Die Volkshochschulen werden immer wieder mit der Kritik konfrontiert, in dem Programmfeld Gesundheitsbildung zu viele esoterische Kurse anzubieten, denen es an wissenschaftlicher Evidenz fehlt. Dieses gegenwärtig umstrittene Thema veranlasste die Autorin dazu, das Spannungsgefüge zwischen medialer Kritik und den Herausforderungen in diesem Handlungsfeld zu analysieren.
Unter Gesichtspunkten der Erwachsenenpädagogik wird der Fokus in dieser Arbeit auf den Stellenwert der Gesundheitsbildung in Volkshochschulen gelegt. Aus Praxisperspektive wird diskutiert, welche Folgen aus Berichterstattungskritiken für die Mitarbeitenden der Institution aufkommen und welche Themen aus solchen Kritiken dennoch seriös diskutiert werden müssten. Auch die bestehenden Finanzstrukturen werden dargestellt und diskutiert, wie diese das Programmplanungsverhalten der pädagogischen Fachkräfte in Einrichtungen der EW/WB mitbestimmt wird.
Die Fülle an Informationen, die den Bereich der Gesundheit umschließen, soll offenkundig hervorbringen, mit welcher weitreichenden Urteilsfähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung in diesem Themenfeld agiert werden muss.
Mit dem Ziel, die Spannung zwischen den medizinischen Parametern und der ganzheitlichen Betrachtungsweise darzustellen, soll der Leser darauf sensibilisiert werden, dass sich der Mensch eben nicht, wie von der naturwissenschaftlich ausgerichteten Grundlagenforschung oft behauptet, einzig auf den biologischen Organismus reduzieren lässt. De facto kann also weder das eine noch das andere in der Betrachtung von Gesundheit ausgeklammert werden. In einem ersten Schritt lässt sich daraus hervorbringen, dass eine sachkundige Betrachtungsweise nur gelingen kann, wenn Gesundheit in ihrer Multidimensionalität Beachtung findet. Wenn gerade von medialer Seite die Faktoren und Prozesse außerhalb der biologischen Anlage und dem subjektiven Verhalten immer noch unbeachtet bleiben, sollte auf Grundlage der herausgearbeiteten Ergebnisse, appellierend dagegen gehalten werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen von Gesundheit
2.1 Differente Zugänge
2.1.1 Pathogene Betrachtung
2.1.2 Ganzheitliche Betrachtung
2.2 Dependenzen zur Entwicklung
2.3 Gesundheitspolitischer Hintergrund
2.4 Gesellschaftlicher Stellenwert
2.5 Determinanten von Gesundheit
3 Die Gesundheitsbildung
3.1 Begriffliche Einordnungen
3.2 Herausforderungen und Spannungsfelder
3.3 Gesundheitsbildungen in der Weiterbildung
3.3.1 Gesundheitsbildung an Volkshochschulen
3.3.2 Nachfrage an den Angeboten
4 Aktuelle Diskurse im Kontext der Gesundheitsbildung an Volkshochschulen
4.1 Alternative Heilmethoden und die Fehlbarkeit wissenschaftlicher Evidenz
4.1.1 Alternativen gegenüber der Schulmedizin
4.1.2 Fehlbarkeit wissenschaftlicher Evidenz
4.1.3 Fehlbarkeit in der Weiterbildung
4.2 Finanzierung in der Weiterbildung
4.3 Mehrwert aus den Angeboten
4.4 Experteninterview
5 Angebote und Programme in der Weiterbildung
5.1 Begriffsklärung
5.2 Wirkungsmechanismen der Ökonomisierung
5.3 Programmanalysen
6 Fazit
6.1 Kampagnendesign
6.2 Ausblick
Anhang
Transkription
Stellungnahme Hessischer Volkshochschulverband
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Ich danke Herrn Prof. Dr. Käpplinger für die umfangreiche Betreuung, die vielen Ideen, kritischen Anregungen und nicht zuletzt für die konstruktiven Gespräche. Ich danke Herrn Rüther für seine Zeit und den bereichernden Beitrag, den er zu meiner Arbeit geleistet hat. Zuletzt danke ich meiner Familie, meinem Lebensgefährten und meinen Kindern für die vielfältige und moralische Unterstützung, die mir während dem Verfassen meiner Arbeit entgegengebracht wurde.
1 Einleitung
Wer hat sie nicht, seine ganz eigene Vorstellung zu Gesundheit? Bei dem Versuch, Gesundheit in Worte zu fassen, es zu beschreiben, wird schnell sichtbar, dass dies nicht einfach gelingt.
Seit vielen Jahrzehnten versuchen verschiedene Wissenschaftler/-innen aus den unterschiedlichsten Professionen diesen Term in Worte zu kleiden oder anhand verschiedener Merkmalsausprägungen in seiner Bedeutung festzuschreiben. Umso tiefer man eintaucht, desto klarer wird, dass sich Gesundheit in seinem Dasein nicht vereinheitlichen lässt und dass dies so auch gut ist, denn Gesundheit ist kein einheitliches konstruierbares Konstrukt.
Aufgrund der Tatsache, dass sich Gesundheit in seiner Begrifflichkeit nicht an bestimmten Auswirkungen festmachen lässt und ein sehr dynamisches Kontinuum an Zugängen besteht, bleibt es nicht aus, dass dieser Thematik Spannungen gegenübertreten. Die auffälligste liegt in Diskussionen zwischen kurativen und präventiven Ansichtsweisen. Die naturwissenschaftlich ausgerichtete Grundlagenforschung, nach der sich auch die Medizin orientiert, richtet ihren Blickwinkel hauptsächlich nach den Faktoren von Krankheit und entfernt sich somit von der Betrachtung der Gesundheit. Aus dieser Sichtweise versteht sich der Mensch zunächst ausschließlich als biologischer Organismus (vgl. Richter 2013, S.19).1
Den einflussreichen Stellenwert, den die Medizin bis heute erlangt hat, führt dazu, dass diese Sichtweise auch in öffentlichen Diskussionen oftmals die vorrangige Gewichtung annimmt. Trotz alledem zeigen sich aber auch Tendenzen, dass die Einsicht zugenommen hat, dass Gesundheit nicht auf die körperliche Ebene reduziert werden darf. Die World Health Organization2 (dt: Weltgesundheitsorganisation WHO), hat bereits im Jahre 1946 festgestellt, dass Gesundheit mehr als nur das Freisein von Krankheit bedeutet. Demnach ist Gesundheit ein Zustand des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. (Vgl. WHO 1948b, S.1)
Weitere vierzig Jahre später stellte die WHO in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung (1986) fest:
„Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Bürgern Gesundheit ermöglichen“ (WHO 1986, S.5).
Draus ergibt sich, dass jeder Mensch „Gesundheit“, speziell und je nach gefühltem oder gelebten Zustand, für sich persönlich definiert. Klar ist, das Thema Gesundheit ist für die Existenz, für das Leben nicht nur wichtig ist, sondern allumfassend notwendig.
Die Volkshochschule ist eine wertvolle Ressource der Gesellschaft, die allen Bürgern gleichermaßen den Zugang zu Bildung eröffnen möchte. Wenn Gesundheit also weiterführend als Erziehungsund Bildungsziel definiert werden soll, scheint es unumgänglich, dies auch in einer pädagogischen Weise zu verstehen (vgl. Gangl 2015, S.03-2). Hier darf sich der Blick nicht alleinig auf die naturwissenschaftliche Forschung ausrichten, sondern muss die umliegenden Parameter gänzlich objektivierend einbeziehen. Daraus tritt die Notwendigkeit eines „mehrdimensionalen Gesundheitsbegriffs“ (ebd. S.03-4) hervor.
