Haben Sie sich eigentlich nach Aufschlagen eines Geschichtsbuches gefragt, wer denn überhaupt belegen kann, dass sich alles genauso und sich nicht anders abgespielt hat? Haben Sie sich gefragt, in wie weit man Wissen vertrauen kann, das von Wissenschaftler einer Minderheit der Welt stammt? In wie weit hat Europa die Geschichte denn geprägt?
Nach Zusammenbruch des westlichen Imperialismus und nach Ende des Zweiten Weltkrieges begannen sich Theoretiker kritisch mit der lange positiv bewerteten Kolonialisierungsgeschichte auseinanderzusetzen. Daraus bildete sich ab Mitte der 1970er Jahre die geistige Strömung des Postkolonialismus. Im Vordergrund des Postkolonialismus steht dabei die Dekonstruktion der westlichen Geschichtsschreibung und das intellektuelle Loslösen von den gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen Auswirkungen des Kolonialismus, das bis in die heutige Zeit reicht. Mit dem Postkolonialismus geht die Erwähnung von Homi K. Bhabha, Frantz Fanon, Edward Said und Gayatri Spivak einher, die die Strömung stark geprägt haben.
In wie weit handelt es sich bei den Postkolonialismus um einen poststrukturalistischen Ansatz?
Haben Sie sich eigentlich nach Aufschlagen eines Geschichtsbuches gefragt, wer denn überhaupt belegen kann, dass sich alles genauso und sich nicht anders abgespielt hat? Haben Sie sich gefragt, in wie weit man Wissen vertrauen kann, das von Wissenschaftler einer Minderheit der Welt stammt? In wie weit hat Europa die Geschichte denn geprägt?
Nach Zusammenbruch des westlichen Imperialismus und nach Ende des Zweiten Weltkrieges begannen sich Theoretiker kritisch mit der lange positiv bewerteten Kolonialisierungsgeschichte auseinanderzusetzen. Daraus bildete sich ab Mitte der 1970er Jahre die geistige Strömung des Postkolonialismus. Im Vordergrund des Postkolonialismus steht dabei die Dekonstruktion der westlichen Geschichtsschreibung und das intellektuelle Loslösen von den gesellschaftlichen, ökonomischen, politischen Auswirkungen des Kolonialismus, das bis in die heutige Zeit reicht. Mit dem Postkolonialismus geht die Erwähnung von Homi K. Bhabha, Frantz Fanon, Edward Said und Gayatri Spivak einher, die die Strömung stark geprägt haben.
Im Zuge der dritten Debatte der Internationalen Beziehungen ist neben dem Postkolonialismus der Poststrukturalismus hervorgegangen. Wenn man von einem poststrukturalistischen Ansatz spricht, erkennt man schnell, dass es sich um keine einheitliche Schule, sondern um einen Sammelbegriff für verschiedene, interdisziplinäre subjektkritische Ansätze handelt, die seit dem Ende der 1960er Jahre in Frankreich entstanden sind. Der Kern aller Ansätze ist das kritische Auseinandersetzen mit dem Verhältnis von sprachlicher Praxis und sozialer Wirklichkeit. Die Sprache bildet die Realität nicht bloß ab, sondern konstruiert diese mittels von Diskursen und Machstrukturen. In den Essay möchte ich mich auf zwei wichtigste Vertreter des Poststrukturalismus fokussieren darunter der Philosophen Jacques Derrida sowie der Historiker Michel Foucault.
Ich möchte nun im Voraus eine These aufstellen, um der Beantwortung der zentralen Fragestellung gerecht zu werden: Der Postkolonialismus ist eine Anwendung von den Poststrukturalismus. Um diese These zu bestätigen oder zu wiederlegen, möchte ich im folgenden Essay die beiden Strömungen anhand ihrer Ontologie, Epistemologie und Methodologie gegenüberstellen und gemeinsame Ansätze und Unterschiede herausarbeiten. Detailliert möchte ich ein Beispiel in der Epistemologie ausführen.
Was schon aus den Grundzügen der Strömungen hervor geht, ist das beide in dem gleichen Zeitrahmen, 1960er bis 80er, entstanden sind. Es ist festzustellen, dass die führenden Theoretiker der beiden postpositivistischen Ansätze meist einen Bezug zum globalen Süden in ihrer Biografie aufweisen. Die Vertreter des Postkolonialismus stammen selbst meist aus Ländern des globalen Südens wie der aus palästinensischer Herkunft stammende Said. Der Poststrukturalist Foucault, ist in Frankreich geboren, tritt aber für kurze Zeit eine Professur an der Universität in Algerien an. Auch Roland Barthes arbeitete an einer Universität in Ägypten. Derrida ist in Algerien geboren und machte Karriere in Frankreich.
