Optimale Kundenkommunikation beginnt bei der Geschäftskorrespondenz. Noch immer werden Briefe nicht kundenorientiert geschrieben, sondern eher im behördlichen Stil oder zu direkt, sodass sie unhöflich sind. Die Kommunikation wird dadurch gestört. Diese Magisterarbeit befasst sich mit den linguistischen Problemen bei der Produktion von Geschäftsbriefen, sie untersucht Praxisbeispiele der Sparkasse Aachen und enthält einen Leitfaden zur optimalen Korrespondenz, der ebenfalls bei der Sparkasse Aachen entwickelt wurde. Diese Arbeit wurde mit der Note sehr gut vom Professor für Linguistik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen bewertet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Schriftsprachlichkeit
2.1.1 Schriftlichkeit und Mündlichkeit
2.2 Schreiben und Kognition
2.2.1 Schreiben als Problemlöseprozeß
2.2.2 Schreiben als Problemlösestrategie
2.3 Der Leseprozeß
2.3.1 Die Psychophysiologie des Lesens
2.4 Textlinguistik und Texttheorie
2.4.1 Der Text als Untersuchungsgegenstand
2.4.2 Textverständlichkeit
2.4.2.1 Mehrfachadressierung und Verständlichkeit
2.4.3 Textproduktion
2.4.4 Die Grundstruktur und Funktion des Gedächtnisses als Grundlage für die Textgestaltung
2.4.5 Textoptimierung
2.4.5.1 Der empirisch-induktive Ansatz
2.4.5.2 Der theoretisch-deduktive Ansatz
2.5 Kommunikationstheorie
2.5.1 Die Darstellung textueller Grundfunktionen in der Kommunikationstheorie
2.5.2 Der Brief als Kommunikationsform
2.6 Aspekte einer ganzheitlichen Untemehmenskultur
2.6.1 Die Corporate Identity als strategisches Untemehmenskonzept
3 Hintergrundmodell für die Produktion von Geschäftsbriefen
3.1 Überlegungen vor dem Schreiben eines Geschäftsbriefes
3.2 Hinweise für die Textebene
3.2.1 Der allgemeine Aufbau von Geschäftsbriefen
3.2.2 Kriterien bezüglich des gesamten Brieftextes
3.3 Anregungen für einen kundenorientierten Briefstil
3.4 Kriterien auf der Satzebene eines Geschäftsbriefes
3.5 Kriterien auf der Wortebene eines Geschäftsbriefes
4 Betrachtung der Ratgeberliteratur zum Thema „Geschäftsbriefe“
4.1 Moderne Geschäftskorrespondenz
4.2 Verschiedene Denkansätze und Methoden für die Umsetzung einer neuen Briefkultur
4.2.1 Zeitgemäße Geschäftskorrespondenz durch Checklisten und Musterbriefe
4.2.1.1 Bewertung der Umsetzung
4.2.2 Das „Corporate Wording-Konzept“
4.2.2.1 Identität durch die „Vierfarben-Sprache“
4.2.2.2 Multisensorisches Texten
4.2.2.3 Bewertung des „Corporate Wording-Ansatzes“
4.2.3 Neue Briefkultur für Kreditinstitute
4.2.3.1 Kundenorientierte Briefe
4.2.3.2 Bewertung des „Ansatzes für Kreditinstitute“
5 Empirischer Teil
5.1 Grundsätze einer ganzheitlichen Untemehmenskultur
5.1.1 Das Ziel der Kundenorientierung im Untemehmensleitbild der Sparkasse Aachen
5.2 Verschiedene Erstellungsformen von Briefen im Bereich der Geschäftskorrespondenz der Sparkasse Aachen
5.2.1 Individuelle Briefe aus dem Bereich der Beschwerden
5.2.2 Die Produktion von Serienbriefen
5.2.3 Die „Textkonserven“ der Sparkasse Aachen
5.2.4 Andere standardisierte Briefe
5.3 Der kundenorientierte Ansatz der Sparkasse Aachen zu einer neuen Briefkultur
5.3.1 Die Mitarbeiterbroschüre zum Thema „kundenorientierte Briefe“
5.3.2 Probleme der Umsetzung
6 Schlußbetrachtung
7 Literaturverzeichnis
8 Abbildungsverzeichnis
9 Anhang
Danksagung
Herrn Prof. Dr. Ludwig Jäger, Direktor des Germanistischen Instituts der Rheinisch- Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, gilt mein Dank für die gute fachliche Betreuung.
Herrn Hans Kauhsen, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Aachen, danke ich für die Bereitstellung der Arbeitsmöglichkeiten.
Bei Herrn Dipl.-Kfm. Johannes Bartz-Adrian, Vorstandssekretariat, bedanke ich mich für die Einsatzbereitschaft, daß diese Arbeit bei der Sparkasse Aachen durchgeführt werden konnte.
Herrn Wilfried Nellessen, Direktor Marketing der Sparkasse Aachen, danke ich für die Bereitstellung des Arbeitsplatzes in seiner Abteilung.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Matthias Frank, Abteilungsleiter Privatkunden- Marketing, für die gute Betreuung dieser Arbeit und stetige Diskussionsbereitschaft.
Für die ständige Hilfsbereitschaft und sehr gute Athmosphäre in der Abteilung Privat- kunden-Marketing bedanke ich mich bei Frau Sabine Gorny, Herrn Rudolf Römgens und Frau Birgit Schörk.
Schließlich danke ich Herrn Dr. Günter Subkiew, Herrn Dipl.-Ing. Jörg Kuhlmann und Frau Annette Pletscher für die kritische Durchsicht dieser Arbeit.
1. Einleitung und Problemstellung
Kreditinstitute bieten gegenwärtig eine Vielzahl verschiedener Dienstleistungen und Produkte an, um sich im Konkurrenzkampf möglichst hohe Marktanteile zu sichern. Für Zahlungsverkehr und Außendarstellung nutzen sie die neuesten Medien der technologischen Entwicklung, so daß Online-Banking, die Präsentation und Serviceleistungen der Bank oder Sparkasse im Internet sowie der Geschäftsbericht auf „CD-ROM“ fast schon zur Normalität geworden sind (vgl. Szarka, 1996: 30f). Kurz gesagt: Kreditinstitute stellen sich heute als moderne und gegenüber den Bedürfnissen ihrer Kunden aufgeschlossene Geschäftspartner dar.
Angesichts dieser Entwicklung wirken jedoch die meisten Geschäftsbriefe auf der Sprachebene geradezu rückständig. Allzu selten orientieren sich diese an den individuellen Bedürfnissen und der Persönlichkeit des Adressaten1, so daß ein Großteil der Geschäftsbriefe unverständlich, zusammenhanglos und unpersönlich geschrieben ist. Diese Tatsache läßt sich darauf zurückführen, daß die Verantwortlichen den Stellenwert von Geschäftsbriefen für das Unternehmen unterschätzen. Da die tägliche Geschäftskorrespondenz einen wesentlichen Teil der externen Kommunikation darstellt, fungiert jeder Geschäftsbrief als Visitenkarte des Unternehmens; deshalb sollte jeder Brief nach Möglichkeit so gestaltet werden, daß er die Unternehmenskultur widerspiegelt. Die vorliegende Arbeit, die in Kooperation mit der Sparkasse Aachen entstanden ist, soll mit dazu beitragen, daß auf diesem Gebiet eine akzeptable Entwicklung stattfindet.
Die Sparkasse Aachen stellt den Kunden in den Mittelpunkt ihres unternehmerischen Denkens und Handelns und hat dazu Grundsätze in ihrem Untemehmensleitbild definiert. Bisher beziehen sich diese Grundsätze auf das Angebot an Produkten und Dienstleistungen sowie den Umgang mit dem Kunden. Daß auch die Sprache in der externen Kommunikation kundenorientiert sein sollte, wird im Untemehmensleitbild jedoch nicht berücksichtigt. Allerdings hat die Sparkasse Aachen bereits erkannt, daß ein Großteil ihrer Geschäftsbriefe einer kundenorientierten Korrespondenz nicht gerecht wird und der Kunde gerade hier aus dem Mittelpunkt des unternehmerischen Denkens verschwindet. Um auf diesem Gebiet Abhilfe zu schaffen, greift die Sparkasse Aachen einerseits auf eigene Erfahrungen zurück, steht aber andererseits auch sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen aufgeschlossen gegenüber und nutzt diese, sofern sie sich mit ihren betriebswirtschaftlichen Interessen vereinbaren lassen.
Die linguistischen Probleme, die bei der Produktion von Geschäftsbriefen existieren, lassen sich aus vielen verschiedenen Theorien ableiten und stehen im Zentrum dieser Arbeit. Neben den Besonderheiten der Schriftsprachlichkeit sowie des Schreib- und Leseprozesses liefern vor allem die Textverständlichkeits- und Kommunikationstheorie wichtige Grundlagen. Dies wird im theoretischen Teil der Arbeit dargelegt. Die wichtigsten linguistischen Erkenntnisse sollen in einem Hintergrundmodell zusammengefaßt werden, um im Verlauf der Arbeit sowohl empirische Fallbeispiele, als auch die Ratgeberliteratur zum Thema „Geschäftsbriefe“ bewerten zu können.
Mittlerweile existiert eine große Auswahl an Ratgebern, die sich mit Geschäftskorrespondenz befassen, so daß der zweite Teil der Arbeit diese kritisch beleuchten soll. Schnell läßt sich ein allgemeiner Konsens feststellen, der besagt, daß sich die meisten Geschäftsbriefe zu wenig auf den Adressaten beziehen und viel zu umständliche Formulierungen enthalten. Dieser Schreibstil wird einstimmig als „Behörden-“ beziehungsweise „Kaufmannsdeutsch“ bezeichnet. In der Umsetzung einer modernen, kundenorientierten Geschäftskorrespondenz existieren jedoch unterschiedliche Meinungen und Ansätze, so daß drei wichtige Richtungen herausgearbeitet und anhand des Hintergrundmodells beurteilt werden.
