Referat: Die deutsche Anakreontik – der Hallesche Dichterkreis
Anakreon:
- griech. Lyriker des 6. Jh. aus Teos
- schrieb Dichtung in lyrischen Maßen, Jambendichtung, Elegien und Epigramme
- von seinen Werken sind nur drei Lieder ganz erhalten
- er besang den Genuß des Augenblicks: Freundschaft, Frauen- wie auch Knabenliebe und den Wein
Anakreontik:
- Gedichte, die Themen und Motive der Anakreonteia aufnahmen, die die Freude an der Welt und am Leben verherrlichen
- Vorbilder sind neben Anakreon: Horaz in seinen heiteren Oden, Catull u. a.
- in der deutschen Literatur versteht man unter der Anakreontik die Lyrik des Rokoko
- eine begrenzte Zahl von Themen wurde immer wieder variiert: Liebe, Wein, Natur, Freundschaft und Geselligkeit, sowie das Dichten
- Schauplatz ist die liebliche Landschaft, in der mythologische Figuren oder auch der Dichter selbst (mit seiner Geliebten) agieren
- in der Gestaltung wurden kleinere Formen (neben der anakreontischen Ode: Eprigramme, Liedchen, Triolett) bevorzugt
- die Anakreontik des deutschen Rokoko ging von Halleschen Dichterkreis aus, neben dem Hamburger Freundeskreis um Friedrich von Hagedorn (1708-1754) als weiterem Zentrum der Anakreontik
- Friedrich von Hagedorn: Fabeln und Erzählungen (1783), Moralische Gedichte (1750), Sammlung neuer Oden und Lieder (1742, 1744, 1752)
Der Hallesche Dichterkreis:
- Johann Wilhelm Ludwig Gleim(1719-1803)
- studierte 1738-1741 in Halle Jura und Philosophie
- widmete sich ab 1747 ganz der Literatur => = Halberstadter Dichterkreis
- anakreontische Werke: Versuch in scherzhaften Liedern (2 Teile, 1744/45 und ein sog. 3. Teil 1749); Lieder nach dem Anakreon (1766)
- JohannPeterUz(1720-1796)
- studierte 1739-1743 Jura und Philosophie in Halle
- schlug Justizlaufbahn ein
- gemeinsam mit Götz: Die Oden Anakreons in reimlosen Versen (1760)
- Johann NikolausGötz(1721-1781)
- studierte Theologie in Halle
- Die Gedichte Anakreons und der Sappho Oden (1746)
- Auseinandersetzung mit Gottsched im Kontext der Diskussion um eine neue deutsche Kunstdichtung, die vor allem in Leipzig und Halle in den 30er/ 40er Jahren ausgetragen wurde
Stil:
- der „scherzhafte“ Stil geprägt durch Georg Friedrich Meier (Hallenser Professor):
„Gedancken von Schertzen“ (1744)
- verbreiteten mit ihren Werken den Typ der reimlosen anakreontischen Ode => übernahmen aus den Anakreonteen die strophenlose Odenkomposition, den reimlosen anakreonitischen Kurzvers und ahmten beliebte Stilmittel nach (Anapher, Anneinanderreihung kleiner, oft allegorischer Bilder u. ä. )
- die Landschaft ist nicht relistisch gezeichnet, sondern besteht aus versetzbaren, typisierten Kulissen (locus amoenus) ohne natürliche Farben (metallische Farben häufig)
- es geht nicht um die Darstellung von Erlebtem, sondern die Möglichkeiten gedachter Zustände und Situationen werden vorgetragen
Wirkungsabsicht:
- medizinischer Diskurs: Theorie von Georg Ernst Stahl
- Literatur wie auch Musik, Geselligkeit, Malerei u. ä. durch die Wirkungen für die Seele auch unter medizinischen Aspekten betracht => führt zur Vorstellung von diätetischen Möglichkeiten von Literatur
- Literatur ruft Einbildungen hervor, erregt Affekte, die die Seele wieder ins Gleichgewicht bringen können
- Im Bereich der Anakreontik damit wesentliches Ziel, durch heitere Literatur eine heitere Stimmung hervorzurufen => Melancholie zu verteiben
- nicht nur zum Vorteil des Einzelnen, zu dessen Gesundheit, sondern man ging auch davon aus, daß der heitere Mensch gesellig und dienstfertig ist
- Liebes- und Glücksgefühl soll vermittelt werden, aber keine überflutenden Affekte beabsichtigt, da jede Übersteigerung – auch von positiven Gefühlen – als gefährliche und schädliche Leidenschaft gesehen wurde (zudem pragmatischer Aspekt der Zensur)
- Anakreon dabei als Leitfigur des heiteren Lebensgefühls
Literatur:
- Der Literatur Brockhaus in 8 Bänden. Hg. von Werner Habicht, Wolf-Dieter Lange und der Brockhaus-Redaktion. Mannheim/ Leipzig/ Wien 1995.
- Herbert Zeman: Friedrich von Hagedorn, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Johann Peter Uz, Johann Nikolaus Götz. In: Benno von Wiese (Hg.): Deutsche Dichter des 18. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1977. S. 135-161.
- Wolfram Mauser: Anakreon als Therapie? Zur medizinisch-diätetischen Begründung der Rokokodichtung. In: Lessing-Yearbook XX, 1988, S. 87-120.
- Theodor Verweyen: „Halle, die Hochburg des Pietismus, die Wiege der Anakreontik“. Über das Konfliktpotential der anakreontischen Poesie als Kunst der „sinnlichen Erkenntnis“. In: Norbert Hinske (Hg.): Zentren der Aufklärung 1. Halle – Aufklärung und Pietismus. Heidelberg: Verlag Lambert Schneider 1989. (= Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung Band 15). S. 209-238.
JOHANN WILHELM LUDWIG GLEIM:
Anakreon
Anakreon, mein Lehrer,
Singt nur von Wein und Liebe; Er salbt den Bart mit Salben, Und singt von Wein und Liebe; Er krönt sein Haupt mit Rosen, Und singt von Wein und Liebe; Er paaret sich im Garten, Und singt von Wein und Liebe; Er wird beim Trunk ein König, Und singt von Wein und Liebe; Er spielt mit seinen Göttern, Er lacht mit seinen Freunden, Vertreibt sich Gram und Sorgen, Verschmäht den reichen Pöbel, Verwirft das Lob der Helden, Und singt von Wein und Liebe; Soll denn sein treuer Schüler Von Haß und Wasser singen?
- Citar trabajo
- Claudia Neumann (Autor), 2000, Die deutsche Anakreontik - der Hallesche Dichterkreis, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99736