Ziel der Masterarbeit ist es, die Frage über das Vorhandensein einer Entkopplung der beiden genannten Komponenten durch eine statistische Auswertung zu beantworten. Hierfür werden die letzten zehn Geschäftsberichte, von fünf für den deutschen Aktienmarkt relevanten, Unternehmen fundamental ausgewertet. Im Rahmen dieser Fundamentalanalyse werden zunächst verschiedene Unternehmenskennziffern gebildet und deren Entwicklungen mit denen der jeweiligen Aktienkurse verglichen. Weiterhin wird die Frage beantwortet, ob die Entwicklung der Kennziffern auf den im nächsten Jahr eintretenden Kursverlauf der Aktie schließen lassen und somit als Kursprognosemittel auf Sicht von einem Jahr verwendet werden können. Beide Fragestellungen werden mit Hilfe der Bildung von Korrelationen zwischen Kennzahl- und Kursentwicklung beantwortet.
Die Aktie ist historisch betrachtet für einen langen Anlagehorizont die rentabelste Geldanlageform. In der Vergangenheit ergaben sich bei einer breitgestreuten Investition in den Deutschen Aktienindex, ab einem Anlagehorizont von 15 Jahren, ausschließlich positive Renditen. Selbst bei Investitionsbeginn zu Index-Höchstständen, unmittelbar vor Börsencrashs, war dies immer der Fall. Dennoch ist die Aktie eine in Deutschland verhältnismäßig wenig genutzte Geldanlageform. Hierfür können auch einige Gründe gefunden werden. Das vorherrschende Gefühl der Entkopplung der Entwicklungen von Aktienkursen und Realwirtschaft und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust in den Aktienmarkt, lässt sich hier insbesondere anführen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsfrage
1.3 Methode
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Die Aktie
2.1 Bedeutung für Unternehmen
2.2 Bedeutung für Kapitalanleger
2.3 Situation in Deutschland
3 Die Fundamentalanalyse
3.1 Definition
3.2 Methodik der Fundamentalanalyse
3.2.1 Der Top-down-Ansatz
3.2.2 Der Bottom-up-Ansatz
3.3 Teilbereiche der Fundamentalanalyse
3.3.1 Die Globalanalyse
3.3.2 Branchenanalyse
3.3.3 Unternehmensanalyse
3.4 Relevante Kennzahlen
3.4.1 Kennzahlen zur Aktienbewertung
3.4.2 Kennzahlen zur Rentabilität
3.4.3 Kennzahlen zur finanziellen Stabilität
3.4.4 Kennzahlen zum Wachstum
4 Methodisches Vorgehen und Vorstellung der analysierten Unternehmen
4.1 Korrelation Kurs- und Kennzahlenentwicklung
4.2 Möglichkeit einer Aktienkursprognose
4.3 Vorstellung der analysierten Unternehmen
4.3.1 Adidas
4.3.2 BASF
4.3.3 Deutsche Telekom
4.3.4 SAP
4.3.5 Siemens
5 Auswertung der Kurs- und Kennzahlenentwicklung
5.1 Kennzahlen zur Aktienbewertung
5.2 Kennzahlen zur Profitabilität
5.3 Kennzahlen zur finanziellen Stabilität
5.4 Kennzahlen zum Wachstum
5.5 Zwischenfazit
6 Möglichkeiten einer Aktienkursprognose
6.1 Kennzahlen zur Aktienbewertung
6.2 Kennzahlen zur Profitabilität
6.3 Kennzahlen zur finanziellen Stabilität
6.4 Kennzahlen zum Wachstum
6.5 Zwischenfazit
7 Zusammenfassung und Ausblick
8 Literaturverzeichnis
Anhang
Abstract
Die Aktie ist historisch betrachtet für einen langen Anlagehorizont die rentabelste Geldanlageform. In der Vergangenheit ergaben sich bei einer breitgestreuten Investition in den Deutschen Aktienindex, ab einem Anlagehorizont von 15 Jahren, ausschließlich positive Renditen. Selbst bei Investitionsbeginn zu Index-Höchstständen, unmittelbar vor Börsencrashs, war dies immer der Fall. Dennoch ist die Aktie eine in Deutschland verhältnismäßig wenig genutzte Geldanlageform. Hierfür können auch einige Gründe gefunden werden. Das vorherrschende Gefühl der Entkopplung der Entwicklungen von Aktienkursen und Realwirtschaft und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust in den Aktienmarkt, lässt sich hier insbesondere anführen. Ziel der Masterarbeit ist es, die Frage über das Vorhandensein einer Entkopplung der beiden genannten Komponenten durch eine statistische Auswertung zu beantworten. Hierfür werden die letzten zehn Geschäftsberichte, von fünf für den deutschen Aktienmarkt relevanten, Unternehmen fundamental ausgewertet. Im Rahmen dieser Fundamentalanalyse werden zunächst verschiedene Unternehmenskennziffern gebildet und deren Entwicklungen mit denen der jeweiligen Aktienkurse verglichen. Weiterhin wird die Frage beantwortet, ob die Entwicklung der Kennziffern auf den im nächsten Jahr eintretenden Kursverlauf der Aktie schließen lassen und somit als Kursprognosemittel auf Sicht von einem Jahr verwendet werden können. Beide Fragestellungen werden mit Hilfe der Bildung von Korrelationen zwischen Kennzahl- und Kursentwicklung beantwortet. Als Ergebnis lässt sich einerseits festhalten, dass die Aktienkursentwicklung im Wesentlichen an die fundamentale Unternehmensentwicklung gekoppelt ist, jedoch kein unmittelbarer Gleichlauf besteht. Anderseits kann ein Steigen oder Fallen von Kennzahlen keinen Aufschluss über die kurzfristige Aktienkursentwicklung geben, statistische Zusammenhänge sind hier nicht nachweisbar. Die Masterarbeit dient dem besseren Verständnis der Aktie als Anlagevehikel und plädiert für die Notwendigkeit zur Nutzung der Aktie bei der Altersvorsorge.