Die Sparkasse Aachen hat als Kreditinstitut mit über 800.000 Kunden eine entsprechend hohe Geschäftskorrespondenz zu verzeichnen, wobei im wesentlichen vier verschiedene Erstellungsformen zu unterscheiden sind: Individuell geschriebene Briefe, Serienbriefe, „Textkonserven“ und andere standardisierte Briefe. Ein nicht zu unterschätzender Teil der gesamten Kundenkorrespondenz besteht aus individuell geschriebenen Briefen. In der Arbeit wird diesbezüglich der Bereich der Kundenbeschwerden behandelt, die im Namen des Vorstands von der Abteilung Privatkunden-Marketing beantwortet werden. Eine Form der Standardisierung stellen Serienbriefe dar, wobei die Adressatengruppen unterschiedlich groß sein können. Die ausgewählten Fallbeispiele sollen zeigen, wie in der Praxis mit dem sprachlichen Problem der Mehrfachadressierung umgegangen wird. Daneben ist ein Großteil der Korrespondenz durch sogenannte „Textkonserven“ standardisiert. Diese vorformulierten Schreiben zu fast allen Themenbereichen werden zentral eingegeben und können dann über den Personalcomputer abgerufen werden. Sie brauchen vor dem Ausdruck lediglich um die individuellen Daten ergänzt zu werden. Auf der Basis des Hintergrundmodells soll anhand von Fallbeispielen gezeigt werden, daß die Textkonserven (Stand: April 1997) den Anforderungen einer modernen, kundenonentierten Geschäftskorrespondenz nicht gerecht werden. Deshalb wurden diese Briefe im Laufe der Arbeit redigiert und können in ihrer Neufassung ab Oktober 1997 verwendet werden. Damit konnte die Verfasserin die theoretischen Grundlagen nicht nur in der Praxis überprüfen, sondern auch umsetzen.
Schließlich produzieren die Geschäftsstellen und Fachabteilungen auch Standardbriefe, die nicht zentral als „Textkonserve“ eingegeben werden. Da diese von keiner zentralen Stelle geprüft werden, existieren hier die größten sprachlichen Mängel.
Im Rahmen ihrer Umsetzungsphase hat die Sparkasse Aachen zu dem Thema „kundenorientierte Briefe“ eigens eine Mitarbeiterbroschüre entworfen, die ebenfalls auf der Basis des Hintergrundmodells überarbeitet wurde. Sie soll alle Angestellten mit dem neuen Briefstil vertraut machen und als Leitfaden für die Briefproduktion dienen.
Auch wenn bei der Umsetzung viele Probleme existieren, ist der einmal eingeschlagene Weg erfolgversprechend und sollte deshalb fortgesetzt werden.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Die Schriftsprachlichkeit
2.1.1 Mündlichkeit und Schriftlichkeit
In der Sprachwissenschaft gehen die Meinungen auseinander, ob das Schreiben eine bloße Umsetzung der Lautsprache in ein anderes Zeichensystem darstellt oder ob man von zwei völlig verschiedenen Sprachsystemen ausgehen muß, die infolge dessen in zwei unterschiedlichen Grammatiken abzubilden seien (vgl. Knoop, 1983: 24f). Burger und Imhasly (1978) bewerten die Schriftsprache als eigenständige Sprachform, die auf die lautsprachliche Kommunikation zurückwirkt, „indem in einer ganzen Reihe von Situationen nicht mehr mundartlich, sondern schriftsprachlich (‘hochsprachlich’) kommuniziert wird, obwohl es sich um mündliche - und oft sogar direkte - Kommunikation handelt“ (Burger, Imhasly, 1978: 25).
Geschriebene Sprache soll hier definiert werden als „eine Menge schriftlicher Ausprägungen einer Sprache [...], die zwar auf die jeweils gesprochene Sprache bezogen sind, aber durchaus autonome Entwicklungen aufweisen und somit als Varietäten oder als Normen einer Sprache charakterisiert werden können“ (Ludwig, 1980: 323). Um zu zeigen, daß zwischen mündlicher und schriftlicher Sprache in ihren idealisierten Formen auf allen Beschreibungsebenen differenziert werden muß, sollen im folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit sowie ständige Gültigkeit die verschiedenen Merkmale geschriebener und gesprochener Sprache gegenübergestellt werden.
Geschriebene Sprache zeichnet sich dadurch aus, daß sie unabhängig von Raum, Zeit und Person existiert. Dagegen kann in der mündlichen Kommunikation das Sprachsignal nicht als unabhängig vom Sprecher" gedacht werden. „Die raumzeitliche Koinzidenz von Sprecher, Hörer und Signal ist eine notwendige Bedingung für das Zustandekommen mündlicher Kommunikation“ (Günther, 1988: 11). Als Form schriftlicher Kommunikation gewährleisten Briefe beispielsweise die Überbrückung von Raum und Zeit.2 3
Es handelt sich um Interaktionen, für die auf Grund ihrer besonderen Realisierungsbedingungen (räumliche Getrenntheit der über einen längeren Zeitraum Interagierenden) ein bestimmtes Maß von gegenseitigen (und gegebenenfalls auch von anderen Personen anerkannten) Verbindlichkeiten geschaffen werden muß; und dies erfolgt kommunikativ, unter Verwendung des Mediums der Schrift, und natürlich in der Form einer Vermittlung von Informationen verschiedenster Art [...] (Haltung, 1983: 218).
Anders als in der mündlichen Kommunikation erfährt der Schreiber eines Textes durch die raumzeitliche Trennung keine direkte Rückmeldung. „Der Sender ist in der Regel auf sich gestellt, also allein. Somit fehlt ihm die Anregung durch das dialogische Argumentieren, das eine gemeinsame Klärung von Sachverhalten ermöglichen kann“ (Knoop, 1983: 26). Außerdem entfallen zur weiteren Explikation nonverbale und parasprachliche Mittel, so daß sich der Schreiber und damit auch der Adressat auf einen „Kanal“ beschränken muß. Aufgrund dieser Tatsache ist der Schreiber gezwungen, seinen Text besonders sorgfältig zu formulieren. Zum Beispiel können die Gliederung und die Kohärenz4 eines Textes zur Verständlichkeit beitragen. Vergleichbar mit Sprechpausen in der mündlichen Kommunikation sind in der schriftlichen Kommunikation die Zeichensetzung und Interpunktion, so daß ihr Sinn darin besteht, dem Leser das Verständnis eines Textes zu erleichtern (vgl. Ludwig, 1983: 66).
Ong bezeichnet das Schreiben in seinem inzwischen klassischen Buch: „Oralität und Literalität. Die Technogisierung des Wortes“ (Ong, 1987) als künstlich, weil die Umwandlung von Sprache in Schrift einen Prozeß darstellt, der im Gegensatz zur oralen Rede nicht notwendig dem Unbewußten entspringt. Es ist nötig, die Phonem-Graphem- Beziehung sowie die grammatischen Regeln zu kennen. Auch in der Oralität werden derartige Regeln verwendet, jedoch ist es nicht notwendig, diese genau bestimmen zu können. Wenn Ong von Künstlichkeit spricht, meint er damit keine Abwertung, sondern hebt vielmehr diese einzigartige Erfindung hervor. „Genau wie andere künstliche Schöpfungen, ja mehr noch als alle anderen, ist sie unschätzbar wertvoll und von wesentlicher Bedeutung für die Realisierung des ganzen humanen Potentials“ (Ong, 1987: 85). Betrachtet man die Syntax der geschriebenen Sprache im Gegensatz zur mündlichen Sprache, so kann man festhalten, daß die Sätze idealerweise wohlgeformt und syntaktisch vollständig sind. Außerdem ist die Sprache reicher an Variationen, so daß die Sätze deutlich länger sind (vgl. Ludwig, 1980: 326). Dies resultiert aus der Tatsache, daß der Schreiber innerhalb des kognitiven Schreibprozesses die Möglichkeit hat, seinen Text mehrfach zu lesen, über Aufbau und Inhalt zu reflektieren sowie Korrekturen und Ergänzungen anzubringen, bis der Text die Form angenommen hat, die seinen Zielvorstellungen entspricht. Die Schreibmodelle, die sich auf den kognitiven Schreibprozeß beziehen, werden in Kapitel 2.2 thematisiert.
Damit erweist sich die fehlende Möglichkeit der direkten Rückmeldung bei der schriftlichen Kommunikation nicht nur als nachteilig, sondern auch als vorteilhaft, da sich aufgrund der fehlenden kommunikativen Unterbrechungen sowohl Schreiber als auch Rezipient vollständig auf den Text konzentrieren können. „Es ist kein Partner da, auf den der Schreibende Rücksicht zu nehmen hätte. Er ist frei von dem Kommunikationsdruck, dem der Sprechende ausgesetzt ist“ (Ludwig, 1983: 49). Diese Aussage sollte jedoch nicht dazu führen, den Adressaten bei der Textproduktion außer acht zu lassen. Vielmehr sollte der Schreiber über seine Rolle nachdenken, an das Vorwissen des Adressaten anknüpfen und nach Gemeinsamkeiten suchen.
