Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, welche Entwicklungen mit dem Begriff Smart City konzipiert werden und untersucht, welche Akteure wie stark in die Realisierung eingebunden sind.
Hierfür werden zunächst im Kapitel 2 diverse Definitionen, Chancen und Risiken von Smart Cities dargelegt, um so eine theoretische Grundlage für den weiteren Verlauf der Arbeit zu bilden. Im Kapitel 3 wird ein Überblick über die derzeitige Smart City-Landschaft in Deutschland gegeben. Dies erfolgt mithilfe einer Analyse der Smart City-Charta, die in Deutschland als Leitbild für die Entwicklung von Smart City-Konzepten dient. So wird das aktuelle Verständnis der Städte und Kommunen der Bundesrepublik gezeigt und anhand ausgewählter Beispiele die Umsetzung bisheriger Strategien dargestellt.
Nach dem Umriss der Smart City-Entwicklungen in Deutschland gehe ich auf meinen Forschungsschwerpunkt in Kapitel 4 ein, nämlich konkret auf die Fallstadt Leipzig. Hierzu stelle ich die Stadt Leipzig zunächst vor und lege den bisherigen Stand der Smart City-Leipzig dar. Mithilfe des Expertinneninterviews soll unter anderem herausgefunden werden, welche Initiatoren für die Smart City-Leipzig verantwortlich sind, welche Strategie diese verfolgen und welche Akteure im Aufbau und in der Umsetzung eine Rolle spielen. Die Ergebnisse des Interviews wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet und im Kapitel 5 als empirische Ergebnisse präsentiert.
Im Fazit diskutiere ich die Ergebnisse kritisch und gebe Handlungsempfehlungen für die Konzeption der Smart City-Leipzig wieder. Es gilt einen Ausblick auf das zukünftige Entwicklungsgeschehen der digitalen Transformation in Leipzig zu geben und wie die Stadtplanung die Smart City-Thematik im gesamtstädtischen Kontext verstehen sollte.
Impressum
2 Theoretische Grundlagen zu Smart Cities
3.1 Smart City-Charta für Deutschland
3.3 Beispiele für Smart Cities in Deutschland
3.3.1 Smart City strategisch - Smart City Berlin
3.3.2 Smart City umsetzungsorientiert - Digitales Bonn
3.3.3 Smart City als integrierte Stadtentwicklung - Smarter Together München
4 Forschungsschwerpunkt Smart City-Leipzig
4.1 Vorstellung der Stadt Leipzig
4.2 Konzept der Smart City-Leipzig
4.3 Methodik des Experteninterviews
4.4 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
5 Empirische Ergebnisse
5.1 Smart City-Umsetzung
5.1.1 Struktur
5.1.2 Aufgaben
5.1.4 Zeithorizont
5.1.5 Finanzen
5.2 Smart City-Strategie
5.3 Zwischenfazit
6 Fazit und Ausblick
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 induktive Kategorienbildung
Abbildung 2 Zuordnung des Referates Digitale Stadt Leipzig
Abbildung 3 Geplante Projekte für die Umsetzung in 2019/20 (Stand: September 2018)
1 Thematische Einführung
Den Städten von heute stehen Probleme von
morgen gegenüber: Weltweit sind erhöhte Urbanisierungstendenzen erkennbar.
Statistiken der Vereinten Nationen nach lebten 54 Prozent der Weltbevölkerung
2014 in Städten und Prognosen zufolge werden 2050 global zwei Drittel aller
Menschen in urbanen Räumen leben (vgl. United Nations 2014, S. 1). Dieser Trend wird damit
erklärt, dass Städte „das Zentrum
ökonomischer, soziokultureller und politischer Aktivitäten darstellen“
[Hervorhebung im Original] (Müller-Seitz
et al. 2016, S. 1).
Durch den stetigen Anstieg des globalen Verstädterungsgrades entstehen unterschiedliche Aufgaben und Anforderungen an Städte: Trotz der wachsenden urbanen Bevölkerung muss die Daseinsvor-sorge innerstädtisch sichergestellt sein (vgl. Caragliu et al. 2009, S. 46). Ressourcenverbrauch, demo-graphischer Wandel, städtische Infrastrukturen, Klimawandel und eine langfristig nachhaltige Stadtentwicklung stellen die Städte vor zusätzlichen Herausforderungen (vgl. Franz 2012, S. 30). Die Europäische Union leitet mit ihren 20-20-20-Zielen einen Entwicklungspfad für ihre Mitgliedsstaaten ein in der Strategie „Europa 2020“, in welcher „bis 2020 die Treibhausgasemissionen der EU um 20 % gesenkt werden, 20 % der Energie aus erneuerbaren Energien stammen und die Energieeffizienz um 20 % verbessert“ und somit der Klimawandel vermindert werden soll (vgl. Europäische Union 2014, S. 7). Neben dem Ressourcenverbrauch und dem Klimawandel zählen zu den städtischen Problemen inbesondere soziale Ungleichheit und Armut. Folgen hiervon sind gesellschaftliche Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit. Städte weisen große Unterschiede besonders hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Chancen, aber auch in ihren Umweltqualitäten auf. Zentrale Handlungsstrategien für benachteiligte Stadtquartiere sind darum die stetige städtebauliche Aufwertung, die Stärkung der lokalen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes, ein vielfältiges Bildungs- und Ausbildungsangebot, insbesonders für Jugendliche und die Förderung von kostengünstiger Mobilität (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007, S. 5ff.).
