Diese Literaturarbeit soll einen Überblick über Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) geben, indem eine Übersicht über traditionelle IKTs erstellt wird, deren Verbreitung erläutert wird, ihre Schwächen sowie Erfolge besprochen werden und abschließend innovative Prototypen für die zukünftige Entwicklung vorgestellt werden. Aus den Ergebnissen dieser Literaturarbeit kann eine Strategie zur optimalen Bewältigung einer Katastrophe durch IKT abgeleitet werden. Gerade durch die einerseits steigende Anzahl der Katastrophen und andererseits der fortschreitenden Technologie können Katastrophen durch fortgeschrittene IKT zu weniger Verlusten von Menschen sowie Schäden der Infrastruktur führen. Insbesondere neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, smarte Geräte oder auch die Anbindung zur Cloud versprechen viele Verbesserung in der Katastrophenbewältigung. Diese neuen Entwicklungen können die IKT verändern und Schwächen aus der Vergangenheit abfangen oder komplett vergessen machen.
In dieser Arbeit wird in Kapitel 2 zuerst ein Verständnis über den Begriff einer Naturkatastrophe und ein Informations- und Kommunikationssystem vermittelt. Zudem wird der aktuelle Stand der Katastrophensysteme abgebildet.
In Kapitel 3 werden die Forschungsmethodik dieser Literaturanalyse und die Vorgehensweise erläutert. Zudem werden die Forschungsfragen dieser Arbeit vorgestellt.
Die Kommunikationsmöglichkeiten werden in Kapitel 4 vorgestellt. Die genutzten Technologien zur Kommunikation werden herausgearbeitet und mit deren markanten Eigenschaften, Stärken und Schwächen vorgestellt.
Um die Tauglichkeit der Systeme im Allgemeinen zu betrachten, werden in Kapitel 5 die Schwächen der Informations- und Kommunikationssysteme in der Vergangenheit betrachtet.
In Kapitel 6 werden Technologien vorgestellt, die aktuell nur als Prototypen vereinzelt eingesetzt oder erst in der Zukunft einsatzfähig werden. Diese Technologien könnten dazu beitragen, die in Kapitel 5 dargestellten Schwächen, partiell aufzufangen oder systematisch zu minimieren.
In Kapitel 7 folgt eine Schlussbetrachtung mit einer kritischen Diskussion, den Limitationen dieser Arbeit und Implikationen für weitere Forschungen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Hinführung zum Thema
2.1 Begriffserklärungen
2.2 Status Quo der Katastrophensysteme
3 Forschungsmethodik
3.1 Forschungsfragen
3.2 Modell der Literaturanalyse
4 Überblick über Informations- und Kommunikationstechnologien
4.1 Kommunikation während einer Katastrophe
4.2 Übersicht der Kommunikationstechnologien und Möglichkeiten
4.3 Informations- und Kommunikationstechnologien im Wandel der Zeit
5 Informations- und Kommunikationstechnologien in der Praxis
5.1 Schwächen von Katastrophensystemen
5.1.1 Beschädigung und Überlastung der Infrastruktur
5.1.2 Fehlende technische Ausstattung und fehlende Kooperation
5.1.3 Fehlerhafte Informationsstreuung
5.1.4 Mängel an Plattformen von sozialen Medien
5.1.5 Fehlentscheidungen
5.2 Vergleich verschiedener Erfahrungen und Technologien
6 Katastrophenkommunikation in der Zukunft
6.1 Analyse von Daten
6.1.1 Künstliche Intelligenz
6.1.2 Soziale Medien
6.1.3 Smarte Geräte
6.2 Kommunikation
6.2.1 Gemeinsames Informationsnetzwerk
6.2.2 Augmented Reality, Virtual Reality und Mixed Reality
6.2.3 Apps und andere Funktionen
6.3 Alternativen bei Netzwerkausfall
6.3.1 Aufbau zusätzlicher Netzwerke
6.3.2 Drohnennetzwerk
7 Schlussbetrachtung
7.1 Zusammenfassung
7.2 Kritische Diskussion
7.3 Limitation
7.4 Implikation für weitere Forschung
Anhang
8 Literatur
Abkürzungsverzeichnis
ACM Association for Computing Machinery
AIS Association for Information Systems
AR Augmented Reality (dt.: augmentierte Realität)
BIWAPP Bürger Informations- & Warn App
EDO Europäische Beobachtungsstelle für Dürre
EFAS Europäische Hochwasseraufklärungssystem
EFFIS Europäische Waldbrandinformationssystem
EMA Emergency Mobile Alert (dt.: Mobiler Notfallalarm)
EMS Emergency Management System (dt.: Katastrophenmanagement-System)
GDACS Global Disaster Alert and Coordination System
IKT Informations- und Kommunikationstechnologien
ISCRAM Information Systems for Crisis Response and Management
KATWARN Katastrophen Warnungen
LoRa Long Range Wide Area Network
MANETs Mobile ad hoc networks
MoWaS Modulares Warnsystem des Bundes
MR Mixed Reality (dt.: gemischte Realität)
NINA Notfall-Informations- und Nachrichten-App
RFID Radio-frequency identification
VR Virtual Reality (dt.: virtuelle Realität)
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 2.1: Dezentrales Informationsnetzwerk
Abb. 2.2: Gemeinsame Informationsplattformen
Abb. 2.3: Zentrale Informationsaustauschplattform
Abb. 2.4: Überblick des Risiko- und Katastrophenmanagement
Abb. 0.1: Flutüberwachung über das Copernicus Programm
Tab. 3.1: Suche in der ISCRAM Datenbank
Tab. 3.2: Suche in den Datenbanken der ACM/AIS/IEEE
Tab. 3.3: Gesamtübersicht der Ergebnisse der Datenbankrecherche
Tab. 5.1: Vergleich von Informations- und Kommunikationstechnologien
1 Einleitung
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) spielen in der heutigen Zeit eine unverzichtbare Rolle für Menschen (Klostermeier 2009). Besonders im Falle einer Katastrophe kann ein Ausfall der IKT zu enormen Problemen bei der Bewältigung der Situation führen (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2021d). Eine Katastrophe kann in verschiedenen Formen an vielen Orten auftreten und immense Sachschäden mit sich bringen. Katastrophen wie Erdbeben, Tornados oder Überschwemmungen können aus dem Nichts auftauchen und für tausende Menschen zu einem Verlust ihres Lebens oder ihres Hab und Gut führen (Malteser International 2021). Durch den Klimawandel steigt auch die Anzahl der Naturkatastrophen stets an und sorgt für immer mehr Wetterextreme in der Umwelt (Benfield 2020). Ein verändertes Klima, die stets voranschreitende Entwaldung oder auch eine Erhöhung der Weltbevölkerung treiben diesen Wandel stets voran (Demir et al. 2011). Das beeinflusst und bedroht das Leben der Menschen in gefährdeten Gebieten immer stärker (Gerhold und Haake 2015).
