Die Masterthesis befasst sich zum einen mit digitaler und gesundheitsfördernder Führung, zum anderen mit der Ableitung unterstützender Führungs- und sogenannter Collaboration-Tools, die im Rahmen digitaler, gesundheitsfördernder Führung zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken im Homeoffice eingesetzt werden können. Als Führung wird in dieser Arbeit die direkte personale Führung untersucht.
Die wissenschaftliche Fragestellung lautet: Gesundheitliche Risiken im Homeoffice - Wie kann eine gesundheitsfördernde Führung digital gestaltet werden? Für die Beantwortung der Forschungsfrage sollen mittels einer explorativen Literaturrecherche verfügbare internationale wissenschaftliche Erkenntnisse und arbeitsweltbezogene Forschungsergebnisse zu Risiken im Homeoffice, gesunder und digitaler Führung sowie damit im Zusammenhang stehenden digitalen Tools analysiert und verknüpft werden.
Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurde der digitale Transformationsprozess in Europa als auch weiten Teilen der Welt beschleunigt. Die Arbeit im Homeoffice hat sich zu einer neuen Normalität entwickelt. Homeoffice bedeutet in Abgrenzung zur Telearbeit die gelegentliche Arbeit von zu Hause. Der Beschäftigte verfügt weiterhin über einen Büroarbeitsplatz.
Eine Folge des gesteigerten Einsatzes von digitalen Technologien im Homeoffice als auch im Büro ist die Zunahme von wissensbasierten Tätigkeiten der Beschäftigten und die Veränderung der geforderten Kompetenzen. Rückfragen zum Umgang mit neuen Technologien gestalten sich im Büro einfacher, da die Hilfe vor Ort schneller zur Verfügung steht. Die Arbeit im Homeoffice erfordert von dem Beschäftigen ein selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Arbeiten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Vorgehensweise
2 Gesundheitliche Risiken im Homeoffice
2.1 Homeoffice
2.2 Gesundheitliche Risiken im Homeoffice
2.2.1 Arbeitsumgebung
2.2.2 Soziale Isolation
2.2.3 Verhaltensrisiken
3 Gesundheitsförderung
3.1 Begriffsdefinition
3.2 Betriebliche Gesundheitsförderung
3.2.1 Verhaltensprävention
3.2.2 Verhältnisprävention
3.3 Modelle zur Gesundheitsförderung
3.3.1 Salutogenese Modell
3.3.2 Anforderungs-Ressourcen Modell
3.3.3 Anforderungs-Kontroll Modell
4 Führung
4.1 Begriffsdefinition
4.2 Gesundheitsfördernde Führung
4.3 Digitale Führung
4.4 Führungsstile
4.4.1 Klassische Führungsstile
4.4.2 Moderne Führungsstile
4.4.3 Digitale Führung
4.5 Führungstechniken
4.5.1 Management by Delegation
4.5.2 Management by Objectives
4.5.3 Management by Exeption
4.5.4 Gesundheitsförderndes Führungskonzept
4.6 Führungskompetenzen
4.6.1 persönliche Füheungskompetenzen
4.6.2 soziale Führungskompetenzen
4.6.3 Methodenkompetenz
4.6.4 digitale Führungskompetenzen
5 Digitale Tools"
5.1 Digitale Führungstools
5.1.1 Führungstools zur Vernetzung
5.1.2 Führungstools zur Förderung der Offenheit
5.1.3 Führungstools zur Förderung der Partizipation
5.1.4 Führungstools zur Förderung der Agilität
5.2 Collaborations- Tools
5.2.1 Software zur Kommunikation und Zusammenarbeit
5.2.2 Software zur Aufgaben- und Vorgangsverfolgung und Wissensdokumentation
6 Einsatz digitaler Methoden und Tools für Risiken im Homeoffice im Rahmen von digitaler gesundheitsfördernder Führung
6.1 Arbeitsumgebung
6.2 Psychosoziale Risiken
6.3 Verhaltenrisiken
7 Fazit
8 Literaturverzeichnis
9 Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Die Digitalisierung der Arbeit ermöglicht die zeitliche, räumliche und organisatorische Flexibilisierung sowie die Beschleunigung von Arbeitsprozessen. Sie wirkt sich auf Arbeitsgestaltung, die Arbeitsumgebung, die Arbeitsorganisation, das Führungsverhalten, die Unternehmenskultur und die Kommunikation aus (Vgl. Hasselmann, 2018, p. 57).
Um wettbewerbsfähig zu bleiben sind Unternehmen und deren Führungskräfte gezwungen sich zu verändern und digitale Technologien zu nutzen, auch um den oben genannten Veränderungen angemessen zu begegnen. Diese Technologien ermöglichen es Führungskräften und Beschäftigten, räumlich unabhängig zu arbeiten, aber dennoch schnell Zugriff auf dieselben Informationen zu haben.
Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurde der digitale Transformationsprozess in Europa als auch weiten Teilen der Welt beschleunigt. Die Arbeit im Homeoffice hat sich zu einer neuen Normalität entwickelt. Homeoffice bedeutet in Abgrenzung zur Telearbeit die gelegentliche Arbeit von zu Hause. Der Beschäftigte verfügt weiterhin über einen Büroarbeitsplatz.
Eine Folge des gesteigerten Einsatzes von digitalen Technologien im Homeoffice als auch im Büro ist die Zunahme von wissensbasierten Tätigkeiten der Beschäftigten und die Veränderung der geforderten Kompetenzen. Rückfragen zum Umgang mit neuen Technologien gestalten sich im Büro einfacher, da die Hilfe vor Ort schneller zur Verfügung steht. Die Arbeit im Homeoffice erfordert von dem Beschäftigen ein selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Arbeiten.