1.1 Problemstellung
Medien stellen aktuell wahrscheinlich die wirkungsmächtigste Ressource dar, um Themen in die breite Bevölkerung zu transportieren. Worüber und wie Medien berichten, nimmt Einfluss auf die „Bedeutung und Glaubwürdigkeit der dargestellten Themen und Standpunkte“ (Seibt; Franzkowiak 2018, S.110f.).
Den Volkshochschulen wird aktuell der Vorwurf entgegengebracht, in dem Programmfeld der Gesundheitsbildung eine Vielzahl an esoterischen Kursen anzubieten, die keine wissenschaftliche Evidenz mit sich tragen. Dieses gegenwärtig umstrittene Thema veranlasste mich dazu, unter dem Titel: „Gesundheitsbildung in der Weiterbildung“ das Spannungsgefüge zwischen medialer Kritik und den Herausforderungen in diesem Handlungsfeld zu analysieren. Der zum Anlass genommene Bericht wurde am 18.08.2018 in dem Periodikum DER SPIEGEL (Heft 34) veröffentlicht.3 Die Veranschaulichung darin stützt sich alleinig auf die aus der Medizin gewonnene Erkenntnis und grenzt alles andere als Unwahrheit ab.
Nicht selten werden die öffentlichen und privaten Medien strategisch dazu genutzt, für soziale bzw. gesundheitliche Anliegen als Informationsträger und Ressource zu dienen, um folglich auf gesell- schaftspoliti scher Ebene diskutiert zu werden (vgl. Seibt; Franzkowiak 2018, S. 110). Vorwiegend soll dabei Druck für gesundheitliche und sozialpolitische Veränderungen erzeugt werden. Indirekt sind die Hauptadressaten dabei nicht die Individuen der Bevölkerung, sondern diejenigen, die in der gesellschaftlichen Verantwortung für die Gesundheit stehen (ebd. S.110). Somit können Medien indirekt den Rahmen von öffentlichen und politischen Diskussionen und damit gleichzeig die „Diffusion von Gesundheitsförderungsaktivitäten“ (ebd. S.111) bestimmen. Die in dieser Arbeit zu untersuchende Forschungsfrage lautet deshalb, inwiefern solche medialen Berichterstattungskritiken an der Gesundheitsbildung an Volkshochschulen einen fundierten Beitrag und sachkundige Betrachtungsweisen an den Herausforderungen und Spannungsfeldern in diesem Handlungsfeld leisten?
1.2 Aufbau der Arbeit
Damit die formulierte Forschungsfrage tieferliegend untersucht werden kann, bietet es sich an, die Arbeit in sechs Teile zu gliedern. Der Einleitung folgende zweite Teil soll dem Leser den Diskurs zwischen den medizinischen Parametern und der ganzheitlichen Auffassung eröffnen. Keinesfalls möchte ich aus den aufgezeigten Darstellungen den Eindruck erwecken lassen, die Fortschritte, Erkenntnisse, Methoden oder Praktiken der Medizin völlig in Frage zu stellen, doch soll dem Leser durch die Darbietung der komplementären Sichtweisen die Auseinandersetzung über differente Zugänge zu Gesundheit ermöglicht werden. Ziel ist es, ein Zusammenspiel beider zu erwecken, um daraus wichtige Aspekte der Gesundheitsbildung zu formulieren. Zudem soll aus den aufgezeigten Beurteilungen deutlich hervorgebracht werden, dass eine gute Gesundheit allen Bereichen der Gesellschaft zugutekommt, „was aus ihr eine wertvolle Ressource macht“ (WHO 2013, S.11).
Im dritten Teil, wird zunächst die Gesundheitsbildung in ihren Ansätzen hergeleitet. Im Anschluss die Spannungsfelder und Herausforderungen definiert, welche aus diesem Handlungsfeld resultieren können. Unter erwachsenpädagogischen Gesichtspunkten wird im Weiteren der Stellenwert der Gesundheitsbildung an Volkshochschulen herausgearbeitet.
Nachdem die ersten Kapitel hauptsächlich dazu dienen, grundlagentheoretisch in die Gesundheitsbildung einzuführen, schließt eine genauere Betrachtung der in der Berichterstattung erhobenen Vorwürfen gegen das Programmfeld Gesundheitsbildung an Volkshochschulen an.
Unter dem unter 1.1. formulierten Vorwurf gegenüber den Volkshochschulen soll erstens erläutert werden, wie sich die alternativen Heilmethoden definieren. Dem schließt die Kritik der fehlenden Evidenz an. Dem Leser soll durch die aufgezeigten Darstellungen ein kurzer Einblick eröffnet werden, zu welchen Zwecken die Forschung unter anderem genutzt werden kann und welche oft ungesagten Parameter der Wissenschaft anhaften. Daraus soll ein Gefühl dafür entstehen, dass der Einfluss des Wie und Warum eine Forschung stattfindet, oftmals auch die Qualität beeinflusst und die wissenschaftliche Evidenz kontextual unterschiedlich betrachtet werden muss. Nachdem zunächst sehr allgemeine Grundlagen zur Evidenz formuliert werden, soll im Weiteren über den erwachsenpädagogischen Aspekt hinaus diese Fehlbarkeit an Volkshochschulen reflektiert werden.
Zweitens soll unter dem Vorwurf, dass es paradox erscheine, dass ca. 60% der Bildungsangebote an Volkshochschulen aus öffentlichen Geldern finanziert werden und diese Kurse dann „zur Volksverdummung“ beitragen, untersucht werden, welche bestehenden Finanzstrukturen in der Erwachse- nenbildung/Weiterbildung (EB/WB) herrschen. Daraus soll vorwiegend erkenntlich werden, von welchen Einflüssen das Programmplanungsverhalten der pädagogischen Fachkräfte in Einrichtungen der EB/WB mitbestimmt wird.
Unter der Frage, warum Volkshochschulen überhaupt Kurse zu „fragwürdigen Heilmethoden“ anbieten soll drittens, der Mehrwert solcher Angebote anhand einer bundesweiten Studie aufgezeigt werden. Zuletzt werden die zuvor dargestellten literarischen Ergebnisse durch praktische Erfahrungen von dem Experten Florian Rüther ergänzt. In dem Interview mit dem Programmbereichsleiter für Gesundheit an der Volkshochschule Gießen wird zunächst aus praxisperspektive diskutiert, welche Folgen aus solchen Berichterstattungskritiken für die Mitarbeitenden der Institution aufkommen. Im Weiteren soll hinterfragt werden, welche Themen aus solchen Kritiken seriös diskutiert werden müssten.
Ziel des vierten Kapitels ist es, anhand konkreter Eckpunkte explizit und implizit festzumachen, inwiefern die in der Berichterstattung erhobenen Kritiken kurzsichtig oder andersrum vielleicht sogar berechtigt sind.
Aus der Tatsache heraus, dass sich die Kritik direkt an die Programme und Angebote der Volkshochschulen richtet, scheint es zuletzt wichtig, die beiden Begriffe näher zu erläutern und voneinander abzugrenzen. Bezugnehmend darauf, dass die Vorwürfe in der Berichterstattung auf einer durchgeführten Programmanalyse basieren, schließt das Kapitel mit einer kurzen Einführung in die komplexe Thematik der Forschungsmethode „Programmanalyse“ ab. Hierbei muss deutlich darauf verwiesen werden, dass dieses Thema wesentlich weitreichender und komplexer in seiner methodologischen und theoretischen Erkenntnis ist, als in diesem Kapitel dargestellt. Die herausgearbeiteten Eckpunkte sollen primär dazu dienen, im Anschluss dieses Kapitels offen und reflektiert zu diskutieren, wie die Programmanalyse des SPIEGEL's vorgegangen ist.
