Der vorliegende Beitrag ist durch folgende Fragestellungen motiviert: Lassen sich auch bei der MP "halt" Bedeutungsverluste feststellen, wenn ein Text aus dem Deutschen ins Französische übersetzt wird? Sind manche Bedeutungsvarianten in stärkerem Maße vom Verlustgang betroffen als andere? Das Forschungsthema lautet die Bedeutungsübertragung aus dem Deutschen ins Französische anhand der Modalpartikel "halt". Dies ist ein Beitrag zur deutsch-französischen Partikelforschung und verfolgt das Ziel, zu erforschen, ob die Bedeutungen, die mittels der MP halt ausgedrückt werden, mit vergleichbarer Wahrscheinlichkeit ins Französische verloren gehen.
Sprache und Denken sind die Grundbegriffe der Arbeit. Wie werden Bedeutungen von einer Sprache zu einer anderen übertragen? Unter Berücksichtigung der Modalpartikel halt geht die Arbeit den Fragen nach, ob Bedeutungsverluste bei halt festzustellen sind, wenn ein Text aus dem Deutschen ins Französische übersetzt wird und ob Bedeutungen in stärkerem Masse vom Verlustgang betroffen sind als andere. Die methodische Vorgehensweise besteht aus einer Kombinatorik von Semasiologie und Onomasiologie.
INHALTSVERZEICHNIS
WIDMUNG
VORWORT
RÉSUMÉ
INHALTSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
0. EINLEITENDES
0.1. Motivation für die Wahl des Themas
0.2. Thema und Forschungsrelevanz
0.3. Forschungsstand und Problemstellung
0.4. Frage stellungen und Forschungsziele
0.5. Forschungshypothe sen
0.6. Methodische Vorgehensweise
0.7. Theoretischer Rahmen
0.8. Aufbau der Arbeit
TEIL 1: THEORETISCHES
1. MODALPARTIKELN IM VERGLEICH ZWISCHEN DEUTSCH UND FRANZÖSISCH
1.1. Von Partikel zur Modalpartikel
1.2. Modalpartikeln des Deutschen und des Französischen
1.2.1. Die Modalpartikeln des Deutschen
1.2.1.1. Syntaktische Merkmale der Modalpartikeln
1.2.1.1.1. Nicht-Satzgliedfähigkeit
1.2.1.1.2. Nicht-Koordinierbarkeit und Nicht-Negierbarkeit
1.2.1.1.3. Satzmodusabhängigkeit
1.2.1.1.4. Kombinierbarkeit
1.2.1.1.5. Weglassbarkeit
1.2.1.2. Semantische Merkmale
1.2.1.2.1. Ja/ JA
1.2.1.2.2. wohl/ auch
1.2.1.2.3. Eben/ eigentlich
1.2.1.2.4. Eh/ sowieso
1.2.2. Die Modalpartikeln des Französischen
1.3. Modalpartikeln im Vergleich zwischen Deutsch und Französisch: Bedeutungsübertragung deutscher Modalpartikeln ins Französische
1.4. Zwischenbilanz
2. DIE SPRACHE-UND-DENKEN-DEBATTE
2.1. Sprache und Denken
2.1.1. Sprache
2.1.2. Denken
2.2. Die Sprache-und-Denken-Debatte
2.2.1. Der Sprachrelativismus
2.2.1.1. Wilhelm von Humboldt
2.2.1.2. Edward Sapir und Lee Whorf
2.2.1.3. Dan Slobin's thinking for speaking
2.2.2. Der Sprachuniversalismus
2.3. Implikationen des Sprachrelativismus und -universalismus für die Bedeutungsübertragung
TEIL 2: PRAKTISCHES
3. DIE VORKOMMENSHÄUFIGKEIT DER MODALPARTIKEL HALT IN DER SCHWIERIGE UND JEDERMANN
3.1. Kriterien für die Textauswahl
3.2. Kurzer Abriss zum Inhalt der ausgewählten Werke
3.3. Die Modalpartikel halt im Korpus
3.3.1. Der Schwierige
3.3.2. Jedermann
3.4. Zwischenbilanz
4. DIE BEDEUTUNGEN DER MODALPARTIKEL HALT IN DER SCHWIERIGE UND JEDERMANN
4.1. Darstellung der Bedeutungen in der Literatur
4.2. Bedeutungen der Modalpartikel halt in Der Schwierige
4.2.1. PLAUSIBEL
4.2.2. UNABÄNDERLICH
4.2.3. BEKANNT
4.2.4. KONNEX
4.2.5. KONNEX/ UNABÄNDERLICH