Diese Problematiken versprechen Smart City-Konzepte effizient und dauerhaft zu lösen. Smart Cities werden allgemein als angepasste, zukunftsfähige Stadtkonzepte verstanden, welche durch die Integrierung von ressourcenschonenden Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und dem Ziel der E-Governance Ressourcen minimieren, Lebensqualität steigern, neue Partizipations-formen ermöglichen und Infrastrukturen verbessern sollen (vgl. Faßmann & Franz 2012, S. 117). Durch den Einsatz neuer Technologien werben solche Konzepte, zum Beispiel mit altersadaptiven Ampeln, smarten Stromzählern, Lieferdrohnen, Stauvermeidungssystemen und transparenten Verwaltungen urbane Probleme zu bewältigen und eine ressourcenschonende, bedarfsgerechte Daseinsvorsorge und Stadtplanung zu entwickeln (vgl. Kropp 2018, S. 33). Es handelt sich bei den Smart Cities in der Umsetzung häufig um die Entwicklung von innovativen IKT, mit denen urbane Prozesse optimiert und neue Organisationsmodelle realisiert werden sollen. Bisherige Verwaltungsstrukturen, Dienstleistungen und Lebensqualität sollen dadurch „effizient“ verbessert und gesteigert werden für den „Nutzer“. Durch die Idee der smarten Stadt soll ein Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet werden, dem Klimawandel entgegnet und die Ressourceneffizienz gesteigert werden (vgl. Libbe 2018, S. 430; vgl. Jabukowski 2014, S. 4). In der vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raum-forschung (BBSR) im Jahre 2017 ausgearbeiteten „Smart City-Charta“ werden Smart Cities als Verpflichtung zur nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung bezeichnet. Die Charta sieht in der digitalen Transformation Chancen für die Städte und Gemeinden, eine nachhaltige ökologische Stadtplanung zu gestalten (vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2017a, S. 9). Dies zeigt eine breite Zustimmung zum Einsatz innovativer und vernetzer Technologien in der öffentlichen politischen Diskussion und bei den wirtschaftlichen Akteuren, sowohl in der Energiewende als auch zur allgemeinen Steigerung der Ressourcenschonung, da sich die Smart City-Diskussion derzeit vorrangig technologieorientiert auf die Entwicklung und Besetzung neuer Geschäftsfelder konzentriert. Auf die konkreten Leitlinien zur Umsetzung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie der Smart City-Charta wird in dem gleichnamigen Kapitel noch einmal explizierter eingegangen. Die Schwerpunkte einer smarten nachhaltigen Stadtentwicklung fokussieren sich auf den ökologischen Umbau, die Erneuerung der Infrastrukturen, Entwicklung neuer Mobilitätsformen und die gesellschaftliche Integration. Um diese Aufgaben bewältigen zu können, bedarf es im Sinne der Smart City-Visionen nicht nur neue Weiterentwicklung der Stadttechnologien, sondern auch aktive Mitwirkende und konsistente politische Konzepte, sodass diese Themen langfristig in die Stadtplanung verankert werden. Eine Kooperation mit den Bürgern ist für die Verwaltung darum unerlässlich, da diese die neuen Technologien annehmen und nutzen sollen (vgl. Jakubowski 2014, S. 10-14).
Durch die unterschiedlichen Umsetzungsvarianten und Akteurskonstellationen muss jedoch geklärt werden, welche Entwicklungen mit dem Begriff Smart City konzipiert werden und welche Akteure wie stark in die Realisierung eingebunden sind. Ziel dieser Arbeit ist es auf die genannte Frage-stellung einzugehen und im Kapitel 2 diverse Definitionen, Chancen und Risiken von Smart Cities darzulegen und so eine theoretische Grundlage für den weiteren Verlauf der Arbeit zu bilden. Im Kapitel 3 wird ein Überblick über die derzeitige Smart City-Landschaft in Deutschland gegeben. Dies erfolgt mithilfe einer Analyse der Smart City-Charta, die in Deutschland als Leitbild für die Entwicklung von Smart City-Konzepten dient. So wird das aktuelle Verständnis der Städte und Kommunen der Bundesrepublik gezeigt und anhand ausgewählter Beispiele die Umsetzung bisheriger Strategien dargestellt. Nach dem Umriss der Smart City-Entwicklungen in Deutschland gehe ich auf meinen Forschungsschwerpunkt in Kapitel 4 ein, nämlich konkret auf die Fallstadt Leipzig. Hierzu stelle ich die Stadt Leipzig zunächst vor und lege den bisherigen Stand der Smart City-Leipzig dar. Mithilfe des Expertinneninterviews soll unter anderem herausgefunden werden, welche Initiatoren für die Smart City-Leipzig verantwortlich sind, welche Strategie diese verfolgen und welche Akteure im Aufbau und in der Umsetzung eine Rolle spielen. Die Ergebnisse des Interviews wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet und im Kapitel 5 als empirische Ergebnisse präsentiert. Im Fazit diskutiere ich die Ergebnisse kritisch und gebe Handlungs-empfehlungen für die Konzeption der Smart City-Leipzig wieder. Es gilt einen Ausblick auf das zukünftige Entwicklungsgeschehen der digitalen Transformation in Leipzig zu geben und wie die Stadtplanung die Smart City-Thematik im gesamtstädtischen Kontext verstehen sollte.
Zum Zwecke der Verständlichkeit und Lesbarkeit wird in dieser Arbeit - stellvertretend für alle Geschlechter - die maskuline Form für die Bezeichnung von Verantwortlichkeiten verwendet. Dies geschah aus pragmatischen Gründen und soll für alle Geschlechter gleichwertig gelten.
2 Theoretische Grundlagen zu Smart Cities
Das folgenden Kapitel behandelt zunächst die
theoretischen Grundlagen der Arbeit, wobei zentrale Begriffe analysiert werden.
