[...] Die somit
in der Theorie recht durchschaubare Bildung und Anwendung des Subjunktivs wird erschüttert
durch den tatsächlichen Gebrauch dessen im gesprochenen Französisch: Einerseits
wird der Subjunktiv nach Konjunktionen verwendet, die ursprünglich keinen verlangen
(après que), andererseits ist bei immer mehr Verben, die ursprünglich den Subjunktiv verlangen,
ein Rückgang des Subjunktivs zu verzeichnen (z.B. bei verneinten Verben des Fühlens
und Denkens). Bei einigen wenigen der Subjunktiv fordernden Verben, wie z.B. falloir,
scheint er sich jedoch zu halten. Es kann angenommen werden, dass die Konservierung des
Subjunktivs bei diesen Verben mit der Frequenz der Verben selbst zusammenhängt. Was aber nun, wenn nach falloir nicht der Subjunktiv, sondern Indikativ oder Konditional
folgt?
Diese Frage soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Gegenüber stehen sie hierbei
der Konservierungseffekt (Subjunktiverhalt) und die Tendenz zu analogem Ausgleich (Indikativ-/
Konditionalgebrauch), wie er bei vielen Matrixverben bereits geschehen ist. Im Folgenden
wird untersucht, welche semantischen, pragmatischen und syntaktischen Bedingungen
erfüllt werden, dass nach falloir nicht der Subjunktiv folgt. Dabei soll diskutiert werden,
ob die Semantik des Matrixverbs, wie Poplack (1992) annimmt, keine Rolle beim Gebrauch
oder Nichtgebrauch des Subjunktivs spielt und der Ausdruck des Modus von morphosyntaktischen
Faktoren abhängt. Dies soll in Hinblick auf die Rolle der Frequenz bei Sprachwandelprozessen geschehen.
Wenn man davon ausgeht, dass der Gebrauch von sprachlichen Formen die Grammatik formt
(„language use shapes grammar“, Bybee und Thompson 2007: 269), so ist die Häufigkeit des
Gebrauchs einer sprachlichen Form und die folgende Verankerung derer (entrenchment) in
der mentalen Repräsentation des Sprechers von zentraler Bedeutung.
Die Rolle der Frequenz bei Sprachwandelprozessen wird in Kapitel 1 erläutert. Dabei wird
die Studie von Poplack zum Gebrauch des Subjunktivs im Kanadafranzösischen vorgestellt
und ihre Ergebnisse werden kritisch betrachtet. In Kapitel 2 folgt die Analyse des Indikativoder
Konditionalgebrauchs nach falloir im Französischen Europas. In Kapitel 3 wird diese
Untersuchung mit Poplacks Studie verglichen und die Rolle der Frequenz wird hinsichtlich
der Ergebnisse diskutiert. Kapitel 4 wird einen Ausblick gegeben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretischer Hintergrund
- Frequenzeffekte
- Poplacks Studie zum Subjunktiv im Kanadafranzösischen
- Kritische Betrachtung von Poplacks Studie
- Empirische Untersuchung
- Daten
- Vorgehen und Auswertung der Daten
- Ergebnisse der Untersuchung
- IND-Gebrauch aufgrund von falloir als Diskurs strukturierender Marker
- IND-Gebrauch aufgrund von falloir als Einleitung konkurrierend mit anderen syntaktischen Strukturen
- Der IND als Vereinfachung der Informations- und syntaktischen Struktur
- KOND-Gebrauch aufgrund von Tendenz zur Zeitkonkordanz
- Synthese, Vergleich mit Poplacks Studie, Diskussion
- Ausblick
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Gebrauch von Indikativ und Konditional nach dem Verb falloir im Französischen Europas. Ziel ist es, die semantischen, pragmatischen und syntaktischen Bedingungen zu analysieren, die den Gebrauch des Subjunktivs nach falloir beeinflussen. Die Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die Semantik des Matrixverbs eine Rolle beim Gebrauch oder Nichtgebrauch des Subjunktivs spielt und ob der Ausdruck des Modus von morphosyntaktischen Faktoren abhängt.
- Frequenzeffekte und Sprachwandel
- Der Einfluss der Semantik des Matrixverbs auf die Moduswahl
- Die Rolle von morphosyntaktischen Faktoren bei der Moduswahl
- Der Vergleich des Subjunktivgebrauchs im Kanadafranzösischen und im Französischen Europas
- Die Bedeutung der Frequenz für die Konservierung oder den Wandel sprachlicher Formen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den theoretischen Rahmen der Arbeit vor. Sie erläutert die Bedeutung des Subjunktivs im Französischen und die Problematik seines Gebrauchs im gesprochenen Französisch.
Kapitel 1 beleuchtet den theoretischen Hintergrund der Arbeit. Es wird die Rolle der Frequenz bei Sprachwandelprozessen erläutert, wobei die Studie von Poplack zum Gebrauch des Subjunktivs im Kanadafranzösischen vorgestellt und ihre Ergebnisse kritisch betrachtet werden.
Kapitel 2 präsentiert die empirische Untersuchung des Indikativ- oder Konditionalgebrauchs nach falloir im Französischen Europas. Es werden die Daten, das Vorgehen und die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt.
Kapitel 3 vergleicht die Ergebnisse der Untersuchung mit Poplacks Studie und diskutiert die Rolle der Frequenz hinsichtlich der Ergebnisse.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Subjunktiv, den Indikativ, das Konditional, das Verb falloir, Frequenzeffekte, Sprachwandel, Morphosyntax, Semantik, Pragmatik, Kanadafranzösisch, Französisch Europas.
- Quote paper
- Claudia Bucher (Author), 2009, Subjunktiv, Indikativ oder Konditional nach falloir und die Rolle der Frequenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126956
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