Insgesamt schließt die Arbeit damit ab, die gewonnenen Erkenntnisse im Kontext der in dieser Arbeit zugrundeliegenden Forschungsfrage zu reflektieren.
2 Theoretische Grundlagen von Gesundheit
Für die Darstellung des theoretischen Hintergrundes von Gesundheitsbildung ist es wichtig, die Termini Gesundheit und Krankheit näher zu betrachten, um daraus Aspekte zu formulieren, die darauf zielen, die Grundthesen der Gesundheitsbildung herauszuarbeiten.
2.1 Differente Zugänge
Unabhängig von den unterschiedlichen Kulturen, gab es schon immer Vorstellungen darüber, was Gesundheit bedeutet, was sie erhält und was sie zu entkräften mag. Käpplinger und Falkenstern (2018) weisen darauf hin, dass die Vorstellungen über Gesundheit und Krankheit mit dem „medizinischen Fortschritt, gesellschaftlichen Entwicklungen, Semantiken und Zeitdiagnosen verwoben [sind]“ (S.1).4
Gangl (2015) stellt fest, dass es zudem eine wichtige Rolle spielt, aus welcher professionsabhängigen Sichtweise sich Gesundheit erschließt. So sind bspw. Professionen wie die der Medizin und Labordiagnostik Vertreter der naturwissenschaftlich-somatischen Perspektive. (Vgl. S.03-2) Hier versteht sich Gesundheit als eine Art „Abgrenzungsprozess“ (Franzkowiak; Hurrelmann 2018, S.1/6). Somit wird Gesundheit aus diesem Blickwinkel als „Noch-nicht-Krankheit“ (ebd.), „Abwesenheit von Krankheit“ (ebd.) oder „noch nicht vollständig medizinisch diagnostizierte körperli- che/seelische Verfassung“ (ebd.) umschrieben.
Aus soziologischer Betrachtungsweise richtet sich der Fokus auf die Funktion über Rollenerfüllung und die Abweichung von Normalvorstellungen. Gesundheit gilt so hingehend als Funktionsaussage „für Leistungs- und Arbeitsfähigkeit in körperlicher und sozialer Hinsicht [...]“ (ebd.).5
Aus dieser profession-differenzierten Betrachtungsweise lässt sich Gesundheit in einem ersten Schritt als Abgrenzungskonzept oder Funktionsaussage klassifizieren.6
Die Fülle der differenten Definitions- und Klassifikationsversuche sowie die Orientierung an divergierenden Gesundheitsnormen zeigen deutlich die Komplexität in der einheitlichen Bedeutungszuschreibung von Gesundheit. Wie einleitend erwähnt, soll im Kontext dieses Kapitels das Spannungsgefüge zwischen den medizinischen Parametern und der ganzheitlichen Auffassung dargestellt werden. Dazu bietet es sich an, den Paradigmenwechsels von der Pathogenese hin zur Salutogenese und somit zur Betrachtung der Gesunderhaltung.
2.1.1 Pathogene Betrachtung
Aufgrund der großen öffentlichen Anerkennung gegenüber der starken Profession Medizin und auch aus Gründen hoher Aufmerksamkeit der ihr zuarbeitenden naturwissenschaftlichen Forschung, dominiert meist die medizinische Sichtweise. So lehnt auch die im Volksmund vertretende Perspektive vermehrt dieser an. (Vgl. Richter; Hurrelmann 2016, S.3)
Gesundheit wird im alltäglichen Sprachgebrauch meist mit dem Zustand der Beschwerde- und Symptomfreiheit gleichgesetzt. Krankheit gilt komplementär dazu als Störung dieses Zustandes und nimmt somit den im oberen aufgezeigten medizinischen Grundgedanken von Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit auf.
Wie sich dieser Ansatz im medizinischen und gesellschaftlichen Gedankengut verbreiten konnte, soll im Folgenden, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, anhand einiger entscheidender Eckpunkte aufgezeigt werden.
Ein historischer Blick zurück auf die abendländischen Traditionen verrät, dass Gesundheit als etwas erfasst wird, was aufgrund des Lebensstils erhalten und durch Behandlung wieder hergestellt werden könne (vgl. dazu: Hörmann 2009, S.18| Gangl 2015, S.03-2).
Als sich die Medizin zur Mitte des 19. Jahrhundert zur Wissenschaft ausdifferenziert hatte, rückte diese ganzheitliche Betrachtungsweise immer weiter in den Hintergrund. Die Medizin fokussierte zunehmend die pathologische Sichtweise und näherte sich somit dem alleinigen Ziel der Wiederherstellung. Aus diesem Wandel resultierte, dass Maßnahmen der Prävention und Gesunderhaltung immer weiter in den Hintergrund rückten. Bis heute sind Spuren dieser Entwicklung in Diskussionen über Gesundheit in mangelnder Balance „zwischen kurativer und präventiver Gesundheitsfürsorge“ (Gangl 2015, S.03-2f.) zu erkennen. Bruns (2013) nimmt die These von Franke (2006, S.121) auf, dass das (bio)medizinische Krankheitsmodell im Wesentlichen auf einer „ätiologischen Betrachtungsweise von Krankheit“ basiert und zieht daraus den Schluss, dass in diesem Modell die Gesundheit eine negative Behaftung findet (vgl. S.22). Franzkowiak (2018) verweist darauf, dass sich in dieser Perspektive Krankheit und Gesundheit als „dichotome Zustände in einem als ,natür- lich‘ angesehenen organisch-funktionellen Gleichgewicht“ (S.35) darreichen. Damit soll ausgedrückt werden, dass sich die Dichotomie hauptsächlich in der entweder (krank)/oder (gesund) Perspektive, also über die einzelne Betrachtung der Zustände zeigt. Franke (2012) ergänzt in diesem Zusammenhang, dass sich aus diesem Blickwinkel dual auf Krankheit konzentriert wird. So wird sich erstens alleinig auf die Betrachtung der Krankheit ohne die Aspekte der Gesundheit konzentriert und klammert zweitens den betroffenen Menschen völlig aus. (Vgl. S.133)
Zusammenfassend lässt sich in diesem Abschnitt ausdrücken, dass sich der Fokus alleinig auf pathogene Veränderungen konzentriert, die den menschlichen Organismus stören. Diese Sichtweise, - im Fachjargon auch Pathogenese- beschreibt Krankheit demnach als eine Störung des natürlichen Zustandes, den es zu rekonstruieren gilt. Demgegenüber lässt sich argumentieren, dass die naturwissenschaftlich ausgerichtete Grundlagenforschung oft vergisst, dass Menschen nicht nur „biologische Organismen, sondern gleichzeitig auch soziale Wesen sind, die in sozial organisierten Gesellschaften leben“ (Richter 2013, S.19). Eine Hinwendung zurück zur ganzheitlichen Betrachtung und die damit verbundene Abkehr von der Pathogenese lassen sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beobachten.