Besonders im Fokus steht das Wort „smart“ und was genau eine Smart City
auszeichnet. Wie im vorherigen Kapitel angedeutet wurde, werden unter dem Smart
City-Begriff verschiedene Aspekte verstanden und diskutiert. Es gilt darum
unterschiedliche Auffassungen genauer zu beleuchten und dadurch eine möglichst
allumfassende Reflexion über diese Thematik zu erhalten. Um eine allgemein für
diese Bachelorarbeit gültige Definition der intelligenten Stadt zu formulieren,
wird die Position bestimmter Akteursgruppen kritisch hinterfragt, um zu verdeutlichen,
welche Vorstellungen und Leitbilder diese haben und welche sich für das
Verständnis dieser Arbeit am besten eignen. Daraus ergeben sich formulierte
Chancen und Risiken, die Smart City-Ansätze mit sich bringen. Abschließend
werden die Ergebnisse zusammengefasst, sodass in Kapitel 3 die erlangten
theoretischen Kenntnisse auf das Smart City-Verständnis in Deutschland
angewendet werden können.
2.1 Smart City-Definitionen
Es ist kein leichtes Unterfangen, den in der Stadtentwicklung etablierten
Begriff „Smart City“ zu definieren, weil es bislang keine einheitliche
Definition gibt (vgl. Novy 2015, S. 48). Jedoch sollten übereinstimmende
Begriffserklärungen existieren, weil es sonst zu einer Etikettierung für
jegliche Stadtentwicklungskonzepte kommt, die mit Termini wie „nachhaltig“,
„innovativ“ und „smart“ sich profilieren und zukunftsweisend darstellen wollen.
Der Begriff „smart“ verspricht dem Nutzern Optimismus, sowie eine breite
Assoziationsfähigkeit. Was „smart“ im Detail sein kann, bleibt unklar, jedoch scheint „smart“ für die Stadtentwickler und die
Informationstechnologie (IT) dennoch etwas Erstrebenswertes zu sein (vgl.
Faßmann & Franz 2012, S. 118).
Das Konzept Smart City wird global vorrangig von Technologieunternehmen wie IBM, Siemens oder Microsoft umgesetzt und geprägt, weshalb in diesen Definitionen der Fokus stark auf den vernetzten Informations- und Kommunikationssystemen liegt (vgl. Beinrott 2015, S. 18). Der Begriff „Smart City“ wird von IBM folgendermaßen beschrieben: "A city is an interconnected system of systems. A dynamic work in progress, with progress as its watchword. A tripod that relies on strong support for and among each of its pillars, to become a smarter city for all." (IBM 2013). Diese Definition zeigt, dass der Begriff „smart” mit dem Einsatz moderner Technologien gleichgesetzt wird, wobei diese aktiv eine fortschrittliche Lösung anbieten. Jedoch wird weder erläutert, um welche Lösungsansätze für welche Probleme es sich handelt, noch wird Bezug auf Partizipation, was hier in dieser Arbeit mit Bürgerbeteiligung gleichgesetzt wird, Bürgerorientierung, Nachhaltigkeit und die damit verbundene Ressourcenschonung und Klimawandel genommen. Viele Befürworter der Smart Cities, vorallem jene aus der IT-Brance, sehen in diesen Konzepten das Normative zur intelligenten Weiterentwicklung von Städten. So formuliert beispielweise Bitkom, dass zur Bildung von innovativen Lösungen übergreifende Datenplattformen und IoTs (Internet of Things), kundenorientierte und transparente Verwaltungsstrukturen, sowie Netzwerke zwischen kommunalen Akteuren und der Wirtschaft benötigt werden(vgl. Bitkom 2019, S. 9). Die Bezeichnung „kundenorientiert“ zeigt das wahre Interesse der Technologieunternehmen auf. Es vermittelt den Eindruck, dass die Anwender, das heißt die Stadtverwaltung und die Bewohner der Stadt, im urbanen Beispiel lediglich als Kunden und Käufer gesehen werden. Somit sind die Bürger und die Verwaltungseinheiten nur dazu befähigt, die angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu bedienen, jedoch haben sie keine Mitsprache bei der Gestaltung, Integration und Auslegung verschiedener Anwendungen.
Die Ansätze der IT-Unternehmen wirken dennoch allumfassend. So werden die Handlungsfelder einer Smart City häufig unterteilt in Verwaltung, Gesundheit, IT-Infrastruktur, Handel, Energie und Umwelt, Sicherheit, Gesellschaft, Datenplattform, Mobilität und Bildung (vgl. ebd., S. 170). Anhand dieser Aufzählung fällt die Fokussierung auf die Digitalisierung deutlich auf. Mit dem Begriff „Internet of Things“ werden in den einzelnen Bereichen Gegenstände mit dem Internet verbunden und so sollen Informationen online in Echtzeit abrufbar sein. Bekannte Beispiele hierfür sind „Smart Home“ oder „Ambient Assisted Living“. Letzteres umfasst eine im Haus befindliche technische Basisinfrastruktur bestehend aus Sensoren, Aktoren und Kommunikationseinrichtungen. Ziel dieser Einrichtung soll das selbstständige Leben im häuslichen Umfeld, in der Mobilität und Selbstversorgung durch Assistenz für Patienten sein. Beispiele für AAL-Systeme sind unter anderem intelligente Tablettenspender, die die rechtzeitige Einnahme von Medikamenten unterstützen oder smarte Rollstühle, die Hinternisse eigenständig ausweichen und sich orientieren können (vgl. Jakubowski 2014, S. 5). Durch sogenannte Beacons, dies sind kleine Sender, die als Signalgeber fungieren, können auch in der Stadt die Menschen immer Informationen empfangen. Über kommunale Apps erhalten so die Anwender zum Beispiel Inhalte über Sehenswürdigkeiten, Straßen oder Gebäude, wenn diese fixierte Beacons besitzen. Es ist ihnen dadurch möglich, zeitgleich Informationen und Benachrichtigungen über Öffnungszeiten, Bilder, städtische Persönlichkeiten und Standorte von Einrichtungen direkt auf dem mobilen Endgerät zu erhalten (vgl. Kant 2017, S. 51). Dies hat für Touristen den Vorteil, dass sie nicht mehr auf der Website der Stadt nachsehen müssen. Die Menschen sich aber jedoch von der Qualität des Internets abhängig und der Genauigkeit und Aktualität der Informationen. IoTs suggerieren somit die bedarfsgerechte Anpassung der Technologien an den jeweiligen Nutzer und stellen eine einfache Bedienung und Unterstützung dar, welche jedoch kritisch zu betrachten sind. Der Nutzer ist durch die digitale Vernetzung immer unter Beobachtung und gibt seine Selbstständigkeit in die Hände der Technologiefirmen.
