen Grundschulkinder im Alter von sechs bis elf Jahren dar, der Schwerpunkt der Interventionen liegt auf dem Handlungsfeld Ernährung. In dieser Arbeit werden sechs Modellprojekte zur Thematik aufgezeigt und deren Qualität anhand der zwölf "Good-Practice-Kriterien" untersucht und bewertet.
Es ist unlängst belegt, dass eine ungünstige Ernährungsweise chronische Erkrankungen wie Übergewicht und Adipositas negativ beeinflussen kann. Dies betrifft jedoch nicht nur Erwachsene, auch immer mehr Kinder leiden unter diesen Beschwerden, die häufig mit erhöhtem Blutdruck, Fettstoffwechsel- sowie Glukosestoffwechselstörungen im Vergleich zu normalgewichtigen Kindern einhergehen. In der groß angelegten KiGGS-Studie des RKI (2006) zeigte sich, dass 9% aller Kinder im Grundschulalter (sieben bis zehn Jahre) nach Kronmeyer-Hauschild definierten Referenzdaten übergewichtig sind; 6,4% wurden sogar als adipös eingestuft.
Da sich das Ernährungsverhalten bereits im Kindesalter manifestiert und die erworbenen Ernährungsmuster in der Regel beibehalten werden, ist es von Bedeutung, den steigenden Prävalenzzahlen für Übergewicht und Adipositas hinsichtlich präventiver Maßnahmen zur Veränderung des Ernährungsverhaltens entgegenzuwirken. Insbesondere mit dem Eintritt in das Grundschulalter zeigt sich eine signifikante Zunahme an übergewichtigen und adipösen Kindern. In dieser frühen Entwicklungsphase sind die Möglichkeiten gegeben, um mit Maßnahmen im Sinne der Gesundheitsförderung und Prävention Einfluss auf die Entwicklung der Kinder zu nehmen. Die Schule schafft somit einen optimalen Rahmen, um geschlechtsunabhängig, sowie in diversen sozialen Gruppen ohne Ausschluss von Zielgruppen über einen langfristigen Zeitraum mit geeigneten Modellprojekten zu intervenieren.
Zur Bewertung der Qualität und Wirksamkeit von solchen Modellprojekten und Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention haben sich die zwölf Kriterien des "Good-Practice-Ansatz" als zuverlässig gezeigt. Zur praktischen Umsetzung finden sich verschiedene Datenbanken mit Projekten der "guten Praxis" ("Good-Practice"). Diese sollen bei der Entscheidungsfindung, Planung, praktischen Umsetzung und Evaluation von Interventionen unterstützen und die Bekanntheit des eigenen Projekts erhöhen.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Setting-Ansatz
3.2 Gesundheit und Prävention
3.3 Zentrale Gesundheitsprobleme von Grundschulkindern
3.4 Gesundheitsverhalten von Grundschulkindern
3.4.1 Aktuelle Datenlage
3.4.2 Ernährungsempfehlungen
3.4.3 Bewegungsempfehlungen
3.5 Einfluss von Schulen auf die Gesundheitsförderung
3.5.1 Aktueller Kenntnisstand
3.5.2 Einfluss von Schulen auf die Ernährung von Grundschulkindern
3.6 Zentrale Handlungsansätze und -empfehlungen zur Gesundheitsförderung im Setting Grundschule
3.6.1 Ernährung
3.6.2 Bewegung
3.6.3 Lebenskompetenz
3.6.4 Bedeutung von Projektarbeiten in der Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten
3.7 Public-Health-Action-Cycle
3.8 „Good-Practice-Ansatz“
3.8.1 Beschreibung
3.8.2 „Good-Practice“-Kriterien
4 METHODIK
4.1 Fragestellung
4.2 Prozess der Datenerhebung
4.3 Darbietungsform der Ergebnisse
5 ERGEBNISSE
5.1 Beschreibung der Modellprojekte
5.1.1 Modellprojekt 1: „Gesunde Stunde“
5.1.2 Modellprojekt 2: „Kinder gestalten ihren Naschgarten“
5.1.3 Modellprojekt 3: „Kinderhaus Malstatt“
5.1.4 Modellprojekt 4: „Die AnGeL - Anlauf- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsbewusstes Leben“
5.1.5 Modellprojekt 5: „fit für PISA Plus“
5.1.6 Modellprojekt 6: „Die GemüseKlasse“
5.2 Qualitäts-Bewertung des Projekts anhand der „Kriterien für gute Praxis der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung“ des Kooperationsverbundes „Gesundheitliche Chancengleichheit (2021)“
5.2.1 Bewertung: Modellprojekt 1 „Gesunde Stunde“
5.2.2 Bewertung: Modellprojekt 2 „Kinder gestalten ihren Naschgarten“
5.2.3 Bewertung: Modellprojekt 3 „Kinderhaus Malstatt“
5.2.4 Bewertung: Modellprojekt 4 „Die AnGeL - Anlauf- und Koordinierungsstelle fürGesundheitsbewusstes Leben“
5.2.5 Bewertung: Modellprojekt 5 „fit für PISA Plus“
5.2.6 Bewertung: Modellprojekt 6 „Die GemüseKlasse“
6 DISKUSSION
7 ZUSAMMENFASSUNG
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis
Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit wird bei dieser Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen beziehen sich, sofern nicht anders kenntlich gemacht, auf alle Geschlechter (m/w/d).