4.2.6. KONNEX/ BEKANNT
4.2.7. MILDERUNG
4.2.8. EVIDENT
4.2.9. VERSTÄRKUNG
4.2.10. KONNEX/ EVIDENT
4.3. Bedeutungen der Modalpartikel halt in Jedermann
4.3.1. BEKANNT
4.3.2. KONNEX
4.3.3. KONNEX/UNABÄNDERLICH
4.3.4. KONNEX/ BEKANNT
4.3.5. ERWARTET
4.3.7. EVIDENT
4.3.8. KONNEX/EVIDENT
4.4. Zwischenbilanz
5. DIE BEDEUTUNGSÜBERTRAGUNG DER MODALPARTIKEL HALT
5.1. Vorgehensweise
5.2. Die Bedeutungsübertragung der MP halt
5.2.1. Die Bedeutungsübertragung der MP halt in Der Schwierige
5.2.2. Die Bedeutungsübertragung der MP halt in Jedermann
5.3. Ergebnisse der Untersuchung
5.4. Bilanz
6. DISKUSSION UND AUSBLICK
6.1. Theoretische Implikationen
6.2. Modalpartikelsemantische Implikationen
6.3. Didaktische Implikationen
6.4. Implikationen für die maschinelle Übersetzung
6.5. Ausblick
LITERATURVERZEICHNIS
A. Primärliteratur
B. Sekundärliteratur : Aufsätze, Grammatiken, Internetquellen, Lexikon, Monographien, Sammelbände und Wörterbuch
B.1. Aufsätze
B.2. Grammatiken
B.3. Internetquellen
B.4. Lexikon
B.5. Monographien
B.6. Sammelbände
B.7. Wörterbuch
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Die Distribution der MP (Thurmair 1989:49)
Tabelle 2 : Nicht akzeptable MPs-Distribution (Thurmair 1989:205)
Tabelle 3 : Die MPs-Kombinationen (Thurmair 1989:278)
Tabelle 4 : Die Bedeutungen der MPs (Thurmair 1989:200)
Tabelle 5: Die MPs des Französischen und deren Illokutionstypen (Meisnitzer 2012)
Tabelle 6: Bedeutungen der MP halt in Der Schwierige
Tabelle 7: Bedeutungen der MP halt in Jedermann
Tabelle 8: Bedeutungsübertragung der MP halt in Der Schwierige
Tabelle 9: Bedeutungsübertragung der MP halt in Jedermann
Tabelle 10: Bedeutungsübertragung der MP halt in beiden Werken
Tabelle 11: Statistische Darstellung der Ergebnisse der Untersuchung
VORWORT
Mein Interesse an kontrastiven Studien wurde zum allerersten Mal im dritten Jahrgang im Rahmen der Lehrveranstaltung über kontrastive Linguistik geweckt. Die darauffolge nd e n Jahre haben einfach dieses Interesse bekräftigt, wobei erste Versuche in diese Richtung entstanden. Die vorliegende Arbeit, die sich mit der Bedeutungsübertragung der Modalpartikel halt ins Französische beschäftigt, findet ihren Anfang in der Entdeckung der Modalpartikeln beim Lesen des Romans Abengs Entscheidung von Philomè ne Atyame. Mit dieser Arbeit mö chte ich an der Debatte über die Modalpartikelsemantik teilnehmen und einen Beitrag zur Erforschung des Bedeutungsübertragungsphänomens leisten. Ohne die Unterstützung mehrerer Personen wäre aber das Zustandekommen dieser Arbeit nicht möglich gewesen. Deswegen möchte ich diesen Personen meinen Dank aussprechen.
Mein allerherzlichster Dank gilt meinem Betreuer Dr. Soulemanou PEPOUNA, dessen Türen mir immer offen standen. Er hat alle Phasen dieser Arbeit in geduldiger Diskussionsbereitschaft und mit hilfreicher und ermutigender Kritik begleitet.
Zum Dank verpflichtet bin ich auch all meinen Dozenten der Universität Yaounde 1, besonders dem ehemaligen Deutschabteilungsleiter Prof. em. Dr. David SIMO, der Deutschabteilungsleiterin Prof. Dr. Philomène ATYAME, Prof. Dr. Jean-Bertrand MIGUOUÉ, Prof. Dr. Maryse NSANGOU und Prof. Dr. habil. Joseph MBONGUE für ihre hilfreichen Erklärungen und Bemerkungen während der Seminare des Masterstudiengangs.