2.1.2 Ganzheitliche Betrachtung
Ein entscheidender Niederschlag wurde durch im Jahre 19467 von der WHO hervorgerufenen Definition zu Gesundheit hervorgebracht, die erstmalig in ihrer Formulierung multidimensional erschien. Die WHO definierte Gesundheit wie folgt:
„Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity. The enjoyment of the highest attainable standard of health is one of the fundamental rights of every human being without distinction of race, religion, political belief, economic or social condition“(WHO 1948a, S.1).8
Durch den erstmaligen Fokus auf soziale Faktoren und das subjektive Wohlbefinden, resultierte daraus die Abkehr von der medizinischen Sichtweise, was auch ein Umdenken zurück zur ganzheitlichen Betrachtungsweise veranlasste (vgl. Dehmer 2018, S.12).9 Nebenbei ist darauf zu verweisen, dass neben dem großen Zuspruch und den auf die Zukunft bezogenen positiven Affekte, die diese Formulierung mit sich brachte, sich ebenso Kritiker dagegen ausgesprochen haben.10 Rückfassend lässt sich in diesem Kontext auf die zuvor beschriebene Einteilung der Gesundheit als Abgrenzungskonzept und als Funktionsaussage hinzufügen, dass sich die Definition der WHO als Wertaussage klassifizieren lässt.11
Im Weiteren entwickelte der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky (1987/ dt. Übers. 1997)12 in den darauffolgenden Jahren auf den Erkenntnissen verschiedener Stressforschungen, ein gesundheitsbezogenes, ressourcenorientiertes und präventives Modell der Salutogenese. Dieses Modell beschreibt einerseits die Komplementäre zur Pathogenese, schließt sich anderseits aber nicht aus, sondern ergänzt sich hinsichtlich der ihr zu tragenden Fragestellung. (Vgl. Bengel 2001, S.26)
Zum einen richtet sich dieses Modell über die Betrachtung der Risikofaktoren hinaus nach denen, die gesunderhalten und zum anderen fand Antonovsky heraus, „dass sich der menschliche Organismus auf einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum befinde und deswegen die Frage, wie man das System erhalte und gesund bleibe, zielführender sei“ (Antonovsky 1997, S.15 u. S.22f zit. n. Gangl 2015, S.03-3). Mit anderen Worten, soll daraus hinterfragt werden wie Menschen „trotz vieler potenzieller gesundheitsgefährdender Einflüsse gesund [bleiben]?“(Bengel 2001, S.24). Aus dieser Perspektive heraus, müssen „alle Menschen als mehr oder weniger gesund und gleichzeitig als mehr oder weniger krank“ (ebd.) betrachtet werden. Nur so könne folglich gefragt werden, „wie wird ein Mensch mehr gesund und weniger krank?“ (ebd.)
Aus diesem Ansatz geht deutlich hervor, dass damit der Verzicht auf die herkömmlichen Unterscheidungen zwischen gesund und krank besteht und vielmehr die Sichtweise darauf gelegt werden muss, an welchem Punkt auf dem Kontinuum sich der Mensch zwischen Gesundheit und Krankheit befindet (vgl. Kracke 2005, S.63f.).
Antonovskys „Sense of Coherence“ (dt.: Kohärenzgefühl) schließt dem an. Laut Antonovsky beschreibt das Kohärenzgefühl die Möglichkeit, belastende Stressoren zu bewältigen und behauptet, dass Menschen mit einem stark ausgeprägten Kohärenzsinn eine hohe Widerstandskraft gegenüber äußeren Einflussfaktoren haben. Das Kohärenzgefühl beschreibt eine subjektive Grundeinstellung sowie eine positive Lebenseinstellung gegenüber diesen Stressoren. (Vgl. ebd.) Es soll dabei nicht hinterfragt werden ob Stressoren überhaupt existieren, „sondern ob sie pathogen oder salutogen wirken und welche Bedeutung ihnen im alltäglichen Leben vom Individuum beigemessen wird“ (Gangl 2015, S.03-3).
Angelehnt an den Ansatz der Salutogenese lassen sich Gesundheit und Krankheit als „komplementäre Seinsweisen unserer Existenz [beschreiben], die sich ausschließen und ergänzen zu gleich“ (Pflaumer 1994, S.21). Anders gesagt, beschreibt sich Gesundheit und Krankheit somit als ein Habitus, der sich zwar in der Auswirkung unterscheidet, aber prinzipiell nicht voneinander abgrenzen lässt.13 Damit ist gemeint, dass Gesundheit „prozesshaft, biografisch und sozial wandelbar ineinander verschränkt [ist]“ (Franzkowiak 2018, S.34).
2.2 Dependenzen zur Entwicklung
Aus den bisher dargestellten Ergebnissen lässt sich erkennen, dass das Sein des Menschen aus dem Wechselspiel von Gesundheit und Krankheit beeinflusst wird. Pflaumer (1994) argumentiert: „ [...] die Realität menschlicher Existenz spielt sich [...] in den Zwischenbereichen und Übergangsfeldern zwischen den Extremen ab“ (S.22). Diese Zwischenbereiche lassen sich unter anderem als Genesung oder komplementär der Erkrankung beschreiben. Oder wie Schmitt (1981) sagt, „Weder- gesund-noch-krank-Sein [...]“ (S.27) und gleichzeitig betont, dass dies die menschliche Realität am ehesten trifft. Grassmann (2003) arbeitet in seiner Dissertation die These heraus, dass es keinen festen „Nullpunkt“ (S.159) zu geben scheint, indem eingegrenzt wird, „wo Gesundheit aufhört und Krankheit anfängt“ (ebd.). Weiter betont er, dass es keine direkten Kontraste beider gibt, sondern das Leben der Individuen stets von diesem Ablauf geprägt ist (vgl. ebd). So kann diese Parallele aber auch bedeuten, dass „gesunde, geschwächte oder kranke Anteile“ die Befindlichkeit des Menschen bestimmen können (vgl. Pflaumer 1994, S.22).
Hervorheben lässt sich daraus, dass sich mit dem Ablauf der Vorgänge von Gesundheit und Krankheit die Entwicklung des Menschen vollzieht (vgl. ebd. S.21). Die Autorin greift in diesem Kontext die Vermutung Franzkowiaks (1985) auf, dass beides „[als] je unterschiedliche Umgangsformen mit[den] innen- und lebensweltlichen Anforderungen oder Konflikten [. ] den Ort des Individuums im Ganzen seiner Existenz an[zeigen]“ (Franzkowiak 1985, S.219 zit. n. Pflaumer 1994, S.22). Ausgehend von dieser Sichtweise, zieht Pflaumer (1994) den Schluss, dass daraus die „Komplementarität“ von Gesundheit zu Krankheit hervorkommt (vgl. S.23). Es ginge nicht darum, Gesundheit alleinig an der Abwesenheit der Krankheit zu messen, sondern vielmehr darum, der Fähigkeit nachzugehen, „mit diesen Beeinträchtigungen fertig zu werden“ (ebd.).
Zusammenfassend lässt sich daraus die These ableiten, dass der Zustand Gesundheit in seiner Vollkommenheit nicht existiert: „Gesundheit ist ein Ziel, das man anstreben, aber kaum je erreichen kann. Krankheit ist ein Teil der Lebenswirklichkeit, der nicht vollkommen zu verhindern ist.“ (ebd. S.22) Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass sich die Auffassung von Gesundheit in der Dependenz zur menschlichen Entwicklung, deutlich von der formulierten Definition der WHO abgrenzt. Demnach kann Gesundheit nicht alleinig als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“ (WHO 1948b, S.1) begriffen werden.