1 Einleitung und Problemstellung
Es ist unlängst belegt, dass eine ungünstige Ernährungsweise chronische Erkrankungen wie Übergewicht und Adipositas negativ beeinflussen kann (Wabitsch, 2004). Dies betrifft jedoch nicht nur Erwachsene, auch immer mehr Kinder leiden unter diesen Beschwerden, die häufig mit erhöhtem Blutdruck, Fettstoffwechsel- sowie Glukosestoffwechselstörungen im Vergleich zu normalgewichtigen Kindern einhergehen (Friedmann et al., 2012). Jedoch nicht nur metabolische Risikofaktoren spielen eine Rolle, Kinder mit Adipositas werden aufgrund der Stigmatisierung häufig mit psychosozialen Belastungen konfrontiert, die das Selbstwertgefühl mindern können (Robert-Koch-Institut [RKI], 2020). In der groß angelegten KiGGS-Studie des RKI (2006) zeigte sich, dass 9% aller Kinder im Grundschulalter (sieben bis zehn Jahre) nach Kronmeyer-Hauschild definierten Referenzdaten übergewichtig sind; 6,4% wurden sogar als adipös eingestuft.
Da sich das Ernährungsverhalten bereits im Kindesalter manifestiert und die erworbenen Ernährungsmuster in der Regel beibehalten werden, ist es von Bedeutung den steigenden Prävalenzzahlen für Übergewicht und Adipositas hinsichtlich präventiver Maßnahmen zur Veränderung des Ernährungsverhaltens entgegenzuwirken (Pötting & Eissing, 2013, S. 240-245). Insbesondere mit dem Eintritt in das Grundschulalter zeigt sich eine signifikante Zunahme an übergewichtigen und adipösen Kindern - somit stellt das Setting (Grund-)Schule einen geeigneten Handlungsrahmen für die Intervention über die Gesundheit und das Ernährungsverhalten von Grundschulkindern dar (Kurth & Schaffrath, 2007, S. 736-743). In dieser frühen Entwicklungsphase sind die Möglichkeiten gegeben, um mit Maßnahmen im Sinne der Gesundheitsförderung und Prävention Einfluss auf die Entwicklung der Kinder zu nehmen. Die Schule schafft außerdem einen optimalen Rahmen, um geschlechtsunabhängig, sowie in diversen sozialen Gruppen ohne Ausschluss von Zielgruppen über einen langfristigen Zeitraum mit geeigneten Modellprojekten zu intervenieren.
Zur Bewertung der Qualität und Wirksamkeit von solchen Modellprojekten und Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention, haben sich die zwölf Kriterien des „Good-Practice-Ansatz“ als zuverlässig gezeigt.
Die Basis des Ansatzes bilden hierbei die vier Dimensionen Problemdefinition, Strategieformulierung, Umsetzung und Evaluation des Public-Health-Action-Cycles (siehe Kapitel 3.7). Die Kriterien des Ansatzes sollen die Teilnehmer der sozialbezogenen Gesundheitsförderung dahingehend unterstützen, Projekte kontinuierlich weiterzuentwickeln und sozial bedingte Ungleichheiten zu verringern (BZgA, 2021).
Zur praktischen Umsetzung finden sich verschiedene Datenbanken mit Projekten der „guten Praxis“ („Good-Practice“). Diese sollen bei der Entscheidungsfindung, Planung, praktischen Umsetzung und Evaluation von Interventionen unterstützen und die Bekanntheit des eigenen Projekts erhöhen (Brösskamp-Stone & Ackermann, 2010).
Der Schwerpunkt dieser Bachelorarbeit liegt folglich auf dem Setting Grundschule (vornehmlich Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren) und prüft Projekte mit dem Ziel Prävention und Gesundheitsförderung im gegebenen Setting auf ihre Qualität und Wirksamkeit.
2 Zielsetzung
Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche und -auswertung ist das Ziel dieser Bachelorarbeit die Potenziale von Modellprojekten im Setting Grundschule bezogen auf Interventionen zur Gesundheitsförderung auf deren Güte zu prüfen. Die angesprochene Zielgruppe im gegebenen Setting stellen Grundschulkinder im Alter von sechs bis elf Jahren dar, der Schwerpunkt der Interventionen liegt auf dem Handlungsfeld Ernährung. Im Folgenden werden sechs Modellprojekte zur Thematik aufgezeigt und deren Qualität anhand der zwölf „Good-Practice-Kriterien“ untersucht und bewertet.
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
3.1 Setting-Ansatz
"Health is created and lived by people within the settings of their everyday life; where they learn, work, play, and love." The Ottawa Charter, 1986
Der Setting-Ansatz wurde erstmals 1986 als ein Konzept zur Gesundheitsförderung mit dem Ziel „Gesundheit für alle“ durch die sogenannte Ottawa-Charta vorgestellt. Das Konzept sieht Gesundheitsförderung als ein Prozess, der den Menschen in ihrer Lebenswelt (Setting) Selbstbestimmung über ihre Gesundheit ermöglichen soll und somit zu umfassendem körperlichen, sozialen und seelischen Wohlbefinden verhilft (World Health Organisation, 1986). Die World Health Organisation ([WHO], 2022) definiert ein Setting als „ein Ort oder sozialer Kontext, in dem Menschen ihren täglichen Aktivitäten nachgehen und in dem umweltbedingte, organisatorische und persönliche Faktoren zusammenwirken, um Gesundheit und Wohlbefinden zu beeinflussen“. Settingbasierte Ansätze beinhalten ganzheitliche und multidisziplinäre Methoden mit dem Ziel der Maximierung der Krankheitsprävention durch einen systematischen Ansatz (WHO, 2022). Dieser Ansatz sieht Gesundheit durch die Lebenswelt in der wir uns tagtäglich aufhalten, arbeiten, wohnen, etc. geprägt und beeinflusst. Das Setting kann demzufolge als soziales System verstanden werden, welches nicht nur auf spezifische Zielgruppen - wie z.B. explizit Kinder oder Senioren - abzielt, sondern auf eine Optimierung der Lebensräume setzt, um das Ziel „Gesundheit für alle“ zu erreichen. Die Verantwortung liegt daher nicht nur bei dem Gesundheitssystem, sondern in allen Politikbereichen, um ein gesundheitsförderliches Wohn-, Lebens-, Schul- und Arbeitsumfeld zu schaffen. (Spallek, Schumann & Behrens, 2018; WHO, 2022). In Deutschland ist der Setting-Ansatz im Rahmen des Präventionsgesetzes als „Gesundheitsförderung in Lebenswelten“ nach SGB V § 20a Abs.1 gesetzlich geregelt. Diese Lebenswelten werden definiert als „für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme insbesondere des Wohnens, des Lernens, des Studierens, der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der Freizeitgestaltung einschließlich des Sports. Die Krankenkassen fördern im Zusammenwirken mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst unbeschadet der Aufgaben anderer auf der Grundlage von Rahmenvereinbarungen nach § 20f Absatz 1 mit Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten insbesondere den Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen. [...]. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach Satz 2 sollen die Krankenkassen zusammenarbeiten und kassenübergreifende Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten erbringen. [.].“
Die Schule wird im Präventionsgesetz als eigene Lebenswelt aufgeführt und als „soziales System des Lernens“ näher charakterisiert.