Für aufmunternde Worte gebührt Prof. Dr. Bertin NYEMB, Herrn Colins MEBERE und Lisette KOUAKAM mein besonderer Dank. Ich danke Laurent NDASSI, Fabiola TCHOUBA und Alain NDINDJOCK III für die Überarbeitung der Arb eit .
Meine ältere Schwester Mi Careme GOMSU, geboren NYA, übernahm die Bestellung der französischen Fassungen meines Korpus, L'Homme Difficile und Jedermann. Dafür danke ich ihr herzlich.
Ein herzliches Dankeschön geht auch an alle Personen, die mich während meiner Masterarbeit anderweitig unterstützt haben: Marie Antoinette SAMOU und Jean Paul NZENTI, William, Leslie, Sandrine, Larissa und Kevine NZENTI, Salamath TCHINJO, Thierry FOUMENA, Michel EVINA, Boris ADIOBO, Herve NGUEPTE und Priscilia DOMGUE, um nur einige zu nennen.
Jaunde, am 29. Juli 2021 Rosny Franck Nzenti
RÉSUMÉ
La langue est constituée de certaines catégories qui lui sont propres. C'est le cas des particules modales de la langue allemande. Les travaux contrastifs sur les particules modales ont révélé que les significations qui sont exprimées par ces dernières dans la langue de départ étaient soit perdues soit transportées dans la langue d'arrivée. Toutefois, nous ignorons toujours si les significations qui trouvent leurs expressions par le biais d'une seule et unique particule modale sont perdues avec une fréquence semblable lors du passage de l'allemand vers le francais. En nous limitant a la particule modale halt, le présent travail vise a répondre aux questions suivantes : a) observe-t-on aussi des pertes de significations avec la particule modale halt, lorsqu'un texte est traduit de l'allemand vers le frangais ? b) Certaines variantes de significations sont-elles plus touchées par la perte que d'autres ? Pour répondre a ces questions, nous nous sommes appuyés sur les reuvres de l'auteur autrichien Hugo von Hofmannsthal Der Schwierige et Jedermann et leurs traductions frangaises L 'Homme difficile et Jedermann. Les résultats montrent que certaines significations que porte halt sont perdues lorsqu'un texte est traduit de l'allemand vers le frangais. De plus, quelques significations sont plus touchées par la perte que d'autres.
Mots clés: significations, particule modale halt, transposition des significations, allemand, frangais.
ABSTRACT
Language is made up of certain categories that are specific to it. This is the case of modal particles of the German language. Contrastive studies on modal particles revealed that the meanings that are expressed by them were either lost or carried into the target language. However, we still do not know if the meanings which find their expression through a single and unique modal particle are lost with a similar frequency when switching from German to French. With a special regard to the halt modal particle, the present work aims to answer the following questions: a) Do we also observe lost of meanings with the halt modal particle when a text is translated from German to French? b) Are some variations of meanings more affected by lost than others? In order to address this issue, we relied on the novels of the Austrian author Hugo von Hofmannsthal Der Schwierige and Jedermann and their french translations L'Homme difficile and Jedermann. The results suggest that some meanings that halt carries are lost during the transition from German to French. In addition, certain meanings are more affected by lost than others.
Key words: meanings, halt modal particle, meanings transposition, German, French.
0. EINLEITENDES
0.1. Motivation für die Wahl des Themas
Als Germanistik student der Universität Yaoundé 1 habe ich erstaunlicherweise nie von den Modalpartikeln (MPs) gehört, geschweige denn Wissen darüber bekommen. Dieser Sachverhalt hat sich geändert, als ich eines Tages den Roman von Philomène Atyame Abengs Entscheidung gelesen habe, in dem mir einige MPs begegneten. Über dieses für mich bis dahin unbekannte Phänomen erfahre ich beim Nachschlagen in Grammatikbüchern nur Neues. Ab diesem Moment kamen mir unzählige Fragen in den Sinn: Welches sind die Bedeutungen der MPs? Wie werden sie im Französischen wiedergegeben? Durch meine Auseinandersetzung mit der einschlä gigen Literatur stellte ich Folgendes fest: Es ist schwierig, die Bedeutungen von MPs zu beschreiben; die MPs werden sowohl durch Partikeln als auch durch andere Mittel (wie z.B. die Null-Übersetzung) im Französischen wiedergegeben. Diese Feststellung suggerie rt, dass die Bedeutungen, die in der deutschen Sprache mittels MPs ausgedrückt werden, bei der Übersetzung in eine andere Sprache durchaus verloren gehen können. Die Literatur lässt dennoch die Frage unbeantwortet, ob alle Bedeutungen, die mittels einer bestimmten MP ausgedrückt werden, verloren gehen (oder nur ein Teil davon), wenn ein Text aus dem Deutschen ins Französische übersetzt wird. So habe ich die Entscheidung getroffen, mich auf die Bedeutungsübertragung der MP halt ins Französische zu konzentrieren.