Um eine allumfassende Definition für Smart City erstellen zu können, muss man die Stadt deshalb als komplexes Gebilde verstehen, welche mehr Aspekte als einzig die der Technologie beinhaltet (vgl. Beinrott 2015, S. 89). Die viel zitierte Definition von Caragliu et al. bildet darum die grundlegende Aufassung des Begriffs in dieser Arbeit, da auf diverse Ebenen einer Stadt eingegangen wird: “We believe a city to be smart when investments in human and social capital and traditional (transport) and modern (ICT) communication infrastructure fuel sustainable economic growth and a high quality of life, with a wise management of natural resources, through participatory governance” (Caragliu et al. 2009, S. 50). Hier ist vor allem die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Dieser ganzheitliche Ansatz wird so verstanden, dass Investitionen in Human- und Sozialkapital, Transport und IKT gestärkt werden, um das wirtschaftliche Wachstum und die Lebensqualität zu erhöhen. Im Gegensatz zu den Smart City-Definitionen der IT-Unternehmen wird hier auf Partizipation eingegangen und nicht ausschließlich auf den Aspekt der Technologie. Wenn sich die Zivilgesellschaft in das Smart City-Vorhaben einbringen möchte, kann diese gewonnene Transparenz ihr zu einer deutlich stärkeren Position verhelfen. So kann es im Idealfall bezogen auf urbane Projektideen im Informationsaustausch, zu engen Rückkopplungseffekten führen. Daraus folgend ergibt sich die Grundlage für offenkundige Entscheidungen und deren eindeutige Aufbereitung seitens der handelnden Akteure (vgl. Jakubowski 2014, S. 7). Den Grad der Beteiligung an Entscheidungsprozessen hat der Europarat für zivilgesellschaftliche Akteure durch Etappen verdeutlicht. Die erste und niedrigste Stufe bezeichnet die Information. Hier wird die Öffentlichkeit in einem einseitigen Dialogprozess von Ämtern über zukünftige Prozesse informiert. Es werden somit Informationen bereitgestellt und die Bürger erhalten Zugang zu diesen, es erfolgt jedoch keine Interaktion oder tiefergehende Beteiligung der Bevölkerung. Beim darauffolgenden Schritt der Beratung bitten Behörden um die Meinung zu bestimmten politischen Themen oder Entwicklungen. Eine Konsultation ist für die weiteren Schritte des Entscheidungsprozesses wichtig, weil hier Ziele neu formuliert und ausgearbeitet werden. Die Initiative zum Dialog kann von beiden Parteien ergriffen werden. Ein Dialog ist im Allgemeinen eine wechselseitige Kommunikation, die auf gegenseitigen Interessen und gemeinsamen Zielen basiert. Dies setzt einen regelmäßigen Meinungsaustausch zwischen den Behörden und anderen Akeuren voraus. Bei der höchsten Stufe der Beteiligung, der Partnerschaft, handelt es sich um Kooperationen zwischen allen Verantwortlichen auf Augenhöhe. Auf dieser Ebene schließen sich Ämter und andere Akteure zu einer engen Zusammenarbeit und stellen die geteilte Verantwortlichkeit in jedem Schritt des Entscheidungsprozesses sicher (vgl. Council of Europe 2009, S. 8). Der Grad der Akteursbeteiligung der Zivilgesellschaft verrät unter anderem, wie die Verwaltungen die Bürger in Entscheidungsprozesse einbeziehen und somit auch, ob es sich um eine Top-Down oder Bottom-Up Wirkungsrichtung der Projektinitiierung handelt.
Die Autoren Giffinger et al. beschreiben sechs Eigenschaften, die Komponenten einer Smart City bilden: Smart Economy, Smart People, Smart Governance, Smart Mobility, Smart Environment und Smart Living (vgl. Giffinger et al. 2007, S. 11). Diese „intelligenten“ Bereiche sollen einen zukunftsweisenden Weg für die Stadt bereiten, indem alle Komplexe miteinander verflochten sind. „Smart Economy“ umfasst Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit, wie Innovationsgeist, Unternehmens-gründung, ökonomisches Leitbild, Produktivität, Anpassung an den Arbeitsmarkt und internationale Einbettung des Unternehmens. „Smart People“ steht für Sozial- und Humankapital und darin integriert Qualifikationsniveau, die Affinität zu lebenslangem Lernen, Kreativität und Flexibilität, soziale und ethnische Diversität und Beteiligung der Bewohner am öffentlichen Leben. Unter „Smart Governance“ versteht man das Partizipationsverhalten der Büger bei städtischen Entscheidungen. Bestandteile hier sind unter anderem öffentliche und soziale Serviceeinrichtungen, transparente Verwaltungen, politische Strategien und Perspektiven öffentlich darzulegen und den Bürger an diesen Entscheidungen teilhaben zulassen. „Smart Mobility“ bezeichnet das Transportwesen, welches aus den Punkten der aktuell verfügbaren IKT-Infrastrukturen, deren lokalen und internationalen Zugänglichkeit und nachhaltigen, innovativen und sicheren Mobilitätssystemen besteht. Die Komponente „Smart Environment“ meint natürliche Ressourcennutzung und zielt dabei auf die Verwendung von erneuerbarer Energien ab. Dies soll durch die Attraktivitätssteigerung von natürlichen Energiequellen, Erhaltung und Schutz der Umwelt und Vermeidung von Umwelt-verschmutzung gesichert werden. „Smart Living“ bedeutet Lebensqualität und setzt sich zusammen aus dem Vorhandensein von kulturellen Einrichtungen, Gebäudequalität, Bildungseinrichtungen, sowie Sicherheit, touristische Attraktivität, Gesundheitsgrundlage und sozialen Zusammenhalt (vgl. ebd., S. 12).