3.2 Gesundheit und Prävention
Die WHO (1948) definiert Gesundheit als „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheiten und Gebrechen“. Gesundheit lässt sich also nicht so einfach definieren, da sie mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit ist und individuell sowie sozial differenziert auftritt (Richter & Hurrelmann, 2016). Die mehrdimensionale Definition der WHO versucht demnach über die biomedizinische Auffassung von Gesundheit/Krankheit hinauszugehen und betrachtet das Konstrukt ganzheitlich durch Einbeziehen von sozialem und psychischem Wohlbefinden. Im Kontext der Gesundheitsförderung ist es daher entscheidend, alle drei Faktoren im Sinne einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung zu integrieren.
Die Prävention knüpft an die biomedizinische Auffassung von Gesundheit an und bezeichnet „alle Maßnahmen, die auf Vermeidung, Verringerung oder zeitliche Verschiebung von Gesundheitsstörungen abzielen“ (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung [BZgA], 2022). Gesundheitliche Risikofaktoren sollen durch Kenntnisse der Pathogenese gezielt verhindert oder zurückgedrängt werden. Die zeitliche Unterteilung einer Präventionsmaßnahme wird je nach Verlauf einer Erkrankung differenziert betrachtet: Als Primärprävention, um das Auftreten einer Krankheit zu verhindern, als Sekundärprävention, um eine Verschlimmerung einer Erkrankung zu vermeiden oder als Tertiärprävention, um bei einer fortgeschrittenen Erkrankung die Lebensqualität wiederherzustellen.
Exkurs: Abgrenzung Prävention und Gesundheitsförderung
Prävention und Gesundheitsförderung müssen differenziert betrachtet werden, auch wenn beide Konzepte mit Gesundheit das gleiche Ziel verfolgen. Prävention umfasst zielgerichtete Maßnahmen, die sich mit der individuellen Vermeidung von Krankheiten, sowie der Wiederherstellung der Gesundheit beschäftigen. Die Gesundheitsförderung hingegen betrachtet nicht nur das Verhalten des Einzelnen, sondern widmet sich der Gestaltung eines gesunden Lebensumfeldes (Stichwort: Setting) von Menschen.
Beide Ansätze sind als sich ergänzend zu betrachten (BZgA, 2021).
3.3 Zentrale Gesundheitsprobleme von Grundschulkindern
Mit dem Eintritt in das Grundschulalter beginnt für die Kinder ein neuer Lebensabschnitt, der eine Restrukturierung ihrer Lebenswelt mit sich bringt (RKI, 2008).
Aus gesundheitspolitischer Sicht ist es unabdingbar, geeignete gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche, sowie aller in der Schule beteiligten Personen zu schaffen und in die schulischen Strukturen und Prozesse zu integrieren (Paulus, Hundeloh & Dadacynski, 2016). Die Notwendigkeit zeigt sich beispielweise in der körperlichen Entwicklung, die die Kinder in dieser Lebensphase durchmachen - Mess- werte der KiGGS-Studie (RKI, 2008) verzeichnen einen mit steigendem Lebensalter linear ansteigenden Körperfettanteil. Folgen können Übergewicht und Adipositas sein, welche die zentralen Gesundheitsproblemen von Grundschulkindern repräsentieren. Fehlernährung und Bewegungsmangel zählen hierbei als Ursachen und können unter Anderem das Risiko für Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ II oder auch orthopädische Probleme erhöhen (Brand et al., 2010).
Insbesondere körperliche Inaktivität in Kombination mit der Nutzung von Bildschirmmedien wird mit der Entstehung von Übergewicht in Zusammenhang gebracht (Lampert, Sygusch & Schlack, 2007).
Die in Tab.1 dargestellten Werte zeigen den mittleren Körperfettanteil von Kindern auf und können mit den Perzentilkurven für Körperfettanteil nach Slaughter von Jungen und Mädchen im Alter von 8-18 Jahren aus der KiGGS-Studie des RKI (2003-2008) ins Verhältnis gesetzt werden (RKI, 2013, S. 86 - 87).