Die Flüchtigkeit des Sprechens hat den Nachteil, daß sich der Sprechende einen Gedanken nur so lange vor Augen halten kann, bis er diesen verbalisiert hat (vgl. Ludwig, 1983: 58). Das Schreiben hingegen entlastet das Kurzzeitgedächtnis und dient so der Extemalisierung des Gedächtnisses. Im Schreibprozeß dienen beispielsweise die vorangestellte Gliederung und die Notizen kognitiven Zwecken. Molitor-Lübbert bezeichnet das Schreiben in diesem Zusammenhang als „Denkwerkzeug“, da mit Hilfe von Notizen die Gedanken konserviert werden können. „Die kognitive Funktion von Notizen besteht darin, Informationen extern zu speichern, um das Gedächtnis zu entlasten“ (Molitor-Lübbert, 1989: 280f.).
Schriftlich festgehaltene Texte haben den Vorteil, daß sie aufbewahrt, transportiert und vielen Menschen zugänglich gemacht werden können. In bezug auf Briefe hat der Adressat so die Möglichkeit, Informationen wiederholt zu lesen. Daneben dienen Briefe, die im Geschäftsbereich aufbewahrt werden, als beweistragendes Dokument. Da die Schrift als dauerhaft gilt, besitzen zum Beispiel Gesetze und Verträge in unserer Gesellschaft größtenteils nur in schriftlicher Form Gültigkeit.
Die schriftliche Kommunikationsform wird außerdem in bestimmten Situationen bevorzugt. Ist zum Beispiel jemand verstorben, so kondoliert man zumeist schriftlich. Auch Glückwünsche werden in der Regel schriftlich übermittelt. Daneben wird die schriftliche Kommunikationsform vorgezogen, wenn es um unangenehme Sachverhalte wie zum Beispiel Mahnungen geht, die vermittelt werden sollen, da sich der Schreiber in der schriftlichen Kommunikation stärker vom Adressaten distanzieren kann (vgl. Burger, Imhasly, 1978: Ulf).
Das Verhältnis von Mündlichkeit zu Schriftlichkeit stellt sich zur Zeit unterschiedlich dar. Einerseits existieren starke Unterschiede wie zum Beispiel in der wissenschaftlichen Fachsprache, andererseits sind in der Sprache der Presse, der Medien und der Werbung mehr oder weniger große Annäherungen zu verzeichnen (vgl. Ludwig, 1980: 327). Dies gilt auch für die Kommunikation per „Electronic Mail“, da die Übermittlung zwar in schriftlicher Form stattfindet, die Sprache jedoch größtenteils von der Mündlichkeit geprägt ist. Auf dem Gebiet der Geschäftskorrespondenz sprechen sich einige Briefsteller wie zum Beispiel Förster (1995) für eine durch mündliche Sprache geprägte Briefkultur aus. Damit soll sich unter anderem der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigen.
2.2 Schreiben und Kognition
Im Rahmen der Textproduktionsforschung sind verschiedene Schreibmodelle entwickelt worden, wobei das Schreibprozeßmodell von Hayes und Flower (1980), die das Schreiben als problemlösende Informationsverarbeitung betrachten, als das am weitesten entwickelte Modell gilt (vgl. Ludwig, 1983: 40). Dieser deskriptive Ansatz wird hier nach den Darstellungen von Ludwig (1983) und von Eherer (1995) vorgestellt und dem Modell von Molitor-Lübbert, die das Schreiben als Problemlösestrategie beschreibt, gegenübergestellt. Die Darstellung weiterer Modelle wird nur deshalb außer acht gelassen, weil sie den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde.
2.2.1 Schreiben als Problemlöseprozeß
Hayes und Flower betrachten den Schreibprozeß als problemlösende Informationsverarbeitung, wobei sie besonders die Interaktivität, die Reflexivität und die Rekursivität der am Gesamtprozeß beteiligten Aktivitäten hervorheben. Auf der Basis von Protokollanalysen fertigten sie ein Modell an, das versucht, die verschiedenen Aktivitäten, die den Akt des Schreibens begründen, zu erfassen und ihr gegenseitiges Verhältnis zu definieren (vgl. Ludwig, 1983: 40).
Das Modell ist aus drei Komponenten aufgebaut, wobei die Komponente, die den eigentlichen Schreibprozeß darstellt, im Mittelpunkt steht. Daneben beschreiben Hayes und Flower das Langzeitgedächtnis des Schreibers und die kommunikative oder rhetorische Situation, die zusammen die Umgebung des eigentlichen Schreibprozesses konstituieren (vgl. Ludwig, 1983: 41).
In bezug auf den eigentlichen Schreibprozeß heben sie das Planen, das Übersetzen und das Überarbeiten als Hauptphasen hervor. Der Planungsprozeß gliedert sich wiederum je nach Notwendigkeit in Erzeugen, Strukturieren und Zieldefmition auf.
So werden zunächst in der Phase des Erzeugens alle für den Text relevanten Infonnationen aus dem Langzeit-Gedächtnis abgerufen und gegebenenfalls schriftlich festgehalten. Anschließend strukturiert der Schreiber die wichtigsten Informationen, so daß er diese in einem Plan sequentiell oder hierarchisch auflistet (vgl. Eherer, 1995: 26). Danach folgt die Übersetzungsphase, in der der Schreiber die Informationen, die er zuvor in einem Schreibplan geordnet hat, nach den Regeln der Syntax in Sätze transformiert. Die Zieldefmition beschreibt schließlich die Bestimmung von Kriterien, die während der Überarbeitung des Textes als Wertmaßstab dienen. So kann beispielsweise die Zieldefinition darin bestehen, die Geschäftsverbindung zu einem Kunden wieder zu normalisieren, nachdem sich dieser über einen bestimmten Sachverhalt beschwert hat. Um dieses Ziel zu erreichen, muß der Schreiber zum Beispiel Argumente anführen, verständlich schreiben und einen besonders höflichen Stil wählen.
Den anschließenden Prozeß des Überarbeitens unterteilen Hayes und Flower in Lesen und Editieren. Dabei soll der Schreiber grammatische Fehler sowie Formulierungsungenauigkeiten aufdecken und überprüfen, ob er seine Zieldefinition realisiert hat. Die Teilprozesse Editieren und Erzeugen können die übrigen zu jeder Zeit unterbrechen. Das Schreiben ist folglich ein hochgradig interaktiver Vorgang (vgl. Ludwig, 1983: 48).
Hayes und Flower gehen desweiteren davon aus, daß im Rahmen des Schreibprozesses ein sogenannter Monitor existiert, der als Instanz der Kognition den gesamten Ablauf der Textproduktion kontrolliert und steuert, abhängig davon, welche Schreibstrategie der Verfasser zugrundelegt (vgl. Eherer, 1995: 27).
Bezieht man diese Erkenntnisse auf die Briefproduktion, so gilt folgendes: Ein individueller Brief existiert niemals als abrufbarer Text in den Wissensstrukturen, sondern muß erst aus der Interaktion der genannten Teilprozesse realisiert werden. Allerdings ist der allgemeine Aufbau eines Briefes, bestehend aus Anschrift, Anrede, Grußformel und so weiter, in unserem Langzeitgedächtnis gespeichert, so daß der Schreiber diesen jederzeit abrufen kann (vgl. Ludwig, 1983: 59).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Der Schreibprozeß nach Hayes und Flower (1980)
2.2.2 Schreiben als Problemlösestrategie
Im Gegensatz zu Hayes und Flower betrachtet Molitor-Lübbert das Schreiben nicht als Problemlöseprozeß, sondern als Problemlösestrategie, wobei die einzelnen Ergebnisse kognitiver Prozesse, die beim Schreiben entstehen und wieder verändert werden, im Mittelpunkt ihres Modells stehen. Danach setzt der Autor das Schreiben bewußt ein, um seine Gedanken und Wissensstrukturen zu organisieren, so daß das Schreiben eine erkenntnisbildende Funktion erhält; denn durch den fortdauernden Wechsel von Exteriori- sierung des Wissens und Überarbeitung desselben wird das bestehende Wissen in einer bestimmten Form weiterverarbeitet (vgl. Molitor-Lübbert, 1989: 286). Hayes und Flower stellen dagegen die kommunikative Funktion des Schreibens in den Vordergrund (vgl. Eherer, 1995: 27f).
Nach Molitor-Lübbert führt das Schreiben somit zu komplexeren Denkstrukturen und ist nicht mehr allein als Produkt des Denkens zu bewerten, sondern als integraler Bestandteil desselben (vgl. Eherer, 1995: 28). Deshalb stellen die Wissensstruktur des Autors und der Text die Hauptkomponenten in Molitor-Lübberts Schreibmodell dar, wobei sich diese im Laufe der Produktions- und Leseprozesse gegenseitig beeinflussen.
Daneben bezieht Molitor-Lübbert die Planungs- und Evaluationsprozesse in das Modell mit ein. So entwickelt der Autor zunächst eine Textvorstellung, die er während der Planungsprozesse zu verwirklichen versucht. Seine Ideen und Zielvorstellungen werden dann während des Produktionsprozesses exteriorisiert (vgl. Molitor-Lübbert, 1989: 292). Dem anschließenden Lesen läßt Molitor-Lübbert eine größere Bedeutung zukommen als Hayes und Flower, die allen Teilprozessen eine ähnliche Komplexität zuschreiben. „Das Lesen des Geschriebenen wiederum führt zum Aufbau einer Repräsentation des produzierten Textes, die unter Umständen von der Intention abweicht, was durch Evaluationsprozesse erkannt wird“ (Molitor-Lübbert, 1989: 292). Treten diese Diskrepanzen auf, so wird der Autor erneut planen, schreiben, lesen und evaluieren, bis der Text und die Intention miteinander übereinstimmen (vgl. Molitor-Lübbert, 1989: 292).