Nach den Geographen Faßmann und Franz kennzeichnet „smart“ für Viele demnach die Fähigkeit einer Stadt, sich in diversen Bereichen des Lebens, der Umweltsituationen, aber auch der Wirtschaft und Mobilität so zu agieren, dass der minimalste erbrachte Ressourcenaufwand das Maximum an Lebensqualität bietet. Einen besonderen Stellenwert haben hierbei adaptionsfähige Technologien im Bereich Informationstechnologie, der Datenverarbeitung, Verkehrssteuerung und Energiemanage-ment. Jedoch werden diese technologischen Entwicklungen durch Partizipation der Bürger und transparente Verwaltungsstrukturen ergänzt und bilden somit die Vorraussetzungen für eine „smarte“ Stadtentwicklung (vgl. Faßmann & Franz 2012, S. 119).
Die Stadt Leipzig hat eigens eine Defintion von „smart“ erstellt, die in dieser Arbeit von bedeutenden Interesse ist, da dies die aktuelle Auffassung der Stadt gegenüber dem komplexen Begriff zeigt. Für die Stadt Leipzig stellen Smart City-Vorhaben Entwicklungskonzepte dar, die die Städte effizienter, technologischer, zukunftssicherer und sozial inklusiver machen sollen. Sie vereinen technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen (vgl. Stadt Leipzig 2019b). Durch ihre Teilnahme an dem Projekt Triangulum, auf das im Kapitel 4.2 spezifischer eingegangen wird, formulierte die Stadt Leipzig auf der Projektwebseite, wie sie den Begriff für die Entwicklung einer Smart City verstehen: "Smart bedeutet hier, dass eine Stadt Aufgaben und Herausforderungen löst, indem sie z.B. neue Technologien klug einsetzt, sich anderes organisiert, oder kluge, zukunftssichere Entscheidungen trifft" (Stadt Leipzig 2019g). Dies zeigt auf den ersten Blick einen ganzheitlichen Ansatz des Smart City-Verständnisses, da Inklusion und Partizipation Bestandteile der Definition sind, jedoch wird auch hier der Fokus auf die Weiterentwicklung und Einsatz von Technologien gesetzt. Wie die tatsächliche Auslegung des Begriffes für die Stadt Leipzig und die Involvierung der Bevölkerung ist, wird im Kapitel 4 näher verdeutlicht.
2.2 Zwischenfazit
Die Zukunftsfähigkeit der Städte wird aktuell in der Implementierung von neuen
IKT gesehen. Dies gibt zwar eine technische Antwort auf die Umwelt- und
Ressourcenprobleme, jedoch lassen sich Herausforderungen wie demographischer
Wandel, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, soziale und ethnische Diversität
oder Klimawandel nicht mit intelligenten Technologien alleine bewältigen (vgl.
Faßmann & Franz 2012, S. 118; S. 123). Die Verwendung von technischen
Entwicklungen zur Verwalt-ung von Städten sowie mobilen und sozialen
Infrastrukturen beschreibt einen vorherrschenden Technikoptimismus. Der Einsatz
wird folglich mit Verbesserung gleichgesetzt, wie auch schon Townsend 2013
sagte: "We'd like to think of
smart technology as a benevolent omniscience, always acting in our interests."
(ebd., S. 276). Dabei ist zu beachten, wie eine Technologie vom Menschen eingesetzt
wird und welchen Nutzen diese schaffen soll. Der
Begriff „smart" diffamiert andere
Konzepte von Stadt, indem eine allumfassende auf technologischen Neuerungen
basierende Strategie formuliert wird, welche scheinbar problemlos optimale,
simple Lösungen präsentiert für jedoch komplexe urbane Probleme. Bedenken, wie zum Datenschutz, Top-Down-Entscheidungen,
fehlendes Mitspracherecht und Transparenz von Daten, müssen von den
Projektleitern erstgenommen werden. Verwaltungen müssen offene Debatten
über ihre Planungsvisionen für die Stadt führen, damit die Bürger ein Verständnis
für die Planung erhalten und Position beziehen können (vgl. Novy 2015, S. 52).
Das damals zum Teil verfolgte Konzept einer von
oben nach unten geleiteten Stadtentwicklung stößt hier auf seine Grenzen, da
die sozialen und politischen Prozesse, aber auch die Komplexität der
städtischen Wirkungsweisen dynamischer sind als früher. Anstelle von
Hierarchien und systematischen Planungsschritten bewährt sich gegenwärtig in
der Stadtplanung ein von Leitbildern entwickeltes Konzept. Die Grundlage basiert
auf einer nachhaltigen und chancen-gerechten Stadtentwicklung, bei dem sich
alle Akteure, sowohl intern als auch extern, auf „Augenhöhe“ begegnen und
kooperieren (vgl. Lohse 2016, S. 16f.). Diese Kooperationsform gewährt einen gleichrangigen,
qualifizierten Austausch und stärkt die Verbindlichkeit und Zusammenarbeit der
Kooperierenden. Das bestärkt auch die These von Breuer et al., nach jener die
„Smart Citizen“, also die „intelligenten“ Bürger, mit ihren Interaktionen und
Vorschlägen für städtische Prozesse entscheidender sind, als die Einbindung von
Technologien. Es ist darum wichtig Inklusion zu schaffen und so auch Menschen
in den alltäglichen städtischen Kontext zu involvieren, die von digitalen
Diensten ansonsten ausgeschlossen sind oder nicht über den nötigen Zugang oder
Fähigkeiten verfügen, um diese richtig zu benutzen. Um den Zugang erhalten zu können,
müssen die Kenntnisse der Beteiligten angepasst und gewährleistet werden durch
zum Beispiel Weiterbildungs-möglichkeiten oder Ausbau des lokalen Internets,
damit alle die Möglichkeit zur Erlangung der erforderlichen Fähigkeiten haben.