Tab. 1: Mittelwerte für Körpergröße, Körpergewicht und Körperfettanteil von 7- bis 10-jährigen Mädchen und Jungen nach Altersjahren aus der KiGGS-Studie (modifiziert nach Robert Koch-Institut, 2008)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit steigendem Alter (insbesondere 9-10 Jahre) liegen die Kinder, sowohl Mädchen als auch Jungen, über dem Median der Perzentile nach Slaughter für den Körperfettanteil. Generell zeigt sich, dass bei Mädchen der Körperfettanteil mit zunehmendem Alter beinah linear um 55% ansteigt. Bei Jungen hingegen steigt der prozentuale Körperfettanteil bis zu einem Alter von elf Jahren ebenfalls an, sinkt dann im Laufe der pubertären Entwicklung aber wieder ab und nimmt erst im Teenager-Alter wieder zu (RKI, 2013). Der Anteil an Kindern im Grundschulalter die an Übergewicht litten, sowie derer, die sogar als adipös eingestuft wurden, legt die KiGGS-Studie aus der Basiserhebung, sowie aus der KiGGS-Welle 2 (2014-2017) ebenfalls zugrunde und wird in Tab. 2 veranschaulicht.
Tab. 2: Übergewicht und Adipositas bei sieben- bis zehn-jährigen Mädchen und Jungen, nach Referenzwerten von Kromeyer-Hauschild aus den KiGGS-Studien 2003-2006 / 2014-2017 (modifiziert nach RKI, 2003-2006 & 2014-2017; Kromeyer-Hauschild, 2012)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Trotz des Rückgangs an adipösen Kindern, liegt der gesamte Prozentsatz bei Grundschulkindern mit über 15% weiterhin sehr hoch. Vor allem Jungen sind prozentual häufiger betroffen. Generell ist eine Abnahme an adipösen-, dafür eine Zunahme an übergewichtigen Kindern erkennbar.
Laut der KiGGS-Erhebung steigt der Anteil an übergewichtigen und adipösen Kindern mit zunehmendem Alter (Altersklasse 11 bis 13 Jahre) bei beiden Geschlechtern auch wieder signifikant an; Mädchen weisen, im Gegensatz zu Jungen, immerhin einen anteiligen Rückgang an Adipositas zwischen den Erhebungszeitpunkten von 2006 bis 2017 auf (RKI, 2020).
Neben falscher Ernährung spielt Bewegungsmangel eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Übergewicht - lediglich 27,5% der befragten Kinder und Jugendlichen erreichen die Bewegungsempfehlung der WHO von mindestens 60 Minuten/Tag (Manz et al., 2014). Bei den Grundschulkindern zeigte sich, dass fast jedes vierte Kind nicht regelmäßig und jedes zehnte Kind überhaupt nicht sportlich aktiv ist (RKI & BZgA, 2008).
Weitere Einflussfaktoren finden sich unter anderem in einer Veränderung der aktiven Alltagsgestaltung; die Bewegungsgewohnheiten bei Kindern und Jugendlichen haben zugunsten von körperlich inaktiven Beschäftigungen wie Fernseh- oder Computerkonsum stark abgenommen (Rauh-Pfeiffer & Koletzko, 2007). Wie stark die Mediennutzung Einfluss auf die körperliche Konstitution hat, zeigte sich bei einer Studie an fünf- bis sechsjährigen Neu-Grundschülern: Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas war bei einem Medienkonsum von mindestens zwei Stunden mehr als doppelt so hoch, wie bei einer Vergleichsgruppe mit geringerer Mediennutzungsdauer (Kalies et al., 2001). In den Ergebnissen der KiGGS-Welle 1 zeigte sich ebenfalls geschlechtsunabhängig ein Zusam- menhang zwischen erhöhtem Medienkonsum und der körperlichen Inaktivität. Eine Mediennutzung von fünf Stunden und mehr pro Tag ging mit einer verdoppelten Rate fehlender Sportbeteiligung einher (Manz et al., 2014).
3.4 Gesundheitsverhalten von Grundschulkindern
Gesundheitsverhalten beschreibt den aktiven Beitrag eines jeden Menschen, der das Risiko von Erkrankungen minimiert, oder die Chance für Gesundheit erhöht
(BZgA, 2020). Hierzu gehören neben Ernährung, körperlicher Aktivität auch die Mundhygiene und das Risikoverhalten (Zelfl, Lutz, Masciangelo et al., 2021).
Die aktuelle Datenlage zum Gesundheitsverhalten von Kindern lässt sich teilweise prägnant anhand der gesundheitsriskanten Verhaltensweisen illustrieren. Die bereits erwähnten Probleme Bewegungsmangel und Fehlernährung gehen hierbei zunehmend mit alternativen Verhaltensweisen wie erhöhtem Medienkonsum zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben einher (Engel & Hurrelmann, 1993; zitiert nach RKI, 2004).
3.4.1 Aktuelle Datenlage
Im Kontext Bewegung zeigt sich zunächst, dass im Freizeitverhalten von Grundschulkindern das Erlernen motorischer Fähigkeiten wie Radfahren, Schwimmen, Rollschuhfahren, Fußballspielen, etc. von großer Bedeutung sind (RKI, 2008).
Ergebnisse aus der KiGGS Welle 1 des RKI (Manz et al., 2014) spiegeln diese Einschätzung wider: 81,7% der sieben- bis zehn-jährigen treiben Sport, 69,2% sind in einem Sportverein aktiv. Jedoch erreichen nur 31,0% der Jungen und Mädchen die Bewegungsempfehlung der WHO (siehe 3.4.3). Setzt man diese Werte mit dem Sozialstatus ins Verhältnis, so wird deutlich, dass zwar bei den Bewegungsempfehlungen der WHO kein Unterschied zwischen einem niedrigen und einem hohen Sozialstatus besteht, die Prävalenz einer geringeren körperlichen Aktivität bei Kindern mit niedrigem sozioökonomischem Status jedoch höher ausfällt, als bei Kindern mit einem hohem Sozialstatus. Dies wird insbesondere bei der aktiven Teilnahme im Sportverein deutlich.