Vor allem in vielen wirtschaftlich ohnehin schwachen Ländern wie Afrika, Südamerika und Asien bedrohen zerstörerische Naturereignisse das Leben zahlreicher Menschen. Auch Deutschland ist nicht von Katastrophen ausgenommen. Aufgrund des SARS-CoV-2 Virus wurde zuletzt im Dezember 2020 in vielen Regionen ein Katastrophenfall ausgerufen (Bussgeldkatalog 2020). In der vergangenen Dekade (2010-2020) gab es jährlich weltweit 383,3 Naturkatastrophen und 398.000 Menschen verloren ihr Leben. Rund um den Globus haben Stürme, Hochwasser, Erdbeben und andere Naturkatastrophen Schäden von 417 Milliarden US-Dollar verursacht (Benfield 2020). Deshalb ist der globale Klimawandel seit etlichen Jahren ein präsentes Thema in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik.
Die Kommunikationsfähigkeit bei einer Katastrophe durch IKT ist bei einer Katastrophe essentiell (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2021d). Durch neue Technologie sind auch neue Möglichkeiten entstanden, um bei Katastrophen besser reagieren zu können (Palenchar 2010). Die Menschheit ist aktuell auf dem höchsten technologischen Stand und so vernetzt wie nie (Chanda und Froetschel 2012). Informations- und Kommunikationstechnologien können dabei helfen, die Verluste durch eine bessere Prävention, Information und Kommunikation der Bevölkerung zu reduzieren (Meesters et al. 2019). Für effiziente Katastrophensysteme sind genaue und verlässliche Informationen notwendig, um zielführende Entscheidungen zu treffen und richtig zu kommunizieren (Scholl et al. 2017). Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien werten eine beträchtliche Datenmenge aus und sollen zudem komplexere Analysen, vielfältige Optionen und eine gute Integration bieten (Nguyen et al. 2019). Durch den technologischen Fortschritt sind auch IKT in einem fortschreitenden Wandel und es ist notwendig, neue Entwicklungen in diese Systeme für einen besseren Katastrophenschutz zu integrieren (Lieser et al. 2019).
In der Forschung werden meist nur spezielle IKT und deren Faktoren im Einzelnen betrachtet. Dabei können jedoch Synergieeffekte ausbleiben, die bei einer optimalen Strategie zur Katastrophenkommunikation entstehen können. In Zusammenhang mit den teils immensen Schäden, die im Katastrophenfall entstehen können, kann eine zu tiefe Spezialisierung auf eine Technologie zu einer zu großen Abhängigkeit und dem kompletten Scheitern der Strategie führen (Heath und O'Hair 2010).
Daher soll diese Literaturarbeit einen Überblick über IKT geben, indem eine Übersicht über traditionelle IKTs erstellt wird, deren Verbreitung erläutert wird, ihre Schwächen sowie Erfolge besprochen werden und abschließend innovative Prototypen für die zukünftige Entwicklung vorgestellt werden. Aus den Ergebnissen dieser Literaturarbeit kann eine Strategie zur optimalen Bewältigung einer Katastrophe durch IKT abgeleitet werden. Gerade durch die einerseits steigende Anzahl der Katastrophen und andererseits der fortschreitenden Technologie können Katastrophen durch fortgeschrittene IKT zu weniger Verlusten von Menschen sowie Schäden der Infrastruktur führen. Insbesondere neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, smarte Geräte oder auch die Anbindung zur Cloud versprechen viele Verbesserung in der Katastrophenbewältigung (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021). Diese neuen Entwicklungen können die IKT verändern und Schwächen aus der Vergangenheit abfangen oder komplett vergessen machen.
In dieser Arbeit wird in Kapitel 2 zuerst ein Verständnis über den Begriff einer Naturkatastrophe und ein Informations- und Kommunikationssystem vermittelt. Zudem wird der aktuelle Stand der Katastrophensysteme abgebildet.
In Kapitel 3 werden die Forschungsmethodik dieser Literaturanalyse und die Vorgehensweise erläutert. Zudem werden die Forschungsfragen dieser Arbeit vorgestellt.
Die Kommunikationsmöglichkeiten werden in Kapitel 4 vorgestellt. Die genutzten Technologien zur Kommunikation werden herausgearbeitet und mit deren markanten Eigenschaften, Stärken und Schwächen vorgestellt.
Um die Tauglichkeit der Systeme im Allgemeinen zu betrachten, werden in Kapitel 5 die Schwächen der Informations- und Kommunikationssysteme in der Vergangenheit betrachtet.
In Kapitel 6 werden Technologien vorgestellt, die aktuell nur als Prototypen vereinzelt eingesetzt oder erst in der Zukunft einsatzfähig werden. Diese Technologien könnten dazu beitragen, die in Kapitel 5 dargestellten Schwächen, partiell aufzufangen oder systematisch zu minimieren.
In Kapitel 7 folgt eine Schlussbetrachtung mit einer kritischen Diskussion, den Limitationen dieser Arbeit und Implikationen für weitere Forschungen.
2 Hinführung zum Thema
In diesem Kapitel wird ein theoretischer Rahmen für das Thema dieser Literaturarbeit erstellt, in dem für die weitere Literaturanalyse notwendige Definitionen formuliert werden und ein Überblick über den aktuellen Stand der Katastrophenwarnung vermittelt wird.
2.1 Begriffserklärungen
Katastrophe
Eine Katastrophe ist ein besonderes und unerwartetes Ereignis, das einen enormen Einfluss auf die Menschen und deren Wohl, auf die Infrastruktur und auf die Umwelt hat (Oskarsson et al. 2020). Jede Katastrophe ist ein einzigartiges und unvorhergesehenes Ereignis, unabhängig von Standort, Zeitpunkt, Umfang und möglichen Schäden (Nikolai et al. 2015; Mendonça et al. 2007). Deshalb sind auch die Vorbereitungen und die Reaktion auf die Katastrophe von Seiten der Rettungskräfte und Planungsverantwortlichen einzigartig (Comfort et al. 2014). Die darauffolgenden Maßnahmen zur Rettung von Menschen sowie zur Schadensbegrenzung sind nur schwer zu planen, zusätzlich können sie exorbitant hohe Kosten und Aufwand mit sich bringen (Oskarsson et al. 2020).
Bei jeder Katastrophe gibt es klassischerweise folgende Phasen: Prävention, Prognose, Vorbereitung, Überwachung, Reaktion, Bewertung sowie zuletzt die Beseitigung der Schäden (Hallberg et al. 2012). Eine schnelle Reaktion der Rettungskräfte ist entscheidend, damit die Verluste und Schäden minimiert werden (Shen et al. 2012). Die Bewältigung einer Katastrophe erfordert die Zusammenarbeit und Koordinierung verschiedener Gruppen (Parker et al. 2002). Speziell in Deutschland zählen unter anderem Feuerwehrmänner, Sanitäter, Erste-Hilfe-Teams, Polizisten, das Technische Hilfswerk und gegebenenfalls Soldaten dazu. Zu ihren Verantwortlichkeiten gehört das Verbreiten von Informationen sowie akut anfallende Aufgaben im Katastrophengebiet zu bewältigen, insbesondere dem Schützen und Retten von Leben (Thomas et al. 2005).