0.2. Thema und Forschungsrelevanz
Wer die deutsche Sprache spricht und die MPs nicht im DaF-Unterricht gelernt hat, kann sich die Frage stellen, warum er die MPs lernen soll und was sie ihm beibringen können. Wer am Deutschunterricht teilgenommen hat, ohne diese kleinen Wörtchen gelernt zu haben, da sie im Normalfall „in der Hierarchie der zu lernenden Erscheinungen einer Fremdsprache“ (Rathmayr 1989:624) nicht vorkommen, kann den Eindruck bekommen, dass die MPs nicht von Bedeutung sind, um sich gut auf Deutsch auszudrücken. Sowohl die erste als auch die zweite Person haben Unrecht, die Rolle der Modalpartikeln für die Kommunikation zu übersehen. Sie bemerken nicht, wie eine MP kommunikativ einen Satz verändern kann und pragmatisch zu einer Handlung führen kann. Sie vermissen Zusatzinformationen, die mit MPs vermittelt werden. Je nach dem Satztyp, in dem sie vorkommen, können MPs unterschiedliche Funktionen haben. Sie wirken auf der Ebene der Sprecher-Ansichten, der Illokution und der Interaktion zwischen den Gesprächspartnern.
Auf der Ebene des Sprechers dienen MPs dazu, die Sprechereinstellungen auszudrücken. Ein Sprecher kann also einen Sachverhalt als unabänderlich oder evident anzeigen (vgl. Weydt 1969; Bublitz 1978; Doherty 1985; Dahl 1988). Auf der Ebene der Illokution können MPs die Sprechhandlung so modifizieren, dass diese als Kompromiss, Argument oder Schlussfolgerung verstanden wird (vgl. Helbig 1977; Sandig 1979; Franck 1980; Gornik-Gerhardt 1981; Jacobs 1991). Als interaktionssteuernde Elemente können MPs auf Vorgängeräußerungen oder auf folgende Gesprächsakte Bezug nehmen, den Wissensstand der Kommunikationspartner einbeziehen, der Themenfortführung bzw. dem Themenwec h se l dienen und zum Konsens oder Dissens beitragen (vgl. Kemme 1979; Franck 1980).
MPs liegen allerdings nicht in allen Sprachen vor. Germanistische Sprachen (zu denen das Deutsche gehört) werden im Allgemeinen als partikelreich betrachtet, während romanische Sprachen (zu denen das Französische gehört) als partikelarm eingestuft werden (vgl. Abraham 1991a). Diese lexikalische Asymmetrie wirft die Frage auf, wie das Französische alle diese Bedeutungen bzw. Funktionen, die im Deutschen ihren Ausdruck durch die MPs finden, zum Ausdruck bringt. Die vorliegende Arbeit untersucht die Bedeutungsübertragung aus dem Deutschen ins Französische unter besonderer Berücksichtigung der MP halt. Auf die schriftliche Sprache beschränkt findet sie ihre Relevanz in der Tatsache, dass sie den DaF- Unterricht einerseits auf die Rolle der MPs für die Kommunikation aufmerksam macht. Andererseits gewinnt man Informationen über die Unterschiede zwischen beiden Sprachen, vor allem, was den Ausdruck von Bedeutungen angeht: Natürliche Sprachen drücken ihre Bedeutungen nicht gleichermaßen aus, sondern unterschiedlich, d.h. mit unterschiedlichen Kategorien auf unterschiedliche Ebenen. Diese Situation bringt mit sich, dass manche Bedeutungen in die Zielsprache verloren gehen. Die Arbeit schreibt sich in die deutschfranzösische Modalpartikelforschung ein, besonders in die Modalpartikelsemantik und verfolgt das Ziel, einen Beitrag zum Bedeutungsübertragungsphänomen zu leisten.