Tab. 3: "Sport treiben", "Im Sportverein aktiv", "WHO-Empfehlungen erfüllt" - Häufigkeit nach Sozialstatus (KiGGS Welle 1) (modifiziert nach Manz et al., 2014)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine wöchentliche sportliche Betätigung von fünf Stunden und mehr erreichen lediglich 21,7% der Jungen und Mädchen aus der KiGGS-Studie (Welle 1). Begründet durch eine häufigere Teilnahme in Sportvereinen sind Jungen tendenziell sportlich aktiver als Mädchen, (Manz et al., 2014). Den sportlichen Umfang der sieben- bis zehn-jährigen stellt Abb. 1 dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Umfang der wöchentlichen sportlichen Aktivität bei sieben- bis zehn-jährigen Mädchen und Jungen (KiGGS Welle 1) (modifiziert nach Manz et al., 2014)
In der KiGGS-Welle 2 (2014-2017) ermittelte Daten führen zu der Erkenntnis, dass entsprechender Altersgruppierung mit nur noch 30% (Jungen) bzw. 22,8% (Mädchen) die empfohlene Bewegungsempfehlung der WHO erreichen und somit die körperliche Aktivität im Vergleich zur KiGGS-Welle 1 abgenommen hat (RKI, 2018).
Gründe hierfür könnten in der übermäßigen Nutzung von Medien liegen, die einen nachweislich negativen Einfluss auf die aktive Freizeitgestaltung haben. Diskutiert wird, neben psychosomatischen Beschwerden, entwicklungspsychologischen Problemen und Verhaltensauffälligkeiten, insbesondere der Einfluss von intensiver Mediennutzung auf die Bewegungshäufigkeit von Kindern und Jugendlichen. Durch die fortschreitende Technologisierung und immer zahlreichere Medienangebote wie Computer, Handy und Co. verlagern die Kinder ihre Freizeitgestaltung zunehmend ins Kinderzimmer - dieses ist im Grundschulalter der beliebteste Aufenthaltsort (RKI, 2008). Dort wird dann eher auf elektronische Medien als Bauklötze zurückgegriffen. Der Fernseher leistet hierbei einen wesentlich größeren Beitrag zu einer inaktiven Freizeitbeschäftigung als der Computer; in der Woche schauen immerhin über 57% der Grundschulkinder mindestens eine Stunde TV pro Tag, an Sonn- und Feiertagen sogar über fast 88% der sieben- bis zehnjährigen Jungen und Mädchen. Jungs greifen tendenziell häufiger zum Computer als Mädchen, die mit über 64% gar keine Computerspiele spielen.
Im Rahmen der KiGGS-Studie wurden anhand der Ernährungsstudie EsKiMo (RKI, 2003-2006) und EsKiMo II (RKI, 2015 - 2017) Ernährungsdaten von Kindern und Jugendlichen erfasst. Der Lebensmittelverzehr wurde mit Hilfe der Eltern durch Wiegeprotokolle ermittelt und über vier Wochen anhand von umfangreichen Ernährungsinterviews abgefragt. Grundsätzlich zeigt sich, dass die Auswahl und Menge der durch die Kinder verzehrten Lebensmittel in ihrer Zusammenstellung weit entfernt von den Empfehlungen der optimierten Mischkost (OMK) ist (RKI, 2020).
Tab. 4 stellt die Prävalenz von selektierten, jeweils einmal und mehrmals täglich konsumierten Lebensmitteln aus der ersten Erhebung dar.
Tab. 4: Anteile am täglichen Konsum von Lebensmitteln nach Geschlecht in der Altersklasse 7 - 10 Jahre (modifiziert nach Mensink, Kleiser & Richter, 2007)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dem Konsum von Obst und Gemüse wird generell eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Ein erhöhter Verzehr steht nicht nur im Zusammenhang das Risiko für bestimmte Krankheiten wie Bluthochdruck, KHK (koronare Herzkrankheit) und Schlaganfall signifikant senken zu können, sondern auch bestimmten Krebsarten vorzubeugen (Boeing et al., 2012). Daher ist es als positiv zu sehen, dass immerhin knapp 44% der Jungen, und sogar über 60% der Mädchen im Alter von sieben bis zehn Jahren mindestens einmal Obst essen. Bei roh verzehrtem Gemüse liegt deren Anteil jedoch bei lediglich 27,2% (Jungen) respektive 31,2% (Mädchen). Ausreichend sind beide Verzehrmengen jedoch nicht. Setzt man Ergebnisse aus der Folgestudie EsKiMo II bezüglich des Verzehrs von Obst und Gemüse mit den Empfehlungen vom Konzept der Optimierten Mischkost ins Verhältnis, so zeigt sich ebenfalls, dass die Mehrheit der Jungen und Mädchen die Verzehrempfehlungen nicht erreichen (siehe Tab. 5) (Kersting, Kalhoff & Lücke, 2017). Eine deutliche Mehrheit verzehrt weniger als die Hälfte der empfohlenen Menge von 210 - 280g Obst pro Tag und lediglich 1% der Mädchen und 2% der Jungen im Alter von sechs bis elf Jahren erreicht die Empfehlung von 230 - 300g Gemüse pro Tag.
