In der vorliegenden Hausarbeit möchte ich vor allem den Zusammenhang zwischen dem bildnerischen Gestalten bzw. dem kreativen Arbeiten im Allgemeinen und der Identitäts- sowie Selbstkonzeptentwicklung von Schüler*innen mit einer geistigen Behinderung betrachten.
Den Impuls zur Wahl dieser Thematik bekam ich aus der gedanklichen Reflexion des Kunstunterrichts an einer Schule für Schüler*innen mit geistiger Behinderung während meines Praktikums. Schon damals fragte ich mich, was die Kunst und das kreative Arbeiten im Unterricht in den Schüler*innen auslöste bzw. inwieweit sie sich dadurch entwickeln oder verändern konnten. Beginnend werde ich den Einfluss bildnerischen Gestaltens mittels wissenschaftlicher Quellen belegen und im Anschluss daran eigene Ideen und Möglichkeiten der Umsetzung im Unterricht darstellen. In diesem Zusammenhang habe ich mich dazu entschieden, noch einmal gesondert auf die Gestaltung von Selbstporträts einzugehen, da sie für mich intuitiv mit den Begriffen "Identität" und "Selbstbild" verbunden sind und wahrscheinlich die direkteste Ausdrucksweise dessen darstellen.
Die Fähigkeit der Kreativität und des kreativen Arbeitens wurde in der Vergangenheit vielen Menschen mit geistiger Behinderung abgesprochen. Dementgegen setzten sich viele Autor*innen mit genau dieser Thematik auseinander und postulierten das Gegenteil. Kreatives Arbeiten kann als ein allgemein "wertvolles menschliches Potenzial", das allen Individuen innewohnt, beschrieben werden, sodass auch Menschen mit geistiger Behinderung inkludiert sind und somit zu kreativen Aktivitäten fähig sind.
Inhaltsverzeichnis
I. Einführung
II. Einfluss von Kreativität Auf Selbstkonzept und Identität von Menschen mit Geistiger Behinderung
III. Identitätsfördernde Elemente im Kunstunterricht
3.1 Auseinandersetzung mit dem Selbstporträt
3.2 Weitere Gestaltungsmöglichkeiten zur Identitätsbildung
IV. Fazit
V. Literaturverzeichnis
I. Einführung
Die Fähigkeit der Kreativität und des kreativen Arbeitens wurde in der Vergangenheit vielen Menschen mit geistiger Behinderung abgesprochen (Theunissen, 2006). Dementgegen setzten sich viele Autor*innen mit genau dieser Thematik auseinander und postulierten das Gegenteil. Kreatives Arbeiten kann als ein allgemein „wertvolles menschliches Potenzial“, das allen Individuen innewohnt, beschrieben werden, sodass auch Menschen mit geistiger Behinderung inkludiert sind und somit zu kreativen Aktivitäten fähig sind (Theunissen, 2004).
In der vorliegenden Hausarbeit möchte ich vor allem den Zusammenhang zwischen dem bildnerischen Gestalten bzw. dem kreativen Arbeiten im Allgemeinen und der Identitäts- sowie Selbstkonzeptentwicklung von Schüler*innen mit einer geistigen Behinderung betrachten. Den Impuls zur Wahl dieser Thematik bekam ich aus der gedanklichen Reflexion des Kunstunterrichts an einer Schule für Schüler*innen mit geistiger Behinderung während meines Praktikums. Schon damals fragte ich mich, was die Kunst und das kreative Arbeiten im Unterricht in den Schüler*innen auslöste bzw. inwieweit sie sich dadurch entwickeln oder verändern konnten. Beginnend werde ich den Einfluss bildnerischen Gestaltens mittels wissenschaftlicher Quellen belegen und im Anschluss daran eigene Ideen und Möglichkeiten der Umsetzung im Unterricht darstellen. In diesem Zusammenhang habe ich mich dazu entschieden noch einmal gesondert auf die Gestaltung von Selbstporträts einzugehen, da sie für mich intuitiv mit den Begriffen „Identität“ und „Selbstbild“ verbunden sind und wahrscheinlich die direkteste Ausdrucksweise dessen darstellen.
II. Einfluss von Kreativität Auf Selbstkonzept und Identität von Menschen mit Geistiger Behinderung
Die Möglichkeit und Fähigkeit kreativ zu sein, kann als allgemein menschlich beschrieben werden (Schuppener, 2005). Bei diesem Zitat werden alle Menschen unabhängig von einer Behinderung gleichsam eingeschlossen.