Naturkatastrophe
Im Vergleich zu einer Katastrophe, ist die Naturkatastrophe etwas engmaschiger definiert. Sie bezeichnet ein Ereignis, dass nicht von Menschen direkt verursacht, sondern durch die Umwelt beziehungsweise durch bestimmte klimatische oder geologische Begebenheiten ausgelöst wird (Alexander 1993).
Beschrieben wird eine Naturkatastrophe in der Literatur unter anderem auf folgende vier Arten:
1. Ein natürlich vorkommender oder künstlich verursachter Zustand oder Phänomen, welches ein Risiko oder eine potentielle Gefahr für Menschenleben und deren Eigentum darstellt (Bates und Jackson 1980).
2. Eine Interaktion zwischen Mensch und Natur, bei der der bestehende Anpassungszustand des menschlichen Nutzungssystems mit dem Naturzustand durch ein Naturereignis bestimmt wird (White 1974).
3. Die Zustände in der physischen Umgebung werden durch Kräfte verursacht, die für die Menschen schädlich und fremd sind (Burton und Kates 1964).
4. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines potentiell schädlichen Phänomens innerhalb eines bestimmten Zeitraums in einem bestimmten Bereich (United Nations 1980).
Zusammenfassend ist eine Naturkatastrophe ein physisches Naturereignis, welches erhebliche Auswirkungen auf Menschen, die Umwelt und die Umgebung hat. Eine Naturkatastrophe verursacht schwere Schäden an den betroffenen Orten, kostet vielen Menschen das Leben und hat schwerwiegende Folgen für alle Betroffenen (Alexander 1993). Auch wenn es in einigen Regionen und für bestimmte Katastrophen Frühwarnsysteme gibt, ist das Auftreten selbst nicht vorherzusagen. Sie können unspezifisch an bestimmten Orten plötzlich auftreten, genauso wie sie nach einem gewissen Zeitraum wieder verschwinden können. Der Zeitraum des Ereignisses kann von Sekunden, wie bei Erdbeben, bis hin zu mehreren Jahrzehnten, wie der Erderwärmung, dauern. In Fortsetzung dieser Begriffsbestimmung wird nach Benfield (2020) von einer Naturkatastrophe gesprochen, wenn mindestens folgende Kriterien erfüllt und offiziell bestätigt sind: ein verursachter Schaden von 50 Millionen US-Dollar, ein nicht versicherter Schaden von 25 Millionen US-Dollar, mindestens zehn Todesopfer und 50 Verletzte und die Zerstörung von mindestens 2.000 Häusern oder anderen strukturell wichtigen Gebäuden, treten als Folge der Naturkatastrophe auf (Benfield 2020). Im Jahr 2009 haben beispielsweise 409 Ereignisse diesen Kriterien entsprochen.
In den letzten Jahren ist die Anzahl an Naturkatastrophen deutlich gestiegen. Die Naturkatastrophen treten vermehrt auch in Regionen auf, die vorher nur selten oder gar nicht betroffen waren (Barth et al. 2020). Ein primärer Faktor war häufig der Klimawandel. Auch durch die strukturelle Veränderung der Menschenansiedlung steigen die Anzahl der Katastrophen sowie die Höhe der Schäden. Die wichtigsten Ursachen dafür sind die gestiegene Bevölkerungsanzahl, der Ausbau der Infrastruktur und die dichtere Bebauung in den Städten sowie die Ansiedlung der Menschen in eher katastrophengefährdeten Gebieten (Moshtari und Gonçalves 2017; Doocy et al. 2013).
Informationen und Informations- und Kommunikationstechnologien
Eine Information gilt als der erfolgreiche Transfer von neuem Wissen, dass bei den Empfängern zu einer Veränderung des vorhandenen Wissen führt und möglicherweise die Handlungen und Reaktionen beeinflusst (Castillo und Jorzyk 2014). Informationen zählen zu den wichtigsten Ressourcen während einer Krisensituation (Endsley et al. 2014). Menschen brauchen Informationen genauso wie Wasser, Essen, Medizin und eine Unterkunft. In einem Katastrophenfall können Informationen Leben retten (Red Cross and Red Crescent Societies 2006). Es gibt in der heutigen Zeit zahlreiche Möglichkeiten Informationen zu sammeln und zu verwalten. Beispielsweise verfügen die Rettungskräfte durch ihre praktische Weiterbildung und ihre Erfahrung über implizites Wissen, dass nicht in Datenbanken gefunden werden kann (King 2005). Dieses praktische Wissen kann selten durch Lehrbücher gelernt werden und nur schwer schriftlich weitergegeben werden.
Andererseits können Informationen unter anderem aufgrund von technischen Hürden nicht genutzt werden. Ebenso schwer ist es an Informationen zu kommen, wenn die Nutzer nichts von deren Existenz wissen, beispielsweise wenn die Daten nur irgendwo in einer Datenbank gespeichert sind (Xie und Helfert 2011). Genauso kann es Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Informationen oder der Kommunikationstechnologien geben (Ngamassi et al. 2011). Die Herausforderung für eine effektive Kommunikation liegt nach Brandeau et al. (2004) darin, sowohl die Personen als auch die Prozesse genau dann mit Informationen zu versorgen, wenn diese auch benötigt werden.
Um die Informationen zu sammeln, verwalten und verteilen gibt es Informations- und Kommunikationssysteme. Für Thomas et al. (2005) muss ein effektives Notfallsystem mindestens folgende Funktionen bieten: möglichst zur Minimierung der Folgen einer Katastrophe beitragen, die Bereitschaft der Nutzer erhöhen, die Organisation sowie die Disposition von Maßnahmen zur Rettung und dem Wiederaufbau unterstützen. Eine schnelle Verteilung von Informationen an Rettungskräfte ist entscheidend, um die menschlichen Verluste einer Katastrophe zu minimieren (Konak 2014). IKT können nach Jefferson (2006) folgende fünf Phasen während einer Katastrophe unterstützten:
1. Koordination, Integration und Planung
2. Identifizieren, und teilen von Daten
3. Kommunikation und Infrastruktur
4. Training, Wissen und Standortermittlung von Menschen
5. Simulation und Modellierung
Geht es nach (Dorasamy et al. 2014), müssen die IKT mindestens diese Anforderungen erfüllen: eine gute Struktur und Organisation von Informationen, die Verfügbarkeit für alle relevanten Mitglieder sicherstellen, die Sicherung und der Austausch von Dokumentationen und Wissen der Mitarbeiter. Dazu kommen noch einfache und schnelle Zugriffsmöglichkeiten auf Daten, von überall und mit unterschiedlichen Geräten, sowie die Anbindung von internen und externe Informationen (Turoff et al. 2004b). Alle diese Komponenten verbessern die Kommunikation und den Wissensaustausch mit anderen Organisationen. Sie dienen nicht nur als Datenbank, sondern gelten unterstützend als eine Plattform für Trainings, Simulationen, Meetings und andere Aktivitäten.