Weiterhin wird in der Kategorie der Getreideprodukte wesentlich mehr Weiß- als Vollkornbrot konsumiert. Vollkornprodukte sorgen aufgrund des höheren Ballaststoffgehaltes für ein längeres Sättigungsgefühl (längere Magenverweildauer) und haben einen ebenso positiven Einfluss auf ernährungsmitbedingte Krankheiten wie Adipositas, Bluthochdruck und KHK (DGE, 2011). Bei Lebensmitteln wie Schokolade oder Süßigkeiten, die eine eher ungünstige Auswirkung auf die Gesundheit haben, liegt der tägliche Konsum bei ca. 16- bzw. 14% (Schokolade); über 20% der Grundschulkinder gaben an, täglich mindestens einmal Süßigkeiten zu essen.
Die Studie gab außerdem Aufschluss über die Verzehrhäufigkeit von Fertiggerichten. Diese sind oftmals hochverarbeitet und enthalten viele Zusatzstoffe. 19,5% der 7- bis 10jährigen gaben an, im Befragungszeitraum keine Fertiggerichte gegessen zu haben, 66% konsumierten Fertiggerichte 1 - 3-mal pro Monat, 14% sogar 1 - 6-mal pro Woche (Men- sink, Kleiser & Richter, 2007).
Grundsätzlich lässt sich zum Ernährungsverhalten der Grundschulkinder positiv anmerken, dass relativ wenig Fleisch und Fast Food gegessen wird, dafür von einem relativ großen Anteil an Kindern Obst und Milch. Allerdings essen die Kinder im Vergleich zu den Empfehlungen der DGE verhältnismäßig häufig Wurstwaren und Süßigkeiten und zu selten Fisch und Gemüse. Bei den Getränken werden von beiden Geschlechtern zu viele Softdrinks konsumiert - Mädchen greifen hierbei immerhin häufiger als Jungs zu den gesünderen Alternativen wie Leitungs- oder Mineralwasser.
In der zweiten „Ernährungsstudie als KiGGS-Modul“ EsKiMo II (RKI, 2015-2017) lässt sich zur Nährstoffzufuhr zusammenfassend ergänzen, dass ein Mangel an Mikronährstoffen wie den Vitaminen D und E sowie an den Mineralstoffen Kalzium und Folat besteht. Diese finden sich in den von Kindern präferierten Lebensmitteln in nur zu geringen Maßen. Ergebnisse über die empfohlene und tatsächlich verzehrte Menge an Lebensmitteln nach OMK spiegeln diese Ergebnisse wider. (siehe Tab. 5.; signifikante Werte sind fett hervorgehoben).
Tab. 5: Verzehr von Lebensmitteln (g bzw. kcal) pro Tag nach OMK-Gruppen, sechs- bis elf-jährige Jungen / Mädchen (Mittelwert) und die empfohlene Verzehrmenge nach OMK (modifiziert nach RKI, 2020)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
*100g = 100g Joghurt = 30g Käse
** Geduldete Lebensmittel = max. 10% der täglichen Energiezufuhr bei PAL 1,4; zuckerhaltige Lebensmittel wie Süßigkeiten, Gebäck, Cerealienspezialitäten, Limonade, Knabbergebäck, Chips, etc.
Es ist ersichtlich, dass auch nach dem Konzept der Optimierten Mischkost die empfohlenen Verzehrempfehlungen für Obst und Gemüse sowie Fisch und Milchprodukte nicht erreicht werden und zu viele ungünstige (geduldete) Lebensmittel konsumiert werden. Analog zur körperlichen Aktivität zeigt sich bei Kindern aus niedrigem sozioökonomisch Status (SES), dass sie ein schlechteres Ernährungsverhalten haben und dementsprechend auch häufiger an Übergewicht und Adipositas leiden als Kinder aus höherem SES (Lampert et al., 2014). Sechs- bis elf-jährige Mädchen mit niedrigem SES konsumieren beispielsweise dreimal häufiger Limonaden als Mädchen derselben Altersklasse und hohem SES, sowie Jungen aus dieser Alterskategorie mit mittlerem oder hohem SES, die signifikant mehr Obst als Jungen mit niedrigem SES verzehren (RKI, 2020).
Zusammenfassend zeigt sich, dass Grundschulkinder sich zwar häufig bewegen, dennoch größtenteils die Bewegungsempfehlungen nicht erfüllen. Dieser Faktor wird durch den Einfluss von elektronischen Medien und der Verlagerung der aktiven Alltags- und Freizeitgestaltung in das Kinderzimmer mitbedingt. Eine gesunde und ausgewogene Ernährungsweise als weitere entscheidende Komponente bei der Prävention von Übergewicht und Adipositas, wird, beispielsweise anhand der 12 Regeln der DGE oder dem Konzept der OMK, ebenfalls von einem zu geringen Anteil umgesetzt. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass der sozioökonomische Status ein wesentlicher Faktor bei der Umsetzung einer gesunden Lebensweise ist.
3.4.2 Ernährungsempfehlungen
Die Bedeutung einer bedarfsgerechten Ernährung für Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Kindern gilt als unumstritten (Kersting et al., 2004). Ernährungsbedingte Krankheiten wie Übergewicht und Adipositas sind auf eine positive Energiebilanz, d.h. die Energieaufnahme liegt über dem Energieverbrauch, zurückzuführen. Der Konsum von ungünstigen Lebensmitteln mit hoher Energiedichte kann diese Energiebilanz negativ beeinflussen.
