Nach 1974 war Deutschland 2006 zum zweiten Mal Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaften. Zwölf Austragungsstädte durften an diesem Großevent, dessen Dimension nur vergleichbar ist mit der Durchführung von Olympischen Spielen, teilhaben. Die Kleinstadt Kaiserslautern war mit etwa 100.000 Einwohnern dabei die kleinste WM-Stadt.
Aufgrund der Chance auf die vorteilhaften Wirkungen bewerben sich Städte vermehrt für die Austragung von Großereignissen. Ob Olympische Spiele, Weltmeisterschaften, Expo-Ausstellungen, Volksfeste, kulturelle Festivals, Gartenschauen oder Festspiele – die Reihe der Bewerber ist lang.
Dass die Veranstaltung einer Fußball-Weltmeisterschaft enorme positive wie negative Auswirkungen für das Land und die Städte zur Folge hat, steht außer Frage. Jedoch können die Folgen von großer unterschiedlicher Natur sein. Verschiedene Ziele, die durch eine Bewerbung der Stadt für die Fußball-WM erreicht werden wollen, stehen im Mittelpunkt. Dazu gehören die Erhöhung des Bekanntheitsgrades, der Aufbau eines positiven Images, Maximieren des kurzfristigen Gewinns, Belebung der Wirtschaft der Stadt oder eine Verbesserung der städtischen Infrastruktur. Es besteht die einmalige Chance, die Stadtentwicklung in kurzer Zeit voran zu treiben. Die Kunst ist es, den Impuls, der von der WM ausgelöst wurde, durch Strukturveränderungen weiter fortzuführen, damit nachhaltige Ergebnisse wie dauerhafter Tourismus, Industrieansiedlung, Folgeveranstaltungen oder wirtschaftliche Beziehungen, zu erkennen sind. Der Ausstrahlungseffekt der Fußball-WM in Kaiserslautern kann die weitere Entwicklung der Stadt nachhaltig beeinflussen. Allerdings ist auch mit negativen Folgen zu kalkulieren. Es kann zu einer Überschuldung der Stadt kommen, das Geld wäre in alternative Projekte besser investiert gewesen, die Lebenshaltungskosten könnten steigen, Stammtouristen vertrieben werden, Investitionen im Nachhinein nicht rentabel sein oder die WM könnte nur wenige kurzfristige Arbeitsplätze liefern (Preuß, 1999).
Ob eine Stadt als geeignet eingestuft werden kann, Ausrichter einer Fußball-WM zu sein, hängt wesentlich davon ab, in welchem Umfang Investitionen für das Event getätigt werden müssen und inwieweit diese Investitionen kompatibel mit den Stadtentwicklungsplänen sind.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Hintergrund, Fragestellung und Ziele der Arbeit
1.2 Stand der Forschung
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Großveranstaltung und Event
2.1 Begriffsdefinition Großveranstaltung und Event
2.2 Der Wandel zur Eventgesellschaft
2.3 Mögliche Effekte eines Events
3. Die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM in Deutschland
3.1 Die Austragungsstädte
3.2. Einstellung der deutschen Bevölkerung
3.3 Bedeutung der Sportart Fußball
3.4 Die WM in Deutschland – Die WM der Rekorde
3.5 Die Idee des Public Viewings
4. Methodische Grundlagen zur Messung von Effekten von Sportgroßveranstaltungen
4.1 Empirische Schätzungen und empirische Analysen
4.2 Wertschöpfungsanalyse
4.3 Input- Output- Analyse
4.4 Betriebliche Investitionsrechnung
4.5 Inzidenzanalyse
4.6 Multiplikatoranalyse
4.7 Die Kosten-Nutzen-Analyse
4.7.1 Begriffe Kosten und Nutzen
4.7.1.1 Direkte vs. indirekte Kosten und Nutzen
4.7.1.2 Reale vs. pekuniäre Kosten und Nutzen
4.7.1.3 Tangible vs. intangible Kosten und Nutzen
4.7.1.4 Intangible monetarisierbare – nichtmonetarisierbare Kosten und Nutzen
4.7.1.5 Opportunitätskosten
4.8 Kosten-Wirksamkeitsanalyse
4.9 Nutzwertanalyse
4.10 Vergleich der methodischen Grundlagen und Empfehlungen im Rahmen der Untersuchung
5. Sozio-ökonomische Auswirkungen der WM für Deutschland
5.1 Kosten-Nutzen-Modell zur Fußball- Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland
5.2 Messbare gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der WM für Deutschland
5.3 Image- und soziale Effekte für Deutschland
5.4 Zusammenfassung der Wirkungen der WM für Deutschland
6. Die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM in Kaiserslautern
6.1 Das Land Rheinland-Pfalz
6.2 Die Stadt Kaiserslautern
6.3 Fußball in Kaiserslautern
6.4 „Die Welt zu Gast bei Freunden“ in Kaiserslautern
6.4.1 Fan Fest FIFA WM 2006TM Stiftsplatz
6.4.2 Fan Fest FIFA WM 2006TM Fan-Treff Barbarossa-Straße
6.4.3 WM-Meile Eisenbahnstraße
6.4.4 Fan-Garten Weberstraße
6.4.5 Schillerplatz – das Tor zur WM-Meile
6.4.6 Weindorf an der Stiftskirche
6.4.7 Fritz-Walter-Stammtisch
6.4.8 Fan Camp
6.5 Das FIFA Pflichtenheft – Herausforderung für die Stadt Kaiserslautern
6.5.1 Umbau Fritz-Walter-Stadion
6.5.2 Infrastrukturmaßnahmen
6.5.3 Übernachtungsmöglichkeiten
7. Vorstellung der Nutzwertanalyse für die Fußball-WM in Kaiserslautern
7.1 Ziele und Grundlage der Untersuchung
7.2 Betrachtungsraum
7.3 Handlungsalternativen
7.4 Die Methodik der Nutzwertanalyse für die Fußball-WM 2006 in Kaiserslautern
7.5 Die beteiligten Akteure
7.6 Beschreibung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen
7.6.1 Ökonomische Wirkungen der WM auf die Stadt Kaiserslautern
7.6.2 Ökonomische Wirkungen der WM auf das Gastgewerbe und den Einzelhandel aus Kaiserslautern
7.6.3 Ökonomische Wirkungen der WM auf die sonstigen Unternehmen aus Kaiserslautern
7.6.4 Ökonomische Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
7.6.5 Ökonomische Wirkungen der WM auf die Besucher von Kaiserslautern
7.6.6 Ökologische Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
7.6.7 Soziale Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
7.6.8 Soziale Wirkungen der WM auf die Besucher der WM in Kaiserslautern
7.7 Vorstellung der Erhebungsmethoden
7.7.1 Experteninterviews
7.7.2 Befragung der Bevölkerung von Kaiserslautern
7.7.3 Befragung der ausländischen Besucher der WM in Kaiserslautern
7.7.4. Symposium „Ein Jahr danach – Große Studien zur FIFA Fußball-WM 2006TM“
8. Ergebnisse und Interpretation der Nutzwertanalyse für die Fußball-WM in Kaiserslautern
8.1 Erfassung der ökonomischen Wirkungen
8.1.1 Ökonomische Wirkungen der WM auf die Stadt Kaiserslautern
8.1.2 Ökonomische Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
8.1.3 Ökonomische Wirkungen der WM auf die Besucher von Kaiserslautern
8.1.4 Ökonomische Wirkungen der WM auf das Gastgewerbe und den Einzelhandel aus Kaiserslautern
8.1.5 Ökonomische Wirkungen der WM auf die sonstigen Unternehmen aus Kaiserslautern
8.2 Erfassung der ökologischen Wirkungen
8.2.1 Ökologische Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
8.3 Erfassung der sozialen Wirkungen
8.3.1 Soziale Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
8.3.2 Soziale Wirkungen der WM auf die Besucher in Kaiserslautern
8.4 Zusammenfassung der Ergebnisse
9. Nachhaltigkeit der FIFA Fußball- Weltmeisterschaft 2006TMfür Kaiserslautern
10. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abgrenzung von Ereignissen und Sportevents
Abbildung 2: Wo ist am meisten los? Besucher von Großveranstaltungen in Millionen im Jahr 1996 in Deutschland
Abbildung 3: Die wichtigsten Ziele städtischer Kommunikationsaktivitäten
Abbildung 4: Investitionen in Stadionneu- und -umbauten anlässlich der Fußball-WM
Abbildung 5: Klassifizierung der Wirkungen von Sportgroß- veranstaltungen nach Art der Wirkungen und nach Akteuren
Abbildung 6: Schematische Darstellung eines Zielsystems für die Nutzwertanalyse
Abbildung 7: Merkmale einer Fußball-Weltmeisterschaft aus sozio-ökonomischer Sicht
Abbildung 8: Die 12 Spielorte der FIFA Fußball-WMTM