0.3. Forschungsstand und Problemstellung
Wir Menschen sind soziale Lebewesen und als solche brauchen wir miteinander zu kommunizieren. Bei der Kommunikation wollen wir uns gegenseitig verständigen, wir „wollen uns gegenseitig mitteilen, was in unseren Gedanken vor sich geht, was wir sehen, fühlen, glauben, wissen, was wir wollen oder was wir in diesem oder jenem Moment gerade tun.“ (Dirven & Radden 2003:1). Mit anderen Worten: wir wollen in einer Kommunikation unsere mentalen Repräsentationen ausdrücken. Um diese mentalen Repräsentationen bzw.
Bedeutungen auszudrücken und die K o mmunika t io n erfolgreich zu machen, brauchen wir die Sprache. Wenn wir zum Beispiel jemanden sprechen, bringen wir unsere Gedanken zum Ausdruck (vgl. Dirven & Radden 2003:2). Wir fassen unsere Gedanken oder mentale n Repräsentationen in Worte und machen sie dem Hörer grundsätzlich somit zugänglich. Die sprachlichen Kategorien, die an dieser gedanklichen Vermittlung beteiligt sind, sind Verben, Substantive, Adjektive, Artikel, Pronomen, Numeralien, Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen etc.
Natürliche Sprachen unterscheiden sich unter anderem darin, dass eine Bedeutung, die in einer gegebenen Sprache anhand der Kategorie X ausgedrückt wird, in der anderen Sprache durch die Kategorie Y Ausdruck findet. Die Funktion, die dem Artikel im Griechisc he n zukommt, wird im Lateinischen durch Interjektion erfüllt (vgl. Borsche 2007:5). Dies heißt, dass sich natürliche Sprachen nicht nur darin unterscheiden, mit welcher Kategorie sie welche Bedeutung ausdrücken, sondern auch darin, dass eine Bedeutungskategorie, die in einer gegebenen Sprache mittels einer bestimmten Wortkategorie ausgedrückt wird, in einer anderen Sprache durchaus eher durch Umschreibungen und Paraphrasierungen bezeichnet wird. Eine solche sprachübergreifende Asymmetrie liegt vor bei den MPs im Übergang zwischen Deutsch und Französisch. Mit anderen Worten: Bedeutungen, die in der deutschen Sprache ihren Ausdruck in den MPs finden, werden im Französischen nicht unbedingt mit demselben sprachlichen Mittel wiedergegeben (vgl. Waltereit 2006). Die Beschäftigung mit den Ausdrucksmitteln der durch deutsche MPs ausgedrückten Bedeutungen im Französischen wurde schon in der Literatur mehrfach diskutiert.
Dalmas (1989) geht der Frage nach, ob die durch die MP wohl ausgedrückten Bedeutungen ins Französische wiedergegeben werden. Zur Veranschaulichung zieht sie folgende Beispiele heran:
(1) Du gehst jetzt wohl schlafen?
(2) Je suppose que tu vas te coucher. Dalmas ( 1989:234)
(3) Sie nahm wohl an, alles gehe ruhig vonstatten und sei recht einfach wie eine Spielerei.
(4) Elle devait trouver que c'était bien calme, bien facile, que cela avait l'air d'un jeu. Dalmas ( 1989:235)
Dalmas schlussfolgerte, dass die Bedeutungen in diesen Beispielgeb ungen durch das performative Verb supposer und das französische Modalverb devoir wiedergegeben wurden.
Feyrer (1998) befasst sich in ihrer Dissertation mit der Einzelpartikel doch und deren Bedeutungswiedergabe im Französischen und kommt zum Schluss, dass die Bedeutungen von doch in der französischen Sprache durch Satztypwechsel, Paraphrasen, Interjektionen, Adversativ mais, Adverb bien, Adverbialformen quand mème, pourtant, vraiment, explizitMachen durch Verbwahl, idiomatische Wendungen und Wechsel zur direkten Anrede wiedergegeben werden.
Schoonjans (2013a) in seinem Artikel mit dem Titel Das kann man eben auch französisch sagen. Zu den französischen Entsprechungen der deutschen Modalpartikel eben und einiger bedeutungsähnlicher Ausdrücke befasst sich mit der Frage, wie sich die deutsche MP eben ins Französische übersetzen lässt. Anhand eines Übersetzungskorpus von 12 Romanen, 13 Kurzgeschichten und 12 Theaterstücken wurden 206 Belege von eben in Assertionen untersucht. Aus der Untersuchung ließ sich u.a. der Schluss ableiten, dass die französischen Äquivalente der MP eben die Nichtübersetzung ist. Hierzu folgendes Beispiel:
(5) Es würde eben bedeuten, dass er nicht verstanden hatte, oder dass er zwar verstanden hatte, sich aber darum nicht kümmern sollte.