Daher ist eine abwechslungsreiche und vollwertige Ernährung, in welcher alle wichtigen Nährstoffe enthalten sind, essenziell (Deutsche Gesellschaft für Ernährung [DGE], 2022). Zu den Prinzipien einer vollwertigen Ernährung für Kinder zählen (Forschungsinstitut für Kinderernährung [FEK], 2002; zitiert nach Heseker & Beer, 2004):
Abwechslung bei der Lebensmittelauswahl, bevorzugt fettarme Lebensmittel, ballaststoffreiche (Vollkorn-) Getreideprodukte, täglich frisches Obst und Gemüse, regelmäßig Milch und Milchprodukte, über die Woche verteilt mageres Fleisch und gelegentlich Ei, schmackhafte und schonende Zubereitung und reichlich ungesüßte oder wenig gesüßte Getränke.
Weitere Empfehlungen gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse anhand von 10 Regeln, die bei der Umsetzung einer gesunden und vollwertigen Lebens- und Ernährungsweise helfen sollen. Diese lauten in Kurzform:
1. Die Lebensmittelvielfalt genießen
2. Reichlich Getreideprodukte sowie Kartoffeln
3. Gemüse und Obst - Nimm „ 5 am Tag“
4. Milch- und Milchprodukte täglich, Fisch ein- bis zweimal in der Woche, Fleisch, Wurstwaren sowie Eier in Maßen
5. Wenig Fett und fettreiche Lebensmittel
6. Zucker und Salz in Maßen
7. Reichlich Flüssigkeit
8. Schonend zubereiten
9. Sich Zeit nehmen und genießen
10. Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben
Betrachtet man die oben aufgeführten Prinzipien des FEK und die Regeln der DGE, so zeigt sich, dass die Umsetzung einer gesunden Ernährungsweise in allen Punkten nicht so einfach zu erreichen ist. Konkrete Angaben über die notwendige Zufuhrmenge an Vitaminen, Mineralstoffen und essenziellen Makronährstoffen finden sich in den D-A-CH- Referenzwerten der DGE. Die formulierten Prinzipien und Regeln stellen hierbei eine Richtlinie dar, um diese Zufuhrempfehlungen decken zu können. Für Kinder von 7 bis unter 13 Jahren lassen sich über die Referenzwerttabelle der DGE (2021) entsprechende Werte entnehmen.
Tab. 6: Übersicht über die D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr für Kindern von 10 bis unter 13 Jahre (angepasste Daten) (modifiziert nach DGE, 2022)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 6 stellt die Nährstoffzufuhr der Makronährstoffe nach Altersklassen dar - essenzielle Mikronährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe können über das Referenzwerte-Tool der DGE auf https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/tool/ nach Altersklasse sowie Nährstoffen gefiltert eingesehen werden. Noch praxisnäher sind die mahlzeitbezogenen Richtlinien, die mit dem Präventionskonzept der OMK für Kinder und Jugendliche umgesetzt werden (Kersting, Kalhoff & Lücke, 2017). Die OMK berücksichtigt die D-A- CH-Referenzwerte für eine kohlenhydratreiche, fettmoderate Kost, die Richtlinien der DGE, sowie die Werte für die Zufuhr an zugesetztem Zucker der WHO.
Tab. 7: Richtwerte für Lebensmittelverzehrmengen gemäß dem Konzept der Optimierten Mischkost (modifiziert nach RKI, 2020)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
* 100g = 100g Joghurt = 30g Käse
** Geduldete Lebensmittel: zuckerhaltige Lebensmittel wie Süßigkeiten, Gebäck, Cerealienspezialitäten, Limonade, Knabbergebäck, Chips, etc. (Kersting, Kalhoff & Lücke, 2017)
Aber auch die DGE bietet mit dem Ernährungskreis® eine übersichtliche Darstellung von empfohlenen Nahrungsmitteln und deren Anteil an der täglichen Ernährungsweise. Ergänzend veranschaulicht die DGE mit der dreidimensionalen Lebensmittelpyramide Verbrauchern die einfache Umsetzung einer vollwertigen Ernährungsweise.
Die Angaben decken sich mit denen der Optimierten Mischkost.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: DGE-Ernährungskreis®, Copyright: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V., Bonn (DGE, 2018)
Der Ernährungskreis® ist ein Beispiel für eine vollwertige Ernährung. Er teilt das reichhaltige Lebensmittelangebot in sieben Gruppen ein und erleichtert so die tägliche Lebensmittelauswahl. Je größer ein Segment des Kreises ist, desto größere Mengen sollten aus der Gruppe verzehrt werden. Lebensmittel aus kleinen Segmenten sollten dagegen sparsam verwendet werden. Für eine abwechslungsreiche Ernährung sollte die Lebensmittelvielfalt der einzelnen Gruppen genutzt werden (DGE, 2018).
3.4.3 Bewegungsempfehlungen
Eine ausreichende körperliche Aktivität liefert nicht nur einen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Gesundheit und Wohlbefinden, sondern hat auch einen positiven Einfluss auf die kognitive Gesundheit von Menschen aller Altersklassen (RKI, 2003; Schulz & Lang- guth, 2011). Durch gezielte Förderung eines aktiven Lebensstils kann der Entwicklung von Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes mellitus Typ II, Osteoporose und vielen mehr entgegengewirkt werden.
Als körperlich aktive Bewegung zählt „jede durch die Skelettmuskulatur hervorgebrachte Bewegung, die den Energieverbrauch substanziell ansteigen lässt“ (RKI, 2003). Grundschulkinder im Alter von sechs bis elf Jahren sollen laut der Nationalen Empfehlung für Bewegung und Bewegungsförderung eine tägliche Bewegungszeit von 90 Minuten und mehr in moderater bis hoher Intensität erreichen. Hiervon können 60 Minuten durch Alltagsaktivitäten (z.B. 12.000 Schritte/Tag) absolviert werden (Rütten & Pfeiffer [Hrsg.], 2016). Die WHO (2020) geht mit diesen Vorgaben konform und empfiehlt eine aerobe Aktivität (moderat bis hohe Intensität) von mindestens 60 Minuten pro Tag. Dies wird in der Literatur für Mädchen im Grundschulalter mit 10.000 - 12.000 Schritte pro Tag, respektive 13.000 - 15.000 Schritte pro Tag für Jungen in der gegebenen Altersklasse definiert (Rütten & Pfeiffer [Hrsg.], 2016).