Abbildung 9: Verkehrsanbindung rund um Kaiserslautern
Abbildung 10: Übersichtsplan der Aktivitäten in der Stadt während der WM
Abbildung 11: Anfahrtsdauer zu Übernachtungsstätten um Kaiserslautern
Abbildung 12: Verfahrensschritte der Nutzwertanalyse für die Fußball-WM in Kaiserslautern
Abbildung 13: Zielsystem für Sportgroßveranstaltungen
Abbildung 14: Altersstruktur der Gesamtbevölkerung und der Stichprobe
Abbildung 15: Ökonomische Wirkungen der Fußball-WM 2006 auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
Abbildung 16: Ökologische Wirkungen der Fußball-WM 2006 auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
Abbildung 17: Einschätzung der Kaiserslauterer Bevölkerung über lohnende Investitionen verschiedener Projekte
Abbildung 18: Soziale Wirkungen der Fußball-WM 2006 auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
Tabelle 1: WM-Austragungsorte mit Einwohnerzahlen und Stadionkapazitäten
Tabelle 2:
Tabelle 3: Daten zur Entwicklung von Fußball-Weltmeisterschaften Multiplikatoren verschiedener ökonomischen Analysen
Tabelle 4: von Sportgroßveranstaltungen Gewichtung innerhalb des Zielsystems für Sportgroßveranstaltungen aus Sicht von Experten
Tabelle 5: Tangible direkte Kosten und Nutzen der WM
Tabelle 6: Tangible indirekte Kosten und Nutzen der WM
Tabelle 7: Intangible Kosten und Nutzen der WM
Tabelle 8:Kosten und Nutzen der WM 2006 nach ihrer Verteilung
Tabelle 9:Auflistung der ökonomischen, ökologischenund sozialen Ziele auf die Akteure
Tabelle 10:Ökonomische Wirkungen der WM auf die Stadt Kaiserslautern
Tabelle 11:Ökonomische Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
Tabelle 12:Beurteilung der Preise in Kaiserslauterndurch ausländische Gäste
Tabelle 13:Höhe des Reisebudgets der ausländischen WM-Besucher
Tabelle 14:Ökonomische Wirkungen der WM aufdie Besucher der WM
Tabelle 15:Zahl der Übernachtungen im Juni 2005 und
Tabelle 16:Ökonomische Wirkungen der WM auf in Kaiserslautern
Tabelle 17:konomische Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
Tabelle 18:kologische Wirkungen der WM auf die sonstigen Unternehmen Kaiserslauterns
das Gastgewerbe und Einzelhandel Kaiserslauterns
Tabelle 19: Soziale Wirkungen der WM auf die Bevölkerung Kaiserslauterns
Tabelle 20: Soziale Wirkungen der WM auf die Besucher Kaiserslauterns
Tabelle 21: Nutzwertanalyse der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM in Kaiserslautern
1 Einleitung
1.1 Hintergrund, Fragestellung und Ziele der Arbeit
Nach 1974 war Deutschland 2006 zum zweiten Mal Gastgeber der Fußball- Weltmeisterschaften. Zwölf Austragungsstädte durften an diesem Großevent, dessen Dimension nur vergleichbar ist mit der Durchführung von Olympischen Spielen, teilhaben. Die Kleinstadt Kaiserslautern war mit etwa 100.000 Einwohnern dabei die kleinste WM-Stadt.
Aufgrund der Chance auf die vorteilhaften Wirkungen bewerben sich Städte vermehrt für die Austragung von Großereignissen. Ob Olympische Spiele, Weltmeisterschaften, Expo-Ausstellungen, Volksfeste, kulturelle Festivals, Gartenschauen oder Festspiele – die Reihe der Bewerber ist lang. Häußermann und Siebel sprechen dabei von einer vermehrten Politik der großen Ereignisse (1993).
Dass die Veranstaltung einer Fußball-Weltmeisterschaft enorme positive wie negative Auswirkungen für das Land und die Städte zur Folge hat, steht außer Frage. Jedoch können die Folgen von großer unterschiedlicher Natur sein. „Manche der den „big events“ zugeschriebenen vorteilhaften Wirkungen treten nicht generell, sondern nur in besonderen Fällen auf“ (Selle, 1993, S. 189). Verschiedene Ziele, die durch eine Bewerbung der Stadt für die Fußball-WM erreicht werden wollen, stehen im Mittelpunkt. Dazu gehören die Erhöhung des Bekanntheitsgrades, der Aufbau eines positiven Images, Maximieren des kurzfristigen Gewinns, Belebung der Wirtschaft der Stadt oder eine Verbesserung der städtischen Infrastruktur. Es besteht die einmalige Chance, die Stadtentwicklung in kurzer Zeit voran zu treiben. Die Kunst ist es, den Impuls, der von der WM ausgelöst wurde, durch Strukturveränderungen weiter fortzuführen, damit nachhaltige Ergebnisse wie dauerhafter Tourismus, Industrieansiedlung, Folgeveranstaltungen oder wirtschaftliche Beziehungen, zu erkennen sind. Der Ausstrahlungseffekt der Fußball-WM in Kaiserslautern kann die weitere Entwicklung der Stadt nachhaltig beeinflussen. Allerdings ist auch mit negativen Folgen zu kalkulieren. Es kann zu einer Überschuldung der Stadt kommen, das Geld wäre in alternative Projekte besser investiert gewesen, die Lebenshaltungskosten könnten steigen, Stammtouristen vertrieben werden, Investitionen im Nachhinein nicht rentabel sein oder die WM könnte nur wenige kurzfristige Arbeitsplätze liefern (Preuß, 1999).
Ob eine Stadt als geeignet eingestuft werden kann, Ausrichter einer Fußball- WM zu sein, hängt wesentlich davon ab, in welchem Umfang Investitionen für das Event getätigt werden müssen und inwieweit diese Investitionen kompatibel mit den Stadtentwicklungsplänen sind. Die Meinungen der Experten gingen da hinsichtlich der Bewerbung Kaiserslauterns im Vorfeld der WM auseinander. Standen die Dimensionen der Investitionen in einem angemessenen Verhältnis zur Größe und zu den Ressourcen der Stadt? Oder einfach gefragt: War Kaiserslautern für die Ausrichtung von fünf Spielen der Fußball-WM geeignet? Kann die Bewerbung der Stadt Kaiserslautern für die Fußball-WM mit den Investitionen, die zum großen Teil aus Steuergeldern finanziert wurden, im Nachhinein als gerechtfertigt eingestuft werden? Diese und andere Fragen werden in der vorliegenden Arbeit anhand einer Nutzwertanalyse auf Basis von Experteninterviews, Expertenvorträgen sowie Einwohner- und Zuschauerbefragungen beantwortet. Ziel der Arbeit ist der Vergleich der Austragung der WM-Spiele mit dem Verzicht darauf mit Hilfe einer Nutzwertanalyse. Dabei wird die Arbeit der Stadt Kaiserslautern hinsichtlich der WM bewertet und untersucht, wie Kaiserslautern von der WM nachhaltig profitieren kann.
1.2 Stand der Forschung
Um Wirkungen von Sportgroßveranstaltungen angeben zu können, wurden bereits zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Neben Publikationen, die sich auf touristische Effekte konzentrieren, haben sich die ökonomischen Betrachtungen in den letzten zwei Jahrzehnten in der Wissenschaft verbreitet, deren Anzahl überschaubar ist. „Die Analyse der vielschichtigen ökonomischen Implikationen großer Sportveranstaltungen befindet sich als überaus junger Forschungsgegenstand noch in der Entwicklungsphase“ (Fanelsa, 2003, S. 31).
Wichtige Arbeiten über die ökonomischen Auswirkungen von Sportveranstaltungen im Allgemeinen verfassten Anders und Hartmann (1996), Büch, Maennig und Schulke (2002) sowie Késenne (1999).
Die meisten wirtschaftlichen Analysen sind ex-ante Publikationen, welche im Vorfeld des Ereignisses angefertigt werden und sich meist mit der Vorausschau von Ergebnissen von Olympischen Spielen beschäftigen. Steiner und Thöni (1995) analysieren so die wirtschaftlichen Effekte der nicht durchgeführten Olympischen Winterspiele in Graz 2002. Anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse kontrolliert Maennig (1991) die Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele Hamburgs 2004 und Berlins 2000 und 2004. Preuß und Weiss (2003) beschäftigen sich mit den Kosten und Nutzen der Olympischen Spiele 2012 in Frankfurt.