So entsteht ein dynamischer Regelkreis aus Planungs-, Produktions-, Lese- und Evaluationsprozessen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Grundschema eines reflexiven Modells des Schreibprozesses nach Molitor (1984)
2.3 Der Leseprozeß
2.3.1 Die Psychophysiologie des Lesens
Frühe Lesemodelle - sogenannte „bottom-up-Modelle“ - gehen davon aus, daß der Leser dem Text in ansteigender Ordnung Informationen entnimmt, so daß er erst die visuelle, dann die phonemische, die lexikalische und schließlich die semantische Ebene verarbeitet. Dagegen beschreiben sogenannte „top-down-Modelle“ die andere Richtung. Textinformationen werden demnach aufgrund von Vorwissen, Leseerwartung und dergleichen dekodiert. Der heutige Stand der Forschung zeigt, daß weder „bottom-up-Modelle“ noch „top-down-Modelle“ den Lesevorgang hinreichend beschreiben. „[...] nur ‘interaktive’ Lesemodelle [werden] der Komplexität des Leseprozesses gerecht“ (Gross, 1994: 12f). So definiert Gross (1994) das Lesen als einen „Prozeß der Sinnproduktion, in dem ständig Entscheidungen getroffen und Vermutungen aufgestellt werden“ (Gross, 1994: 15). Fortlaufend werden Informationen aktiviert und Hypothesen aufgestellt, die entweder bestätigt, korrigiert oder sogar verworfen werden müssen. So stehen vorausgreifende Erwartungen und rückwirkende Korrekturen in einer ständigen Wechselbeziehung (vgl. Gross, 1994: 15).
Daß die zeitliche Kontinuität des Lesens aus Diskontinuitäten besteht wurde bereits 1879 durch Javal entdeckt (vgl. Günther, 1988: 103). Dieser beschreibt den Leseprozeß auf der subsemantischen Verarbeitungsebene als einen aus Fixationen und Saccaden aufgebauten Interaktionsprozeß, wobei Informationen eines Textes lediglich während der Fixationsperioden von den Augen aufgenommen werden. Als Saccaden werden die ruckartigen Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen der Augen bezeichnet, die die Fixationsperioden unterbrechen und zugleich miteinander verbinden. Die Dauer der Saccaden liegt empirischen Studien zufolge bei ca. 15 Millisekunden, während Fixationen durchschnittlich 250 Millisekunden ausmachen (vgl. Gross, 1994: 7). Dauer und Ort der Fixationen in einem Text hängen von verschiedenen Faktoren ab, auf die noch genauer einzugehen ist.
Neuere Lesemodelle widerlegen die Annahme, daß Texte lediglich durch die Augen automatisch aufgenommen und dann gespeichert werden. Die Leseforschung, die im Laufe der vergangenen 18 Jahre unter Rekurs auf die kognitive Psychologie bedeutende Fortschritte gemacht hat, versucht hauptsächlich, die zeitlichen Dimensionen des Lesevorgangs mit den kognitiven Abläufen in Relation zu bringen. Dabei sind im wesentlichen zwei Hypothesen festzuhalten:
1. Die sogenannte „Auge-Gehim-Annahme“ geht davon aus, daß zwischen Auge und Gehirn eine unmittelbare Beziehung besteht, die sich darin äußert, daß die Fixationszeit mit der Verarbeitungszeit in Korrelation steht (vgl. Gross, 1994: 8).
2. Der Leser versucht so bald wie möglich, die Bedeutung des Textes zu erschließen, indem er laufend vermutet, folgert und interpretiert. Diese Hypothese wird als „Unmittelbarkeits-Annahme“ bezeichnet (vgl. Gross, 1994: 8).
So wird ein Satz nicht erst visuell aufgenommen und dann als Ganzes verarbeitet, sondern sobald als möglich in Bedeutungsrepräsentationen transformiert, so daß visuelle und kognitive Vorgänge nicht voneinander getrennt werden können. Daraus wird geschlossen, daß die Art der Saccaden, gegliedert nach Häufigkeit, räumlicher Spannweite und Richtung, von der formalen Struktur des Textes und vom Textverständnis abhängt.
Die unwillkürlichen Augenbewegungen werden aber zudem durch leserbedingte Variablen wie Alter und Leseintention beeinflußt. Hat der Leser großes Interesse an dem Thema des Textes und steht diesem außerdem viel Zeit zur Verfügung, so wird er den Text erfahrungsgemäß gründlich und nicht selektiv lesen (vgl. Gross, 1994: 8f).
Großes Interesse hat die Leseforschung an textbedingten Variablen gefunden. Untersuchungen, die sich mit graphischen Merkmalen auseinandersetzen, haben gezeigt, „daß Typengröße, Zeilenabstand und Zeilenlänge dergestalt miteinander interagieren, daß sich stets eine optimale Kombination finden läßt“ (Günther, 1988: HO). Besonders hervorgehoben wird das Leerzeichen, da sein Fehlen zu verringerter Lesegeschwindigkeit führt.
Auf der Wortebene hat die Leseforschung erkannt, daß sich Wortlänge und Dauer einer Wortfixation nicht proportional zueinander verhalten. Vielmehr werden kürzere Wörter eher länger fixiert. Außerdem fixiert der Leser informationsreichere Textsegmente fast immer länger. Dies gilt genauso für Wörter, die dem Leser vertraut sind oder Erwartungen wecken. Einleuchtend erscheint, daß unwichtige Wörter wie Artikel oft übersprungen werden, während Verbfixierungen überdurchschnittlich lang sind. Auch werden Wörter, sofern es sich nicht um abstrakte handelt, aufgrund von Form, Position und Druckbild zunächst kurzzeitig als Bilder gespeichert. Wie weit sich die Analogie zwischen Wort und Bild erstreckt, ist jedoch nicht geklärt. Erwiesen ist aber, daß das Textverständnis auf seiner räumlichen Enkodierung beruht, weshalb die räumliche Textanordnung nicht unterschätzt werden darf (vgl. Gross, 1994: 9).
Treten lokale Probleme bei der Textverarbeitung auf, so gibt es zwei Möglichkeiten, diesen zu begegnen; entweder verlängert der Leser die Fixationszeit, oder er reagiert mit Regressionen, die als Rückwärtssaccaden bezeichnet werden. Probleme bei der TextVerarbeitung können beispielsweise auftreten, wenn Sätze mehrdeutig formuliert sind. Bei Ambiguitäten werden zunächst kurzfristig alle Bedeutungen aktiviert, allerdings entscheidet sich der Leser dann sehr schnell für eine Möglichkeit, damit sein Kurzzeit- Gedächtnis, das nur etwa sieben Sinneinheiten gleichzeitig speichern kann, entlastet wird (vgl. Gross, 1994: 18f). Außerdem treten Probleme bei der Textverarbeitung auf, wenn durch die Konstruktion des Satzes die Zuordnung von Subjekt, Prädikat und Objekt erschwert wird. Deshalb sollte der Schreiber zum Beispiel Schachtelsätze in Briefen vermeiden. Auch sollte er die Sätze nach Möglichkeit positiv formulieren, da Negationen zu einer Verlängerung der Lesezeit führen und das Verständnis erschweren (vgl. Gross, 1994: 14f).
Diese Erkenntnisse sollte der Schreiber bei der Briefproduktion auf jeden Fall beachten. Weitere Ausführungen zu den kognitiven Prozessen des Lesens und Textverstehens folgen in Kapitel 2.4.2.
2.4 Textlinguistik und Texttheorie
2.4.1 Der Text als Untersuchungsgegenstand
Lange Zeit betrachtete die Linguistik den Satz als die größte für sie relevante Untersuchungseinheit. Erst seit den letzten Jahrzehnten wird die Einheit Text auf der Ebene der Sprachfähigkeit beschrieben. Ein einheitlicher Terminus „Text“ existiert jedoch nicht, da entsprechend der unterschiedlichen Gegenstands- und Aufgabenbereiche der Sprachwissenschaft verschiedene Theorien zugrunde gelegt werden (vgl. Kallmeyer, Meyer- Herrmann, 1980: 242). Zu unterscheiden sind textlinguistische und texttheoretische Ansätze. Den textlinguistischen Ansätzen geht es darum, die Gesetzmäßigkeiten zu erforschen, nach denen Sätze einen Text konstituieren, wobei sich aus der Systematisierung der Gesetzmäßigkeiten eine „Textgrammatik“ ergibt. Da jedoch nicht für alle Texte eine gemeinsame Textgrammatik erstellt werden kann, ist die Textlinguistik an einer Texttypologie interessiert. Ob die Einheit Text überhaupt systemlinguistisch zu erfassen ist, bleibt in der Forschung strittig (vgl. G. Belke, 1973: 40ff).
Während die Textlinguistik beim Text innerhalb sprachsystematischer Forschung verbleibt, betrachtet die Texttheorie einen Text als funktionierenden3 Faktor in kommunikativen Handlungen (vgl. G. Belke, 1973: 42). Im Gegensatz zur Textlinguistik sind Texte in der Texttheorie immer in eine Kommunikationssituation eingebettet, in der sich Schreiber und Leser mit ihren sozialen und situativen Voraussetzungen und Beziehungen austauschen. Diese sprachwissenschaftliche Richtung entstand deshalb auch auf der Grundlage der linguistischen Pragmatik und stützt sich insbesondere auf die innerhalb der angelsächsischen Sprachphilosophie entwickelte Sprechakttheorie von Austin, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll (vgl. Brinker, 1992: 15).
Nach Brinker sind die beiden genannten sprachtheoretischen Richtungen nicht als alternative, sondern als komplementäre Konzeptionen zu betrachten, so daß er versucht, einen integrativen Terminus „Text“ zu entwickeln. „Der Terminus ‘Text’ bezeichnet eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert“ (Brinker, 1992: 17). In Anlehnung an Saussure sieht dieser das sprachliche Zeichen als eine Verbindung aus „signifié“ (Bezeichnetes / Bedeutung / Inhalt) und „signifiant“ (Bezeichnendes / Form / Ausdruck).
