Die vorliegende Arbeit stellt eine Referatsausarbeitung dar. Das Referat wurde im Rahmen des Seminars "Die Bedeutung von Castingshows für die Lebensphase Kindheit und Jugend" am 22.11.2016 gehalten. Zur Annäherung an die vorgegebene Thematik, Castingshows aus der Perspektive von ehemaligen Kandidatinnen und Kandidaten zu beleuchten, werden empirische Befunde herangezogen. Musik-Castingshows sind seit dem Jahr 2000 ein fester Bestandteil der deutschen Fernsehlandschaft und werden zukünftig – in angesichts der zunehmenden Digitalisierung – nicht an Bedeutung verlieren. Die Referenzliteratur "Sprungbrett oder Krise? – Das Erlebnis Castingshow-Teilnahme" beschreibt demnach eine Studie, die insbesondere der Frage nachgeht, ob die Teilnehmenden einer Castingshow diese als eine persönliche Aufstiegschance wahrnehmen oder ob die Teilnahme in einen Zustand mündet, in dem psychische Schäden vorauszusehen sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Methode und das humanistische Menschenbild
3. Die Bedeutung der Castingshow-Teilnahme für die Identitätsentwicklung
3.1 (Sieben) Typen der Verarbeitung
3.2 Krisenpotenziale
3.3 Empfehlungen
4. Schlussteil
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
6.1 Anhang 1: Zusammenfassende Darstellung der Typen
6.2 Anhang 2: Anteile der vertretenen Formate
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit stellt eine Ausarbeitung des Vortrags dar, der im Rahmen des Seminars „Die Bedeutung von Castingshows für die Lebensphase Kindheit und Jugend“ am 22.11.2016 referiert worden ist. Zur Annäherung an die vorgegebene Thematik, Castingshows aus der Perspektive von ehemaligen Kandidat_innen zu beleuchten, werden empirische Befunde herangezogen. Die Referenzliteratur „Sprungbrett oder Krise? - Das Erlebnis Castingshow-Teilnahme“ beschreibt demnach eine Studie, die insbesondere der Frage nachgeht, ob die Teilnehmenden einer Castingshow diese als eine persönliche Aufstiegschance wahrnehmen oder ob die Teilnahme in einen Zustand mündet, in dem psychische Schäden vorauszusehen sind (vgl. Götz et al. 2013: 9). „Musik-Castingshows sind seit dem Jahr 2000 ein fester Bestandteil der deutschen Fernsehlandschaft [...]“ (ebd.: 8, Hervorheb. ÖG) und werden zukünftig - in angesichts der zunehmenden Digitalisierung - nicht an Bedeutung verlieren. „Das Casting geht weiter“ (Gräßer, Riffi 2012: 27), heißt es und damit wird jene Vermutung gestützt, auch wenn der Versuch eines reinen Musikwettbewerbs1 in Ansätzen erkennbar sei (vgl. ebd.). Im Folgenden soll die Fragestellung der Expertinnen beantwortet werden, indem das Augenmerk auf die wesentlichen Aspekte gelegt wird. Vor dem Hintergrund dieses Untersuchungsgegenstandes soll diese inhaltliche Gliederung ausgearbeitet werden:
Zuerst sollen die Rahmenbedingungen der erwähnten Studie geklärt und die methodische Vorgehensweise dargelegt werden. Aufbauend darauf wird sich den zentralen Resultaten der Untersuchung genähert: Die Herauskristallisierung von bestimmten Typen von Kan- didat_in liefert das Fundament für eine Vorgehensweise, um die Auswirkungen differenter Ereignisse auf die Identität der Teilnehmenden einzuordnen (vgl. Götz et al. 2013: 35). Ergänzend hierzu dient die Definierung von bestimmten Krisenpotenzialen im Umgang Einzelner mit dem