Diese Arbeit befasst sich mit der Vertrauenskommunikation zwischen einer Führungskraft und ihren Mitarbeitern in betrieblichen Krisensituationen. Die Forschung erfolgt am brisanten Beispiel der Corona-Pandemie, welche Unternehmen seit fast einem
Jahr vor zuvor nicht geahnte Herausforderungen stellt.
Das Ziel der Arbeit ist es, kommunikative Aspekte und Bedingungen einer Vertrauensbeziehung herauszustellen. Dazu sollen die folgenden Forschungsfragen beantwortet werden: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Vertrauens-fördernde Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ausgewirkt? Wie können Führungskräfte in einer Krise Vertrauen durch Kommunikation vermitteln?
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zentrale Forschungsfragen
1.3 Abgrenzung
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlage
2.1 Vertrauen
2.1.1 Begriffstheorien
2.1.2 Vertrauensformen
2.1.3 Vertrauensgenese
2.2 Krise
2.2.1 Definition Unternehmenskrise
2.2.2 Krisenursachen
2.2.3 Krisenarten
2.2.4 Krisenverlaufsmodelle
2.3 Kommunikation
2.3.1 Kommunikationsmodell nach Shannon und Weaver
2.3.2 Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun
2.3.3 Kommunikationsmodell nach Watzlawick
2.4 Krisenkommunikation
2.4.1 Phasen der Krisenkommunikation
2.4.2 Die Situational Crisis Communication Theory
2.4.3 Die Theorie des öffentlichen Vertrauens
3 Methodik
3.1 Primär- und Sekundforschung
3.2 Quantitative und qualitative Forschung
3.3 Induktion und Deduktion
3.4 Datenerhebung
3.4.1 Experteninterviews
3.4.2 Zielgruppe
3.4.3 Leitfaden
3.5 Gütekriterien qualitativer Forschung
4 Datenanalyse
4.1 Durchführung und Auswertung
4.2 Ergebnisdarstellung
4.2.1 Vertrauen
4.2.2 Krise
4.2.3 Krisenkommunikation
4.2.4 Vertrauen und Kommunikation
5 Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse
5.2 Kritische Würdigung der Ergebnisse
6 Schlussbetrachtung
6.1 Fazit
6.2 Handlungsempfehlungen
6.3 Ausblick
Anhang 1
Anhang 2
Anhang 3
Kurzfassung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Vertrauenskommunikation zwischen einer Führungskraft und ihren Mitarbeitern in betrieblichen Krisensituationen. Die Forschung erfolgt am brisanten Beispiel der Corona-Pandemie, welche Unternehmen seit fast einem Jahr vor zuvor nicht geahnte Herausforderungen stellt.
Das Ziel der Arbeit ist es, kommunikative Aspekte und Bedingungen einer Vertrauensbeziehung herauszustellen. Dazu sollen die folgenden Forschungsfragen beantworte werden: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die vertrauensfördernde Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ausgewirkt? Wie können Führungskräfte in einer Krise Vertrauen durch Kommunikation vermitteln?
Die Forschungsmethode folgt der qualitativen Inhaltsanalyse und dem induktiven Ansatz. Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurden Sekundärdaten analysiert und Primärdaten mittels vier leitfadengestützter Experteninterviews erhoben. Die Auswertung der Primärdaten erfolgte mithilfe des Programms MAXQDA und dem Prozess der induktiven Kategorienbildung.
Die Interviewdaten präsentieren, dass das Vertrauen der Mitarbeiter für die Experten ein elementares Ziel der Krisenkommunikation darstellt. Die Grundlage aller Ausführungen ist die wertschätzende und fürsorgliche Haltung der Führungskraft gegenüber ihren Mitarbeitern. In der Krise kommen verschiedene Kommunikationsaspekte zum Tragen, wie die offene, transparente, proaktive, informative und glaubwürdige Kommunikation. Diskrepanzen zwischen diesen Faktoren, als auch Diskrepanzen zwischen dem gesagten Wort und dem Handeln einer Führungskraft können das Vertrauen der Mitarbeiter nachhaltig zerstören. Zudem wird die Intensivierung der Mitarbeiterkommunikation angestrebt und die Informationsqualität entsprechend der Krisensituation angepasst. Feedbacks, das Einbinden der Mitarbeiter in krisenrelevante Prozesse, sowie eine Reduzierung von Kommunikationshierarchien werden als vertrauensstiftende Maßnahmen angeführt. Weiter konnte festgestellt werden, dass sich die virtuelle Kommunikation, in welcher Intensität sie erstmalig von den Experten in der Corona-Pandemie umgesetzt wurde, nur bedingt für das Vertrauensmanagement eignet. Für die Zukunft sehend die Experten eine hybride Vertrauenskommunikation aus face-to-face und virtuellen Anteilen.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Forschungsdesign
Abbildung 2: Stufen der Vertrauensentwicklung nach Lewicki & Bunker (1995)
Abbildung 3: Sender-Empfänger-Modell
Abbildung 4: Das Vier-Seiten-Modell
Abbildung 5: Diskrepanzen der Interpunktion
Abbildung 6: Phasen der Krisenkommunikation
Abbildung 7: Twitterbeitrag, #BoycottDouglas
Abbildung 8: Prozessmodell induktiver Kategorienbildung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vertrauensformen und ihre Unterschiede
Tabelle 2: Krisenarten
Tabelle 3: Krisenphasen in Stufen
Tabelle 4: Krisenkommunikationsstrategien der SCCT
Tabelle 5: Klassifizierung von Interviews
Tabelle 6: Interviewleitfaden
Tabelle 7: Techniken qualitativer Inhaltsanalyse
Tabelle 8: Kategoriensystem
Tabelle 9: Gestaltungsaspekte der Krisenkommunikation
Tabelle 10: Kriterien vertrauensfördernde Kommunikation
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Diese Forschungsarbeit hat das Ziel Erfolgsfaktoren zu erarbeiten, wie Führungskräfte in Zeiten einer Unternehmenskrise das Vertrauen ihrer Mitarbeiter durch Kommunikation aufrechterhalten oder auch fördern können. Dies soll am brisanten Beispiel der Corona- Pandemie geschehen, welche Unternehmen seit fast einem Jahr vor zuvor nicht geahnte Herausforderungen stellt. Im Folgenden wird die zugrundeliegende Problemstellung aufgezeigt, aus welcher die Forschungsfragen dieser Arbeit abgeleitet wurden. Weiter wird dieses Kapitel den Ablauf der Forschung darlegen und nachvollziehbar machen.
1.1 Problemstellung
Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmid sagte einst: „Charakter zeigt sich in der Krise“ (vgl. Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, 2020).
Zu Beginn des Jahres 2020 löste die Corona-Pandemie eine weltweite Krise in einem bisher nie erfahrenden Ausmaß aus und nahm erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft und Gesellschaft. Stärker denn je sind Unternehmen dem Risiko einer Krise ausgesetzt. Dies unterstreicht die Schätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft (2020), die für das Jahr 2021 23.250 Insolvenzanmeldungen prognostiziert (vgl. IWD, 2020). Die Pandemie hat viele Unternehmen überraschend getroffen und dazu veranlasst, Krisenkommunikation und -konzepte zu überarbeiten und in der Praxis anzuwenden. Jedoch ist neben der Implementierung solcher Konzepte vor allem die Kooperation und Produktivität der Mitarbeiter ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der schnellen Umsetzung neuer Maßnahmen. So hebte Marc Benioff, Gründer und CEO der Firma Salesforce, nach der durch einen Datenmissbrauch bei der Firma Facebook ausgelösten Krise in der Technologiebranche hervor : „And to meet these challenges of the future, the one essential element every company needed most was what Salesforce had adopted two decades earlier as its number one value: trust.“ (Benioff und Langley, 2019, S. 5)
Vertrauen ist ein den Menschen stets umgebenes Phänomen. Vertrauen wird in der Beziehung zur Familie, zu Freunden, aber auch in der Beziehung zu Kollegen und Führungskräften geschätzt. Vertrauen gilt als „Schmiermittel“ zwischenmenschlicher Beziehungen und wird als einer der wichtigsten Wettbewerbsvorteile der Unternehmen gehandelt. Dem entsprechend haben sich innerhalb der letzten fünf Jahrzehnte eine Vielzahl von interdisziplinären Forschungsansätzen gebildet (vgl. Petermann, 1996, S. 9; Schweer, 1997, S. 9; Schweer, 2010, S. 7). In einer Umfrage aus dem Jahr 2015 nannten 360 von 400 Führungskräften, dass Vertrauen zu ihren Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern wichtig, oder sehr wichtig sei (vgl. Tammena und Miggiano, 2015, S. 4). Auch im Hinblick auf die kommunikative Ausrichtung als Teil der Unternehmensstrategie lassen sich deutliche Trends erkennen: Der European Communication Monitor untersucht in jährlichen Studien die strategische Entwicklung von Unternehmen, Non-Profit Organisationen und Kommunikationsagenturen in Europa. So wurde in den Jahren 2018 und 2019 der Erhalt und Aufbau von Vertrauen als die wichtigste kommunikative Strategie bewertet (vgl. Zerfass et al., 2019, S. 53 f.).