(6) Cela signifierait qu'il n'avait pas tout compris ou tout au moins que, s'il avait compris, il ne se souciait pas de ce qu'on lui disait.
Schoonjans (2013a:77)
Schoonjans (2014a) hat die französischen Pendants der MP ja untersucht. In seinem Artikel betitelt zu den französischen Entsprechungen der deutschen Modalpartikeln ja und doch in literarischen Texten sucht er nach den Übersetzungsmitteln der MP ja im Französischen. Er führt folgendes Beispiel an:
(7) Ob ich meine Frisur, die seit dreißig Jahren ein Garconne-Schnitt war, abschaffen wollte? Aber wofür eigentlich? Ich kannte diesen Mann ja noch nicht und er mich erst recht nicht.
(8) Est-ce que je devais renoncer a ma coupe a la gar^onne ? Mais pour quelle raison au
juste ? Je ne connaissais pas encore cet homme, et lui ne m'avais jamais vue. Schoonjans (2014a:408)
Er kam zu folgendem Ergebnis: Die Nichtübersetzung gilt in diesen Sätzen als Äquivalent der MP ja. Dies bedeutet, die Bedeutung, die mittels der MP ja ausgedrückt wird, in diesem Fall verloren gegangen ist.
Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Die Bedeutungen, die im Deutschen mittels MPs ausgedrückt werden, werden im Französischen nicht durch MPs, sondern durch andere Kategorien wie Verben (supposer), Modalverben (devoir), nicht-adverbiale Wörter und Null-Übersetzung wiedergegeben. Andersherum gesehen: Die Ausführungen des Forschungsstandteils haben ergeben, dass die Bedeutungen, die im Deutschen ihren Ausdruck mittels MPs finden, entweder im Französischen wiedergegeben werden (durch Verben, Modalverben und nicht-adverbiale Wörter) oder verloren gehen (durch die Null-Übersetzung).
Richtet man nun sein Hauptaugenmerk auf die MP halt, so geht die Feststellung hervor, dass das Maß an kontrastiven Untersuchungen (vgl. Burkhardt 1995; Métrich & Faucher 2009) über halt sehr gering ist. Diese Untersuchungen gingen der Frage nach, wie die MP halt ins Französische übersetzt wird und zielten darauf ab, die Ausdrucksmittel von halt (Äquivalenze n, Entsprechungen) im Französischen herauszufinden. In diesem Zusammenhang arbeiteten sie folgende Entsprechungen der MP halt heraus: c'est que, eh bien, justement, précisément (Burkhardt 1995), c 'est que, faut bien, c 'est comme ga, forcément, ilfaut dire/ reconnaitre que, ma foi, bon, disons, hein, normal, tant pis, tiens, tu vois (Métrich & Faucher 2009). Die Ergebnisse dieser Untersuchungen haben die Bedeutungswiedergabe bzw. die lexikalischen Äquivalenzen der MP halt ergeben. Es bleibt noch allerdings zu erforschen, ob die Bedeutungen, die mittels der MP halt ausgedrückt werden, mit vergleichbarer Wahrscheinlichkeit vom Verlustgang betroffen sind als andere. Ich bin daher in dieser Arbeit bestrebt, nochmals den Ausdruck von Bedeutungen zu untersuchen. Dass halt - im Gegensatz zu den anderen MPs - keine Polyfunktionalität in anderen Wortklassen aufweist (vgl. Burkhardt 1994:131), begründet die Wahl der MP halt in dieser Arb eit . Die Arb eit nimmt somit die Bedeutungsübertragung der MP halt ins Franzö sische in den Blick.
0.4. Fragestellungen und Forschungsziele
Der vorliegende Beitrag ist durch folgende Fragestellungen motiviert:
- Lassen sich auch bei der MP halt Bedeutungsverluste feststellen, wenn ein Text aus dem Deutschen ins Französische übersetzt wird?
- Sind manche Bedeutungsvarianten in stärkerem Maße vom Verlustgang betroffen als andere?
Das Forschungsthe ma lautet die Bedeutungsübertragung aus dem Deutschen ins Französische anhand der Modalpartikel halt. Beitrag zur deutsch-französischen Partikelforschung und verfolgt das Ziel, zu erforschen, ob die Bedeutungen, die mittels der MP halt ausgedrückt werden, mit vergleichbarer Wahrscheinlichkeit ins Französische verloren gehen.