Die textuellen Grundfunktionen werden noch in Kapitel 2.5.1 dargestellt. Dabei unterscheidet Brinker zwischen elementaren sprachlichen Zeichen wie Morphemen und komplexen Zeichen wie Wortgruppen und Sätzen (vgl. Brinker, 1992: 17). An dieser Stelle soll jedoch der Einwand gemacht werden, daß eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen nicht nur ein Merkmal von Texten, sondern auch von Sätzen sein kann.
Die Begrenzung dieser sprachlichen Zeichen erfolgt durch Textbegrenzungssignale. Dazu zählen sowohl Einleitungs- und Schlußformeln wie die Anrede- und Grußformel in Briefen als auch „Leerzeichenkontingente“ (vgl. Brinker, 1992: 19).
Bei der Kohärenz muß zwischen der grammatischen und der thematischen Beschreibungsebene unterschieden werden. Die grammatische Kohärenz beschreibt die für den Textzusammenhang relevanten syntaktisch-semantischen Beziehungen zwischen Sätzen eines Textes, die aufeinanderfolgen. Auf der thematischen Ebene geht es hingegen um inhaltlich-semantische Relationen als Ergebnis kognitiver Prozesse des Textproduzenten, wobei die Beschreibung dieser Relationen zur thematischen Struktur des Textes führt (vgl. Brinker, 1992: 21f).
Eine kohärente Satzfolge allein erfüllt jedoch noch nicht das Kriterium der Textualität; zusätzlich erhält diese Satzfolge noch eine kommunikative Funktion innerhalb einer Kommunikationssituation (vgl. Brinker, 1992: 18).
2.4.2 Textverständlichkeit
Aufgabe der Kognitionspsychologen hinsichtlich Textverstehen ist es, die beim Leser aktivierten Wissensstrukturen exakt zu beschreiben. Dafür haben sie den Terminus „Schema“ eingeführt, das man sich als Teilsystem eines Netzwerkes im Gedächtnis vorzustellen hat, in dem aufgrund von Erfahrungen typische Zusammenhänge eines Realitätsbereiches repräsentiert sind (vgl. Ballstaedt et al., 1981: 27). Komplexe Schemata beinhalten Wissen über Handlungs- und Ereignisfolgen und werden als „Skripts“ bezeichnet. Dabei handelt es sich bei allen Schemata um aktive, hierarchisch organisierte Strukturen, die Variablen oder Leerstellen aufweisen, „und aufgefüllt werden können, wann immer das Schema auf einkommende (Input-) Informationen angewendet wird“ (Hoppe-Graff, 1984: 17). Damit verbunden ist der „Vorhersagecharakter“ des Schemas, womit der Aufbau von Erwartungen bezüglich der folgenden Informationen gemeint ist. Derartige Schemata werden durch Induktion aus verschiedenen Erfahrungen des Einzelnen realisiert. Sie werden im Laufe der Zeit immer weiter verändert und präzisiert (vgl. Hoppe- Graff, 1984: 17).5
Die Kognitionspsychologen unterscheiden zwischen verschiedenen Verarbeitungsprozessen, die beim Lesen stattfmden; dazu gehören unter anderem „subsemantische“ und „semantisch-syntaktische Verarbeitungsprozesse“.
Die „subsemantischen Verarbeitungsprozesse“ lassen sich weiter aufgliedem in Blickbewegungen6, Buchstaben- und Worterkennung. Auf dieser Ebene ist das Lesen ein Wahrnehmungsprozeß, so daß graphische Gebilde erkannt werden, Einzelbuchstaben zu Buchstabengruppen und schließlich zu ganzen Wörtern zusammengefügt werden. In einem parallel stattfmdenden Prozeß werden Grapheme und Wörter mit dem „Lexikon“ im Gedächtnis verglichen und eventuell wiedererkannt. In diesem Fall kann der Leser eine Deutungshypothese im semantischen Gedächtnis vornehmen, so daß höhere Verarbeitungsprozesse stattfinden können (Ballstaedt et al., 1981: 41). Da die Teilprozesse für eine Theorie des Lesenlemens von Bedeutung sind, hat sich die Forschung damit intensiv befaßt (vgl. Ballstaedt et al., 1981: 41). Ungeklärt ist, ob neben dem Zugang über die visuell wahrgenommenen Grapheme eine Umkodierung in Phoneme existiert, die durch eine Art inneres Sprechen begleitet wird. Diese These wird durch Versuche gestützt, in denen eine lautliche Umkodierung experimentell unterdrückt wurde, so daß sich die Verstehensleistungverschlechterte (vgl. Ballstaedt et al., 1981: 46).
Ziel des semantisch-syntaktischen Verarbeitungsprozesses ist es, einen Satz als ganze Einheit zu verstehen. Dafür versucht der Leser, der Textoberfläche semantische Relationen im Sinne eines Netzwerkes zu entnehmen, wobei semantische und syntaktische Verarbeitungsschritte unterschiedlich kombiniert werden können. Bei der semantischen Analyse greift der Leser auf sein Weltwissen und seine Schemata zurück, wodurch die Wörter und der semantische Inhalt in geistige Repräsentationen einer Situation, Erfahrung eines Sachverhaltes oder Zusammenhangs umgewandelt werden. Es verbinden sich damit außersprachliches Wissen und eigentlicher Text, so daß es unmöglich ist, „ein Wort ohne Rekurs auf dieses allgemeine Vorwissen kontextfrei in seiner ‘reinen’ lexikalischen Bedeutung zu aktivieren und dann dem entsprechenden Kontext anzupassen“ (Gross, 1994: 19).
Bei der syntaktischen Analyse ist der Leser auf sein Wissen über die konventionalisierten syntaktischen Verbindungen von Wörtern angewiesen. Die beiden Verarbeitungskomponenten sind sowohl textgeleitet als auch schemageleitet und sie ergänzen sich; resultieren aus der semantischen Analyse beispielsweise Mehrdeutigkeiten, so kann die syntaktische Analyse zur Klärung beitragen. Dabei erfüllt sie nur eine Hilfsfunktion, so daß der Leser die daraus resultierenden Informationen vergessen kann, nachdem er die semantischen Relationen erkannt hat. Umgekehrt ist es auch möglich, daß die syntaktische Analyse zu keinem Ergebnis führt; dann kann die semantische Analyse durch Vorwissen oder Kontext das Verständnis erschließen. Diese Verarbeitungsstrategien machen es möglich, „daß wir unvollständige, mehrdeutige und syntaktisch falsche Sätze im allgemeinen doch verstehen können“ (Ballstaedt et al., 1981: 51).
Insgesamt sind die bisherigen Verfahren zur Repräsentation von Wissensstrukturen nur als vorläufige Annäherungen zu betrachten, da auf viele theoretische Fragen noch keine eindeutigen Antworten gefunden wurden (vgl. Ballstaedt et al., 1981: 40). Bewiesen ist jedoch, daß die Prozesse der Worterkennung und des Satzverstehens nicht schrittweise aufeinanderfolgen, sondern parallel und interaktiv ablaufen (vgl. Ballstaedt et al., 1981: 46).
Um nicht nur einzelne Sätze verstehen zu können, sondern den Text als ganze Einheit, muß der Leser auf einer höheren Verarbeitungsebene einzelne Aussagen mit anderen Aussagen im Text verknüpfen. Auch dies geschieht in einem interaktiven Prozeß, der sowohl aus datengeleiteten „bottom-up“- als auch aus schemageleiteten „top-down“-Strategien besteht (vgl. Hoppe-Graff, 1984: 32). In aufsteigender Richtung (,,bottom-up“-Strategie) steuert der Text den Aufbau von Vorstellungen des Lesers über den Inhalt. In absteigender Richtung (,,top-down“-Strategie) findet eine schemageleitete Verarbeitung statt, wobei das Vorwissen des Lesers aus seinem Langzeit-Gedächtnis die Grundlage der Interpretation und Deutung des Datenmaterials ist. Hier werden Erwartungen und Suchprozesse ausgelöst. Das Verstehen eines Textes bezeichnet also eine ständige „aktive Integration von Textwissen mit dem Vorwissen unter der Steuerung spezieller Interessen und Zielsetzungen“ (Ballstaedt et al., 1981: 18). Die Verständlichkeit eines Textes resultiert dementsprechend aus der wechselseitigen Beziehung von Text- und Lesermerkmalen, so daß sie bei jedem Leser unterschiedlich ist (vgl. Ballstaedt et al., 1981: 18). Damit ist für den Verstehensprozeß das Vorwissen eine unabdingbare Voraussetzung.
Insgesamt läßt sich die Leser-Text-Interaktion als Kognitionszyklus darstellen, der an den „hermeneutischen Zirkel“7 erinnert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 Kognitionszyklus beim Textverstehen nach Neisser (1979)
Ein Text ist immer dann verständlich, wenn er dem Lesenden Anknüpfungspunkte bietet. Deshalb sollten auch Geschäftsbriefe zunächst an bekanntes Wissen anknüpfen und erst später beispielsweise neue Lösungsstrategien aufzeigen. Nichtverstehen eines Textes wird in der Kognitionspsychologie zumeist damit erklärt, daß „keine ‘textrelevanten’ Schemata beziehungsweise Wissensstrukturen existieren oder nicht angewendet werden (können)“ (Hoppe-Graff, 1984: 14f).
Den Idealtext in der Alltagskommunikation, zu der auch Geschäftsbriefe gehören, charakterisiert Gross als „transparent und heteroreferentiell“, womit gemeint ist, daß der Text sich in unproblematischer Weise auf Erfahrungen und Außenwelt bezieht. Informationstexte, von denen der Lesende erwartet, daß der Inhalt sinnvoll und relevant ist, werden pragmatisch und kommunikationsorientiert gelesen, das heißt in Hinblick auf Informationsgehalt und mögliche Handlungsziele (vgl. Gross, 1994: 22f).