Die Korrelationen zwischen den Feldern der Krisenkommunikation und Vertrauen verdeutlicht die Theorie des öffentlichen Vertrauens (vgl. Bentele, 2013; Bentele und Janke, 2008). Die vertrauensfördernde Krisenkommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter hingegen wird in der Literatur nahezu nicht behandelt. Zwar wird untersucht, welche Vorteile sich für ein Unternehmen oder eine Führungskraft ergeben, wenn zu den Mitarbeitern ein intensives Vertrauensverhältnis besteht, welche Führungsstile sich auf die vertrauensvolle Beziehung auswirken oder auch, welche Voraussetzungen eine Führungskraft vertrauenswürdig erscheinen lassen (vgl. Butler Jr., 1991; Hasel und Grover, 2017). Diese Theorien betrachten jedoch nicht die Vertrauensbeziehung in kritischen Phasen, wie sie seit Anfang des Jahres 2020 in Deutschland vorzufinden ist.
1.2 Zentrale Forschungsfragen
Die zuvor beschriebene Problemstellung bildet die Basis der zentralen Forschungsfragen dieser Arbeit:
1. Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die vertrauensfördernde Kommunika tion zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ausgewirkt?
2. Wie können Führungskräfte in einer Krise Vertrauen durch Kommunikation vermitteln?
Diese Arbeit hat als Ziel, kommunikative Aspekte der Vertrauensbeziehung zwischen einer Führungskraft und den Mitarbeitern herauszustellen, welche sich in einer Krise ergeben. Dazu sollen auch Unterschiede zwischen der Krisenkommunikation und der vertrauensfördernden Kommunikation im akuten Krisenfall betrachtet werden. Aufgrund der Aktualität des Themas und der Relevanz für die Praxis, sollen diese Fragestellungen auf Basis von Experteninterviews beantwortet werden, wobei Führungskräfte verschiedener Unternehmen die Kommunikations- und Vertrauensstrategien in der aktuellen Corona- Pandemie aufzeigen. Auf Basis der Ergebnisse sollen konkrete Handlungs- und Gestaltungsempfehlungen für die Mitarbeiterkommunikation ausgesprochen werden.
1.3 Abgrenzung
Um den Umfang der Arbeit einzuschränken, wird im Folgenden die eindimensionale interpersonale Vertrauensbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter aus Sicht der Führungskraft betrachtet. Die Darstellung der reziproken Vertrauensprozesse würde das Format, wie es für diese Forschung geplant ist, überschreiten (vgl. Schweer, 2008, S. 14). Es wird angenommen, dass Vertrauensakteure fähig und willens sind, eine vertrauensvolle Beziehung einzugehen. Damit eine Person vertrauenswürdig wirkt, müssen Worte und Taten harmonieren. Worte und Taten lassen sich in der Bewertung einer Vertrauensperson nicht voneinander trennen (vgl. Graf und Osterloh, 2006, S. 177). Entsprechend wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff Kommunikation weiter gefasst.
1.4 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeite gliedert sich in sechs Kapitel und weist theoretische und empirische Aspekte auf. Das erste Kapitel, die Einleitung, behandelt die Problemstellung, von welcher die Forschungsfragen abgeleitet wurden. Das zweite Kapitel, das Grundlagenkapitel, bildet den theoretischen Rahmen der Forschung. Es werden die Begriffe Vertrauen, Kommunikation, Krise und Krisenkommunikation definiert und erläutert. Das dritte Kapitel behandelt die Methodik, in welchem mögliche Varianten der Forschung beschrieben werden. Auf Basis dessen wird die in dieser Arbeit zur Anwendung kommende Methodik hergeleitet und nachvollziehbar gemacht. Im vierten Kapitel wird die Auswertungsmethode der erhobenen Daten erläutert und die Ergebnisse dargestellt. Anschließend werden die gewonnen Erkenntnisse diskutiert und die Forschungsfragen werden beantwortet.
Abbildung 1: Forschungsdesign
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kuß und Eisend, 2010, S. 13; Witt, 2020, Absatz 15
Zudem werden mögliche Handlungsempfehlungen skizziert und die Forschung soll kritisch hinterfragt werden. Darauf aufbauen werden im sechsten Kapitel Schlussfolgerungen getroffen, indem ein Fazit gezogen und ein Ausblick gegeben werden.
Aus Gründen der Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen nur eine Geschlechtsform verwendet.
2 Theoretische Grundlage
Dieses Kapitel bildet die theoretische Grundlage der Forschung und behandelt die Themen Vertrauen, Krise, Kommunikation und Krisenkommunikation. Das folgende Unterkapitel 2.1 geht zunächst auf den interdisziplinären Vertrauensbegriff ein. Anschließend wird dargestellt, in welchen Formen sich Vertrauen zeigt und wie und unter welchen Umständen sich Vertrauen entwickeln kann. Das zweite Grundlagenkapitel geht auf die Krisendefinition und -kategorisierung ein. Zudem wird dargestellt, welche Phasen Unternehmenskrisen durchlaufen können und wie Krisen sich zeigen. Die Corona-Pandemie wird in diesem Abschnitt definiert und es wird ein kurzer Einblick in die Entwicklungsgeschichte gegeben. Das Grundlagenkapitel „Kommunikation“ stellt drei Kommunikationsmodelle vor, die gewählt wurden, da sie einen umfassenden Blick auf die zwischenmenschliche Kommunikation geben. Zudem werden implizite und explizite Botschaften in der Kommunikationstheorie erläutert. Das letzte Grundlagenkapitel gibt einen Einblick in die Krisenkommunikation. Es werden die die Situational Crisis Communication Theory und die Theorie des öffentlichen Vertrauens vorgestellt.
2.1 Vertrauen
Der Vertrauensbegriff ist im Alltag allgegenwärtig. Für Fukuyama (1996) besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem potentiell wachsenden Wohlstand und dem Vertrauensniveau einer Gesellschaft: Ohne Vertrauen sei eine Gesellschaft nicht entwicklungsfähig (vgl., S. 61 ff.). Einem bestehenden Vertrauensverhältnis wird nachgesagt, dass es die Kooperationsbereitschaft erhöht, Fehlverhalten der Mitarbeiter verringert, die Weitergabe von Informationen beschleunigt und sich positiv auf die Kommunikationsbereitschaft auswirkt (vgl. Granovetter, 1985, S. 490 f.; Petermann, 1996, S. 43 f.). Viele der genannten Aspekte führen letztendlich dazu, dass Mitarbeitern sich vermehrt in das Unternehmen einbringen und Veränderungen eine höhere Akzeptanz entgegenbringen (vgl. Thomas et al., 2009, S. 300 ff.). Entsprechend der mannigfaltigen Vorteile wächst das Forschungsinteresse um das Konstrukt Vertrauen in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften seit vielen Jahren. Die dabei angeführten unterschiedlichen Fragestellungen führen zu einer Vielzahl von Vertrauenskonzepten und -studien (vgl. Petermann, 1996, S. 15). Dieses Kapitel gibt einen theoretischen Einblick in die unterschiedlichen Theorien. Dafür wird im folgenden Unterkapitel zunächst der Vertrauensbegriff skizziert. Anschließend werden verschiedene Vertrauensformen definiert und voneinander abgegrenzt. Darauf aufbauend wird gezeigt, welche Entwicklungsstufen Vertrauen durchlaufen kann. Der Komplexität des Begriffs wegen, kann in diesem Kapitel kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden.
Im Verlauf dieser Arbeit wird die Person, welche sein Vertrauen investiert, als „Vertrauender“ und die Person, welche das Vertrauen erhält, als „Vertrauensnehmer“ bezeichnet.
2.1.1 Begriffstheorien
Vertrauen lässt sich keiner spezifischen Wissenschaft zuordnen. Die Soziologie, Philosophie und Psychologie haben sich mit der Komplexität hinter dem Wort Vertrauen befasst und für das heutige Verständnis bedeutende Theorien aufgestellt. Durch die interdiszip- linare Betrachtung kann dennoch keine einheitliche Definition zum Vertrauensbegriff aufgestellt werden und so sind die jeweiligen Theorien nicht geschlossen, sondern vielmehr in Ergänzung zueinander zu betrachten (vgl. Brühl et al., 2016, S. 181; Schweer, 1997, S. 9). Dieses Unterkapitel stellt die in der Literatur einschlägigen Vertrauenstheorien vor.
Vertrauen in der Soziologie
Die Werke von Luhmann (2014) bilden die Basis vieler Vertrauenstheorien (vgl. Nuissl, 2002, S. 88). Luhmann (2014) verfolgt einen funktional-strukturellen Zugang zum Vertrauensbegriff. Vertrauen hilft, die Komplexität sozialer Interaktionen zu reduzieren und stellt einen unentbehrlichen Mechanismus für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft dar. So sei es einem Menschen beispielsweise ohne Vertrauen noch nicht einmal möglich, sein Bett zu verlassen. Würde der Mensch alle seiner Entscheidungen betreffenden Informationen versuchen zu analysieren, würde ihn die Fülle an Informationen und Fülle an Entscheidungsalternativen schier überfordern (vgl. S. 1). Vertrauen lässt folglich die „Möglichkeiten des Erlebens und Handelns“ für den Menschen wachsen (vgl. ebd., S. 8). Vertrauen lässt sich als eine freiwillige Handlungsentscheidung definieren und kann nicht durch den Vertrauensnehmer eingefordert oder erzwungen werden. Der Vertrauende hat zudem stets die Wahl, zu vertrauen oder zu misstrauen (vgl. ebd., S. 92 ff.). Auch Misstrauen gilt als Mechanismus zur Komplexitätsreduktion (vgl. Reinmuth, 2006, S. 32). Der Einsatz des Vertrauenden, mit seinem Vertrauen in Vorleistung zu gehen, beinhaltet ein Risiko. Die Vertrauensentscheidung ist zukunftsgerichtet, wird aber durch vergangene subjektive Erfahrungen beeinflusst, welche, um die Komplexität zu reduzieren, generalisiert auf zukünftige Ereignisse übertragen werden (vgl. Luhmann, 2014, S. 23 f.). Nicht nur werden die Erfahrungen zur Komplexitätsreduktion generalisiert, „man schließt durch Vertrauen gewisse Entwicklungsmöglichkeiten von der Berücksichtigung aus. Man neutralisiert gewisse Gefahren, die nicht ausgeräumt werden können, die aber das Handeln nicht irritieren sollen“ (vgl. Luhmann, 2014, S. 30). Vertrauen ist nicht starr und kann sich durch die Summe der negativen und positiven Erfahrungen dynamisch anpassen. Zur Beantwortung der der Arbeit zugrundeliegenden Forschungsfragen ist folglich festzuhalten, dass zurückliegende Erfahrungen vor der Krise maßgeblich für die „Zuschreibung von Vertrauen, da Rezipienten [diese] - im Sinne Luhmanns - auf die konkrete Situation übertragen.“ (Ehmke, 2019, S. 38) Luhmann (2014) grenzt Vertrauen streng vom Hoffen ab (vgl. S. 30).