2.3 Gesundheitspolitischer Hintergrund
Im Zuge der wachsenden Erwartungen gegenüber einer neuen öffentlichen Gesundheitsbewegung und auf der Grundlage verschiedener Deklarationen und Diskussionen14 wurde auf der ersten internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung im November 1986 die Charta in Ottawa verab- schiedet.15
Die WHO erkennt an, dass soziale und ökonomische Einflussfaktoren wie bspw. Frieden, Bildung und ein beständiges Öko-System grundlegende (äußere) Bedingungen und konstituierende Momente von Gesundheit darstellen (vgl. WHO 1986, S.1). Im Weiteren wird betont, dass „jede Verbesserung des Gesundheitszustandes [...] zwangsläufig fest an diese Grundvoraussetzungen gebunden [ist] “ (ebd. S.2). Und vice versa, dass ein guter Gesundheitszustand eine wesentliche Ressource für die persönliche soziale und ökonomische Entwicklung darstellt und zudem als wichtiger Faktor auf die Lebensqualität wirkt (vgl. ebd.). Im Kontext dieser Arbeit liegt das vorherrschende Interesse darauf, dass in der Charta als grundlegendes Ziel von Gesundheitsförderung die Bildung genannt wurde. Impliziert wurde hier auch ein Appell an die öffentliche Erwachsenenbildung formuliert. So soll dem Individuum dabei verholfen werden, über die Entwicklung von Persönlichkeit und die Stärkung sozialer Fähigkeiten, den subjektiven Einfluss auf Gesundheit und Lebenswelt zu entwickeln. Das entscheidende hierbei ist, dass Gesundheit dabei nicht als vorrangiges Ziel gilt, sondern als Bestandteil des alltäglichen Lebens. „Es gilt dabei, Menschen zu lebenslangem Lernen zu befähigen und ihnen zu helfen, mit den verschiedenen Phasen ihres Lebens sowie eventuellen chronischen Erkrankungen und Behinderungen umgehen zu können“ (ebd. S.4). Zudem haben die Mitglieder der Konferenz dazu aufgerufen, dass sich die Zuständigkeiten über die Gesundheitsdienste neu orientieren und strukturieren müssen. Dabei solle die Verantwortung über die Gesundheitsförderung nicht mehr alleine auf den Gesundheitssektor fallen, sondern unter allen Politikbereichen aufgeteilt werden. „Sie müssen gemeinsam darauf hinarbeiten, ein Versorgungssystem zu entwickeln, das auf die stärkere Förderung von Gesundheit ausgerichtet ist und weit über die medizinisch-kurativen Betreuungsleistungen hinausgeht“ (ebd.). Diesem Wandel soll ein Umdenken in den Einstellungen und den Strukturierungen der Organisationsformen folgen (vgl. ebd.S.5).16 Es sollen also gesundheitsförderliche Lebenswelten geschaffen werden, um Menschen die Möglichkeit zu bieten, eine bessere Kontrolle über ihre eigene Gesundheit erlangen zu können (vgl. Gangl 2015, S.03-4).
Rückfassend auf die von der WHO formulierte Definition von 1946, ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die WHO trotz der ihr entgegengebrachten Kritik sehr lange an ihrer Formulierung festhielt. Erst im Jahre 1998 erfolgte eine allmähliche Abkehr. Großen Einfluss darauf nahm die von Hurrelmann (1988) entwickelte Definition von Gesundheit, in der erstmals die Bedeutsamkeit von Gesundheit als „Gleichgewicht zwischen Risiko- und Schutzfaktoren“ (Gangl 2015, S.03-5) begriffen wird und damit die Wandlung von dem statischen Zustandsbegriff zum dynamischen Prozessbegriff hervorbrachte.17
Für den Kontext der Arbeit sind die formulierten Grundsätze der Ottawa Charta deshalb wichtig, da sich der Gesundheitsbildungsansatz an Volkshochschulen unter anderem danach richtet (vgl. Deh- mer 2018, S.18).
Zusammenfassend lässt sich zunächst darstellen, dass die Entwicklungen zum einen zeigen, dass sich entgegen der starken Krankheitsorientierung in neuerer Zeit ebenso „die Herausbildung eines positiven Gesundheitsideals“ (Hörmann 2009, S.18) begründet hat. Sich aber trotz des Paradig- menwechsels gleichwohl beobachten lässt, dass die interdisziplinär ausgerichteten Gesundheitswissenschaften immer noch durch eine krankheitsorientierte Betrachtungsweise bestimmt werden (vgl. Gangl 2015, S.03-4). Die Autorin behält sich in diesem Kontext vor, dass dies vorwiegend daran erkennbar ist, „dass die Medizin die Gesamtkoordination von Theoriebildung, Interpretation und Anwendung der gesundheitswissenschaftlichen Forschungsergebnisse beibehält“ (ebd.).
Das nächste Teilkapitel soll einen kurzen Einblick geben, welchen aktuellen Stellenwert die Gesundheit in unserer Gesellschaft vertritt. In der Parallele sollen die Determinanten von Gesundheit aufgezeigt werden, die einflussnehmend auf die subjektive und gesellschaftliche Gesundheitsförderung wirken.
2.4 Gesellschaftlicher Stellenwert
Richter und Hurrelmann (2016) behaupten, dass wir in einer Welt leben, in der sich die Besessenheit von Gesundheit konstitutiv entwickelt hat:
„|...|Gesundheit wird in nahezu allen Lebensbereichen und durch unterschiedlichste Kanäle thematisiert, problematisiert und stilisiert, von Fernsehsendungen mit Gesundheitstipps, Werbung für optimierende Vitaminpillen, Halbmarathonläufen über Apps für Smartphones, die Schritte und Puls erfassen, bis hin zum wöchentlichen Besuch des Fitnessclubs“ (S.3).
Die These der Autoren lässt sich mit einem Blick auf eine bekannte Internetplattform verdeutlichen. Bei Instagram, ein Portal für Influencer/-innen, die anhand von Vlogs und Blogs an ihrem Leben oder Lebensstil teilhaben lassen, finden sich unter dem Hashtag #healthy (dt: gesund) 135 Millionen und unter #health (dt: Gesundheit) nochmal weitere 92,4 Millionen (stand Januar 2019) Beiträge von Personen, die ihren gesunden Lebensstil mit anderen Menschen teilen möchten.18 Bei ca. 500 Millionen aktiven Nutzern ist das schon eine beachtliche Summe.
Kritisch lässt sich an dieser Stelle hervorheben, dass sich der dargestellte „Gesundheitswahn“ sicherlich in den modernen Industriegesellschaften durchgesetzt hat, aber bestimmt nicht global vertreten wird.19 Im Weiteren sollte differenziert werden, wie sich solche Trends entwickeln. Sicherlich lässt sich dieser Trend u.a. darauf zurückführen, dass die Aufklärung über Gesundheitsrisiken zunehmend transparenter geworden ist und das Wissen bzw. die Motivation über das eigene Gesundheitshandeln in der Bevölkerung gestiegen ist. Andererseits lässt sich gerade auf die medialen Beispiele bezugnehmend der Profit der Industrien herauslesen. So lässt sich Gesundheit als Marketinginstrument greifen, was sich mannigfaltig vermarkten lässt und dadurch die Entwicklung konstitutiv vorantreiben lässt.20 Es ist somit kritisch zu hinterfragen, ob diese Beispiele wirklich der Gesunderhaltung oder vielmehr der privatwirtschaftlichen Vermarktung dienen.
Nun ist es weiterführend so, dass die Marketingideologien von Massenmedien über Gesundheitsangelegenheiten oftmals indirekte auf das individuelle Fehlverhalten der Konsumenten und Konsumentinnen verweisen und zudem die „entsprechende Eigenverantwortlichkeit“ darin betont wird (vgl. Seibt; Franzkowiak 2018, S.111).21 Diese Behauptung lässt sich an den eben verfassten Beispielen von Richter und Hurrelmann festmachen. So wird auch hier Gesundheit dem subjektiven Verhalten und der biologischen Anlage zugeschrieben (vgl. Richter; Hurrelmann 2016, S.3f). Also wenn der Verbraucher dies oder jenes anwendet, dann verbessert bzw. verschlechtert er/sie damit seine/ihre Gesundheit. Die in dieser Arbeit hervorgebrachten Ergebnisse ließen bereits vermuten, dass dieser Gedanke zwar weit verbreitet und sicherlich nicht falsch ist, aber dennoch kurzsichtig erscheint. Über die mediale Verbreitung hinaus, lässt sich der bestehende Trend auch in vielen wissenschaftlichen Literaturen finden. So behauptet bspw. Grams (2017): „Um gesund zu werden oder gesund zu bleiben, ist uns (fast) jedes Mittel recht“ (S.1). Auch Schaal (2018) verweist auf die Aktualität des Gesundheitssterbens und betont: „Noch nie war das Thema Gesundheit ein so beliebtes und nachgefragtes Thema in der Gesellschaft“ (S.2).