Aber meist stammen die Theoretiker der beiden Strömung aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen, denn die Poststrukturalisten kommen meist aus dem Bereich der Philosophie und Soziologie (Soziologen Foucalt, Derrida), wobei viele Postkolonialisten aus dem Bereich der Literaturwissenschaften kommen (Said, Spivak).
Wenn man nun die ontologische Ebene (Lehre des Seins) im Poststrukturalismus betrachtet, fragt man nach dem was existiert, was erforscht werden kann. Die Existenz der Welt ist konstruiert durch eine soziale Wirklichkeit. Basierend auf Foucaults Diskurstheorie spiegelt sich die soziale Wirklichkeit in Diskursen wieder. Im Unterschied zu anderen sozialwissenschaftlichen Ansätzen, die sich mit Sprache beschäftigen, ist für Foucault wichtig zu analysieren, wie sich Praktiken durch die unterschiedlichsten Diskurse hindurchziehen. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die institutionellen Regulierungen vor Praktiken und deren wirklichkeitskonstituierende Macht. Diskurse befinden sich stetig in einen Status der Transformation und sind wandelbar.
Derrida geht davon aus, dass die ganze Welt intertextuell ist und über Texten und Sprache erfassbar ist. Diese Welt wird durch Dichotomien wahrgenommen. Das, was nicht im Text steht oder nicht im Diskurs vorkommt, kann für Derrida und Foucault nicht erfasst werden.
Im Postkolonialismus wird eigenen Diskurs über Kolonialismus und seine Folgen begonnen. Als Ausgangspunkt postkolonialer Theorie gilt Edward Saids Studie „Orientalism“. Darin rekonstruiert Said den Orientalismus-diskurs der Kolonialmächte und arbeitet heraus, wie Kolonialmächte und Kolonisierte sich gegenseitig bedingen und vom kolonialen Diskurs gleichermaßen hervorgebracht wurden. Er wendet hierbei zwei Prinzipien von Derrida, binäre Oppositionspaare (Dichotomie) und das Prinzip des konstitutiven Außen (othering), an. Anhand der Darstellung und Konstruktion des fremdartigen „Orients“ lassen sich Rückschlüsse auf das Selbstportrait eines modernisierten zivilisierten Westens ziehen. Der Orient ist somit fester Bestandteil des westlichen Diskurses, indem er als abgrenzendes, identitätsstiftendes Element gilt. Said beschreibt diese Konstruktion wie folgt „the Orient has helped to define Europe (or the West) as its contrasting image, idea, personality, experience”1. Während sich der „Okzident“ die Identität einer liberalen, rationalen, gerechten, humanistischen, fortschrittlichen, überlegenen Zivilisation selbst zuweist, seien die Bewohner des „Orients“ über Eigenschaften definiert, deren Überwindung sich das Großbürgertum in Europa als Leistung zuschrieb. Es handelt sich beim konstitutiven Außen um einen permanenten Erschaffungsprozess, der sich im Fluss befindet und eine ständige Identitätsbildung vorantreibt. Dieser Prozess hat einen besonders starken Einfluss auf Gesellschaftsbildung, da eine Abgrenzung von anderen mit einem stärkeren Zusammenhalt in der sich abgrenzenden Gruppe einhergeht und so eine Gruppenidentität schafft. Daher ist zu betonen, dass der Kolonialismus sich auf eine Interpendenz stützt. Die vorhandenen Dichotomien wurden nicht allein der kolonialisierten Bevölkerung auferlegt, sondern von ihnen gleichzeitig reproduziert. Der Postkolonialismus versucht von diesen binären Modellen des othering und den Dichotomien wegzurücken, um historischen Narrativen zu dekonstruieren.
In der Epistemologie (Lehre des Wissens) stellt sich der Poststrukturalismus die Frage wie und warum gelangen wir genau zu diesem Wissen? Die Antwort auf diese Frage lautet bei Foucault: Macht. Macht und Wissen stehen in einem wechselseitigen Verhältnis. Wissen ist im Poststrukturalismus diskursiv, denn Wissen wird in Diskursen ausgehandelt und geht aus ihnen hervor. Der Diskurs ist dabei vermachtet. Die Agenda in einem Diskurs spiegelt die ständige Machteinwirkung wieder. Machtstrukturen bestimmen die vorliegenden Wissenshierarchien, welche die Verlierer und Gewinner in den Kämpfen um Wissensbildung- und Vermittlung rekonstruieren und in den Gesellschaftsstrukturen projiziert werden. Wissen kann durch bestimmte Praktiken gebildet und aufrechterhalten werden. Foucault unterscheidet zwischen verschiedenen Machtformen wie Souveränitätsmacht, Disziplinarmacht und Gouvermentalitätsmacht ist im Poststrukturalismus nicht lokalisierbar und lässt sich nicht an einzelnen Individuen festmachen, sondern das Individuum selbst ist in den Machtprozess eingebunden.