Stichworte: Aktienmarkt, Geldanlagestrategie, Fundamentalanalyse
Abkürzungsverzeichnis
AG…Aktiengesellschaft
APAC..Asia Pacific
APJ…...Asien-Pazifik-Japan
AT&T…..American Telephone and Telegraph Company
BaFin...Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BASF..…...….Badische Anilin und Soda Fabrik
BIP…..Bruttoinlandsprodukt
BMWBayerische Motoren Werke
Co…Company
DAI..…..Deutsches Aktieninstitut
DAX..Deutscher Aktienindex
EBIT….Earnings before interest and taxes
EBITDA...….Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization
EKQ.Eigenkapitalquote
EKR...…..Eigenkapitalrentabilität
EMEA…Europe, Middle-East and Africa
ERP.…Enterprise Resource Planning
ETF.Exchange Traded Fund
GuV….Gewinn- und Verlustrechnung
IBMInternational Business Machines Corporation
IDC.….International Data Corporation
Ifo…..Institut für Wirtschaftsforschung
Inc…..Incorporated
ICT…..Information and Communication Technology
IPO..….Initial Public Offering
IT…Informationstechnik
KGV.…..Kurs-Gewinn-Verhältnis
KUV.…..Kurs-Umsatz-Verhältnis
NASDAQNational Association of Securities Dealers Automated Quotations
RoE…...….Return on Equity
SAP..Systemanalyse Programmentwicklung
SE...Societas Europaea
US.…United States
USA.….United States of America
VW..…Volkswagen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Historische Renditen ausgewählter Assetklassen
Abbildung 2: DAX-Renditen bezogen auf die Anlagedauer
Abbildung 3: Geldanlageformen in Deutschland
Abbildung 4: Aktionärsstruktur in Deutschland
Abbildung 5: Top-down-Ansatz
Abbildung 6: Bottom-up-Ansatz
Abbildung 7: AlleAktien Qualitätsscore
Abbildung 8: Magisches Viereck, Dividendenadel
Abbildung 9: Beispiel für Korrelation
Abbildung 10: Marktkapitalisierung der DAX-Unternehmen
Abbildung 11: Adidas Umsatzerlöse nach Region
Abbildung 12: Adidas Umsatzerlöse nach Produktbereich
Abbildung 13: BASF Umsatzerlöse nach Segmenten
Abbildung 14: Deutsche Telekom Umsatzerlöse nach Segmenten
Abbildung 15: Konzernstruktur Deutsche Telekom
Abbildung 16: SAP Umsatzerlöse nach Regionen
Abbildung 17: SAP Umsatzerlöse nach Umsatzart
Abbildung 18: Siemens Umsatzerlöse nach Segmenten
Abbildung 19: Siemens Umsatzerlöse nach Regionen
Abbildung 20: Aktienkursentwicklung
Abbildung 21: Bevölkerungsstruktur in Deutschland
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Aufteilung nach Altersstruktur
Tabelle 2: Aufteilung nach Geschlecht
Tabelle 3: Aufteilung nach Nettohaushaltseinkommen
Tabelle 4: Kennzahlenermittlung Adidas
Tabelle 5: Kennzahlenermittlung BASF
Tabelle 6: Kennzahlenermittlung Deutsche Telekom
Tabelle 7: Kennzahlenermittlung SAP
Tabelle 8: Kennzahlenermittlung Siemens
Tabelle 9: Korrelation KGV und Aktienkurs
Tabelle 10: Korrelation KUV und Aktienkurs
Tabelle 11: Korrelation Dividendenrendite und Aktienkurs
Tabelle 12: Korrelation operative Marge und Aktienkurs
Tabelle 13: Korrelation Kapitalumschlag und Aktienkurs
Tabelle 14: Korrelation EKR und Aktienkurs
Tabelle 15: Korrelation EKQ und Aktienkurs
Tabelle 16: Korrelation relative Verschuldung und Aktienkurs
Tabelle 17: Korrelation Zinsdeckungsgrad und Aktienkurs
Tabelle 18: Korrelation Gewinnwachstum und Aktienkurs
Tabelle 19: Korrelation Umsatzwachstum und Aktienkurs
Tabelle 20: Korrelation Dividendenwachstum und Aktienkurs
Tabelle 21: Korrelation Vorjahres-KGV und Aktienkurs
Tabelle 22: Korrelation Vorjahres-KUV und Aktienkurs
Tabelle 23: Korrelation Vorjahres-Dividendenrendite und Aktienkurs
Tabelle 24: Korrelation operative Marge des Vorjahres und Aktienkurs
Tabelle 25: Korrelation Vorjahres-Kapitalumschlag und Aktienkurs
Tabelle 26: Korrelation Vorjahres-EKR und Aktienkurs
Tabelle 27: Korrelation Vorjahres-EKQ und Aktienkurs
Tabelle 28: Korrelation relative Verschuldung des Vorjahres und Aktienkurs
Tabelle 29: Korrelation Vorjahres-Zinsdeckungsgrad und Aktienkurs
Tabelle 30: Korrelation Vorjahres-Gewinnwachstum und Aktienkurs
Tabelle 31: Korrelation Vorjahres-Umsatzwachstum und Aktienkurs
Tabelle 32: Korrelation Vorjahres-Dividendenwachstum und Aktienkurs
Tabelle A1: Kennzahlenreihe 1 Adidas
Tabelle A2: Kennzahlenreihe 2 Adidas
Tabelle A3: Kennzahlenreihe 3 Adidas
Tabelle A4: Kennzahlenreihe 4 Adidas
Tabelle A5: Kennzahlenreihe 5 Adidas
Tabelle A6: Kennzahlenreihe 6 Adidas
Tabelle A7: Kennzahlenreihe 1 BASF
Tabelle A8: Kennzahlenreihe 2 BASF
Tabelle A9: Kennzahlenreihe 3 BASF
Tabelle A10: Kennzahlenreihe 4 BASF
Tabelle A11: Kennzahlenreihe 5 BASF
Tabelle A12: Kennzahlenreihe 6 BASF
Tabelle A13: Kennzahlenreihe 1 Deutsche Telekom
Tabelle A14: Kennzahlenreihe 2 Deutsche Telekom
Tabelle A15: Kennzahlenreihe 3 Deutsche Telekom
Tabelle A16: Kennzahlenreihe 4 Deutsche Telekom
Tabelle A17: Kennzahlenreihe 5 Deutsche Telekom
Tabelle A18: Kennzahlenreihe 6 Deutsche Telekom
Tabelle A19: Kennzahlenreihe 1 SAP
Tabelle A20: Kennzahlenreihe 2 SAP
Tabelle A21: Kennzahlenreihe 3 SAP
Tabelle A22: Kennzahlenreihe 4 SAP
Tabelle A23: Kennzahlenreihe 5 SAP
Tabelle A24: Kennzahlenreihe 6 SAP
Tabelle A25: Kennzahlenreihe 1 Siemens
Tabelle A26: Kennzahlenreihe 2 Siemens
Tabelle A27: Kennzahlenreihe 3 Siemens
Tabelle A28: Kennzahlenreihe 4 Siemens
Tabelle A29: Kennzahlenreihe 5 Siemens
Tabelle A30: Kennzahlenreihe 6 Siemens
1 Einleitung
Der Aktienmarkt ist ein fester, nicht wegzudenkender Bestandteil der Gesamtwirtschaft. Börsennotierte Unternehmen geben eigene Aktien aus, um sich Eigenkapital auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Aktionäre auf der anderen Seite kaufen diese Aktien für einen an einer Börse durch Angebot und Nachfrage gebildeten Preis. Je attraktiver ein Investment für den durchschnittlichen Anleger bei einem Unternehmen ist, desto höher ist die Nachfrage, desto höher ist der Preis. Für unattraktive Investments ist das Szenario spiegelverkehrt gültig. Ob nun ein Aktienkauf attraktiv ist oder nicht, ist von einigen Einflussfaktoren abhängig. Darunter fallen die Strahlkraft und der Bekanntheitsgrad der Unternehmensmarke, aber auch die geschäftlichen Erfolge des Unternehmens. Stabile Bilanzen und konstant steigende Gewinne, Umsätze und Margen sollten daher auch konstant steigende Aktienkurse zur Folge haben.1
1.1 Problemstellung
In der öffentlichen Wahrnehmung entsteht jedoch vermehrt der Eindruck, dass sich die Entwicklung der Aktienkurse von der realwirtschaftlichen Geschäftsentwicklung immer mehr entkoppelt. Das aktuellste Beispiel hierzu ist die Corona-Pandemie. Im Februar und März 2020 sind die Börsenkurse weltweit massiv eingebrochen. In zahlreichen Ländern wurden harte Lockdowns erlassen, die ein Darniederliegen der Wirtschaft zur Folge hatten. Restaurants und Flughäfen wurden geschlossen, Produktionen in Fabriken wurden stillgelegt und in vielen Bereichen wurde Kurzarbeit eingeführt. Die Menschen fürchteten den Verlust ihrer Arbeitsplätze, was den allgemeinen Konsum reduzierte. Der Kauf der neuen Waschmaschine beispielsweise wurde auf unbestimmte Zeit nach hinten verschoben. Das wiederum führte zusätzlich zu niedrigeren Einnahmen auf der Unternehmensseite. Die Zahlen des statistischen Bundesamtes belegen einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im ersten Quartal 2020 von 1,7 % gegenüber dem ersten Quartal 2019. Der BIP-Rückgang des zweiten Quartals 2020 gegenüber des Vorjahresquartals beträgt deutliche 11,3 %.2
Seit Mitte März 2020 drehten die Börsenkurse jedoch wieder stark ins Plus. Nahezu alle großen Indizes begannen von dort an wieder deutlich und nachhaltig zu steigen. Der Index für Technologieaktien „NASDAQ“ erreichte sogar noch bis Juni 2020 ein neues Allzeithoch.3 Gleichzeitig war das Ende der Pandemie nicht in Sicht, zu diesem Zeitpunkt war ein wirksamer Impfstoff noch in weiter Ferne. Nach wie vor bestanden zahlreiche Einschränkungen im öffentlichen Leben. Neue Allzeithochs wirken unter diesem Aspekt irrational.