0.5. Forschungshypothesen
Um die oben formulierten Fragestellungen vorläufig zu beantworten, habe ich folgende Hypothesen formuliert:
- Dass bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse bereits mit der Null-Übersetzung deuten, dass der Ausdruck von Bedeutungen sprachabhängig ist und gleichzeitig mit Entsprechungen zeigen, dass Bedeutungen wiedergegeben werden können, berechtigt zu der Annahme, dass einige Bedeutungen der MP halt auch verloren gehen.
- Zur zweiten Fragestellung bietet die aktuelle Forschungslage keine Basis für die Formulierung einer Hypothese. Deswegen sind bezüglich der zweiten Forschungsfrage die Analyseergebnisse abzuwarten.
0.6. Methodische Vorgehensweise
Zur Verifizierung der Hypothese werden auf zwei Methoden zurückgegriffen: Die semasiologische und die onomasiologische Methode. Pepouna definiert die beiden Vorgehensweisen wie folgt:
Die zweite Methode, [...] ist die semasiologische, die darin besteht, von einer sprachlichen Form auszugehen, um nach möglichen Elementen der außersprachlichen Wirklichkeit zu suchen, auf die mittels der jeweiligen sprachlichen Form referiert werden kann. Im Gegensatz zur Semasiologie, die von einem Formmittel ausgeht, geht der onomasiologische Forschungsansatz bei der Sprachbeschreibung von einem Begriff aus, und stellt sich dann die Frage nach den verschiedenen sprachlichen Möglichkeiten, den betreffenden Begriff auszudrücken. (Pepouna 2007:31)
Während die semasiologische Methode von einer sprachlichen Form ausgeht, um deren Vorstellung zu finden, geht die onomasiologische von einer Sprachbeschreibung bzw. Vorstellung aus, um den sprachlichen Ausdruck zu suchen. In der Semasiologie ist die Sprache der Ausgangspunkt und das Konzept das Ziel. Diese Beziehung ist in der Onomasiologie umgekehrt: Das Konzept ist der Ausgangspunkt und die Sprache das Ziel.
Die Semasiologie und die Onomasiologie sind in einigen Disziplinen (z.B in der Grammatikschreibung) zum Einsatz gekommen1. In der Modalpartikelforschung bieten sich auch beide Vorgehensweisen an (Weydt 1981:51 zitiert nach Heggelund 2001:2). Heggelund erklärt sie in der Modalpartikelsemantik folgendermaßen :
Wer im Bereich der Modalpartikelsemantik semasiologisch vorgeht, fragt nach der Bedeutung der betr ffe enden Partikel. Was bezeichnet sie? Wer onomasiologisch arbeitet, fragt dagegen, wie (d.h. mit welchen Partikeln usw.) eine bestimmte Bedeutung (oder Handlung) ausgedrückt wird. (Heggelund 2001:2)
So geht es - semasiologisch gesehen - darum, ausgehend von der deutschen MP halt ihre Bedeutungen zu beschreiben. Die Bedeutungen der MP halt sollen durch die Identifizierung bestimmter semantischer Merkmale2 ermittelt werden. Die Analyse soll demnach mit den in der einschlägigen Literatur gefundenen semantischen Merkmale bzw. Klassen der MP halt stattfinden.
Onomasiologisch gesehen soll — ausgehend von den Bedeutungen der deutschen MP halt — der Ausdruck dieser Bedeutungen ins Französische erforscht werden. Hierbei soll ermittelt werden, anhand welcher sprachlichen Mittel die verschiedenen Bedeutungsvarianten der MP halt im Französischen realisiert werden.
0.7. Theoretischer Rahmen
Die Theorien, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen, sind der Sprachrelativi s mus und der Sprachuniversalismus. Relativisten gehen davon aus, dass das Denken auf sprachlichen Strukturen beruht. Denkinhalte hängen von der Sprache ab. Ich kann nicht mehr denken als meine Sprache es erlaubt. Mein Spracherwerb ist meinen Gedanken gleich. Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Um diese Denkinhalte auszudrücken, braucht man aber die Sprache.
Universalisten ihrerseits vertreten die Ansicht, dass das Denken unabhängig von der Sprache ist. Denkinhalte beruhen nicht auf sprachliche Strukturen. Die Sprache spielt keine Rolle beim Erwerb von K onzepten. Der menschliche Geist denkt nicht in die Sprache, sondern in einer wortlosen universellen Gedankensprache, dem Mentalesischen. Voraussetzung für den Ausdruck des Mentalesischen ist die Sprache.