Das Arbeiten im Homeoffice birgt viele Chancen, kann jedoch zu einer Beeinträchtigung der geistigen und/oder körperlichen Gesundheit der Beschäftigten führen. Verschiedene Studien belegen, dass mangelnde Kommunikationsmöglichkeiten unter den Beschäftigten und die Gefahr von Arbeitszeit-Entgrenzung und -Überlastung zu den gesundheitsgefährdenden Risiken zählen (Vgl. Lengen et al., 2020).
Die Vermischung von Privatleben und Arbeit, die unzureichende Ausstattung im Homeoffice und die soziale Isolation zählen zu den gesundheitlichen Risiken. Im Falle individueller Unterstützung durch Führungskräfte können diese Risiken nachweislich reduziert werden (Vgl. ‘Pressemitteilung_Langzeitstudie_Arbeiten_im_Homeoffice.pdf’, 12.11.2020).
Führungskräfte müssen sich heute in immer kürzeren Abständen den Umgang mit neuen Technologien aneignen. Sie müssen in der Lage sein, Inhalte medial zu vermitteln und über eine Distanz mit einer zunehmend heterogenen Gruppe von Beschäftigten zusammenzuarbeiten. Dabei ist es wichtig, dass sie Generations- und Kulturunterschiede im Umgang mit den Technologien berücksichtigen. Durch die Führungskraft werden Arbeitsabläufe und das soziale Miteinander in Unternehmen bestimmt und beeinflusst. Sie gestaltet den Wandel und wird somit zu einem zentralen Einflussfaktor auf das Stressgeschehen (Vgl. Bregenzer and Jimenez, 2021).
Die Führungsspanne, welche die Anzahl der einer Instanz (Führung) unmittelbar zugeordneten Stellen beschreibt, sollte klein genug sein, um zu führen und groß genug sein, um die Mitarbeiter eigenverantwortlich arbeiten zu lassen. Die optimale Führungsspanne (1/10 oder 1/25) ist einzelfallabhängig und hängt von der Führungskapazität als auch der Führungsbelastung ab (Vgl. Schewe, 2021). Je mehr Fachaufgaben von der Führung zu erledigen sind, desto geringer sollte die Führungsspanne sein.
Die digitale Transformation erfordert eine andere Art von Führung, die als E-Leadership oder auch Digital Leadership bezeichnet wird und die Entwicklung unterschiedlicher Fähigkeiten zur Verbesserung der organisatorischen Funktionsweise in virtuellen und Remote-Arbeitsumgebungen beinhaltet. In Abhängigkeit der Aufgaben, ändert sich die Führungsspanne. Durch die digitale Führung ändern sich die Anforderungen und Voraussetzungen hinsichtlich der Führungsspanne (Vgl. Frieling, 2012, p. 647).
Bereits in den 90er Jahren stand der Zusammenhang zwischen der Gesundheit von Beschäftigten und der Führung im Fokus von wissenschaftlichen Untersuchungen. Eine Reihe von Studien zeigt positive Zusammenhänge zwischen gesunder Führung und der Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten. Gesundheitsfördernde Führung wird als das explizite Engagement der Führungskraft für die Gesundheit der Beschäftigten betrachtet. Eine gesunde Führung zeigt sich dadurch, dass die Führungskraft versucht, Arbeitsbelastungen wie beispielsweise Zeitdruck, formelle Hindernisse oder Umgebungsbelastungen durch Einflussnahme auf die Arbeitsorganisation und die Arbeitsumgebung zu reduzieren (Vgl. Gurt, Schwennen, & Elke, 2011).
1.1 Fragestellung
Die Masterthesis zum Thema digitale Führung ist dem Gegenstandsbereich der gesundheitsfördernden Führung zuzuordnen. Sie befasst sich zum einen mit digitaler und gesundheitsfördernder Führung, zum anderen mit der Ableitung unterstützender Führungs- und so genannter Collaboration-Tools, die im Rahmen digitaler gesundheitsfördernder Führung zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken im Homeoffice eingesetzt werden können. Als Führung wird in dieser Arbeit die direkte personale Führung untersucht.
Die wissenschaftliche Fragestellung lautet: „Gesundheitliche Risiken im Homeoffice - Wie kann eine gesundheitsfördernde Führung digital gestaltet werden?“
1.2 Vorgehensweise
Für die Beantwortung der Forschungsfrage sollen mittels einer explorativen Literaturrecherche verfügbare internationale wissenschaftliche Erkenntnisse und arbeitsweltbezogene Forschungsergebnisse zu Risiken im Homeoffice, gesunder und digitaler Führung sowie damit im Zusammenhang stehenden digitalen Tools analysiert und verknüpft werden.
Als erstes werden die Auswirkungen der Tätigkeit im Homeoffice auf die geistige und körperliche Gesundheit von Beschäftigten anhand aktueller Studien untersucht.
Anschließend wird die Gesundheitsförderung näher beleuchtet. Dazu werden verschiedene Gesundheitsförderungsmodelle und die betriebliche Gesundheitsförderung vertiefend dargestellt.
Darauffolgend wird eine Auswahl von Führungsstilen, Führungstechniken und Führungskompetenzen für die direkte personale Führung in den Kontext der oben genannten Untersuchungen gesetzt.
Danach werden digitale Tools (Werkzeuge) vorgestellt. Bei den digitalen Tools werden die Bereiche digitale Führung und Collaboration untersucht.
Zum Abschluss wird herausgearbeitet, welche Art der direkten personalen Führung im Hinblick auf den Führungsstil, die Führungskompetenz und die Führungstechnik zur Vermeidung der gesundheitlichen Risiken im Homeoffice eingesetzt werden sollte und welche digitalen Führungs- und Collaboration-Tools unterstützend herangezogen werden können.
2 Gesundheitliche Risiken im Homeoffice
In diesem Kapitel wird die Entwicklung vom Büroarbeitsplatz zum Homeoffice zunächst näher erläutert und abgegrenzt. Anschließend werden anhand aktueller Forschungsergebnisse die gesundheitlichen Risiken im Homeoffice strukturiert dargestellt.