Die Wahrnehmung, Aktienkurse seien von der wirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt, ist kein erst seit der Coronakrise auftretendes Phänomen. Schon vorher lassen sich einige Beispiele aufzählen, die dies belegen. So steht etwa auch der Automobilhersteller Tesla für irrationale Aktienkursentwicklungen. Im Juni 2020 ist Tesla mit einer Marktkapitalisierung von 185 Mrd. US-Dollar wertvoller als die drei großen deutschen Autobauer VW, Daimler und BMW zusammen.4 Dabei liegen die Absatzzahlen von Tesla weit hinter denen der Konkurrenz.5 Auch der Blick in die Historie zeigt verschiedene Phasen in denen die Aktienkursentwicklung der realwirtschaftlichen Entwicklung zu enteilen scheint. Exemplarisch sei an dieser Stelle die Dotcom-Blase zu Beginn der 2000er Jahre erwähnt, als sich unter anderem auch sehr unprofitable Startups aus dem IT-Bereich im Aktienkurs vervielfachten, bevor sie schließlich insolvent gingen. Dieses Ungleichgewicht erkennt auch der deutsche Ökonom Christian Proano und bescheinigt den Aktienmärkten eine eigene Dynamik, die die Kapitalanleger als Spekulationsmöglichkeit nutzen.6
Auf der anderen Seite etablierten sich bei Aktieninvestoren einige Anlagestrategien, bei denen die schlussendliche Aktienauswahl auf fundamentalen Unternehmenskennziffern beruht. Als Beispiel ist hier die sogenannte Value Anlage Strategie anzuführen, bei welcher durch die Bildung von fundamentalen Unternehmenskennzahlen der „innere Wert“ der Aktie ermittelt wird. Dieser wird als Basis für die Anlageentscheidung herangezogen. Demnach wird unterstellt, dass Aktien deren Kurs oberhalb des inneren Wertes liegt, überteuert und Aktien bei denen der Kurs unterhalb des inneren Wertes liegt, günstig und damit kaufenswert sind.7 Bei der Value Strategie wird also der Aktienkurs mit der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens direkt in Verbindung gesetzt. Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang Warren Buffet und Charlie Munger die mit ihrem Beteiligungsunternehmen Berkshire Hathaway großen Erfolg erzielen konnten. Buffet gelang es im Jahr 2008 zwischenzeitlich, mittels der Analyse fundamentaler Unternehmenskennzahlen, zum reichsten Mann der Welt zu werden.8
Deutschland ist ein Land mit einer unterdurchschnittlichen Aktionärsquote. Die Aktie gilt in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland als reines Spekulationsinstrument und nicht als seriöse Geldanlageklasse. Historische Renditen zeigen jedoch, dass die Aktie langfristig gesehen die rentabelste Anlageklasse ist. Insbesondere vor dem Hintergrund sinkender Renten und drohender Altersarmut für viele Menschen, wäre die Aktie ein geeignetes Instrument diesen Szenarien entgegen zu wirken. Die Motivation hinter dieser Masterarbeit ist es, mit empirischen Methoden aufzuzeigen, wie die Realwirtschaft mit den Finanzmärkten zusammenhängt. Diese Erkenntnisse sollen mehr Verständnis für das Anlageinstrument Aktie hervorrufen.
1.2 Forschungsfrage
Diese Master-Thesis soll zwei grundlegende Forschungsfragen beantworten:
1. Wie entwickelte sich der Aktienkurs in den letzten 10 Jahren im Vergleich zu den fundamentalen Unternehmenskennzahlen ausgewählter deutscher Unternehmen?
2. Eignen sich bestimmte Unternehmenskennzahlen, um eine verlässliche Prognose der Aktienkursentwicklung für die untersuchten Unternehmen treffen zu können?
1.3 Methode
Im Rahmen dieser Masterarbeit werden fünf für den deutschen Aktienmarkt repräsentative Unternehmen einer klassischen Fundamentalanalyse unterzogen. Hierzu werden die letzten zehn vorliegenden Geschäftsberichte in Form einer quantitativen Analyse ausgewertet, um eine breite Datenbasis herzustellen. Für jedes Unternehmen werden verschiedene fundamentale Kennzahlen ermittelt und die Entwicklung der Kennzahlen im Zeitverlauf dargestellt. Die zur Bildung der Kennzahlen nötigen Werte, werden direkt aus den Geschäftsberichten der zu Grunde liegenden Unternehmen entnommen. Die detaillierte Aufstellung aller verwendeter Werte aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ist dem Anhang der Master-Thesis in tabellarisch aufbereiteter Form zu entnehmen. Den jeweiligen Kennzahlenentwicklungen wird der Verlauf der in Zusammenhang stehenden Aktienkurse gegenübergestellt. Hieraus werden Korrelationen errechnet und eine Aussage über den Zusammenhang zwischen Aktienkurs und Realwirtschaft getroffen. Zusätzlich wird die kurzfristige Vorhersagbarkeit der Aktienkursentwicklung, basierend auf der Entwicklung von fundamentalen Kennzahlen untersucht.
1.4 Aufbau der Arbeit
Im ersten Teil der Masterarbeit wird auf die relevanten theoretischen Grundlagen eingegangen. Insbesondere wird das Wesen der Aktie charakterisiert, sowie die Bedeutung der Aktie für Unternehmen und Kapitalanleger beschrieben. Zusätzlich wird die Situation der Aktie in Deutschland beleuchtet. Kapitel 3 erläutert ausführlich die Funktionsweise der Fundamentalanalyse. Hier stehen relevante Kennzahlen im Fokus, die aufgeteilt nach Aktienbewertung, Profitabilität, finanzieller Stabilität und Wachstum erklärt werden. In Kapitel 4 werden die für die Forschungsarbeit ausgewählten Unternehmen vorgestellt und die fundamentalen Unternehmenskennzahlen für den Zeitraum von 2010 bis 2019 errechnet. Die Masterarbeit fokussiert sich auf den deutschen Aktienmarkt. Damit dieser möglichst sinnvoll abgebildet wird, werden folgende Bewertungskriterien zur Aktienauswahl herangezogen:
1. Marktkapitalisierung: Es muss eine möglichst hohe Marktkapitalisierung vorliegen. Das Unternehmen muss zu den nach Marktkapitalisierung größten zehn deutschen Unternehmen gehören.
2. Absatzmarkt: Der Absatzmarkt muss aufgrund der erhöhten Bedeutung von Globalisierung möglichst weltweit aufgestellt sein.
3. Branche: Es darf nur ein Unternehmen je Branche herangezogen werden, um auch branchenübergreifend wissenschaftliche Aussagen treffen zu können.
Unter Berücksichtigung dieser Paramater ergeben sich folgende Unternehmen für die fundamentale Analyse:
- Adidas
- BASF
- Deutsche Telekom
- SAP
- Siemens
In Kapitel 5 und 6 werden die Forschungsergebnisse vorgestellt und interpretiert. Abschließend erfolgen in Kapitel 7 eine Zusammenfassung der Erkenntnisse und ein Ausblick.
2 Die Aktie
Die Aktie ist ein Teilhaberpapier und verbrieft ein Anteilsrecht an einer Aktiengesellschaft.9 Eine Aktie stellt somit keinen Geldwert sondern einen Sachwert dar, da hinter der Aktie der Wert des entsprechenden Unternehmens steht. Aktiengesellschaften können Aktien ausgeben, die dann von Anlegern über eine regulierte Börse oder außerbörslich erworben werden können. In diesem Zuge werden Anleger in Höhe des eigenen Aktienvolumens zum Eigenkapitalgeber und Miteigentümer des Unternehmens und können an Kursgewinnen und Gewinnausschüttungen der Aktiengesellschaft partizipieren.
Die Ausgestaltungsmöglichkeiten von Aktien sind im Aktiengesetz definiert. Es lassen sich mit Stamm- und Vorzugsaktien grundsätzlich zwei unterschiedliche Aktiengattungen voneinander unterscheiden. Stammaktien gelten als gängigste Aktienform.10 Aktionäre erhalten ein dem Anteil ihrer gehaltenen Aktien am Grundkapital der Aktiengesellschaft entsprechendes Stimmrecht bei der Hauptversammlung.11 Neben einem Stimmrecht besteht weiterhin ein Auskunftsrecht12 und im Falle einer Gewinnausschüttung das Recht auf eine Ausschüttung in Relation zur Höhe des Aktienanteils.13 Neben den gewährten Rechten, haben Aktionäre die Pflicht die Zahlung ihrer Kapitaleinlage zu leisten.14
Vorzugsaktien genießen grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie Stammaktien, mit dem Unterschied, dass bei Vorzugsaktien das Stimmrecht entfallen kann. Zum Ausgleich erhalten Aktionäre einen erhöhten Gewinnanteil je Aktie.15
Weiterhin lassen sich Aktien hinsichtlich der Pflicht zur Eintragung in das Aktienbuch der Gesellschaft ausgestalten. Hier kann zwischen Namens- und Inhaberaktien unterschieden werden. Bei Namensaktien erfolgt der Eintrag der persönlichen Daten des Aktionärs in das Aktienbuch der Gesellschaft, bei Inhaberaktien wird dies unterlassen. Bei Namensaktien besteht somit eine höhere Transparenz bezüglich des Aktionärskreises. Inhaberaktien können dafür einfacher übertragen werden.16 Abschließend sei die Unterscheidung von Nennwert- und Stückaktien erwähnt. Nennwertaktien lauten auf einen festgelegten Nennwert, wohingegen bei Stückaktien das Grundkapital der Gesellschaft zu gleichen Teilen ausgegeben wird.17
2.1 Bedeutung für Unternehmen
Eine zentrale Problemstellung für Unternehmen ist die Frage nach der Finanzierung ihrer Geschäftstätigkeit. Unter dem Begriff Finanzierung ist die „Beschaffung von Geld und geldwerten Gütern“ zu verstehen.18 Grundsätzlich kann dies im Rahmen einer Außen- oder Innenfinanzierung erfolgen. Die Quelle des Geldflusses ist hier das Unterscheidungskriterium. Bei einer Außenfinanzierung fließt Geld von externen Kapitalgebern ins Unternehmen, bei der Innenfinanzierung wird der Geldstrom intern aus dem Unternehmen heraus, etwa über Abschreibungs- oder Umschichtungsfinanzierungen erzeugt.19 Für diese Masterarbeit sind die Möglichkeiten der Außenfinanzierung von entscheidender Bedeutung und werden nachfolgend erläutert.