Vergleichsweise wenige Arbeiten liegen als Ergebniskontrolle im Nachhinein der Veranstaltung vor. In solch einer ex-post Analyse untersucht Kirchner (1980) bereits früh die Auswirkungen der Winterolympiaden in Innsbruck 1964 und 1976. Preuß (1999) fasst die ökonomischen Implikationen der Ausrichtung Olympischer Spiele von München 1972 bis Atlanta 1996 zusammen.
Eine größere Anzahl an Untersuchungen ist im englischsprachigen Raum zu finden. So beschäftigen sich Burns, Hatch und Mules (1986) mit den Effekten des Formel 1 Grand Prix in Adelaide. Eine Einschätzung der Olympischen Spieliellungen zur Wirkungsmessung. Weitere deutschsprachige Arbeiten über ökonomische Reaktionen gibt es in anderen verschiedenen Sportarten. Fanelsa (2003) stellt die regionalwirtschaftlichen Effekte der internationalen Galopprennen in Baden- Baden dar, Borghoff (2004) misst die regionalwirtschaftlichen Wirkungen bei Motorsportgroßveranstaltungen, Häußermann und Siebel (1993) liefern eine Zusammenfassung verschiedener Sportgroßveranstaltungen und deren wirtschaftlichen Resultate.
Die Literatur zu den ökonomischen Effekten von Fußball- Weltmeisterschaften, worauf sich auch die vorliegende Arbeit konzentriert, ist vielfältiger. Godman und Stern erwarteten in Ihrer ex-anten Analyse der WM 1994 in den USA einen Gewinn von 3,3 Mrd. Euro (1994).
Für die WM 1998 in Frankreich existieren lediglich unveröffentlichte Arbeiten. Zur WM 2002 in Korea und Japan schätzte Szymanski für das Turnier ein Wachstum des koreanischen Bruttoinlandproduktes um 1,1 Prozent, einen kurzfristigen Gewinn von etwa 4,5 Mrd. Euro und einen langfristigen Nutzen von ungefähr 10,5 Mrd. Euro (2002). Manzenreiter kritisiert in seiner auf Japan fokussierten Betrachtung das Problem der Nachnutzung der Stadien und die Vergabe der Bauaufträge an Großunternehmen (2004).
Für die FIFA Fußball-WeltmeisterschaftTM2006 in Deutschland existiert eine größere Anzahl an Arbeiten. Rahmann, Weber, Groening, Kurscheidt, Napp und Pauli verfassten eine ausführliche ex-ante Kosten-Nutzen-Analyse (2000). Diese Arbeit wurde durch den DFB beauftragt und galt als Grundlage für dessen Planungen. Die Autoren schätzten den ökonomischen Nutzen der WM zwischen den Jahren 2000 – 2015 auf etwa fünf Milliarden DM bei optimistischer Betrachtung und empfahlen dem DFB eine Bewerbung für die WM.
Meyer und Ahlert errechnen einen nationalen Gesamteffekt der WM von etwa 6,5 Mrd. Euro (2002).
Ex-ante Kosten-Nutzen-Analysen für Gelsenkirchen, Köln und Kaiserslautern liegen im Hinblick auf die Weltmeisterschaft 2006 von Scharrenberg (2006), Ehlert (2003) und Rathmann (2003) vor. Hintzen (2006) fasst in seiner Aufzeichnung alle Vorhersagen zur wirtschaftlichen Bedeutung der Fußball- Weltmeisterschaften zusammen.
Heyne (2006) analysiert die ökonomischen Effekte der Fußball Weltmeisterschaft nach der Veranstaltung und überprüft, ob die öffentlichen Subventionen für die Ausrichtung gerechtfertigt waren. Gratton (2002) fasst die wirtschaftlichen Wirkungen der Fußball- Europameisterschaft 1996 in England zusammen und beurteilt die Veranstaltung als Erfolg für die Austragungsstädte und die britische Tourismusbranche.
Gans, Horn und Zemann (2003) geben in Ihrem Handbuch eine Anleitung für eine ex-ante und eine ex-post Nutzwertanalyse und untersuchen damit die ökonomischen, ökologischen und sozialen Wirkungen des FIS Weltcup- Skispringens 2001 in Willingen und der ISTAF 2001 in Berlin. Diese Anleitung soll Grundlage für die Erfolgskontrolle der Fußball-Weltmeisterschaft in Kaiserslautern in der vorliegenden Arbeit sein.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist in insgesamt zehn Kapitel gegliedert.
Der vorausgegangene erste Teil lieferte den Einstieg in das Thema und fasste die bereits existierenden Arbeiten zum Thema zusammen.
Abschnitt zwei gibt einen Überblick, wie eine Veranstaltung zum Event wird und wie sich die Gesellschaft für den Trend „Event“ vermehrt begeistert. Zudem werden mögliche Effekte einer Großveranstaltung aufgelistet.
In Kapitel drei wird das spezielle Event, die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TMin Deutschland, umfassend vorgestellt.
Es folgt eine Darstellung der möglichen Analysemethoden zur Erfassung der Wirkungen von Sportgroßveranstaltungen im vierten Kapitel. Dabei wird auf die Kosten-Nutzen-Analyse und auf deren Variante, die Nutzwertanalyse, verstärkt eingegangen. Ein Vergleich der verschiedenen Möglichkeiten und eine Empfehlung für das zu untersuchende Thema runden dieses Kapitel ab.
Abschnitt fünf fasst die sozio-ökonomischen Auswirkungen der WM für Deutschland zusammen. Ergebnisse verschiedener bereits existierender Studien dienen dabei als Grundlage.
Kapitel sechs stellt die Stadt Kaiserslautern im Detail vor und beleuchtet die Einzelheiten in Bezug auf die Fußball-Weltmeisterschaft in Kaiserslautern.
Nachdem Abschnitt vier die verschiedenen Analysevarianten vorgestellt hat, folgt in Kapitel sieben eine genaue umfassende Erklärung der für die Arbeit ausgewählten Methodik der Nutzwertanalyse für die Stadt Kaiserslautern.
Abschnitt acht liefert die Ergebnisse der Untersuchung und interpretiert diese.
Wie die Erkenntnisse aus dem achten Kapitel nachhaltig genutzt werden können beschreibt Abschnitt neun. Vorschläge für Folgeaktionen und Empfehlungen für die Konservierung oder Fortführung der untersuchten Wirkungen werden gegeben.
Das zehnte Kapitel schließt die vorliegende Arbeit ab und fasst die gewonnenen Erkenntnisse in einem umfassenden Fazit nochmals zusammen.
2 Großveranstaltung und Event
Die FIFA Fußball Weltmeisterschaft 2006TMist ein sportliches Event, mit deren Größe und Umfang nur die Olympischen Spiele konkurrieren können. Im fußballbegeisterten Deutschland erhält dieses Turnier einen ganz besonderen Stellenwert mit erheblichen ökonomischen, ökologischen und sozialen Effekten. Doch was genau ist eine Großveranstaltung und wie wird ein Fußballturnier zum Mega-Event?
2.1 Begriffsdefinition Großveranstaltung und Event
Großveranstaltungen haben bereits eine lange Tradition. Schon die Olympischen Spiele der Antike lassen sich Sportgroßveranstaltungen zuordnen. Großveranstaltungen lassen sich in drei Typen kategorisieren: Mega-Events sind übergreifende, universelle Großveranstaltungen mit internationalem Charakter und sind unabhängig vom Austragungsort. Erhebliche ökonomische Auswirkungen sind bei Mega-Events aufgrund der Internationalität und dem regen Zuschauerinteresse zu erwarten (Hall, 1989). Seit den 80er Jahren haben sich die Olympischen Spiele und die Fußball-Weltmeisterschaften durch Professionalisierung und Kommerzialisierung zu sportlichen Mega-Events entwickelt (Menzel, 2007).
Stadtfeste wie das Münchner Oktoberfest werden als Hallmark-Events bezeichnet. Hallmark-Events dienen zur Steigerung der Attraktivität touristischer Reiseziele und gelten als touristische Veranstaltungen (Ritchie, 1984).
Modeerscheinungen wie die „Love Parade“ oder die Eventisierung des Kölner Karnevals werden den sogenannten Special-Events zugewiesen. Deren Motive können ganz unterschiedlicher Natur sein. Eine Möglichkeit könnte die Identifizierung mit dem Austragungsort oder die Steigerung des „Wir“- Gefühls sein. Die Förderung des Tourismus steht dabei nicht im Vordergrund (Getz, 1991).