Die Einführung eines IKT führt jedoch nicht zwangsläufig zu einem effizientem Katastrophenmanagement (Hallberg et al. 2012). Für Turoff et al. (2004b) sollten ein IKT für die Nutzer folgende Funktionen mit sich bringen:
- Anfordern und Organisieren von Ressourcen, Personen und Gegenständen
- Erstellen und Analysieren von Berichten zu einer Situation
- Organisieren und Sammeln von Informationen
- Anfordern und Diskutieren von Vorschlägen zur Problemlösung
- Alle Beteiligten über neue Informationen alarmieren
- Zuteilen der Rollen und Verantwortlichkeiten
- Aufteilen und Organisieren von bestimmten Bereichen
- Setzen von Prioritäten und Strategien.
Hallberg et al. (2012) fügen noch folgende Punkte zur Entwicklung von IKT hinzu: Informationssicherheit, Gegenmaßnahmen, Evakuierung und dem Folgen von Gesetzten und Regularien. Während der Entwicklung eines Informations- und Kommunikationssystems spielen folgende Voraussetzungen eine Rolle: Die Effektivität des Systems (Johnston et al. 2007), die Zuverlässigkeit (Zeckhauser 1996), die reibungslose Integration von Funktionen (Ritchie 2004), die Interaktionen von unterschiedlichen Nutzern (Turoff et al. 2004a), die Kosteneffizienz (Zeckhauser 1996), die Verfügbarkeit (Faulkner 2001) und die Sicherheit (Valtonen et al. 2004). IKT müssen in der heutigen Zeit deutlich flexibler sein und mehreren Nutzer- (Gruppen) das Verbinden, das Teilen und die aktive Nutzung von Informationen ermöglichen (Baharmand et al. 2016).
Damit die Nutzer der IKT bei einer Katastrophe ohne Verzögerung und Probleme auch anwenden können, ist es wichtig, diese mit dem System vertraut zu machen (Gruntfest und Huber 1989). Andernfalls kann ein fehlerbehaftetes System bei einem Notfall zu einer Bedrohung für Menschen und Eigentum werden sowie tragische Folgen mit sich bringen (Hallberg et al. 2012). Organisationen und Unternehmen sollten nach Hallberg et al. (2012) keine IKT entwickeln, wenn diese keine Kenntnisse über die Bedürfnisse und Voraussetzungen zur Unterstützung der Einsatzkräfte besitzen.
Wenn vor einer Katastrophe keine Kommunikationsstrukturen für die Beteiligten geschaffen wurden, können falsche Entscheidungen getroffen werden. Mit einem gemeinsamen Informationssystem wären diese möglicherweise anders bewertet und die Folgen hätten vermieden werden können (Queck und Gonner 2016). Da bei einer Katastrophe unterschiedliche Organisationen und Personen miteinander interagieren, ist eine gute Organisation zur Zusammenarbeit notwendig (Parker et al. 2002). Zum Austausch von Wissen innerhalb verschiedener Organisationen, kann ein gemeinsamen Informations- und Kommunikationsnetzwerk beitragen. Holzhüter und Meissen (2020) sprechen von drei aktuellen Ansätzen für ein gemeinsames Informationsnetzwerk:
1. Dezentrale Informationsnetzwerke:
Diese stellen eine direkte Verbindung zwischen den Beteiligten dar, ohne über ein gemeinsames Informationsnetzwerk zu verfügen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1: Dezentrales Informationsnetzwerk
In Anlehnung an Holzhüter und Meissen (2020)
2. Gemeinsame Informationsplattformen:
Diese können während einer Katastrophe gezielt Informationen zwischen den Beteiligten verteilen. Dabei nutzen die Beteiligten jeweils primär ihr eigenes Informationssystem und legen nur die Informationen auf der Plattform ab, die sie als wichtig und relevant für die anderen einstufen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2: Gemeinsame Informationsplattformen
In Anlehnung an Holzhüter und Meissen (2020)
3. Gemeinsame Informationsaustauschplattformen:
Hier werden alle Informationen gesammelt, zudem können alle Beteiligten alle Informationen erhalten und speichern.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.3: Zentrale Informationsaustauschplattform
In Anlehnung an Holzhüter und Meissen (2020)
Unabhängig davon, wie gut ein Informationssystem entwickelt und optimiert wurde, können bei Katastrophen unberechenbare und unvorhersehbare Ereignisse entstehen. Deshalb müssen Informationssysteme auch bis zu einem gewissen Grad dynamisch sein (Turoff et al. 2004b). Nutzer sollten die Technologien auch für andere, ursprünglich nicht dafür vorgesehene Zwecke einsetzen können (Mendonça et al. 2007). Die Kommunikation zwischen den Verantwortlichen während einer Katastrophe kann sehr unorganisiert und chaotisch sein. Die enorme Menge der eingehenden Nachrichten und Anrufe während einer Katastrophe kann manuell kaum bewältigt werden. Dafür sind IKT prädestiniert. Diese können die Informationen schnell sammeln, gliedern und einordnen und ermöglichen damit eine effiziente Kommunikation (Meijler und Nietzold 2011). Besonders relevant für das Katastrophenmanagement sind nach Jefferson (2006) IKT in den folgenden Bereichen:
1. Versorgung und Sichern der Lieferkette
2. Bestandsübersicht, Kommunikation und Berichterstellung
3. Wissensmanagement
4. Training und Lehre
5. Logistik
6. Gesundheitsmanagement
7. Identifikation von Menschen und
8. Warn- und Alarmsystemen
Jefferson (2006) verdeutlicht zudem, dass es zu jedem Bereich bereits eines oder mehrere Informations- und Kommunikationssysteme gibt und somit nicht immer die innovative Neuentwicklung im Vordergrund stehen sollte. Vielmehr ist die Weiterentwicklung der bestehenden Systeme notwendig, um die Stabilität sowie die Kompatibilität der Systeme untereinander zu erhöhen. Ferner gibt es viele Informations- und Kommunikationssysteme, die noch nicht optimal für die Katastrophen angepasst sind. Eennoch werden nach Hallberg et al. (2012) viele Ressourcen in die Neuentwicklungen investiert, statt die bisherigen Systeme anzupassen oder zu erweitern. IKT in der heutigen Zeit sind darauf ausgelegt, dass sie möglichst die richtige Information, zur richtigen Zeit an die richtige Person übermitteln (Baharmand et al. 2016)
2.2 Status Quo der Katastrophensysteme
Viele Unternehmen und viele Branchen haben bisher von informationstechnologischen Innovationen profitiert. Aufgrund dieser Innovationen haben sich viele Strukturen und Bereiche stark verändert. Dies trifft nicht auf den Bereich des Katastrophenschutzes zu. Da gab es trotz vieler Prototypen keine große Akzeptanz der Informationstechnologien. Besonders, da die meisten Katastrophen nicht vergleichbare Einzelfälle sind und sich nicht immer adäquat abbilden lassen.