Vertrauen in der Psychologie
Die psychologische Betrachtung fokussiert sich auf die Wurzeln des Vertrauens und die Bildung von Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Einstellung (vgl. Reinmuth, 2006, S. 49). In seinem 8-Stufenmodell sieht der US-amerikanische Entwicklungspsychologe Erikson (1993) den Grundstein der Vertrauensdisposition in der Entwicklung des Ur-Vertrauens (vgl. Petermann, 1996, S. 12). Ur-Vertrauen und Ur-Misstrauen bilden sich in den ersten anderthalb Lebensjahren eines Menschen aus. In dieser Zeit befindet sich das Kind in einer absoluten Abhängigkeit zu seinen Eltern, da es auf sich alleine gestellt nicht überlebensfähig ist. Erkennen und Befriedigen die Eltern die Bedürfnisse des Kindes, lernt es sich auf seine Eltern zu verlassen. Die positiven Erfahrungen bilden die Grundlage des Ur-Vertrauens, negative Erfahrungen die Grundlage des Ur-Misstrauens. Erfahrungen dieser Art können in späteren Lebensphasen nur bedingt korrigiert werden und gelten als Grundbaustein der eigene Identität (vgl. Erikson, 1993, S. 247-251).
Rotter (1981) begreift Vertrauen als eine durch vorangegangene Erfahrungen geprägte Persönlichkeitsvariable. Vertrauen ist erlernbar, es resultiert aus den gesammelten Erfahrungen mit Vertrauenspersonen, in welche die Erwartungen des Vertrauenden durch den Vertrauensnehmer enttäuscht oder erfüllt wurden. Der Lernprozess verläuft nicht linear, sondern ist ein Bündel aus Vertrauensbestätigungen und -brüchen. Die Summe der Erfahrungen, welche durch den Vertrauenden generalisiert auf zukünftige Ereignisse angewendet werden, sind ausschlaggebend für die Disposition, anderen Menschen vertrauensvoll oder misstrauisch zu begegnen (vgl. Petermann, 1996, S. 54; Rotter, 1981, S. 23). Rotter (1981) entwickelte zur Messung des generalisierten Vertrauens den Interpersonal Trust Scale. Der Fragebogen besteht aus 25 Fragen zu generellen Vertrauensaussagen, wie „Ohne die Kontrolle der Lehrer während der Prüfung würde wahrscheinlich das Mogeln zunehmen“ (Petermann, 1996, S. 24). Im Ergebnis wird „der individuelle Zustimmungsgrad (...) als Indikator dafür verwendet, ob sich eine Person in einer neuartigen, mehrdeutigen oder unstrukturierten Situation eher vertrauensvoll oder misstrauisch verhält“ (Schweer, 2008, S. 17). Rotter (1981) stellt zudem fest, dass sich eine vertrauenswürdige Disposition reziprok verhält. Menschen mit einer positiven Vertrauensdisposition wird mehr Vertrauen entgegen gebracht, als Menschen mit einer Misstrauensdisposition (vgl. S. 24).
Für Deutsch (1958) hingegen, stellt Vertrauen keine zeitlich überdauernde Persönlichkeitsdisposition, sondern eine situativ bedingte und rationale Entscheidungsvariable dar. Diese Annahme resultiert aus den von Deutsch durchgeführten Vertrauensexperimenten in sogenannten „Gefangenen-Dilemma-Situationen“, in welchen sich Vertrauens- und Kommunikationsdefizite negativ auf das Spielergebnis auswirken (vgl. Deutsch, 1958, o. S.; Holler et al., 2019, S. 3 f.; Luhmann, 2014, S. 54). In der Theorie werden zwei Gefangene angeklagt, ein Verbrechen begangen zu haben. Die Befragung der Gefangenen läuft getrennt, der Einzelne weiß nicht, was der jeweils andere aussagt. Das Maß der Bestrafung ist abhängig von der Aussage beider Gefangener: Kooperieren (gestehen) beide, wird die Schuld beider bewiesen und sie erhalten die höchstmögliche Strafe. Leugnet ein Gefangener und der andere kooperiert, so wird der Kooperative bevorzugt behandelt und der Leugner alleine erhält die Höchststrafe. Leugnen beide Gefangenen und vertrauen darauf, dass auch der jeweils andere leugnet, erhalten beide die geringste Strafe. Daraus ergibt sich in der Theorie, dass Vertrauen „(a) die eigene Verwundbarkeit steigert, (b) gegenüber einer Person erfolgt, die nicht der persönlichen Kontrolle unterliegt und (c) in einer Situation gewählt wird, in der der Schaden den man erleidet, wenn der andere die eigene Verwundbarkeit ausnutzt, größer ist als der Nutzen, den man aus dem Verhalten ziehen kann“ (Petermann, 1996, S. 13).
Vertrauen in der Ökonomie
In der Neoklassik bedarf es insofern keinem Vertrauen, als dass sich die Wirtschaftssubjekte innerhalb eines vollkommenen Marktes mit vollkommenen Informationen bewegen. Die Markttransparenz und vollständigen Informationen reduzieren das Risiko nicht vollziehbarer Handlungen auf ein Minimum und entbehren infolgedessen die Relevanz für Vertrauen (vgl. Bentele und Seidenglanz, 2015, S. 416; Gilbert, 2003, S. 77; Hubig und Siemoneit, 2007, S. 172). „The possession of full knowledge goes away with the need of trusting, while complete absence of knowledge makes trust evidently impossible.” (Simmel, 1906, S. 450) Die Spieltheorien, wie auch unter Deutsch (1958) aufgezeigt, brachten den Faktor Vertrauen in einen ökonomischen Kontext. Spieltheorien stellen u. a. ein Instrument zur Betrachtung von ökonomisch strategischen Entscheidungssituationen von Menschen unter Einbezug von Interessenkonflikten und Koordinationsproblemen dar (vgl. Holler et al., 2019, S. 1 f.). Die in den 70er Jahren prominenter werdende Neue Institutionenökonomie brachte unter anderem die Transaktionskosten- und Prinzi- pal-Agenten-Theorie hervor, welche, im Hinblick auf die charakteristischen Informationsasymmetrien und kostenverursachenden Unsicherheiten, die Relevanz von Vertrauen für die Wirtschaft verdeutlichten (vgl. Bentele und Seidenglanz, 2015, S. 416; Granovetter, 1985, S. 487). Eine Prinzipal-Agenten-Beziehung entsteht, wenn ein Akteur von der Handlung eines anderen Akteurs abhängig ist. Die Herausforderung, den Akteur (Agenten) dazu zu bewegen, in dem Interesse des anderen Akteurs (Prinzipal) zu handeln, wird als Prinzipal-Agenten-Problem definiert. Der Agent genießt gegenüber dem Prinzipal einen Wissensvorsprung und kann sich für eine von mehreren Handlungsalternativen entscheiden. Die Entscheidung des Agenten nimmt nicht nur Einfluss auf seinen Nutzen, sondern auch auf den des Prinzipals. In Folge der Informationsasymmetrien und Wohlfahrtsverlusten, sowie den Kosten der Überwachung des Prinzipals und den Signalisierungskosten des Agenten, ergeben sich (Agency-) Kosten, welche es gilt zu minimieren. Vertrauen schafft Kooperation und minimiert Verhaltensrisiken, durch weniger opportunistischem Handeln seitens beider Akteure. Infolgedessen können Prinzipal-Agenten- Problemen effizienter überwunden und Agency-Kosten nachweislich gesenkt werden (vgl. Ripperger, 2003, S. 64-68).
Das nachstehende Unterkapitel stellt die Möglichkeit einer Differenzierung von Vertrauensformen dar.
2.1.2 Vertrauensformen
Vertrauen kann verschiedene Formen annehmen. Lewicki und Bunker (1995) schlagen vor, das Konstrukt Vertrauen mittels der drei multidimensionalen und interdisziplinären Vertrauensformen calculus-based-trust (Kalkulationsbasiertes Vertrauen), knowledge- based-trust (Wissensbasiertes Vertrauen) und identification-based-trust (Identifikationsbasiertes Vertrauen) darzustellen.