Erlebnis Castingshow-Teilnahme. Schließlich folgt eine Darlegung bestimmter Empfehlungen für die Praxis, um das Ausmaß möglicher Konsequenzen zu reduzieren und einen angenehmeren Umgang zwischen den Kandidat_innen - die teilweise sehr jung und somit in der Phase der Identitätsfindung und -festigung sind - und dem System Castingshow (inklusive dem Produktionsteam und der Jury). In den ersten Sitzungen des Seminars sind Grundlagen für eine kritische Perspektive auf das Performative Reality TV2 geschaffen worden, wobei die Castingshow als Unterbegriff dessen fällt. Die Kritik findet ihren Anhaltspunkt in der Tatsache, dass genannte Musikformate (wie z. B. Deutschland sucht den Superstar (DSDS)3 oder Star Search) nicht unbedingt auf die musikalischen Kompetenzen der Teilnehmenden ausgerichtet seien, sondern durch Stilisierung oder sogar Degradierung anhand gewisser Aspekte wie Kameraperspektive, Ton, Schnitt und zeitweise zusätzlich abwertender Kommentare der Jury, die Teilnehmenden in einen bestimmten Typen von Kandidat_in zwingen würden (vgl. Götz et al. 2013: 8). Es gibt sogenannte „Format-Bibeln“ (ebd.: 13), die ebenso das typische Handeln der Jury im Vornhinein festlegen. Im Seminar werden Erklärungsansätze dafür genannt, weshalb sich Menschen immer häufiger Formate dieser Art ansehen, welche sich von ökonomischen bis hin zu parasozialen erstrecken. Grenzüberschreitungen und Skandalisierungen sind zum anderen ein Grund für höhere Einschaltquoten. Dementsprechend scheint es als zugutekommend, dass circa eine halbe Million Menschen in Deutschland bereits an einem Musikformat teilgenommen hat, um einem „[.] lukrative[n] Markt“ (ebd.: 14) zu genügen.
2. Die Methode und das humanistische Menschenbild
Bei der Studie wird von einem Onlinefragebogen Gebrauch gemacht, der über einen Zeitraum von ca. drei Monaten im Jahr 2012 abrufbar war. Befragt wurden 59 ehemalige Kandidat_innen der letzten zwölf Jahre zu den Themenbereichen: Verlauf der Teilnahme, Motive für diese und das Erleben der Fernsehausstrahlung. Auf Grund der Beschäftigung mit der subjektiven Wahrnehmung der Befragten, handelt es sich hierbei um eine qualitative Studie (vgl. ebd.: 9). Eine Repräsentativität der Stichprobe für „Castingshow-TeilnehmerInnen im Allgemeinen“ (ebd.: 36) bestehe daher nicht, weil Informationen zur Grundgesamtheit fehlten (vgl. ebd.). Auffallend ist die relativ symmetrische Geschlech- terverteilung in der Stichprobe, welche aus 30 Frauen und 29 Männern zusammengesetzt ist. Daten der Untersuchung werden zum einen mit quantitativen Verfahren ausgewertet: So werden Quantifizierungen herangezogen - wobei bestimmte Eigenschaften systematisch mit Zahlenwerten erfasst werden - und standardisierte Fragen werden statistisch ausgewertet. Zur Veranschaulichung des statistischen Materials werden diverse grafische Darstellungen erstellt, welche neben dem Ziel der Übersichtlichkeit ebenso eine Vergleichbarkeit zwischen Geschlecht oder Altersgruppe ermöglicht4. Zum anderen dienen diese und weitere Interpretationen als Basis für die Entwicklung der bereits angedeuteten Krisenpotenziale. Die Autorinnen Götz, Bulla und Mendel (2013) gehen dabei von „[.] dem humanistischen Menschenbild und einem entsprechenden Verständnis von innerpsychischen Vorgängen“ (ebd.: 