Heringer kritisiert, daß die bisherige Verständlichkeitsforschung Produktion und Produzenten von Texten außer acht läßt. Deshalb bevorzugt er eine Verständlichkeitsforschung, die in einem kommunikativen Rahmen betrieben wird und damit alle Komponenten der Kommunikation berücksichtigt (vgl. Heringer, 1984: 22f). Da auch die Briefproduktion gut in diesen Ansatz integriert werden kann, soll dieser im folgenden erläutert werden.
Die erste Komponente stellt der Sprecher beziehungsweise Schreiber dar, der einen verständlichen Text formulieren soll. Intentionen und Verfahren des Schreibers stellen dabei wichtige Aspekte für die Verständlichkeitsforschung dar. Untersucht werden könnte beispielsweise, wie der Produktionsvorgang eines Textes aussieht, welche Interessen der Schreiber verfolgt, und welche Vorstellung er sich vom Adressaten macht. Die zweite Komponente stellt der Hörer beziehungsweise Adressat dar, der einen Text verstehen soll. Untersuchungsfragen wären hier zum Beispiel, welches Vorwissen existiert, welche sprachlichen Fähigkeiten der Adressat mitbringt, oder welche Einstellung er sowohl zum Text als auch zum Schreiber hat. Der Text, der die dritte Komponente darstellt, stand in der bisherigen Verständlichkeitsforschung im Vordergrund. Die Forschung der 80er Jahre hat sich überwiegend mit der Art unseres Wissens über Texte, Textstrukturen und typischen Textinhalten befaßt (vgl. Hoppe-Graff, 1984: 32). Im kommunikativen Ansatz sind insbesondere Fragestellungen bezüglich der Textstruktur wichtig. Wie ist der Text aufgebaut, welche Wörter werden verwendet, kommen Fremdwörter vor, sind die Sätze kohärent, wäre hier beispielsweise zu fragen. Schließlich müssen noch die äußeren Bedingungen der Kommunikation untersucht werden, wobei hier Fragen der Gemeinsamkeit von Schreiber und Adressat im Mittelpunkt stehen (vgl. Heringer, 1984: 65f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4 Der Zusammenhang der vier Komponenten
2.4.2.1 Mehrfachadressierung und Verständlichkeit
Der Bereich der Mehrfachadressierung ist bislang wenig erforscht worden, weil oftmals die Schwierigkeit darin besteht, über den Text hinaus zu den Kommunikationsbedingungen vorzustoßen. Mehrfachadressierungen, zum Beispiel in Form von Serienbriefe, gelten im Geschäftsleben als ökonomisch, weil sie insbesondere bei immer wiederkehrenden Situationen den Arbeitsablauf vereinfachen. Hier sollen die Probleme von Mehrfachadressierungen nach dem Ansatz von Hoffmann (1984) erläutert werden.
Problematisch ist diese Art der Adressierung immer dann, wenn sich der Schreiber an eine Gruppe wendet, die er nicht kennt und die damit für ihn eine abstrakte Größe darstellt. So wird der Schreiber versuchen, kleine Teilgruppen zu bilden, für die ein gemeinsamer Nenner angestrebt werden kann. Bilden die Adressaten eine relativ homogene Gruppe, und können Sprach- und Wissensvoraussetzungen vergleichsweise gut bestimmt werden, entstehen keine erheblichen Verständlichkeitsprobleme.
Verständlichkeit ist eher erreichbar [...], wenn es sich um Fälle ‘individualisierter Mehrfachadressierung’ handelt, das heißt die Menge der Adressaten für den Textproduzenten aufzählbar ist und somit spezifische Hypothesen über die Voraussetzungen der Partner möglich sind (Hoffmann, 1984: 77).
Schwierigkeiten treten bei inhomogenen Adressatengruppen auf, so daß das Verhältnis gilt: „Je inhomogener die Adressatengruppe, desto eher kommt der Textproduzent in [folgendes] Verständlichkeitsdilemma: Wer allen etwas sagen will, kann nur wenigen Spezifisches sagen. Wer Spezifisches sagt, schließt viele aus“ (Hoffmann, 1984: 75). Hoffmann bezeichnet einen mehrfachadressierten Text auch sehr passend als einen „Balanceakt zwischen den Zielen des Autors und den angenommenen Zielen und Erwartungen der Adressaten“ (Hoffmann, 1989: 54).
Der Schreiber hat mehrere Möglichkeiten, sich auf einen inhomogenen Adressatenkreis einzustellen.
1. Er orientiert sich am anspruchsvollsten Teil der Adressaten
2. Er orientiert sich an den Voraussetzungen des größten Teils der Adressaten
3. Er orientiert sich an den Adressaten mit den geringsten Voraussetzungen.
Während die erste Möglichkeit den Nachteil hat, unter Umständen den größten Teil der Adressaten zu vernachlässigen, muß der Schreiber im zweiten Fall Abstriche bezüglich Anspruch und Differenzierungsmöglichkeiten zugunsten breiter Verständlichkeit in Kauf nehmen (vgl. Hoffmann, 1984: 75f). Die dritte Möglichkeit ist besonders problematisch, da hier die sprachlichen Variationsmöglichkeiten noch geringer sind. Es kann außerdem passieren, daß sich ein Adressat mit größeren Voraussetzungen bei einem sehr einfachen Briefstil langweilt, wodurch die Beziehung der Kommunikationspartner verschlechtert wird.
Aus diesen Gründen ist das Verständlichkeitsdilemma im Bereich der Mehrfachadressierung nicht zu umgehen, so daß nur Kompromißlösungen existieren. Wie in der Praxis mit diesem Problem umgegangen wird, soll im empirischen Teil dieser Arbeit erläutert werden.
2.4.3 Textproduktion
Die Sprachproduktion als Teilgebiet der Sprachpsychologie gilt als ein vernachlässigtes Gebiet der Linguistik. Existierende Sprachproduktionsmodelle beziehen sich auf Wörter oder Sätze, nicht aber auf ganze Texte. Andererseits bestehen Vorstellungen über einzelne Prozesse oder Prinzipien der Sprachproduktion (vgl. Herrmann, Hoppe-Graff, 1989: 146). Herrmann und Hoppe-Graff als Vertreter der Psycholinguistik versuchen hier Abhilfe zu schaffen, indem sie ein Rahmenmodell entwickelten, das mindestens drei Stufen der Textproduktion unterscheidet. Den Gesichtspunkt der Ziel- und Partnerbezogenheit, der in schriftlichen Texten bisher wenig Beachtung fand, stellen sie in den Mittelpunkt.
Die Art der Textproduktion hängt von dem jeweiligen Handlungsziel und dem Partner ab, so daß sie sehr vielfältige komplexe Formen annehmen kann (vgl. Herrmann, Hoppe-Graff, 1989: 146ff). Im folgenden sollen nun die drei Stufen der Textproduktion nach Herrmann / Hoppe-Graff erläutert werden.
Die erste Stufe der Textproduktion wird als „Fokussierung“ bezeichnet. Abhängig davon, welches Ziel ein Schreiber verfolgt und wer als Adressat angeschrieben wird, können unterschiedliche Bestandteile eines Sachverhaltes aus verschiedenen Perspektiven thematisiert werden. Das Thema eines Textes wird als „Fokus“ bezeichnet oder genauer als „(fokussierte) ‘gedankliche’ (infonnationale, kognitive, propositionale) Basis der Textproduktion“ (Herrmann / Hoppe-Graff, 1989: 148), wobei der Fokus aus strukturierter Fokusinformation besteht. So könnte der Fokus eines Brieftextes zum Beispiel die Genehmigung eines Kredites sein.
Die zweite Stufe der Textproduktion wird als „Selektion / Linearisierung“ bezeichnet. Damit meinen die Autoren, daß derselbe Sachverhalt unterschiedlich, je nach Ziel und Adressat, verbalisiert werden kann. So kann man in einem Geschäftsbrief beispielsweise schreiben: Wir gewähren Ihnen eine Verlängerung des Kredites oder Sie erhalten die gewünschte Verlängerung des Kredites. Damit ist „das seligierte ‘gedankliche Material’ für die sprachliche Verschlüsselung (Enkodier-Input)“ (Herrmann, Hoppe-Graff, 1989: 149) in beiden Fällen unterschiedlich, obwohl die Fokusinformation dieselbe ist. Zudem können die einzelnen „Enkodier-Inputs“ unterschiedlich gegliedert werden, so daß in einem Fall die für den Kunden positive Nachricht direkt zu Beginn des Briefes mitgeteilt, in einem anderen Fall jedoch erst am Ende betont wird. Diese sogenannte „Input-Linearisierung“ kann also bei gleicher Fokusinformation unterschiedlich sein.
Die dritte Stufe der Textproduktion bezeichnen die Autoren als „Enkodierung“. Hier geht es darum, die Informationen ziel- und adressatengerecht in unterschiedlicher Weise sprachlich zu verschlüsseln. So kann ein Sachverhalt einerseits fachsprachlich, allgemeinsprachlich oder dialektal ausgedrückt werden, wobei hier nur die ersten beiden Alternativen relevant sind: Wir haben Ihren Darlehensvertrag prolongiert oder Wir haben ihren Kreditvertrag verlängert. Andererseits kann ein Sachverhalt aber auch mit Hilfe desselben Sprachkodes unterschiedlich enkodiert werden: Der Kreditvertrag wurde verlängert oder wir haben den Kreditvertrag verlängert oder Es ist der Kreditvertrag, den wir verlängert haben.