Die erste Option Kapital für Investitionen per Außenfinanzierung zu beschaffen, liegt mit der Kreditfinanzierung in der Aufnahme von Fremdkapital. In diesem Fall wird das Kapital von externen Gläubigern gegen die Zahlung von Zinsen zur Verfügung gestellt.20 Die Zinszahlung ist auch in Verlustjahren verpflichtend und wird über einen vertraglich festgelegten Zeitraum zuzüglich zur Tilgung beglichen.21 In der Praxis erfolgt diese Form der Kapitalaufnahme in der Regel über Banken in Form von Darlehen oder Kontokorrentkrediten, aber auch über die Emission von Anleihen. Wird jedoch sehr viel Fremdkapital in die Unternehmensbilanz aufgenommen, bringt das einige bedeutende Nachteile und Risiken mit sich. Einerseits steigt der Zinsaufwand immer weiter an, was die Cashflows und damit die Finanzkraft des Unternehmens verringert. Andererseits ist die Aufnahme von Fremdkapital nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Je mehr Darlehen und andere Zahlungsverpflichtungen bestehen, umso höher wird das Risiko für potentielle Gläubiger durch Zahlungsausfälle. Dies wiederum lässt die Kreditwürdigkeit sinken und die Darlehenszinsen steigen.
Im Gegensatz zur beschriebenen Kreditfinanzierung über Fremdkapital, besteht mit der Beteiligungsfinanzierung die zweite Form der Außenfinanzierung. Hierunter wird im Allgemeinen die Bereitstellung von Eigenkapital verstanden.22 Dies kann sowohl für emissionsfähige Unternehmen wie Aktiengesellschaften, als auch für nichtemissionsfähige Unternehmen wie Genossenschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung erfolgen.23 Im Rahmen dieser Masterarbeit stehen ausschließlich Aktiengesellschaften im Fokus, daher wird nicht weiter auf die Funktionsweise der Beteiligungsfinanzierung bei nichtemissionsfähigen Unternehmen eingegangen.
Aktiengesellschaften emittieren bei einer Beteiligungsfinanzierung Unternehmensanteile in Form von Aktien. Dies geschieht über einen organisierten Kapitalmarkt.24 Grundsätzlich bestehen hierzu zwei Möglichkeiten:
- Initial Public Offering (IPO)
- Kapitalerhöhung
Unter einem IPO ist ein erstmaliger Börsengang des Unternehmens zu verstehen. Bei einem Börsengang werden Unternehmensanteile einer breiten Öffentlichkeit über das Listing an einer zugelassenen Wertpapierbörse zum Kauf angeboten. Dieser Verkauf der eigenen Unternehmensanteile bringt neues Kapital ins Unternehmen. In der Unternehmensbilanz wird dies unter Eigenkapital bilanziert. Die Kapitalgeber werden Aktionäre und somit Miteigentümer des Unternehmens. Die Aktionäre erhalten die im vorherigen Gliederungspunkt aufgezählten Rechte. Die Gewinnausschüttung an die Aktionäre wird als Dividende bezeichnet.25 Im Gegensatz zu Zinsen bei Fremdkapital, ist das Unternehmen jedoch nicht verpflichtet eine Dividende zu zahlen.
Wird ein Unternehmen bereits an der Börse gelistet, besteht die Möglichkeit einer Beteiligungsfinanzierung mittels ordentlicher Kapitalerhöhung. Hier erhöht die Gesellschaft ihr Grundkapital indem neue, sogenannte junge Aktien emittiert werden, welche über den Kapitalmarkt erwerbbar sind. Die Anzahl der jungen Aktien multipliziert mit ihrem Ausgabewert ergibt die Erhöhung des Grundkapitals. Dieser Betrag fließt dem Unternehmen als neues Kapital zu.26
Eine weitere Form der Beteiligungsfinanzierung stellt die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dar. Hier werden keine neuen Aktien ausgegeben, die Höhe des Grundkapitals bleibt unverändert und wird lediglich in eine höhere Stückzahl von Aktien aufgeteilt.27 Infolgedessen reduziert sich der Aktienkurs im selben Verhältnis wie neue Aktien ausgegeben wurden. Durch den geringeren Kurs hat die Gesellschaft die Möglichkeit leichter neue Investoren zu gewinnen.
Die Finanzierung über die Börse bietet zahlreiche Vorteile gegenüber der Wachstumsfinanzierung über Fremdkapital. An der Börse gelistete Unternehmen stehen durch Wirtschaftsnachrichten, der Veröffentlichung von Geschäftsberichten und einem generell höheren Bekanntheitsgrad deutlich mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Die vermehrte Aufmerksamkeit führt zu einer besseren Werbewirkung, die sowohl positive Effekte auf Kundenebene, als auch auf die Attraktivität als Arbeitgeber hat. Besonders bei gut ausgebildeten, potentiellen Mitarbeitern spielt ein hohes Ansehen des Unternehmens eine große Rolle bei der Arbeitgeberwahl.28 Über die Ausgabe von Mitarbeiteraktien kann zudem ein positiver Beitrag zur Mitarbeiterzufriedenheit erfolgen. Die Mitarbeiter sind motivierter, da sie mit den Aktien direkt am Unternehmenserfolg beteiligt sind.29 Eine Finanzierung über Eigenkapital führt weiterhin zu einer erhöhten Eigenkapitalquote, einem geringeren Verschuldungsgrad und damit einer allgemein verbesserten Bilanzstruktur. Somit steigt die Bonität und vereinfacht zukünftige Kapitalbeschaffungen. Über eine Beteiligungsfinanzierung lassen sich durch die hohe Stückelung der veräußerten Unternehmensanteile zudem sehr hohe Kapitalbeträge beschaffen, da so auch viele kleinere private Kapitalanleger die Möglichkeit besitzen, die entsprechenden Aktien zu erwerben.30 Ein großer Vorteil von Börsengängen im Speziellen ist ein in vielen Fällen erhöhter Marktwert des Unternehmens. An dieser Stelle lässt sich das konkrete Beispiel des weltweit größten Brauereikonzerns Anheuser-Busch Inbev. anbringen. Im Jahr 2019 gliederte der Konzern seine asiatische Tochter Budweiser Brewing Co. Apac aus dem Konzern aus und brachte sie an die Börse. Der Konzern selbst blieb jedoch mit 85 % an der Tochter beteiligt. Firmenchef Carlos Brito strebte damit ein stärkeres Wachstum im asiatischen Raum an. Weiterhin floss dem Konzern rund 8 Milliarden Euro neues Kapital zu, womit die Nettoverschuldung gesenkt werden konnte. Durch den Börsengang wurde das Asiengeschäft höher bewertet, wodurch zukünftig ein höherer Beitrag zum Gesamtbetriebsergebnis hieraus beigesteuert wird.31
Neben den Vorteilen bringt der Gang an die Börse jedoch auch einige Pflichten mit sich. An der Börse gelistete Aktiengesellschaften müssen weitreichende Veröffentlichungsverpflichtungen erfüllen. Hierunter fallen insbesondere die Publizierung von Jahres- und Quartalsabschlüssen, sowie Lageberichten. Dies erzeugt einerseits Aufwand und bindet Ressourcen und sorgt andererseits dafür, dass etwaige Wettbewerbsvorteile aufgrund des hohen Grades an Transparenz verloren gehen.32 Es besteht außerdem die Pflicht zur Veröffentlichung von Ad-hoc-Meldungen, Insidergeschäften und Stimmrechtsmitteilungen der Marktteilnehmer. Diese Pflichten dienen der Vermeidung von Marktmissbrauch. Unter Marktmissbrauch sind der verbotene Insiderhandel sowie Marktmanipulation, also die gezielte Manipulation von Aktienkursen zu verstehen. In Deutschland überwacht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Einhaltung dieser Vorgaben.33
2.2 Bedeutung für Kapitalanleger
Wie bereits in Gliederungspunkt 2 erwähnt, stellen Aktien für Kapitalanleger beziehungsweise Investoren die Möglichkeit dar, sich an einer Aktiengesellschaft als Miteigentümer zu beteiligen. Hintergrund der Beteiligung ist in erster Linie die gewinnbringende Geldanlage. Die erzielbare Gesamtrendite besteht einerseits aus den Kursgewinnen der Aktie und zum anderen aus Gewinnausschüttungen in Form von Dividenden. Historisch hat sich die Aktie als sehr rentable Geldanlageform bewährt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Historische Renditen ausgewählter Assetklassen (Quelle: Kommer, 2017, S. 6)34
Die oben dargestellte Abbildung stellt die durchschnittliche, inflationsbereinigte, jährliche Rendite von ausgewählten Asset-Klassen im Zeitraum von 1900 bis 2016 dar. Es zeigt sich, dass Aktien unabhängig von der Auswahl des regionalen Marktes rentabler waren, als alle anderen aufgeführten Anlageformen für denselben Markt. Die Asset-Klasse Aktien wird hier durch Large & Mid Caps dargestellt, worunter große und mittelgroße Unternehmen zu verstehen sind. Auf den deutschen Aktienmarkt übertragen sind dies Werte aus dem DAX und M-DAX. Für den deutschen Aktienmarkt ergibt sich für diesen Zeitraum von 117 Jahren eine reale Jahresrendite von 3,3 %. Deutsche Staatsanleihen, langfristig wie kurzfristig sowie der deutsche Geldmarkt, konnten im selben Zeitraum keine positiven Renditen erzielen. Auf alle anderen Regionalmärkte für sich gesehen und somit auch für den Weltmarkt als Ganzes, trifft selbiges zu. Auch die Renditen von Gold und Immobilien schneiden deutlich schlechter als die der Aktien ab.