Weiterhin bieten künstlerische Aktivitäten die Möglichkeit zur nonverbalen Verständigung mittels bildnerischer Darstellungen. Dadurch können vor allem Menschen mit einer geistigen Behinderung Selbstwirksamkeit und Selbsttätigkeit erfahren und erleben. Deshalb können bildnerische Mitteilungen auch als ein „nach außen sichtbar werdendes inneres Selbstgespräch“ bezeichnet werden (Schuppener, 2005, S.139). Besonders in der praktischen Arbeit mit Schüler*innen mit einer geistigen Behinderung, die möglicherweise in ihren Kommunikations- und Mitteilungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, ermöglicht das künstlerische Arbeiten eine alternative Methode der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und des Ausdrucks eigener Gefühle, Wünsche und Empfindungen (Schuppener, 2005).
Dies wird dadurch begünstigt, dass Kunst oft aus einem inneren Antrieb erschaffen wird und somit als persönliche Ausdrucksform angesehen werden kann (Schuppener, 2005). Deshalb ist es in diesem Zusammenhang wichtig, dass die Lehrkraft den Schüler*innen ausreichend Freiraum lässt und niemanden zu künstlerischen Aktivitäten zwingt oder drängt. Die Schüler*innen sollten stets die Wahl zwischen verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten, Aufgaben und Themen haben, um aus persönlichem Interesse und eigener Motivation handeln zu können. In diesem Kontext hat Kreativität weiterhin den Sinn, dass die Notwendigkeit der Loslösung von fremdgeplanten Aufgaben für die Entwicklung der eigenen Identität deutlich sichtbar wird (Theunissen, 2006). Schon allein durch die selbstständige Wahl von Aufgaben, Materialien und Motiven kann das Selbsterleben gestärkt werden. Aufgrund dessen sollten Lehrkräfte „möglichst viele Bereiche und Räume für kreatives Handeln schaffen, um das Potenzial kreativen Wirkens im Hinblick auf das eigene Identitätserleben nutzbar zu machen“ (Theunissen, 2006, S.68). Auf der Tatsache, dass kreative Handlungen aus dem Inneren eines Menschen entspringen, basiert die Annahme über den Zusammenhang zwischen Identität und Kreativität, da folglich auch von einem großen Einfluss der Kunst auf das Innere der jeweiligen künstlerisch arbeitenden Person auszugehen ist (Schuppener, 2005). Weiterhin umfasst Kreativität viele Variablen und Faktoren, die für das bewusste Erleben der eigenen Identität relevant sind, da Kreativität intra- und interindividuelle Erfahrungen miteinander kombiniert und in Verbindung bringt. Dabei sollte für die Selbstbildentwicklung, Kunst vorrangig als Form des Selbstausdrucks gesehen werden, welche die Entstehung einer Ich-Identität begünstigen kann (Theunissen, 2006).
Kreatives Arbeiten kann die Individualität der einzelnen Schüler*innen unterstreichen. Deshalb sollte innerhalb des Unterrichts auf wertende Vergleiche zwischen den Arbeitsergebnissen und künstlerischen Fähigkeiten verzichtet werden (Theunissen, 2006). Nur so können die Schüler*innen Selbstbewusstsein und Stolz für ihre eigenen künstlerischen Arbeiten entwickeln und diese Gefühle auf ihr eigenes Selbstbild übertragen. Weiterhin kommt in diesem Zusammenhang auch der sozialen Umwelt eine wichtige Rolle zu. Die Schüler*innen bzw. Kunstschaffende im Allgemeinen sind auf soziales Feedback angewiesen (Kirchner, 2014). Dies kann im Anschluss an Gestaltungsphasen in Form von Gesprächen stattfinden, welche der bewussten Auseinandersetzung mit dem Erlebten dienen, die dann in Formen von Selbstreflexion oder Selbstdistanzierung resultieren (Theunissen, 2004). Wenn den Schüler*innen Anerkennung und Würdigung entgegengebracht werden, hat dies erhebliche Einflüsse auf das Selbstvertrauen und die Ich-Stärke. Somit hat die Kunst auch in diesem Kontext eine identitätsstiftende Funktion (Schuppener, 2005).
Zusammenfassend kann dargestellt werden, dass das bildnerische und kreative Gestalten das Handlungsspektrum der Schüler*innen erweitern kann und somit neue intraindividuelle Prozesse zur Auseinandersetzung mit dem Selbst angeregt werden können. Weiterhin besteht die identitätsbildende Wirkung auch darin, dass durch das künstlerische Gestalten die Autonomie der Menschen mit geistiger Behinderung gestärkt werden kann. Daraus folgt, dass diese dann ein differenziertes Bewusstsein für das eigene Ich entwickeln, was wiederrum ein besseres Lebensgefühl bewirkt (Theunissen, 2006). Weiterhin trägt diese entdeckte Autonomie auch dazu bei, dass übergeordnete Ziele wie Teilhabe an der Gesellschaft und Selbstbestimmung leichter erreicht werden können (Schuppener, 2005).