Auf den beschriebenen drei Stufen der Textproduktion laufen parallele Prozesse ab, die miteinander interagieren beziehungsweise durch Rückkopplungsschleifen verbunden sind.
2.4.4 Die Grundstruktur und Funktion des Gedächtnisses als Basis für die Textgestaltung
Hinsichtlich der Frage, wie unser Gedächtnis aufgebaut ist und wie es funktioniert, existieren verschiedene Vorstellungen. Ein plausibler Erklärungsansatz der Psychologen geht davon aus, daß es drei Speicherzentren gibt: Das „Ultrakurzzeit-Gedächtnis“, das „Kurzzeit-Gedächtnis“ und das „Langzeit-Gedächtnis“.
Das „Ultrakurzzeit-Gedächtnis“ nimmt alle Umweltreize auf, die entweder visueller, taktiler, auditiver oder olfaktorischer (Geruch) Art sein können. Die Verweildauer beträgt 250 Millisekunden bis zwei Sekunden. Nicht alle aufgenommenen Reize erreichen den Status bewußt wahrgenommener Informationen, so daß dieser Speicher als sensorischer „Filter“ wirkt, der den Menschen vor Reizüberflutung schützt (vgl. Becker et al., 1992: 16). Alle bewußt wahrgenommenen Reize gehen schließlich in das „Kurzzeit- Gedächtnis“ über. Hier werden sogenannte „schnellebige“ Informationen für eine begrenzte Zeit von neun bis zwölf Sekunden gespeichert, wobei in der Gegend der Zahl sieben die Grenze der Sinneinheiten für die Kapazität des „Kurzzeit-Gedächtnisses“ liegt (vgl. van Dijk, 1980: 177). Eine Sinneinheit kann zum Beispiel aus einem Wort oder einem vollständigen Satz bestehen. Informationen, die einmal in das „Langzeit-Gedächtnis“ gelangt sind, können dort einige Sekunden bis zu vielen Jahren verweilen.
Aufgrund der begrenzten Kapazität des Kurzzeit-Gedächtnisses sollte ein Text so konzipiert sein, daß die wichtigen Informationen ins Langzeit-Gedächtis übergehen können. Handelt es sich um einen komplizierten Text, ist es beispielsweise sinnvoll, die wesentlichen Informationen mehrmals zu wiederholen, damit diese ins Langzeit-Gedächtnis übergehen können und nicht vergessen werden. Das Anknüpfen an das Vorwissen des Lesers ist ebenfalls eine gute Methode, den Informationen ins Langzeit-Gedächtnis zu verhelfen. Schließlich ist die Strukturierung der Information ein sehr wichtiger Faktor, um die begrenzte Kapazität des Kurzzeit-Gedächtnisses zu überbrücken. Wörter und Sätze mit einem syntaktischen oder semantischen Strukturzusammenhang kann der Leser besser behalten und wiedergeben (vgl. van Dijk, 1980: 174).
Aus dem Modell unseres Gedächtnisses und seiner Arbeitsweise lassen sich nach Becker et al. (1992) drei entscheidende Regeln für die Textgestaltung ableiten.
1. Die Leistung des Kurzzeit-Gedächtnisses sollte voll ausgeschöpft werden; es empfiehlt sich, in Sinneinheiten zu schreiben. Beispielsweise sollte der Schreiber einen zu einfachen Satzbau vermeiden, um den Leser nicht zu ermüden. Auch empfiehlt es sich in diesem Zusammenhang, geeignete Übergänge zu schaffen und Schachtelsätze zu vermeiden.
2. Die Leistungsgrenzen des Kurzzeit-Gedächtnisses müssen respektiert werden. Wenn der Leser den Sinn einer Äußerung erst „entwirren“ oder viele Textteile innerhalb einer Sinneinheit speichern muß, wird die Kapazität des Kurzzeit-Gedächtnisses überlastet. Deshalb ist es zum Beispiel wichtig, lange Attribute und Appositionen zu vermeiden.
3. Die eintreffenden Informationen sollen in das Langzeit-Gedächtnis gelangen; deshalb müssen die Voraussetzungen dazu geschaffen werden. Um dies zu erreichen, sollten zum Beispiel die Assoziationszentren des Lesers aktiviert oder an das Vorwissen angeknüpft werden.
2.4.5 Textoptimierung
Die Forschungsrichtung „Textoptimierung und Verständlichkeit“ untersucht sprachlichstilistische, kognitiv-inhaltliche sowie motivational-interessensorientierte Dimensionen der Rezeption von sogenannten „pragmatischen Texten“. Dazu gehören alle Arten von Gebrauchstexten wie Gebrauchsanweisungen, Geschäftsbriefe, populäre Sachtexte und wissenschaftliche Informationstexte. Um Regeln und Techniken für eine optimale Textgestaltung ableiten zu können, richtet sich das Augenmerk dieser Forschungsrichtung auf die verarbeitungsrelevanten, verständlichkeitsfördemden Merkmale der Textstruktur und sie analysiert deren Einfluß auf das Verstehen und Behalten von Texten (vgl. Groeben, Christmann, 1989: 165).
Den Ursprung nahm diese Forschungsrichtung mit der klassischen Lesbarkeitsforschung, die sich Mitte der 30er Jahre mit der sprachlich-stilistischen und drucktechnischen Optimierung von Texten befaßte. Dabei war es das Ziel, Faktoren für die Lesbarkeit eines Textes im Bereich von Wort- und Satzgestaltung zu ermitteln. Die rezipientenseitigen Verarbeitungsprozesse sowie individuellen Verstehensvoraussetzungen blieben dabei unberücksichtigt. Heute weiß man jedoch, daß das Textverstehen als Prozeß zwischen Text und Kognitionssystem des Lesers stattfmdet, so daß Textverständlichkeit, wie bereits in Kapitel 2.4.2 gezeigt wurde, niemals unabhängig vom Leser bewertet werden kann. Ein weiterer Schwachpunkt der Lesbarkeitsforschung aus der Sicht der heutigen Verständlichkeitsforschung ist die Beschränkung auf formal-stilistische Merkmale der Textstruktur.
Um diese Mängel zu überwinden, entwickelte die Verständlichkeitsforschung in den 70er Jahren ein Konstrukt, aus dessen Merkmalen drei zentrale Fragen resultieren (vgl. Groeben, Christmann, 1989: 165ff):
1. Welches sind die relevanten Dimensionen der Textstruktur?
2. Wie läßt sich Textverständlichkeit messen?
3. Hat die Textverständlichkeit einen Einfluß auf die Behaltensleistung?
Hier wird vor allem auf die erste Frage eingegangen, da deren Ergebnisse für einen verständlichen Briefstil relevant sind. Zur Beantwortung dieser Fragen wurden in der Forschung zwei unterschiedliche Methoden angewendet: Die empirisch-induktive und die theoretisch-deduktive Methode. In diesem Zusammenhang werden die Ansätze von Langer et al. und Groeben gegenübergestellt, wobei das Gewicht nicht so sehr auf die einzelnen Verfahren, sondern vielmehr auf die Ergebnisse gelegt werden soll.
2.4.5.1 Der empirisch-induktive Ansatz
Den empirisch-deduktiven Ansatz wählten Langer et al., wobei unterschiedlich schwierige Texte aus verschiedenen Bereichen von Experten nach bereits bestehenden Merkmalen auf einer mehrstufigen Skala bewertet werden mußten. Durch empirische Abstraktionen aus diesen Expertenurteilen haben Langer et al. dann induktiv die folgenden vier Verständlichkeitsdimensionen gewonnen, die später zur Messung von Verständlichkeit eingesetzt Im Rahmen dieses Forschungsansatzes fanden Langer et al. heraus, daß die Dimensionen unterschiedlich gewichtet werden müssen. Dabei wurde die „sprachliche Einfachheit“ als die wichtigste Dimension gefolgt von der Dimension „Gliederung-Ordnung“ bewertet. „Kürze-Prägnanz“ und „zusätzliche Stimulanz“ zählen nach diesem Ansatz zu den unwichtigeren Dimensionen der Verständlichkeit (vgl. Groeben, Christmann, 1989: 169f).
2.4.5.2 Der theoretisch-deduktive Ansatz
Den theoretisch-deduktiven Ansatz hat Groeben auf der Grundlage von sprachpsychologischen, lemtheoretischen und motivationspsychologischen Modellen zur Textrezeption verfolgt, die hier jedoch nicht berücksichtigt werden sollen. Dabei hat er ebenfalls vier relevante Dimensionen der Textverständlichkeit theoretisch postuliert, aus denen sich Merkmale zur Textgestaltung ableiten lassen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für die empirischen Untersuchungen hat Groeben die Dimensionen „kognitive Strukturierung“ und „konzeptueller Konflikt“ zu dem Faktor „inhaltliche Strukturierung“ zusammengefaßt, wobei er zwischen Textgestaltung nach den Prinzipien der kognitiven Strukturierung, nach den Prinzipien des konzeptuellen Konflikts und einer Kombination aus beiden Merkmalen unterscheidet. In Hinblick auf die Verständlichkeit zeigte sich die inhaltliche Strukturierung als am wichtigsten. Außerdem erwies sich in geringerem Maße die sprachliche Einfachheit als signifikant. Aufschlußreich war zudem die Wechselwirkung zwischen der sprachlichen Einfachheit und der semantischen Redundanz; dabei zeigte sich, daß bei einem mittleren Grad sprachlicher Einfachheit semantische Redundanzen die Verständlichkeit erhöhen (vgl. Groeben, Christmann, 1989: 172).