Eine gute Reaktion auf eine Katastrophe kann die Schäden deutlich verringern (Albala-Bertrand 2006). Städte sollten die verschiedenen IKT als Teil ihrer Strategie zur Katastrophenplanung miteinbeziehen (Grimes et al. 2017). Zur Bewältigung einer Katastrophe gehören neben einem guten Informations- und Kommunikationssystem auch eine klare Struktur sowie Kommunikation mit den Einsatzkräften (Johnson und Blackburn 2014).
Da sich Informationstechnologien stets weiterentwickeln, werden Endgeräte, die nur eine Funktion bieten, selten verwendet (Mendonça et al. 2007). Smartphones hingegen bieten mehrere hilfreiche Funktionen, Sensoren und Applikationen. Sie können neben der Kommunikation auch Informationen sammeln und teilen, Bilder und Videos erstellen oder auch durch ihre Sensoren wichtige Aufgaben übernehmen. Hinzu kommt noch der Zugang zum Internet, die Kommunikation über Mobilfunk oder Bluetooth und dem Erkennen des Standortes durch GPS. Die Anbindung dieser Geräte zu anderen Technologien ist ein wichtiger Faktor (Mendonça et al. 2007). Ein besonders relevanter Aspekt ist die Unterstützung der Technologien für das Informations- und Wissensmanagement (Jefferson 2006). Die Krisenkommunikation und interorganisatorische Koordination sind wichtig für eine hohe Effizienz und Effektivität während der Katastrophe (Xie und Helfert 2011).
Teilweise werden die Informationstechnologien nicht akzeptiert, da eine gewisse Ausfallwahrscheinlichkeit besteht, beispielsweise bei einem Stromausfall (Elmasllari 2018). Bei klassischen Mitteln zum Teilen von Informationen kann das nicht passieren, dazu zählen beispielsweise bei Flipcharts und Whiteboards. Durch das Bevorzugen von klassischen Mitteln besteht teilweise keine große Akzeptanz gegenüber IKT (Fischer et al. 2018). Sobald ein technischer Fehler bei einem Informations- und Kommunikationssystemen bei den Nutzern auftritt oder eine Funktion nicht verständlich ist, wird dieses während einer Katastrophe auch nicht mehr genutzt (Chatfield et al. 2009). Weder die Verantwortlichen noch die Rettungskräfte haben Zeit für das Lösen von technischen Probleme, da die Rettung von Menschen eine hohe Priorität hat (Turoff et al. 2004a).
Ein Beispiel für die Nutzung von IKT in der Praxis, in Kombination mit Problemen in der Infrastruktur und der Verteilung von Informationen stellen Gordon et al. (2018) vor: Als im Februar 2020 der Wirbelsturm Gita das Gebiet rund um Taranaki in Neuseeland erreicht hat, gab es in der Region Probleme mit der Wasserversorgung. Deshalb musste das Wasser vor der Nutzung dringend abgekocht werden. Daraufhin haben sich 70 Freiwillige gemeldet, die diese Information an die Betroffenen übermitteln sollten. 24 Stunden später konnten lediglich 30 bis 40 Prozent der etwa 26.000 Häuser erreicht werden, wodurch viele Einwohner unwissend übrigblieben. Deshalb hat die Regierung zusätzlich noch andere Kommunikationsmittel eingesetzt, darunter Telefonanrufe, Webseiten, soziale Medien, Radio, Zeitungen, Briefe und Fernsehen – dennoch konnten nicht alle Menschen erreicht werden. Dies verdeutlicht wie kompliziert die Kommunikation während einer Katastrophe ablaufen kann. Trotz vorhandenen Strategien und Technologien können immer unerwartete Situationen auftreten oder es kann zu einem Ausfall von Netzwerken kommen.
Als praktikable Lösung beim Wirbelsturm Gita in Neuseeland wurde das Emergency Mobile Alert System (EMA, dt.: Mobiler Notfallalarm) eingesetzt. Dabei wurde an alle Mobiltelefone in der Region eine SMS versandt mit der Bitte um Weitergabe der Information des Wasserabkochens an Bekannte und Nachbarn. Diese Nachricht haben etwa 15.000 Einwohner und Touristen erhalten.
Ebenfalls ein Problem ist die Erreichbarkeit von unterschiedlichen Bevölkerungsschichten. Ältere Menschen sind beispielsweise nicht auf sozialen Plattformen, im Internet oder über das Handy erreichbar. Sie konsumieren meist nur klassische Informationsmedien wie das Radio, Fernseher oder Zeitungen (Gordon et al. 2018). Bei jüngeren Personen ist diese Nutzung umgekehrt. Hier sind soziale Plattformen aus dem Internet beliebt und gängig, während klassische Medien seltener genutzt werden.
Das sorgt insgesamt dafür, dass eine zu starke Fokussierung auf bestimmte Quellen die Effektivität der gesamten Katastrophenkommunikation senken kann (Gordon et al. 2018).
Im Kontext des Risiko- und Katastrophenmanagement, das in der Abbildung 2.4 nach dem Modell von Brown et al. (2016) abgeleitet wurde, lässt sich diese Arbeit in den ersten drei Bereichen einordnen. Dieses Modell lässt sich auf alle Katastrophen anwenden, da die Phasen stets identisch sind. Durch Frühwarnsysteme oder Maßnahmen zur Prävention können sich Länder auf eine Katastrophe vorbereiten, um Schäden zu minimieren. Sobald die Naturkatastrophe ausbricht, ist es wichtig, schnell die Kommunikation zur Bevölkerung und unter den Einsatzkräften, herzustellen. Dies gilt als Vorbereitung für die Rettungsaktionen von Menschen. Im folgenden Schritt wird versucht, die Schäden der Katastrophe zu bewältigen und die Infrastruktur wieder aufzubauen. Zuletzt folgt eine Analyse über die Ausmaße der Katastrophe, indem Maßnahmen beschlossen werden, wie mit künftigen Katastrophen umzugehen ist.