Dass wir uns mit den Begriffen Sprache und Denken auseinandersetzen, rechtfertigt den Einsatz der beiden Theorien. Sie sind für die Beantwortung der Fragestellungen insofern relevant, als der Ausdruck von Bedeutungen bzw. Konzepten von einer Sprache zu einer anderen Sprache untersucht wird.
0.8. Aufbau der Arbeit
Der vorliegende Beitrag gliedert sich in zwei Teile, die sich insgesamt in sechs Kapitel untergliedern. Der theoretische Teil besteht aus zwei Kapiteln, während der praktische vier Kapitel beinhaltet.
Das erste Kapitel widmet sich den MPs im deutsch-französischen Vergleich. Dabei soll zunächst einmal die MPs als Partikelklasse der Wortart-Partikel dargestellt werden. Hinzu kommt die Darstellung der MPs des Deutschen, wobei der Akzent auf deren Syntax und Semantik gelegt wird. Ferner erscheinen die MPs des Franzö sischen. Abschließend soll die Bedeutungsübertragung deutscher MP ins Französische vorgestellt werden. Ziel ist es, die Sprachspezifik in der Bedeutungswiedergabe herauszuarbeiten.
Kapitel 2 setzt sich mit den theoretischen Grundlagen der Arbeit auseinander. Zunächst sollen die Begriffe Sprache und Denken bestimmt und ihre Funktionen herausgearbeitet werden. Danach soll der Sprachrelativismus, dessen Anhänger Wilhelm von Humboldt, Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf sowie Dan Slobin sind, zum Ausdruck kommen. Darüber hinaus kommt der Sprachuniversalismus, deren Verfechter Steven Pinker ist, ins Blickfeld. Erklärtes Ziel dieses Kapitels ist es, einerseits die Theorien zu beschreiben. Andererseits setzt sich dieses Kapitel zum Ziel, die Implikationen des Sprachuniversalismus und -relativismus für die Bedeutungswiedergabe zu durchleuchten.
Kapitel 3 befasst sich mit der MP halt in Hugo von Hofmannstahls Werken Der Schwierige und Jedermann. Zunächst sollen die Kriterien zur Wahl der Datenquelle gerechtfertigt werden. Danach sollen die genannten Werke zusammengefasst werden. Ferner soll die MP halt in den ausgewählten Werken identifiziert werden.
Im vierten Kapitel soll untersucht werden, welches die Bedeutungen der MP halt in der deutschen Fassung des Korpus, Der Schwierige und Jedermann, sind. Zunächst sollen alle Bedeutungen bzw. semantischen Klassen in der Literatur herausgefunden werden. Dann soll die Bedeutungen der MP halt in den ausgewählten Werken erforscht werden. Ziel ist es, die Bedeutungen der MP halt zu beschreiben.
Erst im fünften Kapitel erscheint die französische Fassung des Korpus, L'Homme difficile und Jedermann. Die Bedeutungen deutscher Sätze sollen mit ihren Entsprechungen bzw. Übersetzungen im Französischen verglichen werden, mit dem Ziel die sprachlichen Mittel, anhand derer die Bedeutungen von halt im Franzö sischen realisiert werden, hervorzuheben. Die Hervorhebung sprachlicher Mittel soll zu Ergebnissen führen.
Im abschließenden Kapitel sollen die Ergebnisse der Untersuchung diskutiert werden. Die Implikationen und die Bedeutung der erzielten Befunde für die Theorie, die Partikelsemantik und die Didaktik des Deutschen und des Französischen sollen dabei diskutiert werden. Bevor wir gleichwohl darauf zu sprechen kommen, sollen zunächst einmal die MPs im Vergleich zwischen Deutsch und Französisch und die Sprache-und-Denken-Debatte im theoretischen Teil vorgestellt werden.
[...]
1 Die Semasiologie eignet sich für das analytische grammatische System, während die Onomasiologie mit dem synthetischen grammatischen System einhergeht (vgl. Von der Gab elentz 1901 zitiert nach Kutscher 2016:2)
2 Ich teile die Ansicht von Weydt (1977:224 zitiert nach Thurmair 1989:99): „Wenn es gelingt, Gesamtbedeutungen (oder funktionelle Bedeutungen) zu ermitteln, so darf man sich diese als Bündel von Merkmalen vorstellen“.
- Citation du texte
- Rosny Franck Nzenti (Auteur), 2021, Die Bedeutungsübertragung aus dem Deutschen ins Französische. Eine Untersuchung anhand der Modalpartikel halt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1132529
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