Eine Veranstaltung wird zu einem Event, wenn sie für den Besucher zum einmaligen Ereignis wird, welches positiv von den Besuchern wahrgenommen wird und sie aktiviert, sowie eine professionelle Organisation und eine geplante Durchführung zur Grundlage hat (Holzbaur, Jettinger, Knauss, Moser & Zeller, 2002).
Für eine Fußball-Weltmeisterschaft gelten typische Eigenschaften eines Events als charakteristisch: Die Veranstaltung ist einmalig und kommt in absehbarer Zeit nicht mehr wieder. Die Vorbereitung nimmt deutlich mehr Zeit und Aufwand in Anspruch als die Durchführung. Das Ergebnis kann nicht gelagert werden und die Resultate leben vom subjektiven Eindruck, welcher nicht nachgebessert werden kann. Ist die Veranstaltung vorbei, lässt sich das Ergebnis nicht mehr verändern. Eine professionelle Planung und Durchführung des Events ist daher immens wichtig.
Der Begriff Sportevent lässt sich aber auch über andere Wege herleiten. Ein Ereignis ist ein zeitlich und räumlich begrenzter Vorgang, der sich durch einen inhaltlichen Fokus und öffentliche Aufmerksamkeit auszeichnet (Schulz 1994, S.337). Ereignisse, die in einer geschlossenen, zeitlich abgrenzbaren Einheit zusammengefasst und von einem Veranstalter organisiert werden, gelten als Veranstaltung (Heinemann 1995, S.177). Wird eine solche Veranstaltung vermarktet, so wird daraus ein Event.
Abbildung 1: Abgrenzung von Ereignissen und Sportevents (Riedmüller 2003, S. 49)
Folgende Dimensionen einer Großveranstaltung sind prägend:
- Eventausrichtung (lokal, regional, national)
- Eventkosten (hohe, niedrige Investitionen)
- Eventadressaten (eng, weit)
- Eventdauer (Stunden, Tage, Wochen)
- Eventgegenstand (personenbezogen, ereignisbezogen)
- Eventfrequenz (regelmäßig, einmalig)
- Eventbezug (sind Teilnehmer und Zuschauer lokaler, nationaler oder internationaler Art)
Ein Mega-Event lässt sich als eine Veranstaltung mit internationalem Eventbezug definieren, das an unterschiedlichen Orten in der Welt nach dem gleichen Regelwerk und damit in ähnlicher Art und Weise ausgerichtet werden kann. Diese Kriterien erfüllen nur die Olympischen Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften. Für den Veranstalter ist ein Mega-Event eine singuläre Veranstaltung, die hohe Investitionen erfordert und durch Imageeffekte über einen längeren Zeitraum hinweg nachwirken. (Landesbank Rheinland-Pfalz, 2005) Horch sieht in einem Event ein inszeniertes außergewöhnliches Ereignis, das den Teilnehmern Erlebnisse vermitteln soll (2003).
Eine einheitliche Festlegung des Begriffes „Event“ lässt sich nur schwierig bestimmen. Für die Fußball-Weltmeisterschaft als Event in der vorliegenden Arbeit scheint folgende Definition passend:
Der Begriff Event (engl.: „Ereignis“; häufig auch im Sinne von Veranstaltung verwendet) (…) bezeichnet in erster Linie ein meist kurz- oder mittelfristiges, natürliches (d.h. natürliche oder historische Gegebenheiten wie die Sonnenfinsternis oder Jubiläen) oder künstliches (keinen näheren Bezug zum Veranstaltungsort), sehr häufig speziell inszeniertes Ereignis, das den Charakter des Einmaligen, Besonderen oder Seltenen besitzt. Zudem zeichnet es sich in der Regel durch professionelle und systematische Planung im Vorfeld aus, ruft sehr häufig das Interesse der Medien hervor und ist touristisch relevant. (…) Bezüglich der Differenzierung des Eventbegriffes lassen sich Events nach der Dauer, der Häufigkeit, der Entstehung und hinsichtlich des Einzugsgebietes (Zuschauerzahl und –herkunft) differenzieren. Desweiteren lassen sie sich nach der Größe in Mega-, Medium- und Mini-Event untergliedern (Freyer, 1998, S. 12).
2.2 Der Wandel zur Eventgesellschaft
„Noch nie hat es eine Generation gegeben, die so viel freie Zeit zur Verfügung hatte und gleichzeitig so mobil war“ (Opaschowski, 1997, S. 26) und „noch nie hat es eine Generation gegeben, die mit so viel (…) Geld, Bildung und Wohlstand aufgewachsen ist“ (Opaschowski, 1995, S. 19). Während die Lebenserwartung eines Menschen steigt, sinkt die Arbeitszeit kontinuierlich. Sicherlich ist unsere Gesellschaft in Sachen Freizeit an ihre Grenzen gestoßen und ein leichter Gegentrend ist erkennbar, Fakt ist dennoch, dass sich die westdeutsche Arbeitszeit in den letzten vierzig Jahren von 50 auf 38,5 Stunden reduzierte. Die vorhandene freie Zeit in Kombination mit Wohlstand nutzt die Menschheit für einen Wandel von der Freizeitgesellschaft zur Erlebnisgesellschaft. Das Freizeitbudget der Haushalte stieg zwischen 1970 und 1990 von 800 € auf 3.550 € und hat sich damit fast verfünffacht. Für den Bereich Sport gaben die Deutschen 1995 insgesamt 29 Mrd. € aus, dazu gehören auch die Investitionen für Eintrittskarten oder Reisen zu Sportevents.
22 Prozent der Bundesbürger ab 14 Jahren besuchten 1997 eine Veranstaltung im Bereich von Kultur, Sport und Unterhaltung. Passend zum klassischen Fußballfan ist der typische Event-Tourist männlich, gehört der jüngeren Generation an und zählt zu den Besserverdienenden. (Opaschowski, 1995).
Wichtig ist die Entwicklung der Motivation eines Event-Besuchs. War es früher eher der Bedarf, so ist es heute der Wunsch nach intensiverem Erleben, und Eventbesuche entwickeln sich zu Statussymbolen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Wo ist am meisten los? Besucher von Großveranstaltungen in Millionen im Jahr 1996 in Deutschland (Opaschowksi, 1997, S. 24).
Es gilt als unumgänglich, dass Events professionell gemanagt und vermarktet werden. Tendenzen einer Amerikanisierung, wo die eigentliche Veranstaltung nur ein kleiner Teil des Events ist, sind auch in Deutschland zu erkennen. Zu erkennen ist, dass die Menschen vor der Langeweile, der Routine und dem Alltag flüchten wollen.
Welche ökonomische Position der Sport in Deutschland einnimmt, zeigen folgende Zahlen: Etwa 1,8 Prozent aller Käufe der privaten Haushalte entfielen 1991 auf Sportwaren. Damit sind die Ausgaben vergleichbar mit dem Volumen der Käufe von Tabak oder Körperpflegemittel. 700.000 Menschen, das sind zwei Prozent der Gesamtbeschäftigtenzahl, sind in der Branche direkt oder indirekt beschäftigt, ungefähr genauso viel wie in der Chemischen Industrie angestellt sind (Rathmann, 2003).
All dies sind gute Voraussetzungen für das Mega-Event 2006 in Deutschland: die Fußball-Weltmeisterschaft.
2.3 Mögliche Effekte eines Events
Eine Großveranstaltung hat eine Fülle von kurz-, mittel- und langfristigen positiven wie negativen Effekten zur Folge. Die Olympischen Spiele von 1976 erbrachten finanzielle Probleme für Montreal und vier Jahre später folgte der westliche Boykott in Moskau. Doch seit den finanziell erfolgreichen Olympischen Spielen 1984 von Los Angeles1 stehen die Städte Schlange, um sich für Veranstaltungen dieser Größenordnung zu bewerben, und es ist seither eindeutig, dass Sportgroßveranstaltungen zweifellos eine beträchtliche volkswirtschaftliche Dimension haben. Die Planung großer Projekte soll eine Stadt international bekannt machen und monetäre Zuflüsse von außerhalb in die Stadt lenken. Um an Zuschüsse von der Landes- und Bundesregierung sowie an weitere Sondermittel zu gelangen, entwickeln die Städte viel Phantasie. Ein weiteres langfristiges Ziel ist die Erhöhung des Bekanntheitsgrades und die Aufpolierung des Images durch die weltweit sendenden Medien, auch um für gewerbliche Investitionen attraktiv zu werden (Häußermann & Siebel, 1993). „Vor diesem Hintergrund beobachtet man seit etwa Mitte/Ende der 1980er Jahre eine deutliche Verschärfung des weltweiten Bieterwettbewerbs zwischen nationalen wie regionalen Nachfragern um die Ausrichtung internationaler Sportgroßevents“ (Kurscheidt, 2003). Hall bezeichnet das Ausrichten einer Großveranstaltung als „image builder of modern tourism“ (1992, S. 1) und Häußermann und Siebel sprechen von einer „Festivalisierung der Stadtpolitik“ (1993).