2.1 Homeoffice
Durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) wurde der Arbeits- und Lebensalltag des 21. Jahrhunderts revolutioniert. In der heutigen Zeit wird die Büro- und Wissensarbeit durch das Internet unterstützt und kann von praktisch jedem Ort und zu jeder Zeit durchgeführt werden. Homeoffice ist die Arbeitsorganisation durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien, die es den Führungskräften und Beschäftigten ermöglicht, von entfernten Standorten auf ihre Arbeitsmittel und -umgebung zuzugreifen (Vgl. Pérez Pérez et al., 2005). Diese neue räumliche Unabhängigkeit hat die Rolle der Technologie in der Arbeitsumgebung verändert und bietet sowohl neue Möglichkeiten als auch neue Herausforderungen (Vgl. Llave and Messenger, 2018).
Bereits in den 1970er und 1980er Jahren befasste sich die Forschung mit der räumlichen Trennung der Arbeit vom Standort des Arbeitgebers. Zu den damaligen Visionären zählten Jack Nilles und Alvin Toffler, die voraussagten, dass die Arbeit der Zukunft mit Hilfe moderner Technologien in die Nähe (Privaträume) der Beschäftigten verlagert werden würde. In seiner Analyse zur wachsenden Informationsindustrie im US Bundesstaat Kalifornien aus dem Jahr 1975 erwartete Jack Nilles eine verstärkte Nutzung der Telekommunikation durch Organisationen der Informationsindustrie, insbesondere von Telefonkonferenzen, die durch regelmäßige persönliche Treffen ergänzt werden (Vgl. Nilles, 1975).
Unternehmen erkannten in den 1970er Jahren, dass die Einführung von Homeoffice zur Lösung von Personalproblemen eingesetzt werden kann. Unternehmen wie die Control Data Corporation und IBM begannen, Vereinbarungen für das Arbeiten im Homeoffice zu untersuchen, um Computerprogrammierer zu rekrutieren und einzustellen, die stark nachgefragt, aber knapp waren (Vgl. Allen, Golden and Shockley, 2015).
In seinem 1983 veröffentlichten Buch „the third wave: the classic study of tomorrow“ sagte Alvin Toffler voraus, dass Millionen von Arbeitsplätzen aus den Fabriken und Büros in das Zuhause verlagert werden. Er sah neben der Reduzierung von Pendelzeit und -kosten die Potentiale von Homeoffice in der Vergrößerung der Stabilität der Gemeinschaft, der geringeren Umweltverschmutzung, dem Aufbau neuer Industrien und neuer Familienstrukturen (Vgl. Toffler, 1983, p. 210).
Die Entwicklung von Homeoffice von den 1970er Jahren bis heute wird in die drei Generationen Homeoffice, Mobile Office und Virtual Office unterteilt. Jeder Generation werden dabei die drei Schlüsselelemente Organisation, Standort und Technologie zugeordnet.
Die erste Generation umfasst den Einsatz fester Computer und Telefone, also stationärer Information- und Kommunikationstechnik in oder in der Nähe der Wohnung des Beschäftigten als vollständigem Ersatz für die traditionelle Büroarbeit.
Die zweite Generation umfasst eine Arbeitsgestaltung, in der ein Teil der Gesamtarbeitszeit beim Arbeitgeber durch Homeoffice ersetzt wird. Neben dem festen Computer werden Laptops und Mobiltelefone eingesetzt. Die Arbeitszeit wird flexibler gestaltet und kann sowohl an Abenden und am Wochenende durchgeführt werden. Neben dem Raum zu Hause sind charakteristische Räume der zweiten Generation Orte, an denen mit Hilfe von IKT regelmäßig gearbeitet werden kann (z. B. Cafés, Flughäfen, Züge). Diese Orte werden auch dritte Räume genannt.
In der dritten Generation von Homeoffice kommen die sogenannten Zwischenräume dazu. Die Zwischenräume liegen zwischen den Räumlichkeiten des Arbeitgebers, dritten Räumen und den Wohnungen der Arbeitnehmer. Die Tätigkeiten in den Zwischenräumen werden durch die Verschmelzung von Informations- und Kommunikationstechnik und den Fernzugriff auf Informationen ermöglicht. Die typische Organisationsform ist in diesem Fall die gelegentliche Nutzung von Homeoffice (Vgl. Messenger and Gschwind, 2016a).
Der Lebensalltag des 21. Jahrhunderts hat sich durch die neuen Informations- und Kommunikationsveränderungen sehr verändert. Auf der einen Seite ermöglichen die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien den ständigen Kontakt zu Familie, Freunden, Vorgesetzten und Arbeitskollegen/-innen. Auf der anderen Seite greift durch die ständige Erreichbarkeit die bezahlte Arbeit zunehmend in den Raum und die Zeit ein, welche normalerweise dem privaten Leben zuzuordnen ist. Die räumliche Unabhängigkeit verändert die Rolle der Technologie in der Arbeitsumgebung und stellt die Beschäftigten vor neue Herausforderungen (Vgl. Messenger and Gschwind, 2016b).
Die Voraussetzungen für Homeoffice ändern sich in vielen Branchen. In der Vergangenheit war Homeoffice ein Privileg für hochqualifizierte Arbeitnehmer/-innen mit autonomen, kreativen und flexiblen Arbeitsaufgaben (Vgl. Thulin, Vilhelmson and Johansson, 2019).
Eine repräsentative Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler- Stiftung ergab, dass vor der Corona Krise nur 17 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland gelegentlich, überwiegend oder ausschließlich von zu Hause arbeiteten. In der Pandemie ist dieser Anteil deutlich gestiegen. Ende Januar 2021 lag die Quote bei 38 Prozent und im April 2020 lag die Quote mit 44 Prozent sogar noch ein wenig höher (Vgl. So klappt gute Arbeit im Homeoffice: freiwillig und mit fairen Regeln – Betriebsvereinbarungen schaffen Verbindlichkeit, 2021).