Nur so kann nach Breuer et al. ein Ansatz als „smart“ bezeichnet werden (vgl. Breuer et al. 2014, S. 158-161). Rein
technologische Visionen einer Smart City würden zu kurz greifen im Hinblick auf
die Herausforderungen der sozialen Integration und des räumlichen Ausgleichs. Von
den Kommunen wird daher verlangt, dass die Akteure und Anbieter der Informations-
und Kommunikationstechologien, soweit wie möglich eine integrierte und bedarfsorientierte
Stadtentwicklung aufbauen, welche ressortübergreifend Themenschwerpunkte
der Stadt abdecken soll (vgl. Lohse 2016, S. 17). Darum sollte man skeptisch mit der Vertreterrolle
von Technologieunternehmen wie Cisco, IBM oder Siemens bei der Planung von
Smart Cities sein, weil diese wie in der Definition des amerikanischen IT- und
Beratungsunternehmens IBM häufig keinen ganzheitlichen Ansatz vertreten und
verfolgen, sondern lediglich durch den Einsatz von Technologie einfache
Lösungen zugeschrieben werden. Hierbei wird aber oft nicht nach notwendigem
Bedarf oder Bürgerinteresse gehandelt, sondern oft steht der Verkauf der
eigenen Betriebssysteme und Softwares im Vordergrund. Die
Zivilgesellschaft wird in jenen Smart City-Visionen als Nutzer oder Kunden bezeichnet,
welche lediglich die digitalen Daten bedienen dürfen, allerdings werden sie
nicht als Mitgestalter städtischer Entwicklungen in Planungsprojekte integriert. Dies führt wiederum zu Diskussionen über den Umgang
und den Schutz von Daten, da ein Großteil der eingesetzten Technologien auf der
Erfassung und Auswertung von großen Datenmengen, sogenannten Big Data, basiert.
Hinzukommen der steigende Verbrauch von mineralischen und metallischen
Rohstoffen als Konsequenz des anhaltenden Technikkonsums (vgl. Novy 2015, S. 49).
Keiner der Autoren hat den Begriff „smart“ konkretisiert. Trotz der vielen Definitionsansätze bleibt das Smart City-Verständnis
schwer fassbar. Dies liegt an der allumfassenden Rolle, die diesem Stadtkonzept
zugeschrieben wird. Es sollte selbstverständlich sein, dass Stadtentwicklung
einen inklusiven, kooperativen und bedarfsorientierten Ansatz verfolgt. Es
sollen speziell auf die urbanen Gegebenheiten adaptive Lösungen folgen, die der
Lebensqualität und dem Wohlbefinden ihrer Bevölkerung zugutekommen. Diese sind
nicht, wie die Smart City-Vision es gedenkt, ausschließlich durch vernetzte
Technologien zu erreichen. Es ist essenziell dass Schnittstellen wie
Partizipation, Ressourcenschonung, Umwelt und transparente
Regierungsverwaltungen in das System Stadt mit integrieren werden müssen. Nur
so ist ein ressortübergreifender Austausch zwischen den verschiedenen Akteursgruppen
möglich und Wechselwirkungen zwischen dem physischen und virtuellen Raum können
sich ergeben. Dieses
Konzept von Smart City würde so einer integrierten Stadtentwicklung entsprechen
und dynamischen Prozessen innerhalb der Verwaltung und Zivilgesellschaft
entgegenkommen (vgl.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2007,
S. 2).
3 Smart Cities in Deutschland
Dieses Kapitel dient als Übersicht über die gegenwärtigen Entwicklungen und
Trends von Smart City-Vorhaben sowie über aktuelle digitale Projekte und
Konzepte in Deutschland. Hierzu wird zunächst auf die vom Bundesinstitut für
Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) 2017 verfasste „Smart City-Charta“
eingegangen. Dieses Dokument soll Städten und Kommunen Leitlinien für den
Entwicklungsprozess zur nachhaltigen, digitalen Transformation ihrer urbanen
Strukturen und Verwaltung bieten. Es werden dabei die Ziele und
Strategieansätze der Smart City-Charta analysiert. Im weiteren Verlauf des
Kapitels werden Beispiele aus der Bundesrepublik skizziert, um bisherige
Entwicklungen und Orientierungen wiederzuspiegeln. Es wird dadurch gezeigt, ob
es sich um erfolgreiche bedarfsorientierte Smart City-Konzepte handelt und ob
sie sich an den Leitlinien der Smart City-Charta orientiert haben. Anhand des
Überblickes über die derzeitige Smart City-Landschaft in Deutschland lässt sich
im Kapitel 4 überleitend die Stadt Leipzig mit ihrer Smart City-Vision hier einordnen.