35, Hervorheb. ÖG) aus. Dieser theoretische Ansatz legt ein Menschenbild „[.] im Sinne Carl Rogers (vgl. Rogers 1985)“ (ebd.: 99) nahe5. Demnach formen Menschen aktiv mit Rückbezug auf ihre bisher selbstständig erworbenen Verarbeitungsmuster ihre Identität. Außerdem handelt es sich insofern von einem handlungsorientierten Ansatz, dass Menschen zur Selbstverwirklichung tendieren, d. h. einen gewissen Grad an Unabhängigkeit erwerben, um alltägliche Herausforderungen angemessen zu bewältigen. So führt Rogers (1985) an, dass sich „[z]unehmend [.] ein Gefühl der Selbstverantwortung für diese Probleme“ entwickelt (vgl. ebd.: 161). Erlebte Erfahrungen würden mit der Identität in Einklang gebracht (vgl. Goldstein 1934, zit. n. Götz et al. 2013: 100). Überdies wird diese Grundidee nun auf das Erlebnis Castingshow-Teilnahme angewendet. Hierbei werden Kandidat_innen als selbstverantwortlich und bewusst Handelnde im System Castingshow verstanden (vgl. Götz et al. 2013: 100). Die bekannten identitätsfördernden6 bzw. -hemmenden7 Kriterien begründen den Impuls für die Fragestellung, welche Bedeutung die Teilnahme an einer Castingshow letztendlich für die Identitätsentwicklung hat. Die folgenden Ergebnisse sind in Anbetracht der Tatsache zu sehen, dass Menschen subjektiv gesehen an jeder Erfahrung - sei es positiv oder negativ - wachsen würden, weshalb die Frage eher mit Hinblick auf die Integrierbarkeit der Erlebnisse in die eigene Identität bzw. auf das Ausmaß einer Krise untersucht wird (vgl. ebd.: 100).
3. Die Bedeutung der Castingshow-Teilnahme für die Identitätsentwicklung
Diese Integrierbarkeit von positiven oder negativen Erlebnissen in das jeweilige Selbstbild hängt von mehreren Faktoren ab. Während Manche das Erlebnis, durch die Jury medial diffamiert worden zu sein, positiv umdeuten können, tangieren Andere - aus der Show erfolgreich Ausgegangene - die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Fallvergleichend etablierten sich sieben differente Erscheinungsmuster, welche zum einen Informationen zum subjektiven Empfinden der Teilnahme liefern (d. h. die Einordnung als Wachstumschance bis zur selbstgefährdenden Krise) und zum anderen die Wahrnehmung ihrer Inszenierung durch das Mediensystem widerspiegeln (d. h. die Einordnung bezüglich einer Inszenierung als Hoffnungsträger_in oder als „[d]iffamierte[r] Loser“ (ebd.: 101)) (vgl. ebd.: 101).
3.1 (Sieben) Typen der Verarbeitung
Typ 1 beschreibt die professionellen Musiker_innen, welche die Castingshow-Teilnahme als Chance bzw. als „[.] Sprungbrett “ (ebd.: 103, Hervorheb. im Original) nutzen. Das Sich-Präsentieren und die dadurch erlangte Bekanntheit sind von ca. einem Drittel der Befragten ausgenutzt worden. Die Teilnahme wird im Nachhinein als ein Erlebnis gedeutet, an dem sie gewachsen sind, was durch die Aussage einer Kandidatin8 bewiesen wird: „Ich bin erwachsener geworden - mein Leben hat sich seither total verändert!“ (Woszczek, zit. n. ebd.: 103, Hervorheb. im Original). Der Prototyp Behnam Moghad- dam9 zeigt durch die späteren Interpretationen seines musikalischen und menschlichen Lerngewinns die Fähigkeit zum produktiven Umgang mit gewissen Herausforderungen und damit schließlich die Kompetenz zur „[...] ,professionellen Selbstpositionierung‘ [.]“ (ebd.: 107).