Konkret behandelt diese Arbeit die ersten drei der zuvor beschriebenen Phasen. Das umfasst zum Teil die Vorbereitung auf Katastrophen durch Frühwarnsysteme und die Technologischen Voraussetzungen zur Kommunikation. Der größte Fokus liegt jedoch auf dem Zeitraum, nach dem Ausbrechen einer Katastrophe. Insbesondere die Informations- und Kommunikationstechnologien, die zur Kommunikation genutzt werden können. Das schließt bestimmte Voraussetzung dieser ein, genauso wie mögliche Schwächen und einer daraus entstehenden Strategie. Auch inbegriffen ist die Reaktion auf die Katastrophe von den Entscheidungsverantwortlichen und der Rettungskräfte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.4: Überblick des Risiko- und Katastrophenmanagement
In Anlehnung an Brown et al. (2016)
3 Forschungsmethodik
Im folgenden Kapitel wird die Forschungsmethodik dargestellt. In Kapitel 3.1 werden vier untergeordnete Forschungsfragen formuliert, die in der folgenden Arbeit beantwortet werden. Für die Beantwortung der Forschungsfragen wird eine Literaturanalyse genutzt. Das Modell der Literaturanalyse wird in Kapitel 3.2 dargestellt und ist an Webster und Watson (2002) angelehnt.
3.1 Forschungsfragen
1. Welche Informations- und Kommunikationssysteme gibt es?
2. Welche Schwächen haben Informations- und Kommunikationssysteme in der Vergangenheit gezeigt?
3. Wie können die negativen Folgen der Naturkatastrophen minimiert werden?
4. Welche Technologien könnten in der Zukunft eingesetzt werden und welche Möglichkeiten eröffnen diese Technologien?
Der Fokus der Literaturanalyse liegt auf der ersten genannten Forschungsfrage.
In Kapitel 4 werden die Ergebnisse der Literaturanalyse zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage aufgezeigt. Ein Schwerpunkt liegt in Kapitel 4.1 darauf, wie im Allgemeinen während einer Katastrophe kommuniziert wird, welche Abläufe typisch sind und worauf die Rettungskräfte und Verantwortlichen bei der Kommunikation während Katastrophen achten sollten. In Kapitel 4.2 ist ein Überblick über Kommunikationstechnologien zu finden, dabei werden die Möglichkeiten zur Kommunikation vorgestellt. Aber es werden auch Systeme dargestellt, mit denen gearbeitet wird, welche Optionen sich bei den Technologien ergeben oder welche Fehlerquellen es in diesen gibt. In Kapitel 4.3 wird die 2. Forschungsfrage beantwortet, indem aufgezeigt wird, wie sich die Informations- und Kommunikationssysteme im Laufe der Zeit für die Rettungskräfte und die Bevölkerung gewandelt haben. In Kapitel 5 wird die 3. Forschungsfrage aufgegriffen und durch Beispiele aus der Literatur aufgezeigt, weshalb welche Informations- und Kommunikationssysteme während einer Katastrophe ausgefallen sind, impraktikabel waren oder worauf in Zukunft bei der Entwicklung besser geachtet werden sollte, um diese Fehler zu vermeiden.
Die Beantwortung der 4. Forschungsfrage wird in Kapitel 6 behandelt, indem Prototypen zu verschiedenen Informations- und Kommunikationssystemen vorgestellt werden. Durch diese können Fehler aus vergangenen Ereignissen (die unter anderem in Kapitel 5 aufgezeigt wurden) vermieden werden. In Kapitel 6.1 werden Prototypen zur Analyse von Daten aufgezeigt. Dazu zählen die künstliche Intelligenz, soziale Netzwerke oder smarte Endgeräte. Im Kapitel 6.2 werden Prototypen zur Kommunikation für die Rettungskräfte und der Bevölkerung vorgestellt. Dazu zählen unter anderem gemeinsame Informationsnetzwerke, Technologien im Bereich Augmented, Virtual und Mixed Reality und zuletzt spezielle Apps, die in der heutigen Zeit teilweise nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung genutzt werden. Zuletzt werden im Kapitel 6.3 Prototypen vorgestellt, die bei einem möglichen Ausfall des Netzwerkes dennoch grundlegende Kommunikation und Information ermöglichen.
3.2 Modell der Literaturanalyse
Die Methode der Literaturanalyse ist an das Modell von Webster und Watson (2002) angelehnt. Webster und Watson schlagen für die Literaturanalyse folgende Vorgehensweise vor:
1. Rückwärtssuche
2. Vorwärtssuche
3. Stichwortrecherche in den führenden Datenbanken
Durch eine Rückwärtssuche werden in den relevanten Beiträgen die zitierten Quellen geprüft, um in diesen ebenfalls relevante Beiträge zu finden. Dieser Schritt kann wiederum noch mehrfach wiederholt werden, sofern in der gefundenen Literatur ebenfalls relevante Beiträge entdeckt wurden. Durch dieses System kann ein Themenbereich weitestgehend von verschiedenen Personen und Beiträgen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden.
Mit der Vorwärtssuche können durch die Hinzunahme von speziellen Literaturrecherche Webseiten (bspw. Web of Science) Beiträge gefunden werden, die von dem als relevant eingeschätzten Beitrag zitiert werden. Somit lassen sich Beiträge im gleichen Themenbereich finden und miteinbeziehen.
Für die Stichwortrecherche in den führenden Datenbanken wurden mehrere Datenbanken hinzugezogen und geprüft. Eine relevante Datenbank in diesem Feld stellt die Literaturdatenbank „ISCRAM Digital Library“ (= Information Systems for Crisis Response and Management) dar. Es wird gezielt nach Artikeln mit relevanten Schlüsselwörtern gesucht. Die ISCRAM Digital Library wurde ausgewählt, da sie relevante Forschungsarbeiten im Bereich IKT im Krisenmanagement zur Verfügung stellt. Dabei handelt es sich um eine internationale Organisation, die sich auf die Untersuchung und Entwicklung, den Austausch von Wissen und die Verteilung von Informationssystemen in Krisensituationen.
Beiträge in dieser Datenbank sind von Experten und Anwendern in diesem Fachgebiet geprüft und verifiziert worden und haben damit ein gleichbleibendes Niveau und eine hohe Glaubwürdigkeit. Alle Beiträge werden auf fünf Kernkriterien geprüft: Relevanz, Signifikanz, Originalität, Validität und Klarheit (ISCRAM 2020).
Für die Fragestellungen im Bereich Wirtschaftsinformatik wurde insbesondere die „AIS“ eLibrary (= Association for Information Systems) hinzugezogen, da es durch eine hohe Anzahl geprüfter Beiträge im Feld der Informations- und Kommunikationssysteme eine hohe Übereinstimmung mit der Richtung der Datenbank gibt (Association for Information Systems 2020). Das gleiche gilt auch für die „ACM Digital Library“ (= Association for Computing Machinery) und der „IEEE Computer Society Digital Library“. Alle drei Datenbanken sind im Bereich der (Wirtschafts-)Informatik angesiedelt, weshalb die Stichwörter in den Datenbanken speziell für Katastrophen ausgelegt werden mussten. Mitglieder sind Organisationen und Personen, die führend in der Forschung, Lehre, Anwendung und Untersuchung von Informationssystemen auf der ganzen Welt sind. Die Beiträge werden von anderen Mitgliedern gelesen und geprüft (d. h. peer-reviewed) und bieten daher stets eine gehobene Relevanz und Qualität (Association for Information Systems 2020). Deshalb wurde die Suche nur auf geprüfte Beiträge in einschlägigen Journals begrenzt.