2.5 Determinanten von Gesundheit
An dieser Stelle lässt sich die weiterführende Frage aufwerfen, welche Determinanten aus unserer Gesellschaft heraus weiteren Einfluss auf Gesundheit bzw. Gesundheitsförderung nehmen?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Determinanten von Gesundheit nach Dahlgren und Whitehead (1993)
Aus dieser Abbildung lässt sich sehr übersichtlich hervorbringen, dass es keineswegs falsch ist, zu behaupten, dass Gesundheit sich neben der genetischen Anlage auch auf verhaltensbedingte Faktoren rückschließen lässt. Aber die Gesundheit von eben weitaus mehr Faktoren beeinflusst wird.
Zur Erläuterung
Im Kern des Modells von Dahlgren und Whitehead 1993 zeigt sich, dass genetische Eigenschaften, Alter und Geschlecht als „unbeeinflussbare, feste Determinanten“ (Richter; Hurrelmann 2018, S.51) von Gesundheit bestehen. Die umschließenden Determinanten sind hingegen Faktoren, die mit prä- ventiven und gesundheitsfördernden Strategien „potenziell modifiziert“ werden können (vgl. ebd.). Die „individual lifestyle factors“ umschließen den Kern des Modells und beziehen sich auf „gesundheitsförderliche wie -schädigende Verhaltensweisen“ (ebd.) und verweisen damit auf den Einfluss von Ernährung, Konsumverhalten von Genussmittel, Gewalt und auch der Bewegung im Alltag. Die „living and working conditions“ beschreiben Faktoren, die aus der sozialen Integration innerhalb sozialer Netzwerke heraus entstehen und direkten und indirekten Einfluss in positiver oder negativer Weise auf das Gesundheitsverhalten und gleichzeitig auf die Gesundheit nehmen. Soziale Netzwerke resultieren meist aus den individuellen Lebens- und Arbeitsbedingungen. (Vgl. ebd.)
Die Einflussgrößen wie Bildung, Arbeits- und Wohnverhältnisse, Gesundheitssystem, Wasser- und Lebensmittelqualität stehen vorwiegend in wechselseitiger Abhängigkeit und haben doch „einen eigenständigen sowie vermittelten Effekt auf die Gesundheit“ (ebd.). Bspw. können sich Belastungen am Arbeitsplatz erheblich auf die physische und psychische Gesundheit auswirken, auch wenn die anderen Einflussgrößen in positiver Weise wirken (vgl. ebd.).22
Die Abbildung verdeutlicht, dass der Einfluss des Gesundheitssystems (und somit die viel diskutierte Determinante der medizinischen Versorgung) nur ein Bedingungsfaktor unter vielen ist. Studien zur Abschätzung des Gewichts der unterschiedlichen Gruppen von Determinanten bestätigen diese Aussage. Die Strukturen des medizinischen, rehabilitativen und pflegerischen Versorgungssystems (Gesundheitssystem) haben einen verhältnismäßig geringen Anteil bei der Bestimmung der gesundheitlichen Lage. (Vgl. ebd. S.52)
Die „general socioeconomic, cultural and environmental conditions“ stellen als „Makrofaktoren die komplexesten Determinanten der Gesundheit dar“ (ebd.) und können sich beispielsweise in sozialen Ungleichheiten ausdrücken (vgl. ebd.).
Als öffentliche Verantwortung könnte im Hinblick auf die strategische Gesundheitsförderung die Aufgabe formuliert werden, präventive und chanceneröffnende Potenziale von Gesundheit zu eröffnen (vgl. ebd. S.50). Einerseits kann dies durch Strategien der „Krankheitsprävention“ erfolgen, die vorrangig auf die Einschränkungen von Krankheitsrisiken zielen (vgl. ebd.). Oder weiter kann der Gewinn durch die Erweiterung der Grenzbereiche bzw. des „Möglichkeitsraums von Gesundheit“ (ebd.) erfolgen. Angesprochen wird damit vor allem die Stärkung von „Ausgangsvoraussetzungen für Gesundheit“ (ebd.). Die Autoren verweisen weiter darauf, dass dies durch Angebote „angemessener Ernährung, Hygiene, Bildung, Arbeit und Wohnen und gesundheitlicher Versorgung“ (ebd.) erreicht werden könne und dass diese „Determinanten [im Weiteren] die Gesamtheit von Gesundheitspotenzialen in einer Gesellschaft“ (ebd.) ausweiten.
An dieser Stelle muss ergänzend darauf hingewiesen werden, dass ein guter gesundheitlicher Zustand unentbehrlich für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist. So kann eine schlechte Gesundheit dazu führen, „dass Potenziale ungenutzt bleiben, die Betroffenen verzweifeln und Ressourcen in allen Politikbereichen verloren gehen“ (WHO 2013, S.11). Wichtig ist aber, dass andersrum die Qualität der sozialen Gesundheitsdeterminanten „durch politische, ökonomische und soziale Kräfte“ (Richter 2013, S.22) beeinflusst und je nach Ortslage erheblich differieren kann.
Literarisch haben sich Tendenzen finden lassen, dass sich die öffentliche Verantwortung zunehmend zur individuellen Verantwortung wandelt. So prononciert z.B. Schaal (2018), dass das einzelne Individuum wie nie zuvor in der Forderung steht, „sich um eine adäquate Gesundheitsversorgung selbst zu kümmern“ (S.2f.).
Dieser Wandel lässt sich schon zum Ende des 20. Jh. an den Ergebnissen der ausgerichteten Symposium „Gesundheit, unser höchstes Gut?“ (1998 Heidelberger Akademie der Wissenschaften) manifestieren. So zeigte sich, dass auf der einen Seite das Gesundheitssystem in Zukunft nicht mehr (für jedermann) bezahlbar sein würde und dass auf der anderen Seite die Zufriedenheit sowie das Vertrauen gegenüber der „Schulmedizin“ abgenommen hat und zunehmend abnehmen wird. In der Folge würde daraus der Zuspruch an alternativen Heilmethoden zunehmen. (Vgl. Vogel 2003, o.S.)
Zusammenfassend lässt sich in diesem Teilkapitel sagen, dass psychische, physische, kulturelle und transzendente Aspekten im Zusammenspiel mit den umgebenden natürlichen und gesellschaftlichen
Systemen unabdingbare Bedingungen für Gesundheit und Krankheit spielen und zudem Gesundheit auch ein wichtiger Bestandteil für die gemeinschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ist. Bildung ermöglicht den Menschen eine aktive Einflussnahme auf die eigene Gesundheit und deren Determinanten. (Vgl. WHO 2013, S.11)23
Für die weiterführende Thematik der Gesundheitsbildung lässt sich abschließend betonen, dass Gesundheit und Bildung unentbehrlich zu einander stehen und somit laut Schaal (2018) einen elementaren Teil der alltags- und lebensweltlichen Teilhabe zu sein vermag (vgl. S.2f.).