Derrida geht von einem ähnlichen epistemologischen Ansatz aus. Wissen ist in Texten wiedergegeben. Über bestimmte Machtpositionen und -strukturen können Dichotomien und das konstitutive Außen entscheidend geprägt werden.
Postkoloniale Theorie setzen sich kritisch mit den historischen und gegenwärtigen Machtverhältnissen auseinander, die im Zusammenhang mit dem europäischen Kolonialismus 1 Said, Edward: Orientalism,1995, S. 87 stehen. Die Kernthese, die von allen post-kolonialistischen Theoretikern vertreten wird, ist die koloniale Kontinuität. Sie sehen Kolonialismus als einen Kulturkonflikt, der sich bis heute fortsetzt und der die vorhandenen Dichotomien und Hierarchien kontinuierlich reproduziert. Ein Unterschied zum Poststrukturalismus liegt darin, dass die Macht bei den westlichen Kolonialisatoren lokalisierbar war. Die Kolonisierung wird als gewaltsamen Prozess der Subjektkonstitution wahrgenommen, die den domestizierten Anderen durch pädagogische und performative Praktiken erschafft. Eine Kultur eroberte die andere, formte sie nach ihrem Bilde um, veränderte und zerstörte sie, um sie zu beherrschen. Zuerst wurde im Prozess der Kolonialisierung repressive Macht ausgeübt, indem in das nicht-westliche Gebiet intervenierte wurde. Jedoch geht Kolonisation über ökonomische Ausbeutung und politische Herrschaft darüber hinaus und umfasste auch die Produktion und Zirkulation von Wissen sowie eine politische kultureller Machtausübung. Es bildet sich eine Hierarchie zwischen der Kultur des Westens und der Kultur des Nicht-Westes heraus, wobei die Rollen klar verteilt wurden zwischen den Kolonialisierten als handlungsunfähige passive Objekte und den Kolonialmächten als selbstermächtigte Handlungsakteure. Wissen gilt hierbei als Machtfaktor, um den Westen zu konstituieren und den Orient zu kreieren. Dabei stellen die westlichen Wissenschaftler die fremde Kultur als Unterlegene dar. Das produzierte Wissen über den Forschungsgegenstand wird so instrumentalisiert, um koloniale Machtstrukturen zu verfestigen und zu legitimieren. Nachdem sich die Kolonialmächte aus Gebieten zurückzogen um 1918, blieben jedoch die normativen Machstrukturen und eurozentrischen Wissensformationen bestehen. Die Folgen des Kolonialismus sind langfristig in verschiedenen Lebensbereichen, wie vor allem der Jurisdiktion und Religion (Einführung europäischen Rechts, Missionierung), zu entdecken. Deshalb ist bei „Post" Kolonialismus entsprechend nicht das Ende kolonialer Beziehungen zwischen Nord und Süd gemeint. Dies zeigt einen weiteren Unterschied zum Poststrukturalismus auf, da dieser vom Wandel und der Kontingenz der Diskurse ausgeht.
Ein klassisches Beispiel für Wissen- und Machtkonstruktion stellt die ehemalige Verwendung von dem Begriff „Entwicklungshilfe“ dar. „Entwicklungshilfe“ deutet darauf hin, dass in die „unterentwickelten“ Länder Maßnahmen und westliche Fachleute geschickt werden müssen um dort entsprechende „Hilfestellung“ zu gewährleisten. Diese Ausdrucksweise denunziert den globalen Süden als etwas Minderwertiges, dem zu Wissen verholfen werden muss und legt gleichzeitig einen Standard eines „entwickelten“ Westen fest. Die Kolonialmächte sehen sich als die „Erwachsenen der Welt“, die den globalen Süden anleiten können, so argumentiert auch der indische Historiker Dipesch Chakrabarty. Mit der Einführung von westlichen Methoden zur „Lösung“ von Problemen vor Ort und der Etablierung westlicher Werte in die Gesellschaft wie beispielsweise Demokratie, werden die Machtverhältnisse reproduziert, indem die westliche Methoden/Werte über andere Alternativen gestellt werden.
Die Methodologie (Lehre von Methoden) des Poststrukturalisten Foucault geht von der Diskursanalyse als Mittel aus um den Wandel von Strukturen und Praktiken nachzuvollziehen. Für Derrida ist die Analysemethode des Double Reading essentiell.
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- Citar trabajo
- Sophia Khatri (Autor), 2019, In wie weit handelt es sich beim Postkolonialismus um einen poststrukturalistischen Ansatz? Ein kurzer Essay, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/997784