III. Identitätsfördernde Elemente im Kunstunterricht
Der Kunstunterricht an sich hat eine kreativitätsfördernde Aufgabe und soll die Schüler*innen zu einem phantasievollen Gestalten unter Nutzung verschiedener Techniken ermuntern. Der Unterricht sollte vor allem im Bereich der geistigen Entwicklung eine Selbst- und Welterfahrung ermöglichen, die die Schüler*innen vor allem Freude erleben lassen sollen. Weiterhin wird im Rahmenlehrplan verankert, dass durch das künstlerische Arbeiten neben alltäglichen Erfahrungen auch emotionale und persönliche Befinden verarbeitet und ausgedrückt werden können (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung, 2003).
Rahmengebend und zentral ist die Schaffung einer Umgebung im Kunstunterricht, die kreative Leistungen fördert. Wichtig ist, dass innerhalb der Klasse eine vertrauensvolle Atmosphäre hergestellt wird, in der offene Gespräche geführt werden können, bei denen kein Kind Angst vor abwertender und unsachlicher Kritik haben sollte. Weiterhin ist die Aktivierung von Neugier und intrinsischer Motivation, sowie die Schaffung von kreativen Freiräumen von großer Bedeutung (Preiser, 2019). Man sollte den Schüler*innen die Möglichkeiten bieten sich selbst mit verschiedenen Materialien auszuprobieren und auch scheinbar ungewöhnliche Ansätze und Herangehensweisen schätzen und akzeptieren. Dies ist meiner Meinung nach vor allem im Bereich „geistige Entwicklung“ elementar, da die Schüler*innen möglicherweise Aufgaben und Anregungen anders bearbeiten und gestalten als erwartet. Es ist Aufgabe der Lehrkraft für alle künstlerischen Prozesse und Aktivitäten offen zu sein (Haager, 2019). Jede Lehrkraft sollte den Schüler*innen umfangreiche sinnliche Erfahrungen im Kunstunterricht ermöglichen, welche die Selbsttätigkeit fördern und so ihre Selbstwirksamkeit erhöhen. Dabei sollte möglichst auf die heterogenen Voraussetzungen der Schüler*innen eingegangen werden (Wilsmann, 2019).
Weiterhin bestehen verschiedene Faktoren, die das kreative Arbeiten der Schüler*innen im Unterricht beeinflussen können. Die „pädagogisch-sozialen Faktoren“ beschreiben Einflüsse, die von der Unterstützung und Betreuung durch Lehrkräfte und andere Personen ausgehen. Dieser Bereich umfasst somit auch die Lehrer*innenpersönlichkeit und die daraus resultierende Haltung gegenüber Kunst und Kreativität. Des Weiteren üben auch „intrapersonale“ Faktoren einen großen Einfluss auf die Kreativität aus. So spielen kognitive, emotionale und individuelle Prozesse eine bedeutende Rolle (Haager, 2019). Besonders im Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ sind diese intrapersonalen Faktoren innerhalb der Klasse bzw. der Lerngruppe sehr heterogen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Schüler*innen nicht alle verbal ausdrücken können, wie ihr spezifisches Empfinden ist und welche künstlerischen Tätigkeiten eine intrinsische Motivation oder ein Interesse erwecken. Deshalb ist es in diesem Zusammenhang noch wichtiger auf nonverbale Kommunikationszeichen zu achten. Die Strukturierung und Herstellung eines förderlichen Lernortes ist Hauptbestandteil der „physikalischen Faktoren“. Dabei geht es darum möglichst kreativitätsfördernde Rahmendbedingungen herzustellen. Dies kann beispielsweise durch die Nutzung unterschiedlicher Orte und die Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten geschehen. Weiterhin ist es wichtig genügend Zeit zur Entfaltung der eigenen Kreativität und eigener Assoziationen zum Thema einzuräumen (Haager, 2019). Kreatives Arbeiten bietet eine Möglichkeit zur konstruktiven Auseinandersetzung und Bearbeitung von individuellen Problemen. Besonders für Schüler*innen in eher instabilen Lebenssituationen kann sich das künstlerische Betätigen vorteilhaft auswirken (Schuppener, 2005).