3 Die Gesundheitsbildung
Die in dieser Arbeit aufgezeigten Darstellungen und Verständnisweisen von Gesundheit verweisen darauf, dass laut „einem holistischen Verständnis die Beschäftigung mit Gesund-/Krankheit, Körperleiblichkeit oder Sterblichkeit selbstverständlicher Teil von Bildung [ist]“ (Käpplinger; Falkenstern 2018, S.2).24
Zu Anfang dieses Kapitels scheint es zunächst wichtig zu sein, darauf hinzuweisen, dass sowohl Begrifflichkeiten als auch Verständnisse von Gesundheitsbildung erheblich differieren. In dem Folgenden sollen daher verschiedene Begriffsklärungen dargestellt werden, die einander aufbauen und zunächst dem grundlegenden Verständnis dienen sollen. Die historische Entwicklung wird dabei weitestgehend unbeachtet bleiben.
3.1 Begriffliche Einordnungen
Zunächst einmal meint Bildung im Zusammenhang der Gesundheit ganz formal: „Aktivitäten, die auf Gesundheit abzielen“ (Pflaumer 1994, S. 32). Etwas zugespitzter beschreibt Dehmer (2018), dass die Gesundheitsbildung „Anregungen und Hilfestellung für persönliches Gesundheitshandeln“ (S.7) geben soll. Diesen persönlichen Aspekt nimmt Wulfhorst (2002) vertiefend auf. Demnach soll Gesundheitsbildung als Bildung zur gesundheitsorientierten Lebensweiseverstanden werden, die von Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung geprägt ist (vgl. S.38). Hörmann (2009) eröffnet einen detaillierteren Zugang, indem er darauf verweist, dass Bildung aus der Sicht des „Edukan- den [als] Mathetik (Lernkunst)“ (S.18) und der selbstgesteuerten Gestaltung hinsichtlich der Überwindung eines unverarbeiteten Rohzustandes verstanden wird. Somit definiert er Gesundheitsbildung als „Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten zur Ausformung eines ,kultivierten Lebens- stils‘ (als gesundheitliches Wohlbefinden in Selbstbestimmung).“ (ebd.)
Die WHO definiert Gesundheitsbildung in dem Glossar der Gesundheitsförderung (1998) wie folgt:
„Gesundheitsbildung/Gesundheitserziehung umfaßt (sic!) bewußt (sic!) gestaltete Lernmöglichkeiten, die gewisse Formen der Kommunikation einschließen und zur Verbesserung der Gesundheitsalphabetisierung (healthliteracy) entwickelt wurden; letztere schließt die Erweiterung von Wissen und die Entwicklung von Alltagskompetenzen (lifeskills) ein, die individueller und kollektiver Gesundheit förderlich sind“ (WHO 1998, S.10).
Ausgehend diesen Bedeutungszuschreibungen, lässt sich auf die Darstellungen unter 2.3 verweisen, dass Gesundheit hier nicht als vorrangiges Ziel formuliert wird, sondern als Bestandteil des alltäglichen Lebens (siehe S.13).
In der Literatur finden sich auch Begriffe wie Gesundheitserziehung, Gesundheitsprävention und Gesundheitsförderung, die oftmals synonym für Gesundheitsbildung Verwendung finden (vgl. Wul- fhorst 2002, S.25). Inwiefern sich die einzelnen Begrifflichkeiten voneinander abgrenzen, wird in dieser Arbeit nicht vertiefend diskutiert. Lediglich soll zum einen darauf hingewiesen werden, dass Gesundheitserziehung und Gesundheitsbildung meist in Einrichtungen und Institutionen der Erziehung stattfinden und darauf zielen, durch pädagogische Arbeit das Gesundheitsbewusstsein zu fördern.25 Zum anderen ist eine differenzierte Betrachtungsweise der Begriffsverwendung von Gesundheitsförderung und Prävention notwendig, denn diese unterliegen einer unterschiedlichen konzeptionellen Vorstellung. Die Prävention knüpft an den Risiken an, um konkrete Krankheiten zu verhindern, hingegen knüpft die Gesundheitsförderung an den Ressourcen an, um diese zu fördern (vgl. Kolip 2005, S.47). Hier lässt sich die konzeptionelle Verankerung der Gesundheitsförderung auf das Prinzip der Salutogenese richten. Die Orientierung liegt bei den Ressourcen und der Frage danach, was Menschen gesund erhält. Die Gesundheitsbildung geht somit den Fragen nach der Entstehung und Erhaltung von Gesundheit nach.26
Käpplinger (2012) betont, dass Gesundheitsbildung aus Gründen der Zeit und politisch verwobenen Abhängigkeit nicht alleinig auf das Privatinteresse gestuft werden solle (vgl.S.58). Damit kann auf den unter 2.3 formulierten Aspekt verwiesen werden, dass eine gute Gesundheit als wichtige gesamtgesellschaftliche Ressource zu sehen ist.
In diesem Kontext verweisen Hoh und Barz (2018) darauf, dass Gesundheitsbildung als Teil „des Bildungswesens als auch des Sozialwesens und des Gesundheitssystems“ (S.1030) Betrachtung finden muss.27
Kolip (2005) prononciert, die Gesundheitsbildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen. Für den Erhalt und die Förderung der Gesundheit wäre somit die Sozialversicherung, die staatlichen und nicht-staatlichen Stellen auf Bundes-, Landes- und Kommunalerebene sowie das einzelne Individuum in der Verantwortung. Kolips Forderungen daraus sind, aufgrund komplexer Strukturen durch die Vielzahl unterschiedlicher Akteure und Interessenvertreter, Diskussionen über zukünftige Strukturen der Koordination, Vernetzung sowie Kommunikations- und Abstimmungsprozesse auch außerhalb des engeren Gesundheitssektors zu führen sind. (Vgl. S.49)
Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ist es wichtig, im Folgenden auf die Herausforderungen und Spannungsfelder hinzuweisen, die aus diesem Handlungsfeld entstehen können.
3.2 Herausforderungen und Spannungsfelder
Damit ein tieferliegendes Verständnis über die Spannbreite des Handlungsfeldes aufgebaut werden kann, bietet es sich in einem ersten Schritt an, die Bereiche der Gesundheitsbildung im kurzen aufzuzählen.
Literarisch haben sich zum Beispiel folgende Oberkategorien finden lassen: „Ernährung, Bewegung, Entspannung, Selbsterfahrung und Verhalten, Gesellschaft und Umwelt, Erkrankung, Heilung sowie Leben mit Krankheiten und Abhängigkeiten mit jeweils zugeordneten Aktivitätsformen“ (Hörmann 2009, S.20).
Im Kontext der öffentlichen Erwachsenenbildung haben die Volkshochschulen eine Buchreihe unter dem Titel: „vhs- gemeinsam Gesundheit erleben“ entwickelt. Darin wurden Kurskonzepte zu 16 Themenfelder der Gesundheitsbildung veröffentlicht. Ziel sollte sein, den Gesundheitsbildungsansatz der Volkshochschulen in die Kurspraxis zu transportieren.28 (Vgl. Kracke 2005, S.65) Auf der Homepage des Deutschen Volkshochschulverbandes lassen sich im Programmbereich Gesundheit, Kursangebote zu folgenden Kategorien finden: Entspannung/Stressbewältigung, Bewegung/Fitness, Prävention/Krankheit/Gesundheit, Gesundheitspflege, Gesundheit und Psyche und zuletzt fachgebietsübergreifende und sonstige Kurse (vgl. volkshochschule.de). Im rückfassenden Vergleich zu den allgemein formulierten Kategorien fällt hier auf, dass die Heilung keine kategorische Einteilung findet.