Tabelle 1: Vertrauensformen und ihre Unterschiede
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lewicki et. al., 2006, S. 1007
Die Autoren merken an, dass es keine klaren Grenzen zwischen den Formen gibt, keine Bewertung der Vertrauensqualität im Sinne von gut oder s chlecht vorgenommen wird und die Vertrauensformen in privaten wie auch beruflichen interpersonalen Beziehungen anzutreffen sind (vgl. Lewicki und Bunker, 1995, S. 144, 156). Lewicki und Bunker (1995) beziehen sich in ihrem Aufsatz auf Shapiro, Sheppard und Cheraskin (1992).
Die Unterschiede beider Theorien werden in Tabelle 1 dargestellt. Nachstehend werden die in der Tabelle 1 angeführten Vertrauensformen erläutert.
Deterrence-based-trust (DBT)
DBT basiert auf Abschreckung, welche in diesem Kontext als Motiv zur vertrauenswürdigen Handlung verstanden wird. Bei DBT vertraut der Vertrauende der Vertrauensperson, da er annimmt, dass die Sanktionen (Kosten) im Falle eines Verstoßes gegen die Vertrauensbeziehung so hoch sind, dass sich die Vertrauensperson nicht opportunistisch verhalten wird (vgl. Shapiro et al., 1992, S. 366 f.). Kritiker merken an, dass DBT kein echtes Vertrauen, sondern lediglich Kooperation abbildet und Kooperation nicht zwangsläufig aus Vertrauen entwächst (vgl. Rousseau et al., 1998, S. 399). Auch Luhmann (2014) konstatiert, dass Vertrauen stets eine freiwillige Handlung darstellt (vgl. S. 48). Der Zwang, wie unter DBT dargestellt, widerspricht diesem Ansatz. Die Vertrauensperson hat keine Wahl, eine andere Entscheidung zu treffen.
Calculus-based-trust (CBT)
CBT gründet sich im rationalen Abwägen von Vorteilen und Kosten durch den Vertrauenden und ordnet die Bestrafung der Belohnung über. Es ist eng bewandert mit dem DBT und spiegelt insbesondere wirtschaftlich geprägte Vertrauensbeziehungen wider (Lewicki und Bunker, 1995, S. 145 f.; Rousseau et al., 1998, S. 399). Zudem ist es sehr fragil, da sich die Vertrauensbeziehung auf nur wenige Informationen stützt (vgl. Lewicki und Bunker, 1995S. 163). Lewicki und Bunker (1995) verstehen CBT als eine von der subjektiven Risiko-Nutzen-Analyse abhängige Entscheidung (vgl. S. 145 f.). Wiederholte Transaktionen, welche den Nutzen der Vertrauensbeziehung immer wieder hervorheben, stellen ein Mittel zur Aufrechterhaltung von CBT dar. Des weiteren können sich Ausmaß und Intensität der Vertrauensbeziehung positiv auf den Erhalt von CBT auswirken, da sich ein Vertrauensverlust infolgedessen auf mehrere Ebenen (und Geschäftsbereichen) auswirkt. Um die Beziehung zu stabilisieren, können zudem Folgen von Reputationsverlusten durch Vertrauensmissbrauch angeführt werden. Vertrauensmissbräuche gehen mit hohen Kosten einher und wirken sich negativ auf die Zukunft der Beziehungen aus (vgl. Shapiro et al., 1992, S. 367 f.). CBT greift nur, wenn (a) der langfristige potentielle Verlust der Beziehung schwerer wiegt als der kurzfristige Gewinn, (b) sich die Vertrauensakteure gegenseitig überwachen und Vertrauensmissbrauch kommunizieren und (c) Konsequenzen des Vertrauensmissbrauchs angemessen und durchführbar gestaltet sind. Zudem ist es (d) von der subjektiven Risikoeinstellung beider Vertrauensakteure geprägt (vgl. Lewicki und Bunker, 1995, S. 145-149).
Knowledge-based-trust (KBT)
KBT baut auf der Interaktionen zwischen dem Vertrauenden und der Vertrauensperson und den daraus resultierenden subjektiv empfundenen Erfahrungswerten auf (vgl. Rousseau et al., 1998, S. 399). Auf dieser Ebene wird die Vorhersagbarkeit des Verhaltens der Vertrauensperson als Vertrauensgrundlage gesehen. Der Vertrauende summiert die die Vertrauensperson betreffenden Informationen auf und beurteilt anhand derer dessen zukünftiges Verhalten. Diese Vertrauensform des KBT ist zeitintensiver als DBT, birgt aber eine bessere Grundlage im Fall einer Problemlösung (vgl. Shapiro et al., 1992, S. 396, 375). Dem KBT lassen sich drei Dimensionen zuordnen. Der Grad der Information besagt, dass je mehr Informationen, die Vertrauensakteure austauschen, desto besser kann die Vertrauensperson von dem Vertrauenden eingeschätzt und dessen Verhalten durch den Vertrauenden vorhergesagt werden. Weiter kann der Informationsaustausch in der zweiten Dimension Schäden abwenden, sollten sich durch den Austausch offenbaren, dass der Vertrauensperson letztlich doch nicht zu trauen ist. Die letzte Dimension stellt die Regelmäßigkeit der Kommunikation heraus, durch welche sich die Akteure besser verstehen und miteinander identifizieren können. Regelmäßige Kommunikation verbindet die Menschen emotional und fördert eine gemeinsame Denkweise. Im unternehmerischen Kontext werden durch die regelmäßige Kommunikation Ressourcen wie eine gemeinsame Informationen und eine gemeinsame Unternehmenskultur freigesetzt (vgl. Lewicki und Bunker, 1995, S. 149 f.; Rousseau et al., 1998, S. 400).
Identification-based-trust (IBT)
Die dritte und intensivste Vertrauensform ist das IBT. IBT setzt voraus, dass sich die Ziele und Werte der Vertrauensakteure decken, sie sich miteinander identifizieren und sie ihre Präferenzen vollständig verinnerlicht haben. Die Vertrauensakteure können als ge- genseitige Substitute und Vertreter fungieren, weil sie sicher sein können, dass ihre Interessen vollständig respektiert werden. Diese Vertrauensform birgt neben dem positiven Effekt, dass auf dieser Ebene nahezu keine Kontrolle mehr benötigt wird, die Gefahr, dass sie sehr zerbrechlich ist (vgl. Shapiro et al., 1992, S. 371 f.). Wird IBT missbraucht, ist das Risiko der Zerstörung der gesamten Beziehung sehr groß (ebd., S. 375). IBT kann sich bilden, wenn (a) eine kollektive Identität oder (b) eine Kollokation festzustellen ist oder auch, wenn sich (c) gemeinsame Ziele und (d) Werte bilden lassen. Eine kollektive Identität lässt sich z. B. bilden, wenn Joint Ventures oder Allianzen unter gleichem Logo auftreten. Kollokation dient der Schaffung einer gemeinsamen Identität durch das Zusammenbringen der Menschen unter räumlichem Aspekt, wie z. B. einem Bürogebäude. Unter anderem belegen die Ergebnisse des von Sherif (1988) durchgeführten Robber's Cave Experiment, dass gemeinsame Ziele, wie sie in Gemeinschaftsprojekten gefördert werden, die gemeinsame Identität fördern. Das Robber's Cave Experiment diente der Erforschung von Gruppendynamiken und zwischenmenschlichen Konflikten. Dazu wurden Kinder in einem Camp, in den von ihnen selbst gebildeten Gruppen beobachtet, ohne dass sie wussten, dass sie Teil eines Experiments sind. Unter Vorgabe eines gemeinsamen Ziels verringerten sich die Konflikte in den jeweiligen Gruppen. Sie bildeten ihre eigenen Kulturen und Strukturen. Auch miteinander verfeindete Gruppen kamen zur Verfolgung gruppenübergreifender Ziele, wenn auch erst nach mehreren Anreizen, zusammen (vgl. Sherif et al., 1988, 207-214). Gemeinsame Werte implizieren, dass Menschen an dieselben Kernwerte glauben und diese auch vertreten. Dadurch kann ein Vertrauensakteur als Vertreter für den anderen agieren (vgl. Lewicki und Bunker, 1995, S. 152 f.).
Das nachstehende Unterkapitel zeigt, wie die zuvor vorgestellten Vertrauensformen aufeinander aufbauen und sich unter gewissen Voraussetzungen mit der Zeit entwickeln können. Die skizzierte Form des DBT wird nicht berücksichtig.
2.1.3 Vertrauensgenese
Das vorangegangene Unterkapitel hat die Vertrauensformen calculus-based-trust (CBT), knowledge-based-trust (KBT) und identification-based-trust (IBT) vorgestellt. Lewicki und Bunker (1995) gehen davon aus, dass diese Vertrauensformen in Verbindung zuei- nanderstehen, sich stufenweise entwickeln und aufeinander aufbauen. Diesem Ansatz fol- gend, bildet Abbildung 2 den Prozess der Vertrauensentwicklung ab. Zwischen den einzelnen Vertrauensstufen können keine klaren Grenzen gezogen werden. Der Subjektivität des Vertrauenskonstrukts folgend, können die Stufen CBT, KBT und IBT keiner qualitativen Bewertung unterzogen werden (vgl. Lewicki und Bunker, 1995, S. 156, 159).