Der Kunstunterricht sollte einen Raum eröffnen, der mittels künstlerischen Gestaltens die Möglichkeit bietet, das eigene Selbst aktiv zu verorten. Dies kann wiederrum die Integrität der einzelnen Person und deren Identitätsentwicklung stärken. Besonders identitätsbildend ist der Aspekt, dass die Schüler*innen durch das eigene Gestalten etwas erschaffen und hervorbringen, wodurch Selbstwirksamkeit und Ich-Stärke entwickelt werden. Oft ist jenes auch mit Gefühlen wie Stolz und Freude verbunden. Diese Gefühle sollten von der jeweiligen Lehrkraft aufgegriffen, verstärkt und in die Lerngruppe getragen werden. Gefördert werden kann jenes durch die Ausstellung der künstlerischen Ergebnisse aller Schüler*innen im Schulhaus oder Klassenraum. Dabei bietet der Kunstunterricht „einen geschützten Raum, um im Kontext bestimmter Aufgabenstellungen die eigenen Lebensentwürfe und Rollenerwartungen bewusst zu machen und zu reflektieren“ (Kirchner, 2014, S.510). Diesen geschützten Raum gilt es als Lehrkraft zu erhalten, sodass sich alle Schüler*innen je nach Vorlieben und Interessen frei entfalten und ausprobieren können. Denn die kreativen Produkte und Persönlichkeiten der Schüler*innen können als eine Art Spiegel der eigenen Wahrnehmung fungieren.
3.1 Auseinandersetzung mit dem Selbstporträt
Das Selbstporträt als Darstellungs- und Repräsentationsform der eigenen Identität ist die wohl direkteste und unmittelbarste künstlerische Darstellung dieser. Das Selbstporträt hat neben anderen Bildgattungen seinen eigenen festen Platz im komplexen System der Kunst (Scholz, 2012). Unterschiedliche Untersuchungen, die kreative und künstlerische Menschen mit geistiger Behinderung befragten, kamen zu dem Ergebnis, dass jene Aktivitäten präferieren, die es ihnen ermöglichen, ihr Selbst und ihre Identität künstlerisch auszudrücken. Das bedeutet beispielsweise, dass sie sich lieber selbst zeichneten als vorgegebene Motive auszumalen (Schuppener, 2005).
„Von Selbstdarstellungen in Form eines Bildes geht eine gewisse grundlegende Faszination aus“ (Schuppener, 2005, S.140). Besonders bei Menschen mit geistiger Behinderung können Selbstporträts als relevante Dokumente ihrer Persönlichkeit und Identität gesehen werden. Diese Relevanz wird in Bezug auf mögliche Beeinträchtigungen auf sprachlicher Ebene erweitert. Kunst ist in diesem Zusammenhang als ein Mittel der nonverbalen Kommunikation anzusehen und nimmt somit in der Persönlichkeitsentwicklung eine wichtige Rolle ein (Schuppener, 2005). So kann die Darstellung mittels Selbstporträt auch dazu genutzt werden, dass sich die Schüler*innen einer Klasse besser kennenlernen und Verständnis und Akzeptanz für ihre Mitmenschen entwickeln können (Schoppe, 2017).
Das Selbstporträt kann dabei auf ganz unterschiedliche Weisen, je nach individuellen Kompetenzen, zum Unterrichtsgegenstand werden. Neben dem klassischen Zeichnen und Malen des eigenen Ichs mit verschiedenen Mitteln und Werkzeugen, kann dies auch in der plastischen Gestaltung mit Ton oder auch Knete umgesetzt werden. Besonders an den plastischen Verfahren ist, dass die Schüler*innen die Formen spüren und dadurch auch einen direkten Bezug zum eigenen Körpergefühl und den Formen erhalten. Weiterhin können auch Fotografien (besonders Porträtfotos) eine Auseinandersetzung mit der Selbstdarstellung widerspiegeln. Eine weitere Möglichkeit bietet die Arbeit mit Spiegeln. In diesen können die Schüler*innen ihr Gesicht und dessen Proportionen erforschen, es in verschiedenen Lichtverhältnissen kennenlernen und unterschiedliche Gesichtsausdrücke und die damit verbundene Veränderung der Mimik erproben und vergleichen (Schoppe, 2017). Das künstlerische Gestalten könnte in diesem Kontext auch direkt auf die Spiegelfläche übertragen werden. So könnten die Schüler*innen beispielsweise ihre Gesichtskonturen mit ihren Fingern und Farbe auf dem Spiegel nachfahren.
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- Citation du texte
- Anonyme,, 2021, Selbstkonzept und Identitätsentwicklung von Schüler*innen mit geistiger Behinderung. Einfluss bildnerischen Gestaltens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1301514
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