Auch Arbeitnehmer/-innen mit relativer Routine und Schreibtisch-Aufgaben haben heute zunehmend die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde Homeoffice in Organisationen und Berufen eingeführt, in denen es bisher als unmöglich galt. Es wird erwartet, dass die Arbeit von zu Hause auch nach der Pandemie in vielen Branchen fortgeführt wird. Sowohl politische Entscheidungsträger als auch Wissenschaftler haben erkannt, dass Homeoffice zu einer besseren Work-Home-Balance beitragen kann und zu einer Verminderung der Umweltverschmutzung durch die Vermeidung von Verkehrsstaus führt (Vgl. Vander Elst, Verhoogen and Godderis, 2020).
Durch das Fehlen des täglichen Pendelns zwischen Arbeitsplatz und Wohnung verringern sich jedoch auch körperliche Aktivitäten. Die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer/-innen kann außerdem durch berufs- und familiäre Faktoren beeinträchtigt werden (Vgl. Kawada, 2020).
Trotz der erheblichen Vorteile für Betriebe und Beschäftigte, welche in der nachfolgenden Tabelle dargestellt werden, birgt die Arbeit im Homeoffice auch gesundheitliche Risiken, welche von Führungskräften erkannt und mit entsprechenden Maßnahmen reduziert werden sollten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Positive Erfahrungen von Betrieben und Beschäftigten im Homeoffice Quelle: IAB-Betriebspanel 2018 (N=5.196) und Linked Personnel Panel (LPP)-Beschäftigtenbefragung 2015
2.2 Gesundheitliche Risiken im Homeoffice
Die gesundheitlichen Risiken im Homeoffice können nach aktuellen Forschungsergebnissen auf drei Risikobereiche verteilt werden. Der erste Bereich umfasst die Arbeitsumgebung zu Hause, der zweite bezieht sich auf psychosozialen Risiken und der dritte Bereich beinhaltet die Verhaltensrisiken. Im weiteren Verlauf wird auf diese drei Risikobereiche näher eingegangen.
2.2.1 Arbeitsumgebung
Im Bereich der Arbeitsumgebung kann die Art der Unterbringung im Hinblick auf Brand- und Rutschgefahr, Stolper- und Sturzgefahr oder schlechte Temperaturbedingungen zur Beeinträchtigung der Gesundheit führen. Auch die falsche ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes kann z.B. zu Muskel-Skelett-Erkrankungen führen (Vgl. Bouziri et al., 2020a).
Im Homeoffice sitzt man meist deutlich länger an einem Platz als im Büro. Das kann zu schmerzhaften Verspannungen und Rückenschmerzen führen (Vgl. Landes et al., 2021a). Im Büro bewegt man sich zu Meetings, in die Teeküche oder zum Kopierer. Diese Art von Unterbrechungen und Bewegungseinheiten fehlen im Homeoffice.
Obwohl Bildschirmarbeitsplätze tendenziell als belastungsarm eingestuft werden, treten häufig Beschwerden am Bewegungsapparat auf - insbesondere im Nacken- und Rückenbereich. Dies wird auf Faktoren wie eine einseitige und starre Körperhaltung, auf Bewegungsmangel oder unzureichende Arbeitsmittel zurückgeführt.
Außer dem langen Sitzen ist die Schädigung des Muskel-Skelettapparats Folge einer nicht richtig eingestellten Ergonomie am Arbeitsplatz. Sowohl im Büro als auch im Homeoffice sollten der Bürostuhl, der Schreibtisch und der Bildschirm so aufeinander abgestimmt sein, dass eine aufrechte Sitzhaltung gewährleistet ist.
Neben den gesundheitlichen Risiken für den Muskel-Skelettapparat sind die Augen und das Gehör die am häufigsten beanspruchten Sinnesorganen im Homeoffice. An die Augen und das Sehvermögen von Beschäftigten an Bildschirmarbeitsplätzen werden hohe Anforderungen gestellt. Brennende, tränende und juckende Augen sowie Kopfschmerzen und eine Beeinträchtigung des Sehvermögens können die Folge sein (Vgl. Die Techniker - Firmenkunden, 2021). Die Arbeit am Bildschirm erfolgt zwar auch im Büro, allerdings ist die Belastung durch das längere Sitzen vor dem Bildschirm im Homeoffice erhöht.
Eine erhöhte Lärmbelastung am Arbeitsplatz wirkt sich negativ auf die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten aus. Die Folge sind eine verminderte Konzentration, wodurch die Fehlerquote erhöht und die Arbeitsgeschwindigkeit gesenkt wird. Demzufolge sollte der Lärmpegel bei geistiger Tätigkeit so gering wie möglich gehalten werden (Vgl. Lee et al., 2016). Im Homeoffice kann der Lärmpegel bspw. durch die Nachbarschaft oder Familienangehörige entstehen.
Seit Dezember 2016 gelten die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung zur Gefährdungsbeurteilung sowie die eingeführten Regelungen der Bildschirmarbeitsverordnung auch für das Homeoffice und sind daher entsprechend von den Arbeitgebern zu beachten. Sie dienen der Gesundheit der eigenen Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben der Arbeitsumgebung. Bei der Gefährdungsbeurteilung muss der Arbeitgeber die physischen und psychischen Belastungen durch störende Geräusche, ergonomische Mängel und die Belastungen an Bildschirmarbeitsplätzen prüfen. (Vgl. ‘Arbeitsstättenverordnung’, 2016).
Die Risiken der Arbeitsumgebung im Homeoffice konzentrieren sich gemäß den aktuellen Forschungsergebnissen zusammengefasst auf die Lärmbelästigung, die Belastung der Augen und die Ergonomie. Diese Risiken sind von der Führungskraft zu berücksichtigen und sollten möglichst vermieden werden. Der Arbeitsplatz sollte so belastungsarm wie möglich gestaltet werden.