Eine Vertrauensbeziehung startet bei oder sogar über Null, in der Stufe des CBT, und ist anfangs vom Abwägen der Kosten und Nutzen durch die Vertrauensakteure geprägt (vgl. Lewicki et al., 2006, S. 1010 f.). Damit eine Beziehung dem CBT entwachsen kann, müssen positive Vertrauenshandlungen immer wieder bestätigt und positive Vertrauenserfahrungen erworben werden. Nicht alle Beziehungen gehen über die Stufe des CBT hinaus. Es kann sein, dass die Akteure (a) nicht das Bedürfnis haben die Beziehung zu intensivieren oder (b) ihre Beziehung rechtlich reguliert wird. Es kann jedoch auch sein, dass (c) das Vertrauen schon enttäuscht wurde und dadurch die nächste Stufe nicht mehr erreicht werden kann oder dass (d) die Vertrauensakteure wissen, dass es sich um eine Beziehung auf Zeit handelt (vgl. Lewicki und Bunker, 1995, S. 157).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Lewicki et. al., 2006, S. 1008
Lernen sich die Vertrauensakteure besser kennen und beweist sich der Vertrauensnehmer wiederholt, kann sich die Beziehung am Punkt J1 in der Abbildung 2 von CBT zu KBT weiterentwickeln. Insbesondere sich wiederholende Interaktionen sind ausschlaggebend für die Entwicklung, da sich nur daraus Informationen zu dem Vertrauensnehmer und dessen Vorhersagbarkeit generieren lassen. Dieses Wissen ist zum einen die Grundlage als auch eine Eigenschaft von Vertrauen. Die meisten Beziehungen laufen in der Stufe des KBT ab. Dies kann daran liegen, dass Personen (a) nur eine geringe Anzahl an IBT Beziehungen führen können und sie infolgedessen nicht mehr Energie und Zeit in die Beziehung investieren möchten oder aber sie (b) nicht das Bedürfnis verspüren sich miteinander zu identifizieren. Die Beziehung kann sich auch nicht weiterentwickeln, wenn die Akteure (c) in ihren Wertvorstellungen und Zielen bewusst oder unbewusst nicht übereinkommen können oder sich (d) die gesammelten Informationen und Handlungen widersprechen und sich demzufolge kein klares Bild über den Vertrauensnehmer skizzieren lässt. Nur wenige Beziehungen schaffen es, wie am Punkt J2 in Abbildung 2 dargestellt, von der Stufe des KBT hin zum IBT. Ausschlaggebend für die Entwicklung ist der Lernprozess, welcher vom Wissen über den anderen hin zu der Identifikation mit dem anderen und dessen Werte und Ziele verläuft. Die Maximierung des eigenen Nutzens steht nicht weiter im Fokus, sondern das Schaffen eines Gleichgewichts zwischen den Akteuren und infolgedessen die Maximierung des gemeinsamen Erfolgs (vgl. Lewicki und Bunker, 1995, S. 158 ff.).
KBT und IBT stellen im Vergleich zum CBT belastbarere Vertrauensformen dar. CBT ist weniger belastbar und infolgedessen, da sich die Beziehung noch immer durch Absicherungen und Kontrolle seitens der Vertrauensakteure kennzeichnet, teurer (vgl. Graf und Osterloh, 2006, S. 276). Jede Phase bildet die Grundlage für neue Entwicklungen und stärkt das interpersonale Vertrauen. Zwischenmenschliche Vertrauensbeziehungen sind dynamisch und bewegen sich in Abhängigkeit von situativen Vertrauensmomenten auf mehreren Vertrauensebenen (vgl. Lewicki und Bunker, 1995, S. 159 ff.).
Da das geschilderte Modell von Lewicki und Bunker (1995) keine Voraussetzungen für die Entstehung einer Vertrauensbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter behandelt, soll an dieser Stelle das Modell von Mayer, Davis und Schoorman (1995) angeführt werden. In dem Modell wird die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit durch die Faktoren Ability, Benevolence und Integrity geprägt und als Basis für die Entstehung einer Vertrauensbeziehung angeführt. Ability meint die Summe der für die Vertrauenssituation relevanten Kompetenzen und Eigenschaften der Führungskraft, welche durch die Mitarbeiter situativ und fachspezifisch bewertet werden. Vertrauen kann auch erst entstehen, wenn die Führungskraft gegenüber den Mitarbeitern eine wohlgesinnte Haltung und Verbundenheit signalisiert. Die Mitarbeiter müssen darauf vertrauen können, dass die Führungskraft keine egozentrischen oder primär monetären Ziele verfolgt (vgl. Mayer et al., 1995, S. 717 f.). Integrity umfasst den von den Mitarbeitern wahrgenommene Grad an Konsistenz und Glaubwürdigkeit vergangener Handlungen der Führungskraft. Zudem bewerten Mitarbeiter im subjektiven Maß, ob sich eine Führungskraft an die, von ihnen als relevant empfundenen Prinzipien, hält (vgl. ebd., S. 719 f.)
2.2 Krise
Der Begriff Krise entstammt der Medizin. Er beschreibt einen kritischen, in der Medizin lebensbedrohlichen Zustand, welcher nur noch zwei Auswege kennt - entweder die der Verschlechterung (Tod) oder die der Verbesserung. Heute wird der Begriff in vielerlei Hinsicht gebraucht, so ist jedem der Begriff der Klimakrise, Finanzkrise oder Corona- Krise geläufig. Im Kontext der vorliegenden Arbeit werden in diesem Kapitel die theoretischen Grundlagen mit Fokus auf die Unternehmenskrise thematisiert. Dabei wird zunächst der Begriff der Unternehmenskrise definiert und auf mögliche Ursachen für Unternehmenskrisen eingegangen. Vor diesem Hintergrund folgt eine Typisierung der Krisen und Erläuterung verschiedener Krisenverlaufstheorien.
2.2.1 Definition Unternehmenskrise
Auch der Begriff der Unternehmenskrise lehnt sich an dem der Medizin an. Unternehmenskrisen werden als ungeplante und unerwünschte Prozesse definiert, sind zeitlich begrenzt und durch das Handeln des Managements beeinflussbar. Taktisch und strategisch richtige Managemententscheidungen können das Unternehmen aus der Krise entwachsen lassen, so dass nicht jedes Unternehmen in einer Krise zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist. Charakteristisch für eine Unternehmenskrise ist unter anderem auch die Ambivalenz. Eine Unternehmenskrise kann eine Chance für das Unternehmen sein, aber das Unternehmen auch nachhaltig und substanziell bedrohen, wenn die dominanten Unternehmensziele in Folge der Krise nicht mehr erreicht werden (vgl. Krystek und Lentz, 2014, S. 32; Lerbinger, 2012, S. 14).
2.2.2 Krisenursachen
Betriebswirtschaftliche Krisenursachen sind äußerst vielfältig und der Komplexität folgend weitestgehend unerforscht (vgl. Grünert, 2007, S. 16). Krisenursachen lassen sich hinsichtlich ihres Entstehungsortes in exogene oder endogene Ursachen gliedern. Exogene Krisenursachen, wie z. B. Wirtschaftskrisen, staatliche Maßnahmen oder Naturkatastrophen, haben ihren Ursprung außerhalb des Unternehmens. Es ist die Aufgabe des Managements, die exogen verursachten Krisen zu steuern und zu bewältigen. Versäumnisse oder Unvermögen des Managements können zu endogenen Krisen führen. Endogene Krisen werden durch das Unternehmen selbst verursacht (vgl. Krystek und Moldenhauer, 2007, S. 43, 52). Hauptursächlich werden Führungsmängel, strategische Probleme im Feld der Expansion und Diversifikation und Mängel im Absatzbereich angeführt (vgl. Hauschildt et al., 2005, S. 12 f.). Die Möglichkeit einer strikten Unterscheidung zwischen endogener und exogener Krisenursachen ist umstritten. Vielmehr sind Unternehmenskrisen durch Multikausalität und Multilokalität geprägt und weisen mehrstufige Ursachen-Wirkungsketten auf (vgl. Krystek und Lentz, 2014, S. 37).
Die Forschung der vorliegenden Arbeit erfolgt an dem aktuellen Beispiel der Corona- Pandemie, welche auf Grund ihrer Charakteristik als exogene Krisenursache gewertet werden kann und im Folgenden erläutert wird. Ende des Jahres 2019 wurde in der chinesischen Stadt Wuhan von steigenden Fallzahlen unerklärlicher Lungenentzündungen berichtet. Am 07. Januar 2020 wurde die neue Erregerform des Coronavirus 2019-nCoV identifiziert, auch SARS-CoV-2 oder umgangssprachlich Coronavirus, genannt (vgl. Euro WHO, 2020). SARS-CoV-2 verursacht die Lungenkrankheit COVID-19. Die Vi- rusinfektion erfolgt primär über Tröpfcheninfektion und Aerosolen in geschlossenen Räumen, meist gefolgt von grippeähnlichen, teils zum Tod führenden, Symptomen (vgl. RKI, 2020). Um die rasante Ausbreitung der Pandemie einzuschränken, wurden in Deutschland am 22. März 2020 Kontaktverbote beschlossen (vgl. Röhr et al., 2020, S. 177). Die zudem beschlossenen Ausgangsbeschränkungen zwangen viele Unternehmen, den Zugang zu den Büroräumen massiv einzuschränken. Einzelhandel, Restaurants, Bildungseinrichtungen und einige Dienstleistungsbetriebe mussten streckenweise ganz schließen (vgl. Die Bundesregierung, 2020). Viele Unternehmen waren auf die plötzlich eintretende Telearbeit und deren technische Anforderungen nicht vorbereitet und die Mit- arbeiter sahen sich mit psychischen und sozialen Auswirkungen der Quarantänemaßnahmen konfrontiert (vgl. Röhr et al., 2020, S. 177). Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie waren enorm, so fiel das BIP im zweiten Quartal 2020 um 10,1% und im Mai 2020 befanden sich 6,7 Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit (vgl. Deutsche Bundesbank, 2020, S. 8 f.). Nach einer leichten Verbesserung in den Sommermonaten wurde aufgrund anhaltender hoher Corona-Fallzahlen Mitte Dezember 2020 durch die Bundesregierung erneut ein Lockdown beschlossen, welcher zum Abgabezeitpunkt dieser Arbeit noch bis Mitte Februar 2021 anhalten wird.