Beachtlich ist diese Outperformance der Aktien, da während des Betrachtungszeitraums neben zwei Weltkriegen auch zahlreiche Aktiencrashs von historischem Ausmaß auftraten. So ging etwa der 24. Oktober 1929 als „schwarzer Donnerstag“ in die Geschichte ein. Dieser Tag markierte den Beginn der schwersten Weltwirtschaftskrise aller Zeiten.35 Der wichtige amerikanische Aktienindex Dow Jones verlor in den drei darauf folgenden Jahren fast 90 % an Wert, so dass hohe Vermögenswerte von privaten Haushalten und Unternehmen vernichtet wurden. Die Wirtschaft war am Boden, die Arbeitslosenquote in den USA ist auf rund 25 % angestiegen.36 Die Weltwirtschaftskrise liegt zeitlich zwischen zwei Weltkriegen, die insbesondere in Europa ein nicht für möglich gehaltenes Ausmaß an Verwüstung hinterließen. Nach dem zweiten Weltkrieg waren in Deutschland die Hälfte der Wohnfläche sowie weite Teile der Infrastruktur zerstört. Die wirtschaftliche Notlage Deutschlands wurde besonders im Winter 1946/1947 deutlich, als neben dem Verkehr auch die Versorgung der Bevölkerung mit Energie und Nahrungsmitteln zum Erliegen kam.37 Die deutsche Wirtschaft war im Grunde genommen nicht mehr existent.
Vierzig Jahre Später, am 19. Oktober 1987 startete der Dow-Jones-Index mit 22 % Kursverlust in den Handel. Dieser Tag ist als „schwarzer Montag“ bekannt. Auslöser hierfür war der fortschreitende Kaufkraftverlust des US-Dollars in Kombination mit steigenden Zinsen und einem hohen Handelsdefizit der USA.38 Nur dreizehn Jahre später ereignete sich mit der sogenannten DotCom-Blase der nächste massive Crash auf dem Aktienmarkt. Im Rahmen des Internetbooms Ende der 90er-Jahre stiegen Aktienkurse stark an. Als sich aufgrund steigender Zinsen erste Insolvenzen der gehypten Internetunternehmen ereigneten, wurde die fehlende Substanz jener Unternehmen deutlich. Unter Investoren machte sich Panik breit, woraufhin die Aktienkurse einbrachen. Im Zeitraum von 10. März 2000 bis 9. Dezember 2002 verlor der amerikanische Technologieindex NASDAQ 78 % seines Wertes, was 5 Billionen Dollar entspricht.39 Der letzte zwischen 1900 und 2016 gelegene Aktiencrash ist die Weltfinanzkrise, ausgelöst im Jahr 2007 durch eine Immobilienblase in den USA. Die Krise kennzeichnete sich durch eine weltweite Rezession, sinkenden Bruttoinlandsprodukten und einem Vertrauensverlust in die Finanzbranche.40 Alleine im Jahr 2008 verlor der DAX 40 % an Wert.41 Der Blick auf die Kursverläufe der genannten Indizes zeigt jedoch, dass sämtliche der ausgeführten Krisen und Crashs nur kurz- bis mittelfristige Verwerfungen darstellten. Auf langfristiger Basis stiegen die Aktienmärkte bisher immer. Aktien eignen sich für langfristig orientierte Investoren daher besonders. Eine Untersuchung des deutschen Aktieninstituts (DAI) ergibt folgendes Bild:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung2: DAX-Renditen bezogen auf die Anlagedauer (Quelle: Deutsches Aktieninstitut, 2020)42
Es wurden alle Jahresrenditen des DAX seit 1948 ausgewertet. Die X-Achse zeigt den Anlagezeitraum, für welchen die jeweiligen rollierenden Renditen ermittelt wurden. Die Rendite ist an der Y-Achse abzulesen. Die Auswertung des DAI ergibt für alle Anlagezeiträume von einem Jahr, dass im besten Falle einen Gewinn von 84,1 % und im schlechtesten Fall ein Jahresverlust von 43,9 % erzielt worden wäre. Der Renditedurchschnitt aller einjährigen Investments beläuft sich auf 10,2 %. Die Analyse aller seit 1948 möglichen fünfjährigen Anlagezeiträume resultiert in einem Bestwert von 29,8 % und einem Negativwert von -9,4 % Rendite. Im Mittel wurden 8,5 % Rendite erzielt. Ab einem Anlagehorizont von 15 Jahren konnte auch im schlechtesten Fall eine positive Rendite von 2,3 % erzielt werden. Je länger die Anlagezeiträume werden, desto höher fällt die minimal erzielbare Rendite aus. Eine Regression zur Mitte ist erkennbar.
Selbst bei Investition in den DAX unmittelbar vor einem Crash, wurde nach 15 Jahren immer ein Gewinn erzielt. Erklärt werden kann dies mit dem Wesen der Aktie. Wie bereits beschrieben, stellt eine Aktie eine Beteiligung an einem Unternehmen dar. Die Aufgabe der Unternehmen besteht darin, Produkte und Dienstleistungen zu produzieren, die von den Menschen benötigt werden. Bedürfnisse wie Ernährung, Gesundheit, Unterhaltung, Mobilität, Kommunikation, Entertainment und viele mehr werden immer bestehen. Mit den Erzeugnissen zur Befriedigung dieser immer bestehenden Bedürfnisse schaffen Unternehmen Werte für ihre Anteilseigner.43 Weiterhin stellen der Erfindergeist und die Innovationsfähigkeit der Menschheit einen langfristigen Treiber für die Wirtschaft und damit auch für den Aktienmarkt dar. In der Vergangenheit konnten Errungenschaften wie Autos, Medikamente, Computer, das Internet etc. zu einem stetigen Wirtschaftswachstum beitragen. Mit der Investition in Aktien setzen Anleger auf einen weiterhin bestehenden Fortschritt der Menschheit, eine dadurch steigende Wirtschaft und können mit dieser Anlageform daran partizipieren. Der renommierte Finanzexperte, Journalist und Autor André Kostolany riet Kapitalanlegern in diesem Zusammenhang sinngemäß Aktien zu kaufen und Schlaftabletten zu nehmen. Nach vielen Jahren würden die Anleger bemerken, dass sie reich wären.44
2.3 Situation in Deutschland
Deutschland gilt als weltweit wichtige Industrie- und Exportnation. Dementsprechend existieren hierzulande zahlreiche große Konzerne und weltweit bekannte Marken. Aufgrund der in Kapitel 2.1 genannten Vorteile, machen diese Konzerne auch regen Gebrauch von der Beteiligungsfinanzierung und geben Aktien aus. Eine Analyse der Geldanlageformen deutschen Sparer liefert jedoch überraschende Ergebnisse.