Neu ist, dass hinter dem Gedanken, Gastgeber zu sein, handfeste stadtpolitische Überlegungen stehen, welche als Ausgangspunkt einer Stadtentwicklung dienen (Häußermann & Siebel, 2003).
Ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Nutzung von Großveranstaltungen war in den 70er Jahren München2, das sich dadurch in Sachen Stadtentwicklung komplett änderte. Heute noch profitiert die Stadt von der damals erbauten Infrastruktur samt U- und S-Bahnnetz.
Länder- oder stadtintern können Sportgroßveranstaltungen Imposantes bewirken. Der WM-Erfolg 1954 hat Deutschland zu einem großen Aufschwung verholfen. Die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona sollen eine Annäherung zwischen Katalanen und übrigen Spaniern bewirkt haben (Ferrando & Hargreaves, 2001). Nationalstolz, Gemeinschaft und Identität, auch internes Image genannt, können durch solche Mega-Events gefördert werden.
Welche Ziele eine Stadt oder ein Land mit seiner Kommunikationsaktivität verfolgt, ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Die wichtigsten Ziele städtischer Kommunikationsaktivitäten (Maennig & Feddersen, 2002, S. 103).
Die Wirkungen einer Großveranstaltung gehen weit über monetäre bzw. monetär messbare Effekte hinaus. Auch sind die Ergebnisse in der Prä- und Post-Event- sowie in der Durchführungsphase unterschiedlich. Gerade die nicht-monetären Wirkungen zu bewerten, stellt für die Wissenschaft immer wieder ein Problem dar. „Der Hauptgewinn, den wir uns alle von der WM erhoffen, nämlich eine Aufbruchstimmung in unserem Land und ein Imagegewinn für unser Land – das alles lässt sich kaum in Euro und Cent beziffern“ (Landesbank Rheinland-Pfalz, 2005, S. 25).
3. Die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TMin Deutschland
„And the winner is … Deutschland“ verkündete FIFA-Präsident Joseph S. Blatter am 6. Juli 2000 in Zürich. Damit setzte sich Deutschland zum Ende der Bewerbungsphase gegen Brasilien, England, Marokko und im Finale gegen Südafrika durch, nachdem das DFB-Präsidium im November 1992 sich entschloss, für eine Ausrichtung zu kandidieren. Vor der WM stand die Republik vor einer großen Aufgabe. Aber im Vergleich zu weniger entwickelten Nationen mit einer jungen Fußballtradition schien sie für Deutschland gut lösbar zu sein.
3.1 Die Austragungsstädte
Vom 09.06.2006 bis zum 09.07.2006 fand die FIFA Fußball- WeltmeisterschaftTMzum zweiten Mal nach 1974 im Herzen Europas statt, diesmal unter dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Die 64 Spiele wurden an insgesamt 12 Austragungsorten durchgeführt. Den Zuschlag erhielten Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart, Dortmund, Hannover, Leipzig, Nürnberg, Gelsenkirchen und Kaiserslautern. Städte wie Bremen, Düsseldorf, Leverkusen oder Mönchengladbach hatten das Nachsehen.
Tabelle 1: WM-Austragungsorte mit Einwohnerzahlen und Stadionkapazitäten (eigener Entwurf).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2 Einstellung der deutschen Bevölkerung
Im Vorfeld der WM war die Vorfreude und Zustimmung der Bevölkerung bereits erkennbar. 2002 befürworteten 75,3 Prozent der Deutschen eine Ausrichtung. Diese Zahl stieg im Jahre 2003 auf 83,1 Prozent, wovon 31 Prozent ein sehr großes Interesse an der WM 2006 bekundeten. Hauptargument für eine Durchführung war die Hoffnung, dass die WM eine gute Werbung für Deutschland sein könnte. Als weitere Gründe wurden die Tourismusförderung und die Völkerverständigung genannt. Die „WM-Gegner“ gaben Sicherheits- und Kostenaspekte als Ablehnungsgründe an. 83 Prozent der Kritiker bewerteten die WM als zu teuer und 53 Prozent befürchteten Probleme durch Hooligans (Voeth & Liehr, 2003).
Heyne kommt in seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass im März 2006 die Zahlungsbereitschaft für eine WM im eigenen Land bei 4,27 € pro Person liegt. Insgesamt würde die deutsche Bevölkerung also etwa 350 Mio.
€ für die Ausrichtung der WM in Deutschland bezahlen. Dieser Wert scheint zunächst recht gering auszufallen. Allerdings ist eine WM ein öffentliches Gut, was dieser Zahl wieder mehr Beachtung schenkt. 93% der Nicht-Zahler gaben als Grund an, dass die WM zu ökonomisiert sei.
Im September 2006, drei Monate nach dem Turnier, stieg die Zahlungsbereitschaft der Deutschen auf 10,22 €. Während im März nur 20 Prozent zu Investitionen bereit waren, würden nun aufgrund der erlebten Erfahrungen 42 Prozent Geld für die Ausrichtung bezahlen (Heyne, 2007).
Im Nachhinein sind 92 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die Ausrichtung der Fußball-WM in Deutschland eine richtige Entscheidung war (Tobies, 2007).
3.3 Bedeutung der Sportart Fußball
Fußball ist die populärste Sportart auf der Welt. Mehr als 240 Mio. aktive Spieler in 1,5 Mio. Mannschaften und 300.000 Vereinen sowie fünf Mio. hauptberuflich Beschäftigte weltweit, die direkt für diesen Sport arbeiten, sind registriert. Auch in Deutschland ist Fußball die Nummer Eins. Beim DFB sind 27.000 Vereine, 157.000 Mannschaften und 6,3 Mio. Mitglieder registriert. Damit ist er der größte Fachverband im Deutschen Sportbund (OK FIFA WM 2006, 2006).
Eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 1994 kam zu dem Ergebnis, dass etwa 39 Mio. Menschen über 14 Jahren (62%) als fußballinteressiert gelten. Davon sind 10,9 Mio. Deutsche sehr an Fußball interessiert (18%), 15,9. Mio. sind interessiert (25%) und 12,2 Mio. der Befragten sind wenig interessiert (19%). 23,6 Mio. Deutsche finden dagegen keinerlei Interesse an Fußball (38%) (Rahmann et al., 2000).
Auch die Begeisterung für die Fußballbundesliga scheint beinahe grenzenlos zu sein. Bei den Zuschauerzahlen ist eine stetige Steigerung zu beobachten, wozu nicht zuletzt auch die modernen WM-Arenen ihren Teil beitragen. Die Gesamtzuschauerzahlen der Bundesliga haben sich von sechs Mio. in der Saison 1989/90 auf 11,8 Mio. in der Saison 2005/06 nahezu verdoppelt (Kicker, 2006).
Welche Begeisterung die FIFA Fußball-WeltmeisterschaftTMmit sich bringt, zeigen folgende Fakten: Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea verfolgten 28,8 Mrd. kumulierte Zuschauer in 213 Ländern die Spiele am Fernseher. Insgesamt wurden 2,7 Mio. Tickets für die 64 Spiele verkauft und 8.500 Medienvertreter berichteten aus Asien (OK FIFA WM 2006, 2006).
Fußball ist mehr als ein Spiel. „Fußball ist auch ein Milliardengeschäft, von dem ganze Volkswirtschaften, internationale Konzerne, aber auch kleinere und mittlere Unternehmen in den unterschiedlichsten Formen profitieren“ und Fußball „ist ein gesellschaftliches Phänomen einzigartigen Ausmaßes“ (Mai, 2006, S.3).
3.4 Die WM in Deutschland – Die WM der Rekorde
Einige aufgestellte Rekorde machten die WM 2006 in Deutschland zum größten globalen Ereignis aller Zeiten. 200.000 Personen ließen sich offiziell akkreditieren. 21.000 Medienvertreter arbeiteten direkt vor Ort und berichteten auf der ganzen Welt. 50.000 Sicherheitskräfte sorgten für Ruhe und Ordnung während des Turniers. Insgesamt gingen bei der FIFA 15 Mio. Ticketanträge im Vorfeld der Spiele ein (OK FIFA WM 2006, 2006). Alle 64 Spiele waren damit ausverkauft und mit 52.500 Besuchern hat die WM 2006 nach der WM 1994 in den USA den zweithöchsten Zuschauerschnitt aller Zeiten. Insgesamt wurden 3,2 Mio. Eintrittskarten verkauft.