Auch wenn die Corona-Pandemie einen externen Entstehungsort hat, nimmt sie Einfluss auf Unternehmen, Mitarbeiter und die Gesellschaft. Inwieweit die Corona-Pandemie endogene Krisen oder Aufschwünge mit sich gebracht hat, bedarf einer individuellen Betrachtung der jeweiligen Unternehmen und lässt sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht grundsätzlich beantworten.
2.2.3 Krisenarten
So unterschiedlich Unternehmen sind, so verschieden sind auch Krisen. Trotz Individualität lassen sich in der Literatur Versuche der Kategorisierung und Differenzierung von Krisentypen finden. Ziel ist es, die jeweiligen Typen und Stadien zu definieren, um diesen mit Lösungsansätzen und Handlungsempfehlungen zu begegnen (vgl. Klein, 2008, S. 19). Eine Möglichkeit der umfassenden Krisentypisierung besteht nach Lerbinger (2012) , welcher acht Krisentypen nennt und sie drei Oberkategorien zuordnet, den „Crisis of physical Environment“, „Crisis of the Human Climate“ und „Crisis of Management Failure“. „Crisis of physical Environment“ fassen Krisen der Natur, Biologie und Technologie zusammen. Eine begriffliche Trennung zwischen Katastrophe und Krise nimmt Lerbinger nicht vor. Naturkatastrophen können etwa Erdbeben, Unglücke, wie der Tsunami in Thailand 2004, oder die Klimaerwärmung sein (vgl. Lerbinger, 2012, S. 85-131).
Tabelle 2: Krisenarten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lerbinger, 2012
Die Corona-Pandemie lässt sich den biologischen Krisen zuordnen (vgl. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenschutz, 2020). Technische Krisen unterscheiden sich insofern von Naturkatastrophen und biologischen Krisen, als dass sich bei dieser Art der Krise die Frage der Schuld auftut. Diese Krisenart wird stets mit menschlichem Handeln, beziehungsweise Versagen in Verbindung gebracht. Das Einstürzen von Dämmen und der Kernreaktorunfall von Tschernobyl werden als Beispiele genannt (vgl. Hellbrück und Kals, 2012, S. 66 f.).
„Crisis of the Human Climate“ umfassen Krisen, welche ihren Ursprung in der Konfrontation zwischenmenschlicher Beziehungen oder Attentaten finden. Konfrontationen treten auf, wenn Menschen gegen Interessengruppen kämpfen, um die Akzeptanz ihrer Forderungen und Erwartungen zu gewinnen. Dies kann z. B. in Form von Boykotten oder Streiks geschehen. Attentate sind geplante und extreme, meist auch kriminelle Taktiken gegen Interessengruppen, mit dem Ziel der Destabilisierung. Beispielhaft können Produktmanipulationen oder der Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 genannt werden (vgl. Lerbinger, 2012, S. 155-206).
„Crisis of Management“ lassen sich auf die drei Ebenen Managementversagen, zweifelhafte Wertvorstellungen und Täuschungen zurückführen. Wertevorstellungen verzerren sich, wenn das Management kurzfristige wirtschaftliche Gewinne über die sozialen Unternehmenswerte stellt. In der Täuschungskrise werden Informationen über das Unternehmen und die Produkte durch das Management wissentlich verfälscht (vgl. Lerbinger, 2012, S. 207-269). Ein bekanntes Beispiel, welches nahezu alle Kategorien der „Crisis of Management“ umfasst, ist die Krise der Drogeriemarktkette Schlecker e. K. Das Unternehmen musste nach diversen Managementfehlentscheidungen Insolvenz anmelden (vgl. Wiske, 2020, S. 165 ff.).
Während die genannten Krisenarten eine Einordnung anhand der tatsächlichen Schuldfrage vornehmen, schlägt die „Situational Crisis Communication Theory“ (SCCT) vor, Krisenarten nach der durch die Öffentlichkeit zugeschriebenen Schuld zu kategorisieren. Geringe Schuldzuschreibungen gehen mit geringen Reputationsverlusten einher und werden als Opferkrisen bezeichnet. Hierzu zählen unter anderem Naturkatastrophen und extern verursachte Täuschungsversuche. Wird einer Organisation eine Teilschuld zugesprochen, handelt es sich um eine Unfallkrise, welche mit einem moderaten Reputationsschaden einhergeht. Beispielhaft können Rückrufaktionen oder auch Managementversagen genannt werden. Geht die Öffentlichkeit von einem bewusstem Fehlverhalten der Organisation aus, dann ist das Maß der Schuldzuweisung folglich sehr hoch und der Reputations- und Vertrauensschaden für die Organisation immens. Diese Krise wird als vermeidbare Krise definiert (vgl. Coombs, 2007, S. 167; Thießen, 2011, S. 92-100).
Das nachstehende Unterkapitel zeigt auf, wie sich Krisen entwickeln und abbilden lassen.
2.2.4 Krisenverlaufsmodelle
Unternehmenskrisen können individuell verlaufen, und dennoch stimmt die Literatur überein, unter anderem um Handlungsempfehlungen aussprechen zu können, Unternehmenskrisen in Phasen aufzuteilen. Die in der Literatur am weitesten verbreiteten betriebswirtschaftlichen Krisenverlaufsmodelle sind die der Autoren Müller (1986) und Krystek (2013), welche im Folgernden dargestellt werden (vgl. Appelt, 2016, S. 11).
Das Vier-Phasen-Modell nach Müller (1986) gliedert sich in Strategiekriese, Erfolgskrise, Liquiditätskrise und Insolvenz (vgl. Krystek, 1987, S. 27). Die Phasen werden an den Verfehlungen dominanter Unternehmensziele gemessen. Die Strategiekrise ist geprägt durch die Gefährdung von Erfolgspotentialen, verursacht durch mangelhafte oder fehlende Strategien durch das Management. Die Erfolgskrise wirkt sich auf ökonomische Ziele wie Gewinn, Rentabilität und Umsatz aus. In der Liquiditätskrise ist die Krise deutlich erkennbar und das Unternehmen ernsthaft gefährdet. Wird diese Phase nicht bewältigt, droht die Zahlungsunfähigkeit und das Unternehmen muss Insolvenz anmelden (vgl. Krystek und Moldenhauer, 2007, S. 35 f.). Das Sanierungskonzept nach IDW S 6 stellt der Strategiekrise eine Stakeholderkrise, entstehend aus z. B. Führungs- oder Kommunikationsdefiziten, voran (vgl. Köhler-Ma et al., 2018, S. 4). „Konsequenz einer Stakehol- derkrise ist oftmals ein Verlust der Glaubwürdigkeit der Führungsmannschaft (...) und ist damit auch eine Vertrauenskrise.“ (Häger und Hiltner, 2018, S. 317)
Tabelle 3: Krisenphasen in Stufen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Krystek (1987) bietet ein Vier-Phasen-Modell, bestehend aus der potenziellen, latenten, akut/beherrschbaren und akut/nicht beherrschbaren Krise an (vgl. S. 29). In der ersten Phase, der potentiellen Krise, findet eine gedankliche Annäherung an einen zukünftigen Kriseneintritt statt. Wenn auch keine Symptome zu beobachten sind, ist es in dieser Phase ratsam, Grundlagen für das Krisenmanagement und für die Krisenkommunikation zu erarbeiten. In der latenten Krise wächst die Notwendigkeit des präventiven Krisenmanagements, da sich auch diese Phase dem Unternehmen nicht direkt offenbart. Noch ist der Handlungsspielraum in dieser Phase groß, sodass das präventive Krisenmanagement auf eine Vielzahl von Maßnahmen zurückgreifen kann. Ohne Krisenfrüherkennung wächst die Eintrittswahrscheinlichkeit der dritten Krisenphase, der akut/ beherrschbaren Krise, welche charakteristisch negative Veränderungen der Leistungskennzahlen mit sich bringt. In dieser Phase steigt der Handlungsdruck weiter an und das Management kann oftmals nur noch reaktiv agieren. Zudem werden die Ressourcen weiter gebündelt. Dies kann der Krise entgegenwirken oder das Unternehmen weiter schwächen. Gelingt es nicht, die Krise in ihrer dritten Phase zu bewältigen, tritt der Krisenprozess in die vierte und letzte Phase, in die akut/nicht beherrschbare Krise, ein. In dieser Phase übersteigen die Anforderungen der Krisenbewältigung die der Handlungsmöglichkeiten, wodurch die Krise kaum noch zu steuern ist. Diese Phase ist weniger von strategischen Entscheidungen, sondern vielmehr von improvisiertem und reaktivem Handeln geprägt (vgl. ebd., S. 29-31)
Die Differenzierung der jeweiligen Krisenphasen, wie auch das Konstrukt Vertrauen, folgt keiner statisch oder abgrenzbaren Systematik (vgl. Ehmke, 2019, S. 126) . Die weitere Betrachtung Vertrauen den einzelnen Krisenstadien zuzuordnen, übersteigt den Rahmen dieser Arbeit. In der Konsequenz folgen die weiteren Ausführungen dieser Arbeit dem „Three-Stage-Approach“ von Coombs (2014), welcher Krisenverläufe in drei für ihn wesentliche Phasen einteilt: der „Precrisis“, „Crisis Event“ und „Postcrisis“. Innerhalb der Phasen werden weitere mögliche Unterteilungen vorgenommen. Die „Precrisis“ (Vor der Krise) kann als Zusammenschluss der potentiellen und latenten Krisenphasen nach Krystek (1987) verstanden werden. „Crisis Event“ (In der Krise) beschreibt den akuten Krisenzustand. „Postcrisis“ (Nach der Krise) umfasst die Zeit nach der Krise. In dieser Phase ist es das Ziel den Soll-Zustand des Unternehmens wiederherzustellen. Zudem werden Informationen gesammelt und Erfahrungen analysiert, um darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für zukünftige potentielle Krisen zu entwickeln (vgl. Coombs, 2014, S. 10-14). Im Vergleich zu den in diesem Kapitel zuvor aufgezeigten Theorien, kann der nun vorgestellte Ansatz als ein Kreislauf und nicht als stufenweise verlaufendes Phasenmodell verstanden werden. Ist erst die eine Krise überstanden, gilt es, sich direkt auf neue potentielle Krisen vorzubereiten.