2.2.2 Soziale Isolation
Die psychosozialen Risiken beziehen sich vor allem auf die soziale Isolation und die Verwischung der Grenzen zwischen Beruf und Privatzeit (Vgl. Bouziri et al., 2020a).
Die soziale Isolation wird im Kontext Homeoffice als Ergebnis eines Missverhältnisses zwischen Person und Umgebung angesehen, welches auf unzureichende oder ineffektive Unterstützung des Beschäftigten zurückzuführen ist. Diese unzureichende und ineffektive Unterstützung resultiert aus mangelnder Interaktion, falscher Aufgabenverteilung, unzureichendem Informationsfluss, straffen Zeitvorgaben, ständiger Erreichbarkeit, Unterbrechungen und Rollenkonflikten. Die Folgen sind eine zu hohe Arbeitsbelastung und Überarbeitung(Vgl. Tavares, 2017a).
Der Mangel an sozialer Interaktion kann im Homeoffice zu einem Gefühl der Isolation führen, was in der Regel zu einer verminderten Arbeitszufriedenheit und Leistungsbereitschaft führt. (Vgl. Cooper and Kurland, 2002). Beschäftigte, die vermehrt im Homeoffice arbeiten, neigen zu Demotivation, sozialer Isolation und weniger organisatorischem Engagement (Vgl. Filardi, Castro and Zanini, 2020).
Außerdem kann die räumliche Trennung durch Homeoffice die Aufgabenverteilung, welche durch die Führungskraft erfolgt, beeinträchtigen und den Informationsfluss behindern. Durch die fehlende Präsenz werden den Beschäftigten oft zu viele Aufgaben gestellt, die außerhalb ihrer verfügbaren Kapazitäten liegen (Vgl. Steidelmüller, Meyer and Müller, 2020).
Straffe zeitliche Vorgaben sowie lange Arbeitszeiten führen zu Überarbeitung. (Vgl. Tavares, 2017b).
Wenn sich die Stresssituationen häufen oder der Stress dauerhaft anhält, hat dies Auswirkungen auf die Gesundheit. Gesundheitliche Folgen sind Schlafstörungen, chronische Müdigkeit und Erschöpfung, innere Unruhe, Reizbarkeit und Lustlosigkeit, Herz-Kreislauf-Beschwerden wie Bluthochdruck, Verspannungen, Kopf- , Rücken- und Nackenschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden wie Völlegefühl, Verstopfung und Durchfall sowie Ohrgeräusche wie das Pochen des Herzens oder Tinnitus (Vgl. Landes et al., 2021b, p. 42).
Für Beschäftigte im Homeoffice kann außerdem der fehlende direkte und persönliche Austausch mit Kollegen und Kolleginnen und der Führungskraft vor Ort im Büro sehr belastend sein. Menschen sind eminent soziale Lebewesen, die nicht nur zufällig unter anderen Menschen leben, sondern das zwingende Bedürfnis haben, mit anderen Menschen zusammenzuleben (Vgl. Afonso, Fonseca and Teodoro, 2021). Je größer der Umfang der Tätigkeit im Homeoffice ist, umso weniger soziale Unterstützung erfahren sie durch ihre Kollegen und Kolleginnen, was wiederum zu einem höheren Risiko für Burnout und kognitive Stressbelastung führt.
Das Burnout (Ausgebrannt sein), welcher eine weitere Folge der sozialen Isolation sein kann, steht im Zusammenhang mit einer beruflichen Überlastung. Es ist die Folge einer anhaltenden Überlastungssituation im beruflichen Umfeld und führt in eine andauernde Erschöpfungssituation. Das Burnout kann im schlimmsten Fall zu einem völligen psychischen Zusammenbruch führen (Vgl. ‘tk-depressionsatlas-data.pdf’, 2015, p. 19).
Die mit dem Homeoffice verbundene physische und zeitliche Flexibilität kann es Beschäftigten ermöglichen, leichter zwischen Arbeits- und Familienrollen zu wechseln, sie kann jedoch auch zu Unterbrechungen und Ablenkungen zwischen den Rollen führen und somit Rollenkonflikte verstärken. Dadurch kann es zu einem Ungleichgewicht der Work-Life Balance kommen.
Man unterscheidet zwischen zeitbedingten, stressbedingten und verhaltensbedingten Konflikten. Stressbedingte Konflikte erschweren es den Beschäftigten sich mental von der Arbeit zu lösen. Bei zeitbedingten Konflikten können Beschäftigte aufgrund der zeitlichen Verpflichtungen ihres Berufs familiären Verpflichtungen nicht nachkommen. Verhaltensbedingte Konflikte entstehen, wenn Beschäftigte aufgrund von Arbeitsstress ihrer Familie gegenüber ungehalten sind (Vgl. Winkelhofer, 2005, p. 24).
Der Begriff Work-Life-Balance wird heutzutage zunehmend durch den Begriff Work Life Integration ersetzt. Dieser Begriff wurde vom Amazon Gründer Jeff Bezos ins Leben gerufen. Seiner Überzeugung nach sei das Streben nach einer Work Life Balance energierauben, da es eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit impliziert. Bei der Work Life Integration geht es darum ein optimales Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben zu schaffen. Das Ziel ist eine perfekte Symbiose zwischen den beiden Lebensbereichen zu kreieren, da sie sich nicht mehr klar voneinander trennen lassen. Durch Integration der Arbeit in das Privatleben soll ein Ausgleich geschaffen werden. Dies soll Beschäftigten erlauben in jeder Situation, sowohl privat als auch beruflich, immer auf dem neuesten Stand zu sein und dabei keinen dieser beiden Bereichen zu kurz kommen zu lassen (Vgl, Williams, Berdahl and Vandello, 2016). Aktuell liegen noch keine ausreichenden Studien über die Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten vor.