3.1 Smart City-Charta für Deutschland
Die Smart City-Charta für Deutschland wurde im Mai 2017 vom BBSR
veröffentlicht und unterstützt mit ihren Leitlinien die Umsetzung der Deutschen
Nachhaltigkeitsstrategie und verfolgt die globalen Nachhaltigkeitsziele der
Agenda 2030 der Vereinten Nationen, den sogenannten „Sustainable Development
Goals“ (SDG). Diese ausgearbeiteten 17 Ziele fordern eine Entwicklung zu einer
nachhaltigeren Lebensgemeinschaft und Umwelt und benennen unter anderem Punkte
wie Geschlechtergleichheit, nachhaltige Städte und Gemeinden, bezahlbare und
saubere Energie sowie Klimaschutz (vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und
Raumforschung 2017a, S. 9; vgl. United Nations 2015, S. 16).
„Smart Cities sind nachhaltiger und integrierter Stadtentwicklung verpflichtet“, lautet der einleitende Satz der Charta (Bundestinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2017a, S. 9). Die Charta versteht die digitale Transformation als Chance für Städte und Gemeinden, um eine nachhaltige Entwicklung anzustreben und ökologische, bedarfsgerechte Lösungen für individuelle Herausforderungen der Stadtplanung zu entwickeln. Es ist eine Zusammenfassung aufbauend auf der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt, der Nationalen Stadtentwicklungspolitik, der Urban Agenda der EU (Pakt von Amsterdam) und der New Urban Agenda der Vereinten Nationen. Sie unterstützt neue Smart City-Projekte, indem sie Potenziale und Risiken einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung frühzeitig erkennt und Fehlabläufe zu vermeiden versucht. Weitere Schwerpunkte der Smart City-Charta liegen auf der interkommunalen Zusammenarbeit und der Förderung von ruralen Räumen. Sie wurde erstellt, um als Dialogplattform zwischen Vertretenden des Bundes, der Länder, der Kommunen und aus den Bereichen der Wissenschaft, Wirtschaft-, Sozial- und Fachverbänden zu dienen. Mit ihren Zielen, wie das Verfassen von Leitlinien für eine nachhaltige, digitale Transformation und konkrete Handlungsempfehlungen für die Umsetzung dieser, richtet sich die Charta nicht nur an die Akteure der Stadtverwaltung, sondern auch an Forschende, Wirtschaftler und an die Zivilgesellschaft (vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2017a, S. 9).
Die Smart City-Charta fokussiert sich auf Digitalisierung, was verdeutlicht, dass die Bundesrepublik unter „Smart City“ technologischen Nutzen für die Lösung von Problemen sieht. Diese „digitale Transformation“ besteht hierbei aus vier grundlegenden Leitlinien: Ziel-, Strategien- und Strukturentwicklung; Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung; Infrastrukturen, Daten und Dienstleistungen, ebenso aus Ressourcen, Kompetenzen und Kooperationen (vgl. ebd., S. 10). Im Bereich der Erstellung von Zielen und Strategien wird auf die Integration der Digitalisierung in die Stadtentwicklung gesetzt. Zudem sollen auch die bedarfsorientierten Anwendungsfelder identifiziert und Resultate geprüft werden, sowie Organisationsstrukturen in die Verwaltungen der Kommunen angepasst werden. Bezogen auf die Transparenz und Partizipation sollen Inklusion und Integration garantiert werden, die durch digitale Teilhabe bedingt werden, ebenso die Demokratie und Mitgestaltung gefördert werden. Die dritte Leitlinie soll durch den verantwortungsvollen Umgang mit Daten und Zugänglichkeit von vernetzter Infrastruktur geschaffen werden. Kooperationen werden durch Zusammenschlüsse einzelner Akteursgruppen der kommunalen Verwaltung, Unternehmen und Zivilbevölkerung gesichert. Hierbei ist es wichtig, durch die Entwicklung von digitalen Kompetenzen Innovationsräume zu schaffen und einen Wissens- und Informationsaustausch auch an Externe weiterzugeben (vgl. ebd., S. 11-14). Für die digitale Transformation wird von den Städten und Gemeinden eine Toleranz und Offenheit gegenüber neuen Technologien vorrausgesetzt. Die Teilnehmenden an der Dialogplattform sollen die Charta als normatives Leitbild verstehen, um so eine intelligente und zukunftsorientierte Strategie für ihre Stadt zu schaffen. Die Smart City-Charta definiert Smart City mit einem allumfassenden Ansatz, in dem der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen und Digitalisierung zum Einsatz kommt, um Integration und Demokratie zu stärken, soziale und wirtschaftliche Disparitäten zu überwinden und umweltfreundliche Energie-, Abwasser-, Abfalls- und Mobilitätskonzepte zu schaffen. Hierbei sollen die Bürger die privaten, öffentlichen und digitalen Räume sicher und ohne Überwachung nutzen (vgl. ebd., S. 10). Dieser Ansatz verspricht zunächst einen Fokus auf den Menschen und die Sicherheit der Datennutzung, jedoch wird nichts Konkretes über die Schritte der Umsetzung und die Einhaltung dieser Versprechen geschrieben.