Krisen bilden sich als Prozess ab. Der Handlungsspielraum vor der Krise ist groß, wird im weiteren Krisenverlauf jedoch schnell geringer. Die Zeit vor der Krise und nach der Krise wird von allen Theorien einbezogen, was verdeutlicht, dass Krisenmanagement vor der Krise beginnt und Lernprozesse nach der Krise nicht vernachlässigt werden sollten (vgl. Köhler, 2008, S. 234). Unabhängig von der Form der Krise nimmt das obere Management eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung von Krisen und der Gestaltung entsprechender Maßnahmen ein (vgl. Schwarz und Löffelholz, 2014, S. 1304; Töpfer, 2013, S. 238). An dem Punkt sind Themengebiete wie Risikomanagement, Frühwarnsysteme und Change-Management zu nennen, welche entsprechend der Rahmenbedingungen der vorliegenden Arbeit nicht weiter ausgeführt werden.
2.3 Kommunikation
Kommunikation und Vertrauen - ein Konstrukt, welches die Frage aufkommen lässt, wie sich die Begriffe gegenseitig bedingen? Baut Vertrauen auf Kommunikation oder Kommunikation auf Vertrauen auf? Fest steht, dass Kommunikation Vertrauen bedarf und dass Vertrauen ohne effiziente Kommunikation nicht möglich ist (vgl. Luhmann, 2014, S. 54; Zeffane et al., 2011, S. 82). Ein sogenanntes Henne-Ei-Problem (vgl. Hubig und Siemoneit, 2007, S. 178 f.). Geht es um Vertrauen, ist es von Bedeutung zu verstehen, wie zwischenmenschliche Kommunikation wirkt, was zwischenmenschliche Kommunikation ist und wodurch sie gestört werden kann. Dies soll im Folgenden anhand zwei Encoder-/ Decodermodelle und einem Dialogmodell dargestellt werden (vgl. Röhner und Schütz, 2012, S. 20).
2.3.1 Kommunikationsmodell nach Shannon und Weaver
Das Sender-Empfänger-Modell, auch Shannon-Weaver-Modell genannt, wurde 1949 von den Amerikanern Claude E. Shannon und Warren Weaver entwickelt und stellt eines der bekanntesten Kommunikationsmodelle dar. Wie der Name verdeutlicht, fokussiert das Model nicht die Inhaltsebenen der Information, sondern ihre Übertragung und ihren Empfang (vgl. Röhner und Schütz, 2012, S. 21).
Abbildung 3: Sender-Empfänger-Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Röhner und Schütz, 2012, S. 22
Das Modell besteht aus den Elementen Sender (Informationsquelle), Sendegerät (Kodierer), Signal, Kanal, Empfänger (Adressat) und Empfangsgerät (Dekodierer). Der Sender und seine Absicht, Informationen an das Informationsziel (dem Adressaten) zu übermitteln, stellt die Ausgangssituation des Modells dar. Um die Information bereitzustellen, bedient sich der Sender einem Sendegerät. Das Sendegerät codiert die Nachricht in ein Signal und leitet dieses über den Kanal an das Empfängergerät. Die Komptabilität der Geräte ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Datenübermittlung. Das Empfängergerät dekodiert das Signal wiederum in eine Nachricht, wodurch der Empfänger Zugang zu der Nachricht erhält. Erfolgreich ist die Kommunikation, wenn Senderinformation und Empfängerinformation homogen sind. Erfolgt eine Reaktion auf die Nachricht durch den Empfänger, dann spricht man von Feedback (vgl. Traut-Mattausch und Frey, 2006, S. 536 f.). Erfolgt kein Feedback oder entspricht die Reaktion des Empfängers nicht der angedachten Reaktion des Senders, kann davon ausgegangen werden, dass der Übertragungsprozess Störungen unterliegt. Störquellen können z. B Leitungsstörungen in der Telefonleitung sein. Die Virtuelle Kommunikation kann durch Bildstörungen oder auch Stimmverzerrungen gestört werden. Wird in einem Seminar zu viel gesprochen, so dass der Sprecher nicht mehr verstanden werden kann, liegt eine Störung der Kommunikation über den „Luft-Kanal“ vor. Reaktionen bleiben auch aus, wenn Kodierung und Dekodierung fehlschlagen, was z. B. dann passiert, wenn Sender und Empfänger unterschiedliche Sprachen sprechen oder Informationen mehrdeutig sind und infolgedessen falsch interpretiert werden (vgl. Röhner und Schütz, 2012, S. 21 ff.).
2.3.2 Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun
Schulz von Thun (2019) trat Ende der 1960er Jahre einer Forschungsgruppe um Prof. Dr. Tausch bei. Im Zuge eines Kundenauftrags beschäftigte sich die Gruppe mit einem Beitrag zur Kommunikationsfähigkeit von Mitarbeitern. Das Ergebnis ist das sogenannte Vier-Seiten-Modell, welches in Abbildung 4 dargestellt wird. Das Modell folgt dem Ansatz des 2. Axioms nach Watzlawik (2017) und den drei Aspekten der Sprache nach Bühler (1934), welche sich in Sachinhalt, Selbstoffenbarung und Appell differenzieren lassen (vgl. Schulz von Thun, 2019, S. 12 ff.). Das Vier-Seiten-Modell beschreibt einen zwischenmenschlichen Kommunikationsprozess zwischen Sender und Empfänger und lässt sich, wie auch das Shannon und Weaver Modell, den Encoder-/ Decoder Modellen zuordnen (vgl. Röhner und Schütz, 2012, S. 20).
Der Sender möchte eine Information mit dem Empfänger teilen. Dazu verschlüsselt er eine Nachricht und schickt diese an den Empfänger, welcher die Nachricht wiederum entschlüsseln muss. Eine Nachricht beinhaltet verbale und nonverbale Aspekte und neben der Sachinformation auch die Ebene der Selbstoffenbarung, der Beziehung und des Appells (vgl. Schulz von Thun, 2019, S. 27, 36). Die Sachebene beinhaltet sachdienliche, an den Empfänger gerichtete Informationen. Neben der Sachinformation teilt der Sender, unbewusst oder bewusst, auch Informationen über seine Person. Die Seite der Selbstoffenbarung übermittelt Ich-Botschaften des Senders (vgl. ebd., S. 28-31). Die Seite der Beziehung ist bedeutsam für die Kommunikation. Sie beinhaltet Du-Botschaften („So einer bist Du“) und Wir-Botschaften („So stehen wir zueinander“), welche u. a. durch Mimik, Gestik und Tonfall ausgedrückt werden. Auf der Beziehungsseite stellt sich ein enger Zusammenhang zwischen der Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern und dem Betriebsklima dar (vgl. ebd., S. 180-183).
Abbildung 4: Das Vier-Seiten-Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schulz von Thun, 2019, S. 33
Der Appell richtet einen Handlungsaufruf des Senders an den Empfänger. Der Appell wird zur Manipulation, wenn dem Empfänger nicht offen dargelegt wird, dass der Sender Einfluss auf ihn nimmt (vgl. Schulz von Thun, 2019, S. 32). Der Einfluss von Apellen ist insbesondere dann begrenzt, wenn der Empfänger kein Interesse hat, dem Appell des Senders zu folgen oder den Appell nicht wahrnimmt. Apelle sind nicht ausreichend, um langfristige Verhaltensänderungen des Empfängers zu erwirken (vgl. ebd., 248 f.). Appellbotschaften sind vielschichtig und getrennt von der Beziehungsseite zu betrachten (vgl. ebd., S. 32).
Jede Seite des Modells kann explizite und implizite Botschaften beinhalten. Explizite Botschaften sind für den Empfänger unmissverständlich. Botschaften impliziter Art hingegen bieten einen Interpretationsspielraum seitens des Empfängers, sie sind nicht ausdrücklich zu verstehen. Die Aussage „Ich komme aus München“ gibt explizit Auskunft über die Herkunft einer Person. Implizit könnte der Empfänger zu selbigem Schluss kommen, sollte der Sender einen für die Region typischen Dialekt sprechen. Implizite Botschaften werden meist nonverbal, durch Verhalten oder Ausdruck geäußert (vgl. Schulz von Thun, 2019, S. 36).