Die Teilnahme wird von denjenigen ebenso als positiv und als Chance für die Identitätsentwicklung wahrgenommen, die dem Typ der „Neuentdeckung“ (ebd.: 108) (Typ 2) zugerechnet werden. Dieser lässt sich in zwei weitere Erscheinungsmuster differenzieren. Während einige Kandidat_innen die durch die Teilnahme gewonnene musikalische Bereicherung betonen, befinden sich andere noch nach der Show im Verarbeitungsprozess. Ersteres Muster zeigt, dass trotz vieler Herausforderungen auf der Bühne, das Selbst in der Lage ist, diese in seine Identität zu integrieren und sich somit der Weg zur gesunden Identität ebnet. Der Prototyp Johannes Enns10 hebt dabei die erlangte Reife „[.] im Umgang mit Medien [.]“ (ebd.: 109, Hervorheb. im Original) hervor. Ebenso scheint er die Absichten des Systems Castingshow erkannt zu haben, weil er von einer Vermarktung als Objekt spricht und von den Juror_innen mehr Fokus auf den Gesang fordert. Der Umgang mit den veränderten Bedingungen seines Lebens nach der Show sei möglicherweise auch deshalb positiv ausgefallen, weil er sich nach dem Ausscheiden weiterhin seinem bevorstehenden Abitur widmen konnte. Insgesamt gewinnt sein Selbst an Stabilität und Klarheit, in dem es auch unangenehme Erfahrungen in das bisherige Muster integriert (vgl. ebd.: 108ff.). Anders ergeht es der damals 16-jährigen Lena11, die nach der Show eine längere Verarbeitungszeit braucht:
„Jedoch liege ich auch immer noch fast jede Nacht, wobei alles schon fast ein halbes Jahr vorbei ist, in meinem Bett und denke darüber nach. Vermisse diese Zeit, vor allem, weil dieses plötzliche Ausscheiden einem diesen Traum sofort wieder wegnimmt“ (Lena, zit. n. ebd.: 114, Hervorheb. im Original).
Hierbei machen die Autorinnen darauf aufmerksam, dass Jugendliche in einem äußerst empfindlichen Stadium ihrer Identitätsentwicklung sind (vgl. ebd.).
Typ 3 beschreibt diejenigen Fälle, bei denen eine Typisierung der Kandidat_innen durch das Produktionsteam oder der Jury erfolgt, um letztendlich extrem positiv bzw. negativ inszeniert zu werden. Einer positiven Darstellung würde kein gestörter Verarbeitungsprozess folgen. Einer negativen Inszenierung hingegen würden - durch eine erlebte Diskrepanz zwischen dem selbst wahrgenommenen Ich und dem veröffentlichten Fremdbild - psychische sowie physische Schäden drohen (vgl. ebd.: 115). Als Prototyp wird die Kandidatin Sanne12 angeführt, die die Proben in der Gruppe als positiv beschreibt, vor der Jury jedoch diffamiert wird und zusammenbricht, weshalb sie jene Phase als äußerst „[.] deprimierend [und] traurig [.]“ (ebd.: 115, Hervorheb. im Original) empfindet. Die emotionale Überforderung sei darin begründet, dass sie nicht mehr über sich selbst bestimmen kann und ihr nicht vorhandene Charaktereigenschaften zugeschrieben werden, welche letztendlich ihr Ausscheiden legitimieren würden (vgl. ebd.: 115f.). Auch Annemarie Eilfeld13 gelte - über die ganze Show hinweg - als „abgewertete Hoffnungsträgerin“ (ebd.: 116). Es handle sich hierbei um eine mediale Etablierung einer Figur, die sich gegensätzlich zu den „[.] von der Sendung in Anspruch genommenen Werten wie Fairness, Ehrlichkeit und Talent“ (Lünenborg, Töpper 2012: 45) verhält und damit eine Fläche für scheinbar legitimierte Diffamierung durch die Jury erzeugt. Außerdem sei sie ein Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen dem Sender RTL und der parallelen Boulevardberichterstattung, welche zu einem noch größeren Maß an negativer Darstellung beigetragen hat. Ihr freizügiges Auftreten und die gleichzeitige Abwertung von vielen Seiten ließen sie im System-Castingshow insofern scheitern, dass sie letztendlich ausgeschieden ist. Obwohl ihr Selbstbild insgesamt verletzt worden ist, habe sie die Show verarbeiten können. Positive Wegbereiter seien hierfür die Einbindung in die eigene Familie, ihre musikalischen Vorerfahrungen sowie zeitweise das affirmative Feedback (vgl. Götz et al. 2013: 116ff.).