Für die Behaltensleistungen war lediglich die inhaltliche Strukturierung relevant, wobei die besten Behaltensleistungen bei einer Kombination aus kognitiver Strukturierung und kozeptuellem Konflikt erzielt wurden. Aus den Variablen „Textverständlichkeit“ sowie „Behalten / Interesse“ ergab sich die Beziehung, daß sich ein mittlerer Verständlichkeitsgrad am günstigsten auf Behalten und Interesse auswirkt (vgl. Groeben, Christmann, 1989: 173).
Vergleicht man beide Ansätze miteinander, so fällt auf, daß sie sich in bezug auf die Gewichtung der Dimension „sprachliche Einfachheit“ unterscheiden. Hinsichtlich der theoretischen Bedeutung der Verständlichkeitsdimensionen stimmen beide Ansätze weitestgehend überein. Da der Ansatz von Langer et al. mittlerweile als überholt gilt, soll hier lediglich der Ansatz von Groeben, der die „inhaltliche Strukturierung“ als wichtigste Dimension bewertet, im Vordergrund stehen.
Die sprachwissenschaftliche Forschung hat viele verschiedene Merkmale, die zu einer Textoptimierung führen sollen, untersucht. Dabei ergaben sich auch Kontroversen, die noch heute existieren. Diese im einzelnen auszuführen, würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit überschreiten. Bei der Auswahl der folgenden Textmerkmale wurden in Hinblick auf die Themenstellung nur diejenigen berücksichtigt, die für kürzere Texte relevant sind, also auch für die Briefproduktion angewendet werden können.
Kognitive Gliederung / Ordnung
Die kognitive Gliederung / Ordnung ist nach Groeben die mit Abstand wichtigste Verständlichkeitsdimension.
- Die einzelnen Textinformationen sollten derart aufeinanderfolgen, daß bei den inklusivsten Konzepten begonnen und mit immer spezielleren fortgefahren wird.
- Bei längeren Texten können auch Zusammenfassungen nach einzelnen Abschnitten oder am Ende geeignet sein, weil sie dem Vergessen entgegenwirken; jedoch ist zu bedenken, daß diese zu einer zusätzlichen Verlängerung des Textes und damit zu einer Erhöhung der Lesezeit führen.
- Beim Unterstreichen von Textelementen sollte der Schreiber darauf achten, daß diese einerseits die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich ziehen, daß jedoch andererseits die übrigen Textelemente in den Hintergrund rücken. Dabei erweisen sich einfache Unterstreichungen als wirksamer als komplexe Hervorhebungssysteme (vgl. Groeben, Christmann, 1989: 18Off).
Sprachliche Einfachheit und semantische Kürze / Redundanz
Hinsichtlich der Dimension „sprachliche Einfachheit“ sind vor allem Merkmale der Wortwahl und der grammatikalisch-stilistischen Formulierung in bezug auf die Behaltenswirksamkeit überprüft worden. „Auf der Wortebene erwies sich der Gebrauch kurzer, geläufiger, konkreter und anschaulicher Wörter als verständlichkeitsfördemd“ (Groeben, Christmann, 1989: 177).
- Der Gebrauch konkreter, anschaulicher Wörter erweist sich als verständlichkeitsfördemd. Unklar ist jedoch, ob diese Wirkung darauf beruht, daß zu konkreten Wörtern schneller Vorstellungen geweckt werden, oder daß die Information sowohl bildlich als auch verbal kodiert wird. Außerdem propagiert die Lesbarkeitsforschung die Verwendung persönlicher Worte unter motivationspsychologischem Aspekt (vgl. Groeben, 1982: 223ff).
- Auf der grammatikalisch-stilistischen Ebene wirken sich kurze Sätze verständlichkeitsfördernd aus, so daß der Schreiber Satzschachtelungen vermeiden sollte. Außerdem wirken sich gehäufte Nominalisierungen sowie Mehrdeutigkeiten und Negationen verständlichkeitserschwerend aus.
- Semantische Redundanz, die sich in Weitschweifigkeit und unnötigen Wiederholungen äußert, sollte der Schreiber ebenfalls vermeiden, da diese zu einer Erhöhung der Lesezeit führt und die Verständlichkeit erschwert (vgl. Groeben, Christmann, 1989: 178f).
Konzeptueller Konflikt
Aus der Neugiermotivationstheorie von Berlyne (1960) lassen sich Textgestaltungstechniken zur Förderung der motivationalen Stimulanz ableiten. Zwei von diesen sind auch für die Gestaltung von Geschäftsbriefen geeignet (vgl. Groeben, Christmann, 1989: 185f):
- Konfliktgenerierende Fragen, das heißt Fragen, die Neugier evozieren
- Textinhalte mit Neuheits- und Überraschungswert
Ausführlichere Kriterien für die Produktion von Geschäftsbriefen werden noch im Hintergrundmodell in Kapitel 3 zusammengestellt.
2.5 Kommunikationstheorie
2.5.1 Die Darstellung textueller Grundfunktionen in der Kommunikationstheorie
Die zwischenmenschliche Kommunikation wurde bislang von verschiedenen gesellschaftswissenschaftlich orientierten Forschungsrichtungen untersucht, so daß zum Beispiel psychologische, soziologische, politologische oder sprachwissenschaftliche Aspekte im Vordergrund standen. Dabei stellen alle Ansätze die Sprache als eine zentrale Form sozialen Handelns dar. Die entscheidenden Impulse für eine Linguistik der Kommunikation stammen aus dem semiotischen Pragmatismus von Peirce (1970), der besagt, daß der Bezug des sprachlichen Zeichens zur außersprachlichen Wirklichkeit erst durch den Sprecher oder Schreiber realisiert werden muß (vgl. Burger, Imhasly, 1978: 35).
Kommunikation soll hier definiert werden als „zwischenmenschliche Interaktion, in der mit Hilfe von sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichen, Informationen im allgemeinsten, standardsprachlichen Sinne des Wortes, gleich welcher Art und Intention, übermittelt werden“ (Große, 1976: 11). Mit dem Terminus „Textfunktion“ wird nach Brinker der Sinn oder Zweck eines Textes bezeichnet, den dieser im Rahmen einer Kommunikationssituation erhält (vgl. Brinker, 1992: 81).
Zur Unterscheidung von Textfunktionen sollen im folgenden vier verschiedene Ansätze erläutert werden, wobei der erste, das „Organon-Modell der Sprache“ von Bühler (1934), am besten auf die Briefproduktion übertragen werden kann.
Bühler beschreibt die Sprache in Anlehnung an Platon als ein Werkzeug, mit dessen Hilfe einer (Sprecher / Schreiber) dem anderen (Hörer / Adressat) etwas über die Gegenstände und Sachverhalte in der Welt mitteilt (vgl. Bühler, 1934: 24). Dem sprachlichen Zeichen kommen dabei die folgenden drei Funktionen zu (vgl. Bühler, 1934: 28):
1. Das sprachliche Zeichen fungiert als Symbol, indem es Gegenstände und Sachverhalte abbildet (= Darstellungsfunktion).
2. Das sprachliche Zeichen füngiert als Symptom, weil es die Innerlichkeit des Sprechers / Schreibers widerspiegelt (= Ausdrucksfunktion).
3. Das sprachliche Zeichen kann die Funktion eines Signals einnehmen, wenn der Sprecher / Schreiber durch seine Worte versucht, beim Adressaten ein bestimmtes Verhalten auszulösen (= Appellfunktion).
Aus diesen drei Funktionen der Sprache lassen sich drei verschiedene Texttypen ableiten: Texte, die Gegenstände und Sachverhalte objektiv darstellen, Texte, die die Innerlichkeit des Schreibers zum Ausdruck bringen und Texte, die Aktionen beim Adressaten auslösen sollen. In der Praxis existieren meistens Mischformen, wobei jedoch eine Funktion dominant sein kann (vgl. G. Belke, 1973: 38f).
Die drei Funktionen des sprachlichen Zeichens lassen sich nach Bühler wie folgt darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5 Das Organonmodell der Sprache nach Bühler (1934)
[...]
1 Die Wörter „Schreiber“ und „Adressat“ sollen hier bei der Darstellung der schriftlichen Kommunikation durchgängig verwendet werden.
2 Aus Gründen der Einfachheit soll fortab die männliche Form verwendet werden.
3 Es ist bewußt darauf verzichtet worden, die „Neuen Medien“ wie z. B. die Electronic Mail bei der Darstellung der Kommunikation mit einzubeziehen, da diese eine Sonderform darstellt.
4 Der Ausdruck „Kohärenz“ wird noch in Kapitel 2.4.1 erläutert.
5 Außerdem stellt der hermeneutische Zirkel das Verstehen als konstruktiven Vorgang dar, in dem ständig Hypothesen gebildet und aufgrund des individuellen Vorwissens überprüft werden, so daß es bei Schleiermacher keine eindeutige Interpretation eines Textes geben kann und das Verstehen immer ein vorläufiges ist.
6 Die Blickbewegungen beim Lesen bestehend aus Saccaden und Fixationen wurden bereits in Kapitel 2.3.1 beschrieben, so daß sie hier nicht noch einmal thematisiert werden sollen.
7 Den Terminus „hermeneutischer Zirkel“ verwendet zum Beispiel Schleiermacher. Danach kann man einen Text nicht verstehen, wenn man keine Art von Vorwissen besitzt. Außerdem stellt der hermeneutische Zirkel das Verstehen als konstruktiven Vorgang dar, in dem ständig Hypothesen gebildet und aufgrund des individuellen Vorwissens überprüft werden, so daß es bei Schleiermacher keine eindeutige Interpretation eines Textes geben kann und das Verstehen immer ein vorläufiges ist.
- Arbeit zitieren
- Stephanie Kuhlmann (Autor:in), 1998, Linguistische Probleme der Produktion von Geschäftsbriefen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1322681
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