Tabelle 2: Daten zur Entwicklung von Fußball-Weltmeisterschaften (Heyne, 2006, S. 14).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Modernisierungen, Neu- und Umbauten der Stadien kosteten 1,38 Mrd. Euro.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Investitionen in Stadionneu- und -umbauten anlässlich der Fußball-WM 2006 (Horn & Zemann, 2006, S.5).
Die offiziellen FIFA-Sponsoren mussten insgesamt 650 Mio. Euro für die Werberechte und das Hospitality Programm bezahlen (Schmidt, 2006).
5,5 Mio. Mehrweg-Getränke wurden während der WM verkauft. Damit ist das Turnier das mit Abstand größte Mehrweg-Event aller Zeiten.
4,2 Mrd. mal wurde die FIFA Homepage während der WM 2006 abgerufen. Die bisherige Bestmarke von mehr als zwei Milliarden abgerufenen Seiten, die bei der WM 2002 erzielt wurde, konnte bereits nach den ersten zwei Wochen des Turniers übertroffen werden.
29,6 Mio. Zuschauer im deutschen Fernsehen sorgten beim Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Italien für den höchsten jemals gemessenen Zuschauerwert in Deutschland überhaupt (OK FIFA WM 2006, 2006).
Angesichts dieser Daten wird deutlich, welche Ausmaße eine Fußball- Weltmeisterschaft einnimmt und wie sie einzuordnen ist.
3.5 Die Idee des Public Viewings
Zum Glücksfall wurde für Deutschland die Idee, erstmalig Fan-Meilen und Public Viewing Plätze in den Städten einzurichten. Aufgrund des gigantischen Ansturms auf Eintrittskarten entschied die FIFA zusammen mit dem Organisationskomitee, alle Spiele live auf den großen Plätzen der Städte zu übertragen. In Verbindung mit verschiedenen Rahmenprogrammen wie zum Beispiel Open-air-Konzerten in den spielfreien Stunden entwickelte sich Deutschland vom 9. Juni bis zum 9. Juli zur absoluten Partyzone. Welches Potential in der Verbindung Fußball und Open-air-Konzerte steckt, zeigt Abbildung 2 aus Kapitel 2.2. Insgesamt besuchten 18 Mio. Menschen die Fan-Feste der zwölf Austragungsstädte, was die Zahl der Stadionbesucher nahezu versechsfacht hat (OK FIFA WM 2006, 2006).
4 Methodische Grundlagen zur Messung von Effekten von Sportgroßveranstaltungen
Wie im vorstehenden Kapitel bereits dargestellt, kam es in den vergangenen Jahren zu einer „deutlichen Verschärfung des weltweiten Bieterwettbewerbs zwischen nationalen wie regionalen Nachfragern um die Ausrichtung internationaler Sportgroßevents“ (Kurscheidt, 2003, S. 48) wie die Fußball- Weltmeisterschaft. Die erhofften Erwartungen bei finanziellem Gewinn sind bei solchen Bewerbungen sehr hoch.
Um eine Kandidatur zu rechtfertigen, muss zunächst geklärt werden, ob der erwartete gesellschaftliche Nutzen eine Bewerbung verteidigt und eine Wohlfahrtssteigerung vermuten lässt. Da die Ausrichtung solcher Mega- Events enorme Steuergelder verschlingt, müssen wissenschaftliche Analysen den Sinn einer Bewerbung rechtfertigen. Fällt die Entscheidung auf eine Projektrealisierung, kann ein anderes Projekt nicht durchgeführt werden. Aus der Fußball-WM 2006 in Deutschland resultierten zum Beispiel enorme Investitionen in die Infrastruktur. Dieser Betrag kann nun nicht mehr dem Verwendungsbereich „Bildung“ zufließen.
Als zweiter Schritt gilt es zu prüfen, ob die verfügbaren Ressourcen und die politischen Konstellationen es zulassen, das Event durchzuführen. Zuletzt müssen die eigenen Möglichkeiten mit denen alternativer Orte verglichen werden.
Um diese Effekte von Sportgroßveranstaltungen empirisch bestimmen zu können, liegen verschiedene Praktiken vor. Bereits hervorgehoben wurde die Heterogenität der Methodik der vorgestellten Arbeiten. Es liegen Unterschiede hinsichtlich der verwendeten ökonomischen Analyseverfahren, der zeitlichen Betrachtungsperspektive (ex-ante, ex-post), der räumlichen Untersuchungsebene und der zugrunde liegenden Datenbestände vor (Fanelsa, 2003). Wie der Stand der Forschung zeigt, hat die Anzahl der Studien immer mehr dazu gewonnen.
Im Folgenden werden in einem Überblick die gängigsten Möglichkeiten zur Messung von Effekten bei Sportgroßveranstaltungen vorgestellt.
4.1 Empirische Schätzungen und empirische Analysen
Empirische Schätzungen und empirische Analysen beruhen auf Sekundäranalysen. Gesammelte Erkenntnisse aus der vorhandenen Literatur werden für den eigenen Event als Ausgangsbasis angewandt. Da die meisten Untersuchungen ex-ante Analysen sind, ist der jeweilige Verfasser auf Schätzungen angewiesen. Auch die im Vorfeld der WM 2006 durchgeführte Arbeit von Rahmann et al. (2000) hatte empirische Schätzungen als Grundlage, worauf die Autoren eine Kosten-Nutzen-Analyse folgen ließen. Formulierte Hypothesen in wissenschaftlichen Texten entspringen meist aus Schätzungen. Prognosen für die WM 2006 der zahlreichen ex-anten Untersuchungen beruhten oftmals auf Erfahrungswerten der WM 2002 in Südkorea oder 1998 in Frankreich, als alleinige Arbeit kommt sie aber für eine umfangreiche Analyse der WM 2006 nicht in Frage.
4.2 Wertschöpfungsanalyse
Die Wertschöpfung wird berechnet durch die Differenz der Summe der erstellten Leistungen abzüglich der Vorleistungen, die ein Unternehmen nicht selbst erstellt hat. Um die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung zu bestimmen, muss die Entstehungsrechnung zunächst die Produktion von Gütern und Dienstleistungen erfassen, die Verteilungsrechnung die Verteilung der gesamtwirtschaftlichen Produktionstätigkeit in Form von Einkommen analysieren und die Verwendungsrechnung aufzeigen, wie das Kapital- und Arbeitseinkommen auf Nachfragerseite verwendet werden. Für die Wirkungsbeschreibung von Sportevents scheint eine Wertschöpfungsanalyse möglich zu sein, jedoch ist sie wegen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Abgrenzungsproblemen nicht ideal (Liebrich, Mehr und Laesser, 2002).
4.3 Input-Output-Analyse
Die Input-Output-Analyse erfasst die Beziehungen zwischen den verschiedenen Produktions- und Konsumtionsbereichen einer Volkswirtschaft. Input-Output-Tabellen fördern in hohem Maße die Bemühungen um Vorausschätzungen zentraler Größen der Wirtschaft, wie Nachfrage, Produktion, Investition und Beschäftigung (Das moderne Lexikon, 1971 a).
Meyer & Ahlert (2002) untersuchten in ihrer Studie den Anteil der sportspezifischen Produktion und Verwendung vom Bruttoinlandprodukt im Jahr 1993 anhand einer Input-Output-Tabelle. Durch diese Studie war es möglich, die Entwicklung von Angebot und Nachfrage von Sportdienstleistungen im Zusammenhang mit der Volkswirtschaft aufzuzeigen. Die Autoren entwickelten daraufhin das ökometrische Modell SPORT, das sie angewandt haben, um die ökonomischen Effekte der WM in Deutschland zu berechnen.
Jedoch hat diese Form der Untersuchung hinsichtlich der Analyse von Sportgroßveranstaltungen einige Schwächen. So ist beispielsweise die zusätzliche Nachfrage durch einen Event nicht eindeutig ermittelbar oder regionale Unterschiede können nicht erfasst werden. So kann dieses Modell grundsätzlich die Einkommens- und Beschäftigungseffekte der WM berechnen. Allerdings ist dies nur für die Region Deutschland möglich und nicht für einzelne Regionen wie Kaiserslautern, da es die notwendigen Input- Output-Tabellen für Kaiserslautern als Datenbasis nicht gibt.
Eine Sportgroßveranstaltung wie eine Fußball-Weltmeisterschaft hat neben den monetären Zahlen auch erhebliche qualitative Wirkungen, auf die später noch genauer eingegangen wird. Um die gesamten Effekte einer WM zu erfassen, ist die Input-Output-Analyse nicht das geeignete Instrument, da sie eine rein quantitative Methode darstellt.