Die Konnektivität über technische Geräte schafft auch den Bedarf und das Bedürfnis, mehr Stunden zu arbeiten und E-Mails außerhalb der normalen Arbeitszeiten abzurufen (Bouziri et al., 2020a). Unscharfe Work-Life-Grenzen erschweren, sich mental von der Arbeit zu lösen, wodurch es zu einer Verstärkung von Stress und Angst kommen kann. (Vgl. Vander Elst, Verhoogen and Godderis, 2020). Homeoffice kann Beschäftigte dazu ermutigen, sich zu überarbeiten und zuzulassen, dass durch ihre Arbeit die Familienrolle verletzt wird (Vgl. Eddleston and Mulki, 2017).
All diese Faktoren können die Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen. Neben dem Burnout zählen zu den möglichen gesundheitlichen Folgen Stress und Depressionen.
Bei Stress schüttet der Körper Stresshormone aus, die das Herz-Kreislauf-System aktivieren, die Muskelanspannung steigern und die Atemfrequenz erhöhen. Wenn die Stresshormone nicht abgebaut werden, können Stresssymptome gefährlich werden. Chronischer Stress schwächt das Immunsystem und der Körper befindet sich in einem dauerhaften Anspannungs- und Aktivierungszustand, der die Gesundheit gefährden kann. Sofern die zur Lösung einer Aufgabe benötigten Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, kann negativer Stress entstehen.
Eine Depression ist eine psychische Störung, die durch Traurigkeit, Interesselosigkeit und Verlust an Genussfähigkeit, Schuldgefühle und geringes Selbstwertgefühl, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Müdigkeit und Konzentrationsschwächen gekennzeichnet ist. Ursache einer Depression ist in der Regel eine Kombination unterschiedlicher sozialer, psychischer und körperlicher Faktoren. Durch eine Depression wird der Erkrankte in allen Aspekten seiner Lebensführung beeinträchtigt. (Vgl. ‘tk-depressionsatlas-data.pdf’, 2015, p. 14).
2.2.3 Verhaltensrisiken
Der dritte Bereich der Verhaltensrisiken bezieht sich unter anderem auf Suchtprobleme, Ernährung und Bewegungsmangel (Vgl. Eddleston and Mulki, 2017).
Beschäftigte im Homeoffice arbeiten in der Regel mit reduzierter körperlicher Aktivität in sitzender Position, ohne die empfohlenen regelmäßigen Pausen durchzuführen. Dies führt zu vermehrtem Bewegungsmangel, Fettleibigkeit und Muskel-Skelett-Erkrankungen.
Insgesamt kann Bewegungsmangel zu Schlafstörungen, AngstVerspannungen im Schulter-, Nacken- und Rückenbereich, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Hautproblemen oder Magen-Darm-Problemen und Stress führen.
Suchtverhalten, wie Rauchen und Alkoholkonsum, trägt wesentlich zur globalen Krankheitslast bei und wird mit schlechten gesundheitlichen Ergebnissen in Verbindung gebracht. Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine leichte Zunahme dieser Verhaltensweisen während der Pandemie möglicherweise eine Reaktion auf Stress, Langeweile und soziale Isolation sein könnte, die durch COVID-19-Eindämmungsstrategien verursacht wurden (Vgl. Zhang et al., 2021).
Zeitliche Hindernisse aufgrund beruflicher Verpflichtungen können zu einer unausgewogenen und ungesunden Ernährung führen. (Vgl. Hasselmann, 2018, pp. 60–61). Die Beschäftigten nehmen sich nicht die Zeit sich um ihre Ernährung zu kümmern. Der zeitliche Aufwand für die Einkäufe und die Zubereitung der Lebensmittel wird als Belastung angesehen. Hinzu kommen fehlende Kenntnisse im Bereich gesunder Ernährung. Die gemeinsamen Pausen im Büro und der gemeinsame Besuch der Kantine sind Elemente, die zu einer gesunden Ernährung beitragen können. Diese fehlen allerdings im Homeoffice.
3 Gesundheitsförderung
Im vorangegangenen Kapitel wurden die gesundheitlichen Risiken anhand aktueller Studien näher beleuchtet. Um der Forschungsfrage, wie eine digitale gesundheitliche Führung im Homeoffice gestaltet werden kann, zu beantworten, befasst sich das dritte Kapitel mit dem Thema Gesundheitsförderung.
Zuerst wird der Begriff Gesundheitsförderung erläutert. Danach wird auf die betriebliche Gesundheitsförderung eingegangen. Die betriebliche Gesundheitsförderung zeigt die Maßnahmen auf, welchen Führungskräften im Unternehmen für die Gesundheitsförderung der Beschäftigten zur Verfügung stehen.
Abschließend werden in diesem Kapitel verschiedene Modelle zur Gesundheitsförderung vorgestellt, da Gesundheitsförderung eines theoretischen Rahmenmodells bedarf, innerhalb dessen unterschiedliche konzeptuelle und methodische Ansätze begründet und integriert werden können. Diese theoretischen Rahmenmodelle können von der Führungskraft bei der Gestaltung gesundheitsfördernder Führung herangezogen werden.
3.1 Begriffsdefinition
Der Begriff der Gesundheitsförderung basiert auf dem Salutogenese-Modell des Stressforschers Aaron Antonovsky und wurde in den 1970er Jahren entwickelt. Zuvor konzentrierte sich die Gesundheitsförderung auf die Sichtweise der Pathogenese. Die zentrale Fragestellung war, was krank macht und wie dies verhindert werden kann. Mit dem Salutogenese-Modell kam eine neue Fragestellung auf, welche Ressourcen Gesundheit entstehen lassen und wie diese gefördert werden können (Vgl. Badura, Walter and Hehlmann, 2010, pp. 108–110).