Neben den inszenierten, abgewerteten Kandidat_innen gebe es auch jene, die sich gewollt selbst inszenieren („Typ 4: [...] Heimliche Komplizinnen des Mediensystems“ (ebd.: 120, Hervorheb. ÖG)). Voraussetzung für diesen Typ bilden ein gesundes und urteilsfähiges Selbst, welche die Kandidatin Soraya14 zu erfüllen scheint. Sie nutze die Bühne bewusst dafür, um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen und einen „Spaßauftritt“ (ebd.: 120) zu haben. Die Aspekte, dass sie die Teilnahme ernsten Teilnehmer_innen nicht empfiehlt und jene als Spaß betitelt, seien ein Zeichen für ein gesundes Selbstbewusstsein. Zudem habe sie die Absichten des Systems Castingshow erkannt und zeige durch ihre gewollte Selbstinszenierung „Autonomie und Kompetenz“ (ebd.: 122), weshalb sie die Show schließlich - trotz negativer Darstellung ihrer Person - in positiver Verfassung verlässt (vgl. ebd.: 120ff.).
Unter anderem hat sich ein Muster für diejenigen Kandidat_innen entwickelt, die ihre Typisierung oder Diffamierung für sich positiv umdeuten können. Der Prototyp Andia15 reagiert auf abwertende Kommentare - wie z. B. „ Alle Leute, die gesagt haben, dass du singen kannst, die haben dich angelogen, deshalb drei Mal ,Nein ‘ “ (Dieter Bohlen, zit. n. ebd.: 123, Hervorheb. im Original) folgendermaßen: Sie ist von ihren musikalischen Fähigkeiten überzeugt, nimmt zudem lediglich bestärkende Reaktionen aus ihrem Umfeld wahr und zeigt keine Irritation durch die Aussagen der Jury. Diese Art der Verdrängung seien der Wegbereiter eines „[.] effektive[n] Selbstschutz[es]“ (ebd.: 126). Bei diesem als „Krampfhaft Bewahrtes Selbst“ bezeichneten Typ (Typ 5) gewinnen die Kan- didat_innen schließlich an Selbstbewusstsein. Zudem nehmen sie durch die CastingshowTeilnahme keine Schäden (vgl. ebd.: 123ff.).
Im Gegensatz dazu stehen Teilnehmer_innen, die ihre Teilnahme nicht positiv umdeuten können, weshalb sie mehrere Jahre nach der Show noch leiden. Typ 6 kennzeichnet die Bloßgestellten, die die Show mit einem verletzten und erniedrigten Selbst verlassen. Durch den Zusammenschnitt des Videomaterials wird der Prototyp Sina16 „[.] als Freak[...]“ (ebd.: 126) inszeniert. Neben der damaligen Beleidigung von Seiten der Jury habe sie heute - aufgrund der wiederholten Einblendung ihrer Show in darauffolgenden Staffeln und der Abrufbarkeit im Netz - ein beschämtes Selbst. Folglich fordert sie Schutz, damit es anderen Leuten nicht gleichermaßen ergeht (vgl. ebd.: 162ff.).