Sie bietet sich im besten Falle für kurzfristige Messungen der Auswirkungen eines Events auf verschiedene Wirtschaftsbereiche an oder als integrierte Ergänzung in eine Kosten-Nutzen-Analyse (Hintzen, 2006).
4.4 Betriebliche Investitionsrechnung
Die finanziellen Konsequenzen einer Investition werden bei der betrieblichen Investitionsrechnung quantifiziert und verdichtet, um auf dieser Grundlage eine Entscheidungsempfehlung auszusprechen. Bei Investitions- entscheidungen gilt sie als Hauptentscheidungshilfe. Die moderne Investitionstheorie betrachtet eine Investition als einen Zahlungsstrom aller Ein- und Auszahlungen.
Jedoch spielen bei Investitionen noch viele andere Faktoren eine Rolle. Diese sind technischer, rechtlicher und ökonomischer Natur oder auch von persönlichen Präferenzen geprägt (Das moderne Lexikon, 1971 b). Die Investitionsrechnung kann diese Größen nicht berücksichtigen.
4.5 Inzidenzanalyse
Diese Art von Untersuchung stammt aus den USA und diente dort zur Erfassung von Verteilungswirkungen staatlicher Budgets, insbesondere von Infrastruktureinrichtungen, und sonstiger öffentlicher Maßnahmen (Liebrich, Mehr & Laesser, 2002). Für die Sportökonomie ist gerade dieses Konzept der regionalen Ausgabeninzidenz interessant. Durch die WM 2006 kam es zu erheblichen Änderungen der Infrastruktureinrichtungen in den zwölf Austragungsstädten. Für eine Inzidenzanalyse ist es wichtig, eine zu untersuchende Region und einen Untersuchungszeitraum zu bestimmen. Um die räumlichen Wirkungen der Infrastrukturbaumaßnahmen der WM als eine kleine Sparte der umfangreichen Effekte der WM zu bestimmen, könnte die Inzidenzanalyse als Ergänzung zu einer Kosten-Nutzen-Analyse angewandt werden. (Frey, 1984).
4.6 Multiplikatoranalyse
Die Multiplikatoranalyse gilt als die klassische ökonomische Wirkungsanalyse, welche die Auswirkungen einer autonomen Nachfrageerhöhung auf bestimmte ökonomische Variablen darstellt. (Fanelsa, 2003). „Ein Multiplikator ist ein Faktor, der angibt, um wie viel sich Verkäufe (bzw. Einkommen bzw. Beschäftigung) in einer Region insgesamt ändern, wenn sich die Konsum- oder Investitionsausgaben um eine Geldeinheit verändern“ (Horch, 2007, S. 17). Nach Kampmann (1988) ist der Multiplikator eine Maßzahl, die eine Relation aller ausgelösten Veränderungen zum ursprünglichen Impuls angibt. Er kann also bestimmen, um wie viel die abhängige Variable, das Einkommen einer Region oder eines Landes, zu- oder abnimmt bei Veränderung der unabhängigen Variablen wie Steuern, Investitionen oder Konsumausgaben. Heinemann (1995) spricht in diesem Zusammenhang von Ketteneffekten. Die Ausgaben einer ersten Person erhöhen gleichzeitig das Einkommen einer zweiten Person, deren Konsumgutausgaben sie wiederum an eine dritte Person weitergibt.
Bei der Fußball-WM ist folgende einfache Kette ein Multiplikatorbeispiel: Der australische Fan isst zu Mittag in Kaiserslautern. Der Wirt kann die Einnahmen verschieden weiter investieren. So muss er einen Teil seinem Koch abgeben, eine gewisse Summe spart er und den Rest gibt er abends beim Kinobesitzer aus, der wiederum eine Kette mit den Einnahmen auslöst. Der Multiplikator ist dabei nicht unendlich groß, da das Geld irgendwann einmal die untersuchte Region verlässt. Ist damit zu rechnen, dass während einer Sportveranstaltung Geldströme vor allem außerhalb der eigenen Region fließen, so ist der Multiplikatoreffekt eher gering anzusetzen.
Drei Typen des Multiplikators sind zu unterscheiden: Der oben erwähnte Verkaufsmultiplikator sowie der Einkommens- und Beschäftigungs- multiplikator. Letzterer dokumentiert die Auswirkungen der Veranstaltung auf den Arbeitsmarkt und der Einkommensmultiplikator untersucht die zusätzlichen Ausgaben einer Betragseinheit und deren Folgen auf das Realeinkommen.
Tabelle drei liefert einen Überblick über die in den verschiedenen Analysen verwendeten Multiplikatoren:
Tabelle 3: Multiplikatoren verschiedener ökonomischen Analysen von Sportgroßveranstaltungen (Feddersen, 2006, S. 111).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Jedoch sind auch Multiplikator-Analysen nicht frei von Schwächen. So ist es nicht möglich, die positiven von den negativen Auswirkungen zu unterscheiden. Auch beschränken sich oftmals Multiplikator-Analysen auf kurzfristige Effekte. Langfristige Wirkungen lassen sich damit nicht wissenschaftlich erfassen. Intangible Effekte, deren Bedeutung in den Kapiteln 4.7.1.3 und 4.7.1.4 erklärt wird, werden von dieser Untersuchungsart vernachlässigt. Somit liefern die Forschungen mit Multiplikatoren kein theoretisch fundiertes Entscheidungskriterium (Kurscheidt, 2002) und kommen für die vorliegende Arbeit nicht in Frage.
4.7 Kosten-Nutzen-Analyse
Bei Überlegungen zur Durchführung von öffentlichen und staatlichen Großprojekten, wie die Fußball-WM es ist, stellt sich die Frage nach den Kosten und Nutzen des Events.
Ex-ante Kosten-Nutzen-Analysen geben eine Aussage über den Sinn einer Veranstaltung im Vorfeld der Veranstaltung. Nur wenn die Vorteile höher sind als die Nachteile, ist es sinnvoll, die Veranstaltung durchzuführen. Sollten mehrere Alternativen zur Wahl stehen, so erhält die Möglichkeit mit dem am höchsten erwarteten Nutzen den Vorzug (Mühlenkamp, 1994).
Ex-post Kosten-Nutzen-Analysen liefern eine Erfolgskontrolle nach dem Event. Wie bereits in der Zusammenfassung der vorhandenen Literatur in Kapitel 1.2 festgestellt, überwiegt die Anzahl der ex-anten Analysen die der ex-post Arbeiten.
Horch (2007, S.4) definiert Kosten-Nutzen-Untersuchungen als „Methode, die – in Analogie zu einer betriebswirtschaftlichen Investitionsrechnung – aus volkswirtschaftlicher Sicht die Kosten und Nutzen alternativer Maßnahmen untersucht“ und ordnet sie dem Aufgabenfeld der Makroökonomie zu.
Die Kosten-Nutzen-Analyse beurteilt also als eine ökonomische Methode öffentliche Großprojekte, umfasst alle anfallenden Kosten und Nutzen, fokussiert dabei die Wohlfahrtsökonomie und kann als Pendant zur betriebswirtschaftlichen Investitionsrechnung beschrieben werden. Die Messung von Kosten und Nutzen geschieht meist in Geldeinheiten. Dabei kann die Kosten-Nutzen-Analyse zwei Funktionen erfüllen, indem sie zum einen Auskunft über die ökonomische Vorteilhaftigkeit eines Projektes gibt und zum anderen einen objektiven Vergleich verschiedener Projektalternativen liefert.
In der Ökonomie ist immer wieder die Rede von der „optimalen Ressourcenallokation“. Ziel muss es sein, möglichst viele Bedürfnisse der Gesellschaftsmitglieder zu befriedigen und den Nutzen für die Gesellschaft hoch zu halten. Damit öffentliche Projekte für dieses Ergebnis sorgen, sind genaue Kenntnisse der Kosten und Nutzen durch deren Analysen erforderlich.
Eine Kosten-Nutzen-Analyse ist jedoch nur bei einem hohen Komplexitätsgrad einer Entscheidungssituation sinnvoll. Für „gewöhnliche“ Entscheidungen gilt die Kosten-Nutzen-Analyse als zu aufwändig und finanzintensiv. Die Wahl für oder gegen die Ausrichtung der Fußball-WM in Deutschland oder die Alternative als Austragungsort an der WM zu partizipieren oder darauf zu verzichten ist auf jeden Fall ein legitimer Grund zur Veranlassung einer ausführlichen Kosten-Nutzen-Analyse (Mühlenkamp, 1994).