Um angestrebte Ziele zu erreichen, muss die Führungskraft dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter bei ihrer Arbeitstätigkeit möglichst gesund bleiben. Deswegen ist es umso wichtiger, dass Führungskräfte ein Bewusstsein dafür entwickeln, was Gesundheit ist und wie diese gefördert werden kann.
In der Ottawa Charta wird die Gesundheitsförderung wie folgt definiert: „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können.“ (‘Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, 1986’, 1986)
Ein bedeutender Schritt in der Entwicklung der Gesundheitsförderung ist der Settingansatz. Setting beschreibt einen Sozialzusammenhang, in dem Menschen ihren Alltag verbringen und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat.
Bei der Gesundheitsprävention im Setting Ansatz wird die Erreichbarkeit der Zielgruppe genutzt, um Angebote der verhaltensbezogenen Prävention im Hinblick auf Stress, Ernährung, Bewegung oder Suchtverhalten durchzuführen. Bei Projekten für die Schaffung eines gesundheitsförderlichen Settings stehen der Prozess der konzeptionellen systemischen Organisationsentwicklung und die Partizipation der Mitglieder des Settings im Mittelpunkt (Vgl. Hartung and Rosenbrock, 2015).
3.2 Betriebliche Gesundheitsförderung
Der Arbeitsplatz gilt in der Gesundheitsförderung als Schlüsselsetting, denn in kaum einem organisationalen Setting können so viele Menschen über einen langen Zeitraum jeden Tag erreicht werden. Die Erreichbarkeit im Schlüsselsetting Arbeit muss von den Führungskräften im Rahmen von Homeoffice systematisch und neu angegangen werden.
Die betriebliche Gesundheitsförderung hat die Aufgabe die Gesundheitsressourcen durch Verhältnis- und Verhaltensprävention zu stärken, indem sie gesundheitsgefährdende Belastungen erkennt und diese abbaut.
Die Verhältnisprävention fokussiert sich auf die gesamte Organisation und die Verhaltensprävention auf den einzelnen Beschäftigten. Für Führungskräfte spielt die Verhältnisprävention in Bezug auf die belastungsarme Gestaltung der Arbeitsumgebung im Homeoffice eine Rolle und die Verhaltensprävention beim Umgang mit psychischen und verhaltensorientierten gesundheitlichen Risiken im Homeoffice.
Die Investition von Ressourcen in eine evidenzbasierte Gesundheitsförderung ist von Vorteil, da so Gesundheitskosten gesenkt werden, Krankheitstage reduziert werden und die Produktivität der Beschäftigten verbessert wird (Vgl. Struhs-Wehr, 2017, p. 6).
Die Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung zielen auf das Verhalten des Einzelnen und auf die Organisationsumgebung ab, um eine effektive Arbeit der Beschäftigten zu fördern (Vgl. Müller, 2020a, p. 116). Gemäß arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen geht man bei der betrieblichen Gesundheitsförderung davon aus, dass Arbeit nicht nur als Belastung angesehen werden darf, sondern Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Selbstentfaltung und zum Wohlbefinden bieten soll. Voraussetzung dafür ist die entsprechende Gestaltung der Arbeit und des Arbeitsumfelds. Die Gesundheitsförderung zielt auf die Entwicklung und Stärkung aller Beschäftigten ab (Vgl. Struhs-Wehr, 2017b, p. 6).
Die betriebliche Gesundheitsförderung ist ein Teilbereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Weitere Teilbereiche des betrieblichen Gesundheitsmanagements sind der Arbeitsschutz und das betriebliche Eingliederungsmanagement.
Die Maßnahmen und Instrumente der Gesundheitsförderung konzentrieren sich auf die Bereiche Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung und Suchtprävention (Vgl. Müller, 2020b, pp. 117–119). Diese Maßnahmen und Instrumente können von Führungskräften zur Prävention, der im Vorfeld analysierten, gesundheitlichen Risiken herangezogen werden.
3.2.1 Verhaltensprävention
Die verhaltensorientierte Gesundheitsförderung verfolgt den Ansatz, das gesundheitsbezogene Verhalten des Menschen zu beeinflussen. Um die Gesundheit zu fördern, sollen über Wissen und Einstellungen riskante Verhaltensweisen wie Tabak- oder Alkoholkonsum verändert bzw. vermieden werden und gesundheitsförderndes Verhalten wie gesunde Ernährung und Bewegung unterstützt werden (Vgl. Dadaczynski, 2019, p. 405).
Im Bereich der Bewegung zählen zu den möglichen Maßnahmen für das Muskel-Skelett-System und das Herz-Kreislauf-System das Angebot von internen Kursen zur Stärkung des Rückens und der Wirbelsäule.
Es können Kooperationen mit Sportvereinen und Fitnessstudios geschlossen und interne Multiplikatoren, sogenannte Bewegungsscouts, ausgebildet werden sowie eine Betriebsportgruppe gegründet werden.
Das Angebot von regelmäßigen Check-Ups (z. B. Herzratenvariabilität, Vermessung der Augengefäße) und die Durchführung von Leistungstests sind weitere verhaltensorientierte Maßnahmen.
In Bezug auf den Arbeitsplatz können eine Arbeitsplatzbegehung sowie eine individuelle Beratung durch einen Ergonomie-Experten angeboten werden.
Des Weiteren können Bewegungspausen organisiert und die Beschäftigten angehalten werden, Bewegung in ihren Arbeitsalltag z.B. durch den Gang zum Kopierer oder in das Nachbarbüro oder durch die Nutzung der Treppe einzubauen.
Im Hinblick auf die Ernährung können Ernährungsvorträge angeboten, gemeinsame Kochkurse organisiert oder auch eine individuelle Beratungsangebote zu Verfügung gestellt werden.
Zur Stressbewältigung bietet man Kurse zur Stärkung der persönlichen Ressourcen und psychischen Gesundheit, wie z. B. Entspannungskurse/-training, Stressbewältigungstraining und Konfliktmanagementkurse an.