Die Geldanlage in Aktien ist in Deutschland trotz der historisch vergleichsweise guten Renditen stark untergewichtet. Nachfolgende, vom Verband der Privaten Bausparkassen im Frühjahr 2019 erhobene Statistik, zeigt eine hohe Beliebtheit von Sichteinlagen sowie niedrigverzinsten, konservativen Anlageformen wie Sparbüchern, Girokonten oder Bausparverträgen. Lediglich 15 % der Befragten gaben an, Aktien zu besitzen. Nur festverzinsliche Wertpapiere waren noch unbeliebter beim deutschen Sparer.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Geldanlageformen in Deutschland 2019 (Quelle: in Anlehnung an Statista, 2020c)45
Bemerkenswert ist dieses Ergebnis vor allem deshalb, da seit Ende der Finanzkrise im Jahr 2009 ein nahezu durchgängiger Bullenmarkt, also ein steigender Aktienmarkt vorlag und somit die Aktie als Anlagevehikel an Attraktivität hätte gewinnen müssen.
Auch die historische Entwicklung der Aktionärsstruktur in Deutschland zeigt eine auf niedrigem Niveau schwankende Aktienquote.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Aktionärsstruktur in Deutschland (Quelle: in Anlehnung an Deutsches Aktieninstitut, 2020, S.17)46
Das Deutsche Aktieninstitut erhebt regelmäßig Statistiken zur Aktienkultur in Deutschland. Die oben aufgeführte Abbildung zur Aktionärsstruktur bietet einen noch tieferen Blick in die Zusammensetzung des Aktienanteils der deutschen Bevölkerung. So zeigt sich analog zur Befragung des Verbandes der privaten Bausparkassen für das Jahr 2019 eine Aktionärsquote von 15,2 %. Dieser Wert setzt sich aus allen Anlegern zusammen die ihren Aktienanteil am Vermögen über Investments in Einzelaktien, Aktienfonds oder einer Mischung aus beiden Anlageprodukten kombinierten. Somit stellt dies den Gesamtwert an allen möglichen Formen des Aktiensparens dar. 11,2 % der Anleger hielten entweder ausschließlich Aktienfonds oder Aktienfonds und zusätzlich Einzelaktien in ihrem Portfolio. Lediglich 6,5 % der Befragten waren entweder ausschließlich in Einzelaktien oder in Einzelaktien und Aktienfonds investiert. Im Vergleich zum Vorjahr sind alle drei Kennziffern rückläufig, nachdem zwischen den Jahren 2014 und 2018 ein leicht steigender Trend auszumachen war. Das DAI hat die Aktionärsquote, wie in den folgenden drei Tabellen veranschaulicht, auch hinsichtlich weiterer Merkmale wie Altersstruktur, Geschlechterverteilung und Einkommensstruktur untersucht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Aufteilung nach Altersstruktur (Quelle: in Anlehnung an Deutsches Aktieninstitut, 2020, S.18)47
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Aufteilung nach Geschlecht (Quelle: in Anlehnung an Deutsches Aktieninstitut, 2020, S.18)48
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Aufteilung nach Nettohaushaltseinkommen (Quelle: in Anlehnung an Deutsches Aktieninstitut, 2020, S.18)49
Die Erhebung zeigt, dass die Aktionärsquote von Frauen über die Jahre hinweg fast nur halb so hoch war, wie die von Männern. Zudem wird klar, dass vor allem jüngere Menschen unter 30 Jahren verhältnismäßig wenig in Aktien investieren. Der höchste Aktionärsanteil der deutschen Bevölkerung wird in der Altersgruppe zwischen 40 und 49 Jahren erreicht. Dort ist jeder fünfte ein Aktionär. Ein starkes Gefälle ergibt sich mit Blick auf die monatlichen Haushaltsnettogehälter. Bei Haushalten unter einem Nettoeinkommen von 2.000 € werden Geldanlagen kaum in Aktien getätigt, wohingegen ab dem doppelten Einkommen fast ein Drittel der Bevölkerung Aktien hält. Alle genannten Aktionärsquoten beinhalten Aktien und Aktienfonds.
Das DAI sieht in den günstigen Zinsen für Immobilienfinanzierungen einen möglichen Grund für die geringe Aktionärsquote in Deutschland.50 Zudem gehen von der Politik einige Signale aus, welche die Anlage in Aktien weniger attraktiv erscheinen lassen. Hierunter fallen die geplante Finanztransaktionssteuer sowie die Diskussion um die Einschränkung der Verlustverrechnung bei Aktien, Anleihen und Termingeschäften.51 Die Frankfurt School of Finance and Management hat sich ebenfalls mit den Gründen für die niedrige Aktionärsquote auseinandergesetzt. In diesem Zuge wurde eine repräsentative Befragung von 2.761 Teilnehmern vorgenommen. Unter den Teilnehmern befanden sich sowohl Aktionäre bzw. Aktienfondsinhaber sowie Personen ohne Aktienbesitz. Die demnach bedeutendsten Beweggründe auf Aktien zu verzichten sind die Angst vor einer wirtschaftlichen Katastrophe und die Auffassung, das eigene Vermögen wäre nicht hoch genug, um in Aktien zu investieren. Zudem gelten Aktien als riskant und das eigene Fachwissen für ein Aktieninvestment wird als zu gering eingeschätzt. Weitere genannte Gründe sind ein geringes Vertrauen in die Märkte und die Angst vor Betrug.52
3 Die Fundamentalanalyse
3.1 Definition
Unter Fundamentalanalyse ist die Ermittlung des inneren Unternehmenswertes, basierend auf der Auswertung volks- und betriebswirtschaftlicher Daten zu verstehen. Die Fundamentalanalyse wird insbesondere bei der Geldanalage in Aktien angewendet, um letztlich eine Aussage hinsichtlich der Attraktivität einer bestimmten Aktie als Investitionsobjekt treffen zu können. Eine Aktie kann als Resultat einer durchgeführten Fundamentalanalyse als unterbewertet, fair bewertet oder überbewertet eingestuft werden.53 Von dieser Einstufung wiederum lassen sich verschiedene Handelsstrategien ableiten. Eine Überbewertung sagt aus, dass der aktuelle Preis höher als der innere Wert einer Aktie ist. Bei einer Unterbewertung liegt der innere beziehungsweise „faire“ Wert einer Aktie über dem tatsächlichen Preis. Sollte das Resultat der Fundamentalanalyse eine faire Bewertung sein, so ist der innere Wert der Aktie gleich dem an der Börse gehandelten Preis. Unterstellt wird die Annahme, dass sich der Börsenwert dem inneren Unternehmenswert langfristig annähern wird. Demzufolge ist Konsequenz der fundmentalen Aktienanalyse, unterbewertete Aktien zu kaufen und überbewertete Aktien zu verkaufen.54 Die Bewertung einer Aktie findet im Rahmen der Fundamentalanalyse immer Ausdruck in verschiedenen finanziellen Kennzahlen.
Ihren Ursprung hat die Fundamentalanalyse in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts und damit hat sie die längste Tradition im Bereich der Wertpapieranalyse. Als Pionier der Fundamentalanalyse gilt der Brite und erfolgreiche Investor Benjamin Graham. Basierend auf der Auswertung fundamentaler Kennzahlen, betrieb Graham sogenanntes „Value Investing“ und investierte ausschließlich in unterbewertete Aktien.