Die Größe der untersuchten Region spielt bei der Kosten-Nutzen-Analyse eine bedeutende Rolle. Der Untersuchungsraum kann zum Beispiel durch Gemeindegrenzen, Staatsgrenzen oder anderen Kriterien wie ökonomische Austauschbeziehungen oder naturräumliche Merkmale festgelegt werden. Ist bei einer Untersuchung eine Region relativ groß abgegrenzt worden, so sind viele Effekte für das Gebiet zu erwarten. Je kleiner die räumliche Abgrenzung, desto bedeutender wirken Impulse von außerhalb in den betrachteten Raum ein. Für die Fußball-WM in Deutschland muss es daher zwei verschiedene räumliche Analyseebenen geben. Eine befasst sich mit den Auswirkungen für die gesamte Bundesrepublik und misst deren Effekte für die deutsche Bevölkerung und Wirtschaft. Die Regionen müssen örtlich getrennt analysiert werden. Die vielfältigen Auswirkungen der WM beeinflussen auf städtischer und regionaler Ebene die Austragungsorte Berlin, München, Hamburg, Hannover, Leipzig, Nürnberg, Frankfurt, Gelsenkirchen, Dortmund, Köln, Stuttgart und Kaiserslautern (Horn & Zemann, 2006).
In der Literatur wird von Mühlenkamp (1994) und Hanusch (1994) zusammengefasst folgender Aufbau einer Kosten-Nutzen-Analyse empfohlen:
1. Definition des Projektes und deren Alternativen unter Beachtung relevanter Nebenbedingungen
Im ersten Schritt werden Untersuchungszeitraum und Untersuchungsregion definiert. Das gewünschte Projekt wird in allen Einzelheiten dargestellt. Ebenso analysiert der Autor alle möglichen alternativen Möglichkeiten, inklusive einem Verzicht auf das Projekt. Die Nebenbedingungen inkludieren zum Beispiel rechtliche, politische, volkswirtschaftliche oder finanzielle Voraussetzungen, die es zu beachten gilt.
2. Bestimmung der Auswirkungen und deren Zuordnung auf die Wirtschaftsparteien
Alle auftretenden Effekte werden gesammelt und den jeweilig zuständigen Wirtschaftssubjekten zugeordnet. Zu den Effekten gehören Inputfaktoren, Arbeitsmarktveränderungen, Preis- und Lebensverhältnisse in der Region. Zu beachten sind hierbei gewisse Verdrängungseffekte3 und ohnehin auftretende Kosten und Nutzen.
3. Einordnung der Effekte in eine Rangfolge für die relevanten Personen und die dazugehörige Region
Es wird ermittelt, welche Auswirkungen überhaupt messbar sind und welche Effekte auftreten. Nicht bewertbare Effekte werden verbal beschrieben und in die Kosten-Nutzen-Analyse integriert.
4. Physische Ordnung der Effekte im Projektverlauf
Zu welchem Zeitpunkt fallen welche Wirkungen an. Die physische Bestimmung gibt zum Beispiel beim Bau eines Stadions die konkrete Menge an Inputfaktoren, die Anzahl der neuen Beschäftigten oder die Menge an Umweltschäden.
5. Monetarisierung der Effekte
Bei Kosten-Nutzen-Analysen werden zum Beispiel anhand von Konsumenten- und Produzentenrenten Wohlfahrtsveränderungen gemessen. Die Konsumentenrente wird ermittelt aus der Differenz von Marktpreis und möglichem Preis des Gutes, zu dem der Produzent bereit ist, das Produkt anzubieten. Die Produzentenrente gibt an, wie viel einem Wirtschaftssubjekt aus- oder zurückgezahlt werden müsste, hätte das Projekt nicht stattgefunden.
Die Kosten-Nutzen-Analyse bewertet all diese Effekte in Geldeinheiten, um sie miteinander vergleichen zu können und Aufgabe des Analytikers ist es, alle Wirkungen monetär einzuschätzen.
6. Diskontierung und Berechnung des Nettogegenstand- wertes
Da die einzelnen Effekte zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten, müssen sie abgezinst (diskontiert) werden, damit sie direkt miteinander verglichen werden können. Die exakte Bestimmung gilt als sehr schwierig und ist der Grund für mögliche unterschiedliche Ergebnisse. Dieser Schritt ist jedoch unumgänglich, da nur so der Nettogegenstandwert errechnet werden kann, der letztendlich ein theoretisch fundiertes Entscheidungskriterium liefert.
7. Die Sensitivitätsanalyse
Bei einer Kosten-Nutzen-Analyse kann es zu vielen verschiedenen Unsicherheiten wie die Zeitspanne des Projektes, die Entwicklung des Preisniveaus oder der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kommen. Hohe Abweichungen von den Prognosen der Kosten- Nutzen-Analyse zur Realität sind nicht auszuschließen. Die Sensitivitätsanalyse minimiert dieses Problem durch die Erstellung von worst-case und best-case Szenarien. Das Risiko und die
Unsicherheit der Kosten-Nutzen-Analyse werden durch diese Art der Analyse genau beschrieben und integriert.
8. Deutung und Vergleich der Ergebnisse, Empfehlungen
Zum Schluss werden die errechneten Nettogegenstandswerte und deren Interpretationen der verschiedenen Alternativen gegenübergestellt. Die Durchführung des Projektes mit dem höchsten Ergebnis sollte generell empfohlen werden. Durch die Interpretation kann dies in Ausnahmefällen dem nicht entsprechen, da die nicht-monetären Effekte eine sehr große Rolle spielen können.
Wie bereits angedeutet, ist die Berechnung der externen Kosten und Nutzen das größte Problem der Kosten-Nutzen-Analyse (Liebrich, Mehr & Laesser, 2002). Ein weiterer Schwachpunkt ist die Zuordnung der Kosten und Nutzen. Die Frage ist ob diese veranstaltungsbedingt sind oder ohnehin aufgetreten wären. Andere Schwierigkeiten resultieren aus der Wahl des Diskontsatzes und den intangiblen Effekten, welche im Folgenden noch genauer beschrieben werden (Maennig, 2002). Da einige Wirkungen wie erwähnt lediglich in verbaler Form erfasst werden können, besteht die Gefahr der Überbewertung monetärer Effekte (Troska, 1999).
4.7.1 Begriffe Kosten und Nutzen
Um in der folgenden wissenschaftlichen Untersuchung die Zusammenhänge und Gedanken besser verstehen zu können, werden zunächst zentrale Begriffe ökonomischer Analysen durchleuchtet.
Die Begriffe Kosten und Nutzen sind die zentralen Wörter dieser Analyse. Sie dienen der positiven sowie negativen Einordnung der bereits vielfach erwähnten Effekte oder Wirkungen. Jedem Projekt liegt ein Ziel zu Grunde. Kosten bedrohen die Erreichung des Ziels, Nutzen begünstigen sie. Dabei sind Kosten und Nutzen nicht gleichzusetzen mit Ausgaben und Einnahmen, da zum Beispiel hohe Einnahmen aus ausverkauften Stadien Kosten in Formvon Lärm, Gedränge, Infrastrukturinvestitionen oder Sicherheitsausgaben erzeugen können. In der Kosten-Nutzen-Analyse spielt der Nettoeffekt eine wichtige Rolle. Dieser wird aus der Differenz von Nutzen und Kosten gebildet.
[...]
1 Nach dem finanziellen Verlust von 1,2 Mrd. Dollar der Spiele in Montreal, den der Steuerzahler ausgleichen musste, hatte sich für die Ausrichtung der folgenden Olympischen Spiele nur Los Angeles beworben. Diese Spiele erreichten dann einen Überschuss von 223 Mio. Dollar. Die Spiele von Seoul erzielten sogar einen Gewinn von 500 Mio. Dollar (Heinemann, 1995).
2 München war 1972 Ausrichter der Olympischen Spiele und 1974 Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft, sogar as Finale zwischen Deutschland und den Niederlanden wurde in München gespielt.
3 Verdrängungseffekte treten auf, wenn Besucher, die jedes Jahr ihren Urlaub in der untersuchten Region verbringen, aufgrund des befürchteten Ansturms auf die Region durch die Fußball-WM in diesem Jahr auf den Besuch verzichten. Bei der Fußball-WM 1990 in Italien war zu beobachten, dass trotz der Fußballtouristen die Anzahl der Übernachtungen in Hotels und Pensionen im Jahr zurückging. Die Bettenauslastung betrug nur 38 Prozent und die Gastronomie erlebte erhebliche Umsatzeinbrüche. Dies wurde so erklärt, dass viele „Stammtouristen“ aus Angst vor Überfüllung und Trubel genau in diesem Jahr auf den Italienurlaub verzichteten (Häußermann & Siebel, 1993).
- Quote paper
- Stefan Kaiser (Author), 2007, Ökonomische, ökologische und soziale Wirkungen der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120567
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