Durch das Einbeziehen der vier Datenbanken wird sichergestellt, dass ein Überblick aus der Literatur, sowohl im Bereich der Naturkatastrophen sowie im Bereich der IKT entstehen kann. Dadurch wird sichergestellt, dass eine große Abdeckung der relevanten Beiträge erzielt werden kann.
Sofern Artikel in den verschiedenen Kategorien mehrmals auftauchen, könnte dies ein Indiz sein, dass es sich dabei um einen besonders passenden Artikel handeln könnte, weil er das Thema aus mehreren Punkten abdeckt. Das Gleiche wurde auch bei der AIS eLibrary durchgeführt, jedoch mit einer Änderung der Stichwörter, damit die Informations- und Kommunikationssysteme auch mit Naturkatastrophen in Verbindung gesetzt werden können. Bei der ISCRAM Datenbank ist dies, durch den Fokus auf Katastrophen, nicht nötig gewesen.
Für die Suche in den Datenbanken wurde eine Kombination dieser Stichwörter genutzt: Communication Technologies, Information Technologies, Emergency Management System, Information Systems, Natural Disaster, Crisis, Technologies, Communication, Information.
Damit ein Überblick über die möglichen Informations- und Kommunikationstechnologien entsteht, wurden Beiträge der letzten 10 Jahre einbezogen, dabei konnten sowohl frühere als auch künftige Technologien gefunden werden.
Beiträge der Vorwärts- und Rückwärtssuche können jedoch aufgrund ihrer Relevanz auch älter sein. Durch den Faktor, dass große Naturkatastrophen nicht häufig auftreten und auch einige Zeit zur Forschung benötigen, deckt die relevante Literatur die Technologien der Vergangenheit gut ab und kann mit neuen Entwicklungen verglichen werden.
Alle gefundenen Beiträge werden nach Jahr, Land und Relevanz kategorisiert. Zusätzlich werden die Stichwörter der Beiträge gesammelt. Bei relevanten Beiträgen können daher während der Literaturanalyse weitere relevante Stichwörter bei häufiger Nutzung entdeckt und bei der Suche miteinbezogen werden.
Die nachfolgenden Tabellen veranschaulichen die einschlägige Suche in der ISCRAM Datenbank (Tabelle 3.1) und der ACM/AIS/IEEE Datenbanken (Tabelle 3.2). Tabelle 3.3 stellt eine Gesamtübersicht der Datenbankrecherche dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3.1: Suche in der ISCRAM Datenbank
Quelle: Eigene Darstellung, Stand: 21.08.2020 15:08 Uhr
Die Suche in der ISCRAM Datenbank ergab 83 Artikel in verschiedenen Kategorien, wovon 32 Ergebnisse als relevant für die Arbeit eingeschätzt und genutzt wurden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3.2: Suche in den Datenbanken der ACM/AIS/IEEE
Quelle: Eigene Darstellung, Stand: 22.08.2020 13:20 Uhr
Die Suche in relevanten Datenbanken der Wirtschaftsinformatik wurde anders strukturiert, da dort speziell nach Katastrophen gesucht werden musste. Insgesamt ergab die Suche 85 Artikel, wovon 32 schlussendlich als relevant eingeschätzt und genutzt wurden.
Durch die Hinzunahme und Suche von zusätzlichen Quellen, für das theoretische Verständnis sowie der Vorwärts- und Rückwärtssuche, ergab die Literaturanalyse insgesamt 301 Beiträge. Diese zusätzlichen Beiträge ergaben sich als Ergebnis der Rückwärtssuche aus den Referenzen der relevanten Beiträge und einer Vorwärtssuche bei der Datenbank World-of-Science.
Die meisten davon, insgesamt 218 der 301 Beiträge, wurden in den Jahren von 2010 bis 2020 veröffentlicht, wodurch ein hoher aktueller Stand der Quellen gewährleistet wird. Zusätzliche wurden auch Beiträge außerhalb dieses Zeitraums einbezogen.
Insgesamt wurden in dieser Litertaturanalyse von den 301 gefunden Artikeln letztendlich 170 Beiträge als Teil des theoretischen Hintergrunds, der Ergebnisse sowie des Literaturmodells genutzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3.3: Gesamtübersicht der Ergebnisse der Datenbankrecherche
Quelle: Eigene Darstellung, Stand: 08.02.2021 12:00 Uhr
4 Überblick über Informations- und Kommunikationstechnologien
In diesem Kapitel werden IKT während einer Naturkatastrophe vorgestellt, die während einer Naturkatastrophe zum Einsatz kommen. Die Ergebnisse basieren auf den Beiträgen der Literaturanalyse. Dabei wird dargestellt, welche Voraussetzungen und Kriterien diese Systeme erfüllen müssen. Danach folgt eine Beschreibung der Technologien, die zur Kommunikation und Information genutzt werden. Zuletzt gibt es noch einen Überblick, welche Veränderungen sich an den IKT im Laufe der Zeit ergeben haben.
4.1 Kommunikation während einer Katastrophe
Eine Katastrophe stellt ein Ereignis dar, dass weder geplant noch in Bezug auf den Umfang, Zeitpunkt und Ort prognostiziert werden kann. Die Kommunikation mit der Bevölkerung während einer akuten Katastrophe ist einer der wichtigsten Aufgaben (Ellis 2015). Zuständig dafür sind Rettungskräfte sowie Staatliche-, Hilfs- oder Freiwilligen-Organisationen (Ivarsson 2015). Zu den wichtigsten Aufgaben zählen die Sicherung der Zivilisten und die Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln sowie Medizin. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Verbreitung von Informationen, welche für viele Betroffene eine große Rolle spielt, um das Gefühl von Sicherheit und Kontrolle zurückzuerlangen (Stephens et al. 2018). Bei der Verbreitung von Informationen besteht Zeitdruck, denn die Betroffenen müssen möglichst schnell unter Verwendung möglichst vieler Kommunikationsmittel informiert werden (Sakurai und Watson 2015; Thomas et al. 2005).
Durch Frühwarnsysteme können bestimmte Umweltfaktoren analysiert werden, um die Wahrscheinlichkeit des Auftretens vorauszusagen, Warnungen zu senden oder Vorkehrungen zur Planung und Evakuierung zu treffen (Horita et al. 2016). Die Frühwarnsysteme ermöglichen einen Zeitvorsprung und die präventiven Vorkehrungen helfen, die Schäden zu minimieren und möglichst viele Menschen durch Evakuierung in Sicherheit zu bringen. Trotzdem kann eine Katastrophe nicht gänzlich vorhergesagt oder vermieden, sondern nur die Schäden und Folgen begrenzt werden (Cortés et al. 2017).