Nachteil der Fundamentalanalyse ist, aufgrund des Fokus auf stets qualitativem Zahlenwerk wie Geschäfts- oder Quartalsberichten sowie Ergebnisprognosen der analysierten Unternehmen, eine reine Vergangenheitsbezogenheit. Weiterhin stehen die genannten Zahlenwerke häufig nur quartalsweise zur Verfügung, so dass eine permanente Anpassung der ermittelten Kennzahlen nicht möglich ist. Aus diesen Gründen ist eine Anlageentscheidung für oder gegen eine Aktie, für Investoren mit kurzem Anlagehorizont nicht empfehlenswert. Fundamentalanalysen eignen sich vielmehr für längerfristige Anlageentscheidungen.55
3.2 Methodik der Fundamentalanalyse
Die Fundamentalanalyse beschränkt sich nicht nur auf die Ermittlung und Auswertung von unternehmensspezifischen Kennzahlen. Über diese Unternehmensanalyse hinaus erfolgen außerdem Analysen der Branchen und der Märkte, in denen sich die untersuchten Unternehmen befinden. Folglich gliedert sich die Fundamentalanalyse in nachfolgend aufgeführte Teilbereiche:
- Globalanalyse (Märkte)
- Branchenanalyse (Branchen)
- Unternehmensanalyse (Einzelwerte)
Grundsätzlich lassen sich zwei Herangehensweise an die Analysen voneinander unterscheiden:
1. Top-down-Ansatz
2. Bottom-up-Ansatz56
3.2.1 Der Top-down-Ansatz
Noch bevor auf die unternehmensspezifischen Details eingegangen wird, beginnt die Fundamentalanalyse beim Top-down-Ansatz auf übergeordneter Ebene. Es wird also, wie bereits in der Bezeichnung des Ansatzes erkennbar, von oben nach unten analysiert. Zunächst wird wie in Abbildung 5 dargestellt, mit der Gesamtmarktanalyse begonnen. Schwerpunkt dieses Teilbereiches der Fundamentalanalyse liegt auf einer Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen und zukünftigen Weltwirtschaft bzw. der unterschiedlichen Volkswirtschaften. Sämtliche Wirtschaftssysteme unterliegen Konjunkturzyklen, welchen sich einzelne Unternehmen nicht entziehen können. Die zu Grunde liegende Konjunktur wirkt sich auf die Profitabilität der Unternehmen und damit auch auf die Kursentwicklung der Aktien der Unternehmen aus. Aus diesem Grund ist eine Analyse des Gesamtmarktes ein zentraler und wichtiger Baustein der Fundamentalanalyse.57
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 : Top-down-Ansatz (Quelle: in Anlehnung an Priermeier, 2006, S. 11)58
Nach Betrachtung der Makroebene erfolgt im zweiten Schritt eine Analyse der Branche, in welcher sich das untersuchte Unternehmen befindet. Die im Gesamtmarkt vorhandenen Branchen entwickeln sich in den seltensten Fällen in gleicher Weise. Verschiedene Sektoren wie der Maschinenbau, die Automobilindustrie oder die Produktion von Grundstoffen, verhielten sich in der Vergangenheit sehr zyklisch und waren somit stark von der übergeordneten Konjunktur abhängig. Auf der anderen Seite sind Unternehmen, deren Tätigkeitsfeld in der Produktion von Konsumgütern wie Nahrungsmitteln oder Hygieneartikeln liegt, weniger zyklisch, da diese Produkte immer benötigt und nachgefragt werden. Erst im letzten Schritt erfolgt dann die Analyse des Unternehmens selbst. Der Top-down-Ansatz geht davon aus, dass der Unternehmenserfolg maßgeblich von der gesamtwirtschaftlichen Lage sowie der branchenweiten Situation abhängt. Befindet sich also die Weltwirtschaft in einer Rezession und die Branche des Unternehmens vor großen Herausforderungen, wird ein Top-down-Analyst ein Investment trotz vielversprechender fundamentaler Unternehmenskennzahlen nicht tätigen.59
3.2.2 Der Bottom-up-Ansatz
Im Gegensatz zum Top-down-Ansatz steht beim Bottom-up-Ansatz die Analyse des Unternehmens selbst an erster Stelle. Auch hier beschreibt die Bezeichnung des Analyse-Ansatzes die generelle Vorgehensweise indem von der Mikroebene „unten“ zur Makroebene nach „oben“ vorangegangen wird.60 Nachfolgende Abbildung veranschaulicht dies.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Bottom-up-Ansatz (Quelle: in Anlehnung an Priermeier, 2006, S.15)61
Der Bottom-up-Ansatz beinhaltet ebenfalls eine Analyse des Gesamtmarktes sowie eine Analyse der Branche. Diese erfolgen jedoch erst im Nachgang zur Einzelwertanalyse. Die Einzelwertanalyse steht nicht nur numerisch an erster Stelle dieses Ansatzes, sie ist auch der Teilbereich, dem der höchste Stellenwert eingeräumt wird. Im Gegensatz zum Top-down-Ansatz wird unterstellt, dass ein Unternehmen mit einer hervorragenden fundamentalen Basis auch trotz einer schwachen Branche in einer mäßigen Konjunkturphase eine Überrendite erzielen kann. Auf der anderen Seite wird ein Unternehmen mit schlechten Fundamentaldaten, welches in einer starken Branche beheimatet ist und zudem eine günstige Wirtschaftsphase vorliegt, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfolgreich sein.62 Unter relevanten und nachweisbar erfolgreichen Investoren, wie Warren Buffet oder Peter Lynch, besteht die Auffassung, dass der Bottom-up-Ansatz der sinnvollere der beiden vorgestellten Methodiken sei.63
3.3 Teilbereiche der Fundamentalanalyse
Die bereits in den vorangegangenen Kapitalen angesprochenen Teilbereiche
- Globalanalyse (Märkte)
- Branchenanalyse (Branchen)
- Unternehmensanalyse (Einzelwerte)
werden in den nachfolgenden Kapiteln näher beschrieben und eingeordnet.
3.3.1 Die Globalanalyse
Bei der Global- oder Gesamtmarktanalyse werden die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen beleuchtet. Hierbei werden sowohl globale, als auch nationale sowie aktuelle und zukünftig erwartete volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen einbezogen. Wie in Kapitel 3.2.1 bereits angedeutet, wird bei der Globalanalyse insbesondere herausgearbeitet, in welcher Phase sich der Konjunkturzyklus derzeit befindet. In diesem Zusammenhang werden verschiedene makroökonomische Parameter herangezogen. Die wichtigsten werden nachfolgend aufgeführt:
- Konjunkturdaten: Arbeitslosen- und Beschäftigtenquote, Konsumverhalten der Verbraucher, Entwicklung der Auftragseingänge, Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, Kapazitätsauslastung, Investitionsneigung der Unternehmer, Außenhandelsaktivitäten
- Zinsentwicklung: Leitzinsen, Geld- und Kapitalmarktzinsen
- Inflationsentwicklung: Geldmenge, Verbraucherpreisdaten
- Wechselkursparitäten
Die genannten makroökonomischen Parameter können auch als Indikatoren angewandt werden, welche in Relation zum Konjunkturzyklus als nachlaufende, gleichlaufende und vorlauslaufende Indikatoren bezeichnet werden.64 Ein Indikator ist ein Merkmal, um einen bestimmten Zustand oder eine Entwicklung anzuzeigen. Handelt es sich um einen vorauslaufenden Indikator, so zeigt dieser schon vor dem tatsächlichen Eintreten die Veränderung des Konjunkturzyklus an. Es ist selbsterklärend, dass diese Art von Indikatoren bei der Vorhersage einer Entwicklung eine besonders große Rolle spielt. Beispiele für einen vorauslaufenden Konjunkturindikator sind die Erstanträge auf Arbeitslosengeld sowie der Einkaufsmanager-, Konsumklima- und Geschäftsklimaindex.65 Der Geschäftsklimaindex ist ein vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) monatlich erstellter Bericht über die aktuelle und zukünftig zu erwartende Lage von deutschen Unternehmen. Das ifo Institut befragt hierzu rund 9.000 Unternehmen mittels Fragebogen aus den Bereichen des verarbeitenden Gewerbes, des Dienstleistungssektors und dem Handel sowie dem Baugewerbe. Anschließend werden die Befragungsergebnisse ausgewertet und veröffentlicht.66 Auch die Geld- und Zinspolitik der Zentralbanken ist ein beachteter Frühindikator. Bei steigender Geldmenge und damit sinkenden Zinssätzen auf Geldeinlagen wie Festgeld- oder Tagesgeldkonten, steigt die Attraktivität der Aktie als Investmentmöglichkeit und umgekehrt. Als Faustregel lässt sich festhalten, dass eine Erhöhung der Geldmenge steigende Aktienkurse zur Folge hat.67 Die Währung eines Landes ist ein weiterer bedeutender Einflussfaktor auf die entsprechende Volkswirtschaft. Der Wechselkurs einer Währung wirkt sich direkt auf die Außenhandelsbilanz eines Landes aus. Ein gegenüber dem US-Dollar starker Euro führt beispielsweise dazu, dass es für US-Amerikaner teurer wird, Waren aus Deutschland zu importieren. In diesem Beispiel würde Deutschland weniger exportieren, was sich wiederum direkt auf die Umsätze und Gewinne der deutschen Unternehmen auswirken würde. Ein klassischer nachlaufender Indikator ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das BIP enthält die Summe aller in einem Geschäftsjahr umgesetzten Dienstleistungen, Waren und Güter einer Volkswirtschaft. Somit lässt sich immer am Ende eines Geschäftsjahres Bilanz ziehen und mit den Vorjahren vergleichen.