Zum anderen wird das Selbst mit Überforderungen bis hin zu psychischen Erkrankungen konfrontiert. Hierbei sei zu erwähnen, dass sowohl negativ inszenierte als auch erfolgreich aus der Show hervorgehende Personen von diesem Phänomen betroffen sein können. Die erlebten Gefühlzustände wie „[...] Angst|...], Appetitlosigkeit, Gefühle[...] wie ,nur noch zu funktionieren4, ihre Körperwahrnehmung verloren zu haben[,] [.] Verunsicherung ihres Selbst und Symptome wie Depressionen“ (ebd.: 129) sind symptomatisch für Typ 7. So gibt der Prototyp Janina17 kund, wie sie es umgangen ist, sich eigene Fernsehausstrahlungen anzusehen. Ihre Aussagen zeugen von starker Kritik an der eigenen Person, was die Konzentration auf eigene Fehler lagert. Trotz solcher Disharmonien zwischen Selbstwahrnehmung und medialer Darstellung sowie eines Übermaßes an - durch neu erlangte Prominenz herbeigeführten - Telefonanrufen habe sie ihren Weg gefunden, diese Erfahrungen in ihr Selbst einzugliedern. Sie sei aus dem System-Castingshow reflektiert und weniger naiv hervorgegangen (vgl. ebd.: 129ff.). Zusätzlich zu dem Druck durch die Bühnenshow können allerdings verletzende Typisierungen der Kandidat_innen dafür ausschlaggebend sein, in Situationen der Überbelastungen zu versinken. Hierbei werden Depressionen als „[.] natürliche Folgereaktion des Selbst“ (ebd.: 133) gesehen. Jedoch könnten die Antworten und die Teilnahme an der Befragung einer betroffenen Kandidatin Anna18 ein Indiz dafür sein, dass diese ihre Situation mit mehr Distanz betrachten und dementsprechend das Erlebnis Castingshow-Teilnahme in ihre Identität einbetten kann. Kandidat_innen - die dem Typ 7 zugeordnet werden - würde die Verarbeitung von Krisenpotenzialen schwierig fallen (vgl. ebd.: 131ff.). Im Folgenden werden mannigfaltige Krisenpotentiale erläutert, die mit der Teilnahme an einem der Musik-Castingshows korrelieren.
[...]
1 D.h. ein Musikformat, in dem ausschließlich die Gesangskompetenzen über den Erfolg bzw. Misserfolg entscheiden und weniger auf die Bloßstellung der Kandidat_innen gesetzt wird. Beispielhaft sei hierfür The Voice of Germany (vgl. ebd.: 28).
2 Performatives Reality TV lässt sich dadurch charakterisieren, dass Menschen in ihrer Alltagsrealität dargestellt werden, jedoch medientechnisch in Szene gesetzt und zum Teil mit Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert werden, die sie zu bewältigen haben (vgl. Lünenborg et al. 2013: 22).
3 (im Folgenden abgekürzt durch DSDS)
4 (vgl. hierzu auch ebd.: 62ff.)
5 (vgl. hierzu auch Rogers 1985)
6 Angelehnt an die Erkenntnisse von Dauber, Hutterer und Weiteren führen die Autorinnen der Referenzliteratur Voraussetzungen wie z. B. „wertschätzende Anerkennung, Kompetenz- und Autonomieerleben, Resonanz auf eigene Erlebniswelten sowie eine respektvolle Behandlung und das Gefühl von Sicherheit und Orientierung“ (ebd.: 100) an.
7 Identitätshemmende Kriterien können als überfordernde Situationen wahrgenommen werden und dann in psychische Erkrankungen resultieren (vgl. ebd.: 100).
8 (ehemalige Popstars-Kandidatin)
9 (ehemaliger The Voice of Germany-Kandidat)
10 (ehemaliger DSDS-Kandidat)
11 (ehemalige The Voice of Germany-Kandidatin)
12 (anonymisiert als „Sanne“ und ehemalige Popstars-Kandidatin)
13 (ehemalige DSDS-Kandidatin)
14 (anonymisiert als „Soraya“ und ehemalige DSDS-Kandidatin)
15 (anonymisiert als „Andia“ und ehemalige DSDS-Kandidatin)
16 (anonymisiert als „Sina“ und ehemalige DSDS-Kandidatin)
17 (anonymisiert als „Janina“ und ehemalige Unser Star für Oslo-Kandidatin)
18 (anonymisiert als „Anna“ und ehemalige DSDS-Kandidatin)
- Citar trabajo
- Özge Sakalar (Autor), 2017, Die Perspektive ehemaliger Kandidaten von Castingshows. Die Bedeutung der Teilnahme für die Identitätsentwicklung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1194634
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