Das nachstehende Unterkapitel skizziert das Kommunikationsmodell der fünf Axiome, da dieses, im Vergleich zu den zuvor vorgestellten Modellen auch die dynamische Wechselseitigkeit der Kommunikation aufzeigt.
2.3.3 Kommunikationsmodell nach Watzlawick
Die Arbeiten von Watzlawick, Beavin und Jackson befassen sich mit den pragmatischen Wirkungen menschlicher Kommunikation. Ihre Arbeiten gründen auf der im Jahr 1951 veröffentlichten Kommunikationstheorie von Bateson, dem sie auch ihr Buch „Menschliche Kommunikation“ widmeten (vgl. Lutterer, 2007, S. 1022; Watzlawick et al., 2017). In ihrem Modell bezeichnen die Autoren eine Mitteilung als einen eindimensionalen Informationsfluss vom Sender hin zum Empfänger. Eine höhere Stufe der Kommunikation bildet die Interaktion, in welcher es zu einem dynamischen Informationsaustausch zwischen Sender und Empfänger kommt (vgl. Watzlawick et al., 2017, S. 57). Somit kann es den Dialog-Modellen zugeordnet werden, welche der Frage nachgehen, „wie die gemeinsame Wirklichkeit zwischen den am Kommunikationsprozess Beteiligten konstruiert wird“ (Röhner und Schütz, 2012, S. 20). Die fünf Axiome, welche in den nachstehenden Absätzen erklärt werden, gelten in dieser Theorie als die grundlegensten Eigenschaften zwischenmenschlicher Kommunikation. Der Theorie wird kein Anspruch auf Vollständigkeit zugesprochen. Den theoretischen Defiziten steht zuletzt die Anwendbarkeit in der Praxis gegenüber (vgl. Watzlawick et al., 2017, S. 57, 80).
1. Axiom : „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick et al., 2017, S. 60). Watzlawik et. al. konstatieren, dass jeder Mensch jederzeit Verhalten zeigt und Verhalten kein Gegenteil hat. Jedes Verhalten birgt wiederum eine Nachricht. Dementsprechend muss Verhalten als eine Form der Kommunikation akzeptiert und folglich anerkannt werden, dass nicht nicht zu kommunizieren unmöglich ist. Kommunikation erfolgt immer, bewusst oder unbewusst (vgl. Watzlawick et al., 2007, S. 275 f.).
2. Axiom : „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist“ (Watzlawick et al., 2017, S. 64).
Das zweite Axiom präzisiert die Auswirkungen der zwischenmenschlichen Beziehung auf den Informationsinhalt der Kommunikation. Neben dem was gesagt wird, weist die Beziehung an, wie die Information prozessiert wird (vgl. Watzlawick et al., 2007, S. 277 f.). Ist die Beziehung zwischen Sender und Empfänger negativ behaftet, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Empfänger den Inhalt der Kommunikation negativ deutet. Stehen Sender und Empfänger in einer vertrauensvollen Beziehung zueinander, erhöht dies das Bestreben, die Informationen des Senders anzunehmen (vgl. Neubauer, 1997, S. 108).
3. Axiom : „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“ (Watzlawick et al., 2017, S. 69 f.).
Das dritte metakommunikative Axiom schließt auf Erkenntnisse der Reiz-ReaktionsPsychologie und beschreibt Kommunikation als einen stetigen reziproken Verhaltensprozess, der von subjektiv empfundenen Interpunktionen gekennzeichnet ist. Differierte Wahrnehmungen der Interpunktionen durch die Kommunikatoren können zu Konflikten zwischen den Kommunikatoren führen (vgl. Watzlawick et al., 2017, S. 65 ff.).
Abbildung 5: Diskrepanzen der Interpunktion
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Watzlawick et. al., 2017, S. 67
Abbildung 5 stellt eine Diskrepanz in der Interpunktion zwischen Ehemann und Ehefrau dar. Der Mann meidet seine Frau, weil diese nörgelt, was wiederum den weiteren Rückzug des Mannes zur Folge hat. Was der Mann als Verteidigung sieht, interpretiert die Frau als Anlass für weitere Kritik. Die eigene Handlung wird als Reaktion und nicht als Ursache gesehen (vgl. Watzlawick et al., 2017, S. 67).
4. Axiom : „Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikation erforderliche Syntax“ (Watzlawick et al., 2017, S. 78).
Analoge und digitale Kommunikation sind nur in der menschlichen Kommunikation vereint zu finden. Inhaltsaspekte der Kommunikation werden digital und Aspekte der Beziehung analog übermittelt. Digitale Kommunikation drückt sich verbal durch Namen aus. Analoge Kommunikation ist nonverbal und wird u. a. durch Körperhaltung, Tonfall und Mimik bestimmt. Diese Form der Kommunikation wird insbesondere in Beziehungen entscheidend. Im Hinblick auf das zweite Axiom wird evident, dass sich analoge und digitale Kommunikation ergänzen (vgl. Watzlawick et al., 2017, S. 72 ff.).
5. Axiom : „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht“ (Watzlawick et al., 2017, S. 81).
Interaktionen sind entweder durch Gleichheit (symmetrisch) oder Unterschiedlichkeit (komplementär) geprägt. Symmetrische Beziehungen streben nach einem gleichen Ziel und möchten Differenzen vermeiden. Komplementäre Beziehungen ergänzen sich. Sie bilden sich nicht in Folge von Zwang, Dominanz oder Bewertung der Partner, sondern durch Einflüsse von Gesellschaft und Kultur aus. So wird z. B. der Mutter eine übergeordnete Rolle zu ihrem Kind zugesprochen (vgl. Watzlawick et al., 2017, S. 79 f.). Komplementäre Beziehungen können auch als „idiosynkratrische Beziehungsform einer ganz bestimmten Dyas“ verstanden werden (Watzlawick et al., 2017, S. 80). Metakomplementarität liegt vor, wenn eine Person die andere zwingt, eine bestimmte übergeordnete oder untergeordnete Rolle einzunehmen oder den Wechsel der Positionen schlicht zulässt (vgl. ebd., S. 81.).
2.4 Krisenkommunikation
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die theoretischen Grundlagen zu den Begriffen Krise und Kommunikation erläutert wurden, sollen diese im Folgenden im Kontext der Krisenkommunikation in Zusammenhang gebracht werden. Die Relevanz dieser Thematik zeigt sich auch darin, dass die Anzahl der Krisen und deren Ausmaß, sowie die Bedeutung der Krisenkommunikationsforschung, stetig zu steigen scheinen (vgl. Schwarz und Löffelholz, 2014, S. 1303). Krisen können Einfluss auf die Reputation und das Vertrauen nehmen. Zielgerichtete Krisenkommunikation kann den Handlungsspielraum maximieren, Reputationsschäden und Vertrauensverluste mindern und das Erreichen der dominanten Unternehmensziele unterstützen (vgl. Schwarz, 2010, S. 239). Das Grundlagenkapitel Krisenkommunikation gibt Einblick in die Phasen der Krisenkommunikation, stellt die in Kapitel 2.2.4. erwähnte Situation Crisis Communication Theory (SCCT) vor und abschließend geht auf die Theorie des öffentlichen Vertrauens ein.
2.4.1 Phasen der Krisenkommunikation
Den Krisenphasen folgend, lässt sich auch die Krisenkommunikation als Prozess, bestehend aus den Phasen Krisenprävention, Krisenvorbereitung, akutes Krisenmanagement und Krisennachsorge betrachten. Insbesondere in der ersten Phase, der Krisenprävention, kommen dem Issues Management und den Frühwarnsystemen bedeutsame Rollen zu. Ziel ist die frühzeitige Erkennung von potentiellen Krisen und das Verhindern derer Ausbrüche. Im Rahmen dessen werden Methoden der Umweltanalysen und Prognosetechniken angewendet. Nähert sich eine Krise an, wie in Kapitel 2.2.4. behandelt, steigt der Handlungsdruck. Krisenpläne unterstützen die Phase der Krisenvorbereitung, da schnelles Handeln und Treffen von Entscheidungen erleichtert werden. Krisenpläne definieren unter anderem die Verantwortlichkeiten, listen wichtige Ansprechpartner, Adressen und Telefonnummern auf und bieten eine Übersicht verschiedener Krisenszenarien. Krisenpläne haben das Potential, Krisenverläufe abzumildern. In der Krise rücken auch die Stakeholder und ihr Schutz durch das Management in den Fokus. Verhaltensinstruktionen und rhetorische Strategien müssen entschieden und die Beziehung zu den Organisationsmitgliedern gepflegt werden. In der letzten Krisenkommunikationsphase, der Krisennachsorge, werden die in der Krise angewandten Strategien und eingesetzten Instrumente evaluiert. Die Nachsorge umfasst zudem die gewonnenen Lernprozesse, welche in zukünftigen Krisen Anwendung finden sollen, und die Anschlusskommunikation an die von der Krise betroffenen Stakeholder (vgl. Schwarz und Löffelholz, 2014, S. 1308-1315).
Abbildung 6: Phasen der Krisenkommunikation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schwarz und Löffelholz, 2014, S. 1307
Ist die Phase der Krisennachsorge abgeschlossen, beginnt umgehend die Phase der Krisenprävention. Krisenkommunikation kann folglich, wie Abbildung 6 darstellt, als ein kreislaufförmiger Prozess verstanden werden (vgl. Schwarz und Löffelholz, 2014, S. 1307).
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- Daliah Zacharias (Auteur), 2020, Vertrauen durch Kommunikation in betrieblichen Krisensituationen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1321410
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