Alle genannten makroökonomischen Parameter sind wichtige Bestandteile der Globalanalyse. Insbesondere bei gleichzeitiger Betrachtung möglichst vieler dieser Parameter, lässt sich ein sinnvolles und realitätsnahes Gesamtbild zur Gesamtwirtschaftslage zeichnen.
3.3.2 Branchenanalyse
Im Rahmen der Branchenanalyse werden branchenspezifische Charakteristika genauer untersucht.68 Konkret werden Rahmenbedingungen und übergeordnete Entwicklungen durchleuchtet. Es sollen branchentypische Abhängigkeiten und Risiken, aber auch Chancen erkannt werden. Die generellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wirken sich sehr divers auf verschiedene Branchen aus. Anhand nachfolgender Beispiele soll dies verdeutlicht werden:
- Hohe Zinsen wirken sich positiv auf die Finanzbranche aus, da die Haupteinnahmequelle einer klassischen Bank das Zinsgeschäft darstellt. Gleichzeitig bremsen hohe Zinsen jedoch den Konsum, da das Sparen an Attraktivität gewinnt. Insbesondere die Baubranche leidet aufgrund teurerer Immobilienfinanzierungen unter hohen Zinsen.
- Ein starker Euro ist ein Nachteil für Unternehmen, die einen hohen Exportanteil in Bereich außerhalb des Euro-Raumes haben. Hierzu zählen unter anderem die Automobilbranche oder der Maschinenbau. Umgekehrt profitieren diese Branchen von einem günstigeren Wechselkurs.
- Die Politik begünstigt und benachteiligt mit verschiedenen fiskalpolitischen Maßnahmen das wirtschaftliche Geschehen. Beispielsweise wurden die Automobilhersteller im Rahmen des Konjunkturpaktes II im Jahr 2009 durch die sogenannte „Abwrackprämie“ stark begünstigt. Die Bundesregierung stellte hierfür 5 Milliarden Euro zur Verfügung.69 Auf der anderen Seite greift der Staat auch durch eine erhöhte Besteuerung von Tabak oder fossilen Brennstoffen ebenfalls lenkend ein.
All jene beispielhaft aufgeführten Rahmenbedingen betreffen einzelne Branchen unterschiedlich stark und müssen daher genau analysiert werden. Die grundlegenden Erkenntnisse auf denen die Branchenanalyse fußt, stammen aus der Globalanalyse. Da sich diese grundlegenden Erkenntnisse, wie Phase des Konjunkturzyklus, Zinsniveau oder die Entwicklung des BIP stets ändern, ist die Branchenanalyse regelmäßig auf Aktualität zu überprüfen. Im Rahmen der Brancheanalyse sollen diejenigen Branchen identifiziert werden, welche im festgestellten Zykluspunkt die höchste Profitabilität aufweisen.70 Nachdem dies erfolgt ist, wird im nächsten Schritt mit der Unternehmensanalyse die Fundamentalanalyse im engeren Sinne, durchgeführt.71
3.3.3 Unternehmensanalyse
Die Unternehmens- oder Einzelwertanalyse legt den Fokus auf unternehmensinterne, qualitative und quantitative Faktoren.72 Unter quantitativen Faktoren sind messbare Kennzahlen zu verstehen, mit deren Hilfe eine Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen hergestellt werden kann. Qualitative Faktoren sind subjektive Einschätzungen zum Unternehmen. Dies kann eine Beurteilung des Managements oder der vorhandenen Produktpalette sein. Als Informationsquelle zur Analyse der unternehmensinternen Faktoren dienen in erster Linie Geschäfts- oder Quartalsberichte. Aus diesem Grund kann dieser Teilbereich der Fundamentalanalyse mit einer Jahresabschlussanalyse gleichgesetzt werden. Ziel ist es, entscheidungsrelevante Informationen über die aktuelle wirtschaftliche Lage und die zukünftige Entwicklung des Unternehmens einzuholen und auszuwerten.73 Hierbei sind folgende Unternehmensverhältnisse von besonderer Bedeutung:
[...]
1 vgl. Schachinger, 2020
2 vgl. Statistisches Bundesamt, 2020a
3 vgl. Focus Money Online, 2020
4 vgl. Statista, 2020a
5 vgl. Statista, 2020b
6 vgl. Proano, 2020
7 vgl. Priermeier, 2006, S.173 ff.
8 vgl. Hoyer, 2020
9 vgl. Schuster & Uskova, 2015, S. 4
10 vgl. ebenda, S. 30
11 vgl. Aktiengesetz § 12
12 vgl. Aktiengesetz § 131
13 vgl. Aktiengesetz § 60
14 vgl. Aktiengesetz § 54
15 vgl. Aktiengesetz § 139
16 vgl. Schuster & Uskova, 2015, S. 30f
17 vgl. ebenda, S. 31ff
18 ebenda, S. 125
19 vgl. ebenda, S. 129
20 vgl. ebenda, S. 125
21 vgl. Wöhe et al. 2013, S. 14
22 vgl. Becker & Peppmeier, 2018, S. 132
23 vgl. ebenda, S. 137 ff.
24 vgl. Schuster & Uskova, 2018, S. 26
25 vgl. Schuster & Uskova, 2018, S. 57
26 vgl. ebenda, S. 36
27 vgl. ebenda, S. 36
28 vgl. Geddes, 2003, S. 25
29 vgl. Becker & Peppmeier, 2018, S. 172
30 vgl. Schuster & Uskova, 2018, S. 26
31 vgl. LA, 2019
32 vgl. Geddes, 2003, S. 26
33 vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, 2019
34 Kommer, 2017, S. 6
35 vgl. Kleikamp, 2019
36 vgl. Breustedt, 2019
37 vgl. Benz, 2005
38 vgl. Thilenius, 2017
39 vgl. Knupfer, 2020
40 vgl. Bundeszantrale für politische Bildung, 2017
41 vgl. Mohr, 2008
42 Deutsches Aktieninsitut, 2020
43 vgl. Röhl, 2017
44 vgl. Kostolany, 2001, S. 96
45 vgl. Statista, 2020c
46 vgl. Deutsches Aktieninstitut, 2020, S. 17
47 vgl. Deutsches Aktieninstitut, 2020, S. 18
48 vgl. ebenda
49 vgl. ebenda
50 vgl. Deutsches Aktieninstitut, 2020, S. 4
51 vgl. ebenda
52 vgl. Schyra, 2020
53 vgl. Priermeier, 2006, S.8
54 vgl. Geyer & Uttner, 2008, S. 230
55 vgl. Priermeier, 2006, S.9
56 vgl. ebenda, S.11
57 vgl. Cesar, 1996, S. 11
58 Vgl. Priermeier, 2006, S. 11
59 vgl. Priermeier, 2006, S. 12
60 vgl. ebenda, S. 14
61 vgl. ebenda, S. 15
62 vgl. Priermeier, 2006, S. 15
63 vgl. Fabozzi, 2009, S. 152 f.
64 vgl. Mondello, 2017, S. 268
65 vgl. Heese & Riedel, 2016, S. 55
66 vgl. Erth 2019
67 vgl. Cesar, 1996, S. 18-31
68 vgl. Gabler Banklexikon, o.D
69 vgl. Kreder, 2020
70 vgl. Murphy, 2015, S. 105-120
71 vgl. Lindmayer, 2011, S. 33
72 vgl. Priermeier, 2006, S. 12
73 vgl. Wagenhofer (2017), S. 199
- Citation du texte
- Florian Walter (Auteur), 2021, Zusammenhang zwischen Kapitalmarkt und Realwirtschaft. Eine fundamentale Analyse führender deutscher Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1034719
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