3.5 Einfluss von Schulen auf die Gesundheitsförderung
3.5.1 Aktueller Kenntnisstand
Schulen sind ein ideales Setting für die Entwicklung von Gesundheitskompetenz, da sie fast alle Kinder im Schulalter über einen langen Zeitraum hinweg erreichen können. Im schulischen Kontext bietet die Gesundheitserziehung die Möglichkeit, die Gesundheitskompetenz zu fördern und den Kindern gesundheitsbewusste Verhaltensweisen näher zu bringen (Paakkari et al., 2019). Eine geringe Gesundheitskompetenz korreliert negativ mit dem Ernährungsverhalten und somit Körpergewicht, dem Sozialverhalten, ebenso mit kognitiven Gesundheitsbeeinträchtigungen sowie einem allgemein schlechteren Gesundheitszustand (Sansom-Daly et al., 2016). Die Schulen sollten es sich dementsprechend zur Aufgabe machen, den Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen gegenüber Gesundheitsgefahren zu schützen und mit entsprechenden Maßnahmen zu einer gesteigerten körperlichen Aktivität führen (Dobbins et al., 2013). Weiterhin sollten zum einen ernährungsbezogene Inhalte vermittelt werden und zum anderen ein entsprechendes Mahlzeitangebot gewährleistet sein. (Siegert et al., 2008).
Eine gesundheitsfördernde Schule umfasst alle Aspekte des Lebens in der Schule und somit ist, neben der Behandlung der relevanten Gesundheitsthemen im Unterricht, auch die praktische Umsetzung (Förderung Schulsport, gesundes Nahrungsangebot, Stressmanagement) erforderlich. Die Schule scheint demnach ein geeigneter Ort zu sein, um eine effektive Prävention durch eine Kombination von Interventionen aus Bewegung und Ernährung zu beginnen (Brandt et al., 2020).
3.5.2 Einfluss von Schulen auf die Ernährung von Grundschulkindern
Das Ernährungsverhalten bei Schulkindern weicht deutlich gegenüber den Empfehlungen einer optimalen Nährstoffzufuhr ab. Vor allem arm an komplexen Kohlenhydraten, zu eiweißreich und teilweise Unterversorgungen im Bereich der Vitamine und Mineralstoffe (Baerlocher & Laimbacher, 2001). Die Schule kann Einfluss auf das gesunde Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen haben und sollte hinsichtlich der Verpflegungssituation geeignete strukturelle Rahmenbedingungen schaffen (Arenz-Azevedo et al., 2015). Ein Speiseangebot, das mit einem ausgewogenen Nährstoffprofil die Kinder optimal in ihrer Entwicklung unterstützt und optimalerweise lecker und ansprechend ist, könnte als beispielhafte Maßnahme dienen. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass es erhebliche Diskrepanzen zwischen dem Speiseangebot in Schulen und den Empfehlungen der DGE gibt (Arens-Azevedo et al., 2015). Weiterhin gilt es die Akzeptanz der Schüler zu fördern. Zum Zeitpunkt der EsKiMo II-Befragung hatten beispielweise 86,6% der Kinder der Altersklasse sechs bis elf Jahre die Möglichkeit, in der Schule ein warmes Essen zu erhalten. Auch wenn inzwischen etwa doppelt so viele Kinder im Vergleich zu EsKiMo I (RKI, 2006) die Option auf ein warmes Essen in der Schule haben, nehmen nur etwa die Hälfte (43,2%) dieses Angebot mindestens einmal pro Woche in Anspruch (RKI, 2020). Fast die Hälfte der Kinder hat das Angebot nie in Anspruch genommen (siehe Abb. 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Teilnahme an einer warmen Mittagsverpflegung bei vorhandenem Angebot in der Schule bei Kindern von 6 bis 11 Jahren in % (modifiziert nach RKI, 2020)
Begründet wird dies mit der Tatsache, dass es mittags oder abends zu Hause eine warme Mahlzeit gibt. Ergänzend wurde jedoch auch der Geschmack des Essens sowie die Rahmenbedingungen wie Pausenlänge und Organisation kritisiert und als Gründe für eine Nicht-Teilnahme am Schulessen angeführt. Somit müssen Qualität und Organisation des Speiseangebots verbessert werden, um die Akzeptanz der Kinder zu erhöhen und mit den DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Schulen konform zu gehen (Heide et al., 2019). Neben eines hochwertigen und ansprechenden Speiseangebots steht die Schule bei der Vermittlung von ernährungsbezogenen Inhalten in der Verantwortung. Unterrichtsmaterialien und -konzeption können durch Verbesserung der Selbstwirksamkeit der Kinder das Ernährungsverhalten positiv beeinflussen (siehe 3.6.1). Entsprechende Konzepte und Projekte zum Thema Essen und Ernährung werden jedoch selten bis gar nicht thematisiert und pädagogische Fachkräfte in Grundschulen sind häufig unzureichend für den Bildungsbereich Ernährung qualifiziert (Dankers, Hirsch & Heseker, 2020).
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- Citation du texte
- Toni Werner (Auteur), 2022, Gesundheitsförderung und Prävention im Setting Grundschule. Interventionen im Handlungsfeld Ernährung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1331040
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