Im Bereich der Suchtprävention ist es möglich einen innerbetriebliche Suchtberater zur Verfügung zu stellen und spezielle Kursangebote wie Nicht-Raucher-Seminare anzubieten.
3.2.2 Verhältnisprävention
Die verhältnisorientierte Gesundheitsförderung verfolgt das Ziel über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit zu nehmen. Die Maßnahmen der Verhältnisprävention setzen an den Rahmenbedingungen an (Vgl. Dadaczynski, 2019, p. 415).
Zu den möglichen Maßnahmen für das Muskel-Skelett System zählt die gesunde Gestaltung des Arbeitsplatzes durch höhenverstellbare Schreibtische und ergonomische Stühle, die Beschaffung spezieller ergonomischer Arbeitsmittel (z. B. Tastatur, Maus, Bildschirm) und der Einsatz von biodynamischen Lichtanlagen.
Für das Herz-Kreislauf-System kann die Grippeschutzimpfung, die Corona-Impfung und eine gesunde Gestaltung des Arbeitsplatzes durch gute klimatische Verhältnisse und funktionelle Arbeitsplatzbekleidung angeboten werden.
Im Bereich der Ernährung kann für eine Trennung von Pause und Arbeitsplatz gesorgt und die Förderung einer gesunden Pausengestaltung gefördert werden. Des Weiteren können Obst-Körbe, kostenlose Getränke und eine ausgewogene Kantinenkost gewährleistet werden.
Für die Stressbewältigung bietet sich der Einsatz von innerbetrieblichen Mediatoren an. Außerdem kann eine Mobbingberatung und Sozialberatung angeboten werden. Außerdem ist eine offene Kommunikationspolitik und eine wertschätzende Konfliktkultur förderlich.
Für die Unterstützung bei Suchtproblemen bieten sich Netzwerkkooperationen mit externen Instituten wie die Caritas Suchtberatung, dem Sozialpsychiatrischen Dienst oder Psychologen an. In der Dienst-/Betriebsvereinbarungen sollen Themen wie das Alkoholverbot und der Umgang mit alkoholisierten Kollegen verankert werden.
Ein rauch- und alkoholfreier Betrieb und die Schaffung von Zonen für Raucher sind ein weiterer Bestandteil (Vgl. Müller, 2020b, pp. 120–122).
3.3 Modelle zur Gesundheitsförderung
Um im Bereich der Gesundheitsförderung Nachhaltigkeit und Wirksamkeit zu erzielen, bedarf es der Orientierung an fundierten wissenschaftlichen Modellen.
Modelle zur Gesundheitsförderung liefern Erkenntnisse bezüglich einer gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung. Sie ermöglichen eine fundierte Analyse der Arbeitsbedingungen, die Entwicklung von relevanten Kennzahlen, eine adäquate Maßnahmenplanungen und die Durchführung passender Evaluationen.
3.3.1 Salutogenese Modell
Das Salutogenese Modell ist ein ganzheitliches Gesundheitsmodell. Der israelische Medizinsoziologe und Stressforscher Aron Antonovsky entwickelte dieses Modell im Jahr 1970. In seinem Modell sieht Antonovsky den Menschen als ein Wesen, welches aktiv Einfluss auf seine Gesundheit nimmt.
Die wesentliche und steuernde Gesundheitsressource definiert er als das Kohärenzgefühl. Er geht davon aus, dass der Mensch ein dynamisches wie beständiges Gefühl eines grundsätzlichen Vertrauens darin hat, dass sich die Dinge im Leben gut entwickeln werden. Dieses Gefühl wird in der Kindheit angelegt und entwickelt sich im Laufe des Lebens durch Lebenserfahrungen weiter (Vgl. Struhs-Wehr, 2017c, p. 6).
Nach der Salutogenese-Theorie weisen Menschen mit einem höheren Kohärenzgefühl eine geringere Inzidenz von somatischen Symptomen, Schlafstörungen, Angstzuständen und einem geringeren Depressionsrisiko auf. Ein fehlender Fokus auf die negative Vergangenheit und eine hohe Zukunftsorientierung haben einen erheblichen Einfluss auf das Kohärenzgefühl (Vgl. Zielińska-Więczkowska and Sas, 2020).
Das Kohärenzgefühl setzt sich aus den drei Komponenten Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit zusammen.
Die Verstehbarkeit ist die Fähigkeit eines Menschen, seine Innenwelt und Außenwelt als geordnet und strukturiert wahrnehmen zu können und diese nicht als chaotisch und unerklärlich zu erleben. So kann eine Person, die über ein hohes Ausmaß dieser Ressource verfügt Ereignisse wie Krieg oder Tod annehmen und sich diese erklären. Die Verstehbarkeit bezieht sich demnach auf das kognitive Verarbeitungsmuster.
Handhabbarkeit bedeutet die Tendenz eines Menschen, eigene Ressourcen und Fähigkeiten im Hinblick auf eine zu bewältigende Situation als ausreichend anzusehen. Dies beinhaltet den Glauben daran Schwierigkeiten überwinden zu können. Für Antonovsky stellt die Handhabbarkeit ein kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster dar.
Das Gefühl der Sinnhaftigkeit beschreibt das Ausmaß, in dem man das Leben als emotional sinnvoll empfindet. Darunter wird die Neigung eines Menschen verstanden, schwierige Situationen und Probleme als Herausforderungen anzusehen, für die sich ein Engagement lohnt. Diese motivationale Komponente wird als die wichtigste angesehen. Von Menschen mit geringer Empfindung von Sinnhaftigkeit wird das Leben mit seinen sich stellenden Aufgaben eher als Last und Qual wahrgenommen (Vgl. Struhs-Wehr, 2017c, p. 6).
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- Janet Schlickum (Author), 2021, Gesundheitliche Risiken im Homeoffice. Wie Unternehmen eine gesundheitsfördernde Führung digital gestalten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1273720
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