Je früher eine bevorstehende Katastrophe erkannt und kommuniziert wird, desto geringer fallen die Schäden aus (Wang et al. 2020). Eine Studie von Tsunami-Frühwarnsystemen hat ergeben, dass eine Investition in ein Frühwartsystem von einem US-Dollar, einen Nutzen von vier US-Dollar in der Zukunft durch Reparaturen und Maßnahmen einsparen würden (Di Jin und Lin 2011). Während einer akuten Katastrophe wird ein erhöhter Bedarf an Informationen registriert, hingegen werden viele Informationen in einer nicht akuten Gesamtlage eher passiv konsumiert (Avery 2010). Öffentliche Kommunikation, besonders zu den Betroffenen, ist extrem wichtig im Umgang mit einer Katastrophe (Turoff et al. 2004b).
In vielen Gebieten, die häufig von Katastrophen betroffen sind, gibt es standardmäßig Empfehlungen der Regierung. In Australien, das nahezu jährlich von Waldbränden betroffen ist, gibt es die Regel: „vorbereiten, bleiben und verteidigen oder sofort evakuieren“ (Sharma et al. 2008). Solche allgemeinen Anweisungen sollen eine fehlende oder schlechte Kommunikation im Katastrophenfall abfangen und dafür sorgen, dass die Bevölkerung auf Notfälle vorbereitet ist und entsprechend reagieren kann (Bailly und Adam 2017). Die Kommunikation mit der Bevölkerung ist das Fundament für eine belastbare Gemeinschaft und fördert die Mitarbeit und den Zusammenhalt der Bevölkerung (Grimes et al. 2017).
Es gibt viele Einzelpersonen und Gruppen, die während einer Katastrophe unterschiedliche Rollen einnehmen. Neben den Hilfsbedürftigen gibt es nach Auferbauer et al. (2019) die freiwilligen Helfer, die spontan während einer Katastrophe mithelfen, ohne einer Organisation anzugehören. Hinzu kommen noch die gemeldeten Freiwilligen, die bei einer Gruppe oder Initiative formlos als Helfer gemeldet sind. Darüber hinaus kommen die offiziell gemeldeten zugehörigen Unterstützer, die einer Hilfs- oder Rettungsorganisation angehören. Zuletzt gibt es noch die zugehörigen Entscheidungsträger. Diese sind Mitglieder einer Hilfs- oder Rettungsorganisation und können Entscheidungen innerhalb dieser Organisation treffen. Jede Gruppe handelt anders im Falle einer Katastrophe, weshalb die Kommunikation und Kooperation untereinander kompliziert ausfallen kann (Auferbauer et al. 2019). Die Situation wird dadurch erschwert, dass diese Gruppen örtlich verstreut sind (Thomas et al. 2005). Um die unterschiedlichen Organisationen und Personen zu organisieren, sind IKT von Nöten.
Nach Manoj und Baker (2007) gibt es drei wichtige Kategorien bei der Kommunikation der Rettungskräfte, die sich als Herausforderung herausstellen können:
1. Technologisch
2. Soziologisch
3. Organisatorisch
Technologisch ist es wichtig, schnellstmöglich ein Kommunikationssystem aufzubauen, bei dem die Entscheider und Rettungskräfte Informationen und Aufgaben austauschen können. Dieses muss beim Eintreten der Katastrophe entweder erst aufgebaut werden, wenn es vorher kein System gab, oder ausgeweitet und an die Rettungskräfte verteilt werden. Im Normalfall besitzen die verschiedenen Hilfsdienste, wie Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste ein eigenes IKT, um miteinander zu kommunizieren. Bei einer Naturkatastrophe müssen die Organisationen ein gemeinsames Informationsnetzwerk aufbauen und die Informationen an alle Betroffene verteilen. Deshalb spielt eine gut funktionierende IKT eine große Rolle während einer Katastrophe (Parker et al. 2002).
Soziologische Probleme können bei der Kommunikation zwischen den verschiedenen Rettungsdiensten auftreten. Dort stellen sich Manoj und Baker (2007) die Frage, wem in solchen Krisensituationen zu vertrauen ist. Aufgrund von fehlenden oder falschen Informationen, können bei einer Katastrophe viele Entscheidungen aus der Emotion heraus getroffen werden (Utz et al. 2013). Sowohl bei Rettungskräften als auch den Betroffenen spielen Angst, Trauer, Panik oder Stress eine große Rolle. Auch die Datensicherheit ist ein Faktor, denn nicht jede Information soll oder darf jedem zugänglich gemacht werden. Hierfür müssen IKT zur Verfügung stehen, welches die sozialen Probleme für die Entscheidungsträger minimiert, damit diese neutral und ohne persönliche Bevorzugung agieren können.
Organisatorische Probleme können durch die zusammengewürfelte Hierarchie bei der Kollaboration der unterschiedlichen Organisationen entstehen. Jede Organisation hat eigene Strukturen und Grundsätze. Eine Naturkatastrophe ist außerhalb dieser Norm, somit ändern sich die Verantwortlichkeiten. Es ist wichtig, dass ein IKT die Rollen dynamisch anpassen und verteilen kann, ohne Probleme bei der Sicherheit von Daten oder Personen zu verursachen (Turoff et al. 2004b). Die Rangordnung wird deutlich dynamischer und flexibler, wenn die Rettungskräfte kooperieren. Die Entscheider müssen daher die verfügbaren Kapazitäten aller Hilfskräfte binden und effizient einsetzen und die Informationen wirkungsvoll kommunizieren. Das Wissen über die Kompetenzen der Hilfskräfte und der aktuellen Sachlage ist ein wichtiger Faktor des Katastrophenmanagements nach Manoj und Baker (2007).
Um den oben genannten Problemen entgegenzuwirken und eine reibungslose Kommunikation und Kooperation der Hilfsorganisationen zu ermöglichen, sind IKT notwendig, die als Bindeglied zwischen den verschiedenen Rettungsdiensten fungieren. Ein solches System wurde beispielsweise von McNeill et al. (2014) vorgestellt. Das sogenannte CHAIn (Combining Heterogeneous Agencies' Information) System soll Anfragen automatisch analysieren, der richtigen Organisation zuordnen und dabei gleichzeitig für alle Rettungsdienste eine zentrale Informationsanlaufstelle sein (McNeill et al. 2014).
Es kann zudem zu Problemen bei der Zusammenarbeit führen, wenn beispielsweise bei einer gemeinsam genutzten Karte ein „H“ für die Sanitäter ein Krankenhaus darstellt, während es für die Feuerwehr ein Hydrant anzeigen soll (Real et al. 2017). Diese Kommunikationsprobleme betreffen die Kommunikation der Rettungsdienste untereinander, wobei jede fehlende oder falsche Information für die betroffenen Zivilisten schwere Folgen haben kann. Ein gutes Katastrophenmanagement-System bietet eine klare und geordnete Hierarchie mit einer Aufgabenteilung, sowie möglichst wenig Platz für Interpretationen.
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- Citar trabajo
- Daniel Schneider (Autor), 2021, Informations- und Kommunikationstechnologien im Naturkatastrophenfall, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1066583
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