Die akteursspezifischen Handlungsempfehlungen sind grob formuliert, damit Kommunen Handlungsfreiraum haben und individuelle Ziele einbringen können. Empfohlen wird zum Beispiel der Aufbau einer Dialogplattform, in dem Akteure aus den Bereichen der Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft teilnehmen. So sollen digitale und analoge Beteiligungsmöglichkeiten bestehen, beziehungsweise entwickelt werden, um Potenziale und Herausforderungen der digitalen Transformation für die Stadtplanung zu finden. Nach Abwägung der Chancen und Risiken sollen die Städte angepasste Smart City-Lösungen in ihren bestehenden Strukturen pilotisieren. Dies dient dem Erproben von gemeinsamen Pilotprojekten in Reallaboren, um so „Technologien schneller zur Marktreife“ zu bringen (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2017a, S. 15). So kann auf überschaubaren Rahmen Ideen ausprobiert werden und bei erfolgreicher Durchführung, können diese auf gesamtstädtischer Ebene übernommen werden (vgl. ebd., S. 15f.). Dies stellt einen wesentlichen unternehmensorientieren Ansatz dar. Es wird lediglich auf die Akzeptanz und Implementierung der Technologien durch die Bürger eingegangen, jedoch wird nicht die Problematik der unbegrenzten Datensammlung, die Bedenken der Bevölkerung zum Einsatz und Nutzen der digitalen Technologien oder die nicht technologische Variante eines Lösungsvorschlags allein durch die zivilgesellschaftliche Beteiligung thematisiert. Durch diese Darstellung wird auf Bundesebene keine direkte Kritik an der Machtstellung von IT-Unternehmen oder der Datenüberwachung durch private Unternehmen ausgeübt. Die wissenschaftliche urbane Sozial- und Raumforschung wird dadurch auf die Profitinteressen von Software-Anbietern aufgebaut (vgl. Bauriedl 2018, S. 78f.). Die Professorin für Integrative Geographie Bauriedl formuliert „im Smart-City-Diskurs deutscher Städte ist eine Inklusionsidealisierung und ein green washing zu erkennen“ (vgl. ebd., S. 79). Diese Aussage wird bestärkt durch die Errichtung der Dialogplattform Smart Cities der Bundesregierung 2016. Hier haben etwa 70 nationale Experten aus unterschiedlichen Ressorts, Forschungseinrichtungen und Zivilgesellschaft über die nachhaltige Entwicklung Deutschlands debattiert und die Leitlinien der Smart City-Charta erstellt (vgl. Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat 2019b, S. 2). Jedoch wird nicht klar wie viel Mitspracherecht die zivile Bevölkerung tatsächlich hatte, welche Zugänglichkeit für sie bestand und welche Stufe von Partizipation und Informationsaustausch vorlag.
Ein weiterer Konflikt besteht zudem in der Verallgemeinerung der lokal vorhandenen Infrastrukturen. Ein Reallabor dient zwar der Untersuchung von Experimenten und soll zeigen, wie die Anerkennung der Bürger auf die Integration von neuen Strukturen durch zum Beispiel Technologien ist, jedoch reduziert dies die tatsächliche Komplexität und Diversität sozialer, ökologischer und behördlicher Verhältnisse auf gesamtstädtischer Ebene. Darum können Reallabor-Analysen im großstädtischen Kontext lediglich nur einen stark komprimierten Ausschnitt an Optionen für die lokalen Angelegenheiten wiedergeben (vgl. Bauriedl 2018, S. 80).
Festzustellen ist, dass zwar Partizipation, Umwelt, Demokratie und soziale Benachteiligung Erwähnung finden, jedoch jedes dieser Vorhaben mit Technologie scheinbar simpel zu erreichen ist. Aussagen wie: „Kommunen sollen die Digitalisierung dazu nutzen, ihre Entwicklung sozial verträglich, gerecht, energie- und ressourceneffizient zu gestalten“ (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2017a, S. 11) klingen utopisch und erwecken den Eindruck, dass große Herausforderungen des städtischen Lebens sich alleine mit technischen Mitteln bewältigen ließen. Solche Behauptungen sind stets kritisch zu hinterfragen, denn „nicht Technik löst die Probleme gegenwärtiger Stadtentwicklung, sondern Technik kann von gesellschaftlichen Akteuren eingesetzt werden, um Probleme zu lösen“ (Novy 2015, S. 49). Welche aktuellen Smart City-Entwicklungen und bestehende Initiativen und Projekte es in Deutschland gibt, wird in den folgenden Kapiteln genauer herausgearbeitet.
3.2 Smart City-Entwicklungen
Ausgehend von den Grundlagen der Smart City-Charta haben deutschlandweit
kommunale Verwaltungen Smart City-Strategien und Projekte entwickelt für die Bestrebung
einer nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung. Die ersten Projekte in
Deutschland sind mit der Erstellung von Digitalen Agenden verhältnismäßig spät
eingesetzt und durch die Initiativen von IT-Unternehmen eingeleitet wurden. Der
Fachbegriff Digitale Agenda steht hier als Sammelbegriff für ausformulierte,
geplante und beschlossenen Konzepte, Maßnahmen, Projekte, Masterpläne und
Strategien im Rahmen von Smart City-Visionen (vgl. Bitkom 2019, S. 9). Die Planung und Umsetzung
einer Smart City-Initiative lässt sich mithilfe zweier Klassen zuordnen. „Greenfield
Smart City-Initiativen“ wird eine davon bezeichnet und beschreibt die Umsetzung
einer Smart City als Reißbrett-Entwurf, wortwörtlich übersetzt auf dem „grünen
Feld“ oder anders ausgedrückt auf freier Fläche enstandene smarte Projekte.
Hierzu zählen unter anderem Konzepte der Städte Masdar City oder der
Vereinigten Arbischen Emirate. Hinter den Initiatoren der Greefield Smart City
stehen oftmals IT-Konzerne wie Cisco Systems oder Siemens AG bei der
Projektumsetzung in Masdar City. Die andere Kategorie „Retrofitting Smart
City-Initiativen“ nutzt hingegen bereits bestehende Strukturen einer Stadt für
die digitale Transformation. Diese Art der Planung für Smart City-Projekte ist
in Deutschland überwiegend verbreitet, während die Neuerrichtung von ganzen
smarten Städten eher im Nahen Osten und Asien vorherrschen (vgl.
Hatzelhoffer et al. 2012, S. 32).
- Arbeit zitieren
- Anne Rauchbach (Autor:in), 2019, Smart City-Leipzig. Der Entwicklungsprozess des Referates Digitale Stadt in Leipzig, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1273603
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