Neben den Volkshochschulen gibt es weitere Anbieter, die den Bereich der Gesundheitsbildung vertreten. Aus diesen Koexistenten resultieren Folgen von Konkurrenz.
Völkening (2014) nennt als die drei größten Anbieter die Träger der öffentlich geförderten Erwachsenenbildung, Sportvereine und den Kneipp-Verein. Weiter bieten Verbände wie die Arbeiterwohlfahrt oder auch Therapeutengemeinschaften, Kur- und Rehakliniken Gesundheitskurseim kleineren Rahmen an. (Vgl. S.36)
An dieser Stelle ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Akteure unterschiedlichen konzeptionellen Vorstellungen nachgehen. So orientieren sich Kliniken und Praxen an der Pathogenese, also der Wiederherstellung von Gesundheit, hingegen richten sich Bildungseinrichtungen an der Gesunderhaltung also nach der Salutogenese. Trotzdem resultieren durch die Vielzahl der Anbieter Konflikte um finanzielle Ressourcen. Die Träger der öffentlich geförderten Erwachsenenbildung ringen in Konkurrenz zu den Sportverbänden um Zuschüsse für ihre Angebote. (Vgl. ebd.) In diesem Kontext finden vorwiegend Debattenüber die Kriterien der Förderungswürdigkeit und Abgren- zungsdiskussionen zwischen Organisationen und ihren Herangeh enswei sen statt (vgl. Rothenberg 2007, S.97-99).29 Darüber hinaus schließt die Durchführungsverordnung wesentliche Bereiche von den Förderungen aus. So legt bspw. der §3 der Verordnung zur Durchführung des Erwachsenenbildungsgesetzes bindend fest, dass Bereiche der Förderung ausgeschlossen werden, sofern es sich um Bildungsmaßnahmen handelt, „die [...] auf sportliche Weiterbildung, Erste Hilfe oder Gymnastik gerichtet sind [oder] dem Erwerb esoterischer, astrologischer oder vergleichbarer Techniken dienen“ (DVO §3). Schlussfolgernd sind somit viele Angebote der Bewegung aus dem Katalog der förderungswürdigen Maßnahmen ausgeschlossen und weiter gar Veranstaltungen mit esoterischem Charakter reglementiert. Im Kontext der Arbeit lässt sich daraus also die weiterführende Fragestellung aufwerfen, inwiefern die 33 Verfahren aus dem Angebot der Volkshochschulen, die von dem Prof. für Komplementärmedizin Edzard Ernst bewertet wurden, tatsächlich den Kriterien der Förderung standhalten? Gleichzeitig lässt sich daraus hinterfragen, in welchem Ausmaß die Volkshochschulen allgemein in der Forderung stehen, Eigenbeträge zu erwirtschaften? Diesen Fragen wird im Laufe dieser Arbeit vertiefend nachgegangen.
Abschließend ist in diesem Abschnitt betonend darzustellen, dass diesem Ausschluss ebenfalls die Spannung der Teilnehmerinteressen gegenübersteht. So erwarten Teilnehmende bei Methoden wie Yoga oder Qi Gong Übungen, die auf die Stabilisierung der Gesundheit oder Entspannung abzielen. In welche Prekäre die Programmplanenden aufgrund dieses Spannungsfeldes geraten, wird im Verlauf der Arbeit ebenfalls vertiefend aufgenommen (siehe u.a. Kapitel 5).
3.3 Gesundheitsbildungen in der Weiterbildung
Die Relevanz der Gesundheitsbildung in der EB/WB hat sich „in den letzten Dekaden erheblich erhöht“ (Käpplinger; Falkenstern 2018, S.1). Auch Völkening (2014) macht auf diesen Anstieg aufmerksam und betont, dass innerhalb der öffentlich geförderten Erwachsenenbildung die Angebote der Gesundheitsbildung eine zunehmende Rolle spielen (vgl. S.36).30
[...]
1 In dieser Ansicht stehen erkennbare Ursachen, wie bspw. Keime im direkten Zusammenhang der Wirkung also der Schädigung des Organismus, was schlussendlich als Krankheit definiert wird (vgl. Richter 2013, S.19).
2 Die WHO besteht aus 14 Sonderorganisationen der vereinigten Nationen. Diese haben sich zur Aufgabe gesetzt Konzepte zur Gesundheit festzulegen. Die Weltgesundheitsversammlung wird einmal jährlich in Genf durchgeführt.
3 Titel: „ Wohin das Qi fließt Esoterik Lomi Lomi, Edelsteinheilkunde, Schröpfen -ungeniert bieten deutsche Volkshochschulen Kurse zu fragwürdigen und sogar gefährlichen Heilmethoden an. Dafür kommt auch der Steuerzahler auf“ (Hackenbroch; Pauly 2018, S.98-101).
4 Franke (2012) veranschaulicht die historischen Abhängigkeiten, anhand einiger Definitionen aus unterschiedlichen Zeitepochen (S.36-38). Eine kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Gesundheits- und Krankheitsbegriffen finden sich bei Franzkowiak 1985; Haug 1991; Overbeck 1984.
5 Ergänzend lassen sich zudem die psychologische Perspektive, -die den Fokus auf normales vs. anormales Verhalten richtet und zuletzt die juristische Perspektive, -die den Anspruch auf Heilbehandlung festlegt, hinzuziehen (vgl. Gangl 2015, S.03-2).
6 In weiteren Verlauf dieses Kapitels wird ergänzend aufgenommen, warum sich Gesundheit auch als Wertaussage umschreiben lässt (siehe dazu S.8).
7 Ratifiziert im Jahre 1947 und in Kraft getreten im Jahre 1948.
8 dt. org. Übers.: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustands zu erfreuen, ist eines der Grundrechte jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung"(WHO 1948b, S.1).
9 Indem Bezug auf die deutsche Übersetzung, weisen Franzkowiak und Hurrelmann (2018) auf mögliche Verschiebungen hin. So fand der englische Begriff „state" in der deutschen Übersetzung die Formulierung „Gesundheit als Zustand". Der englische Originalbegriff meint aber vielmehr ein dynamisches Stadium, welches eine „Balance im Spannungsfeld zwischen Ressourcen und Belastungen aktiv herzustellen versucht" (S.2/6). Franzkowiak (1996) verwies darauf, dass der Begriff „complete" (im Deutschen „vollständig") eher der Übersetzung als „umfassend" gilt (vgl. Wul- fhorst 2002, [Fußnote] S.21).
10 Kritiken an der Definition der WHO lassen sich u.a. in Franzkowiak; Hurrelmann 2018, Hörmann 2009 (S.39) und Zwick 2004 (S.28) nachlesen. Gemein haben die Kritiken der Autoren, dass Gesundheit darin immer noch als Zustand formuliert wird und sich so die Mehrdimensionalität nicht bestätigt.
11 Wulfhorst (2002) verweist darauf, dass dieser Zuteilung (Gesundheit als Wertaussage) viele Autoren kritisch anmerken, dass Gesundheit so hingehend als absoluter Richtwert und in der Folge zu Legitimation von Gesundheitszwängen führen könne (vgl. S.22).
12 Antonovsky führte erstmals in seiner Publikation „Health, Stress and Coping" (1979) in das Modell der Salutogenese ein welches er dann 1987 unter dem Titel: „Unraveling the Mystery of Health - How people manage stress and staywell" veröffentlichte. Die deutsche Übersetzung wurde im Jahr 1997 unter dem Titel: „Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit" von Alexa Franke veröffentlicht.
13 Tatsächlich zeigt sich, dass sich zwar eine theoretische Erweiterung hinsichtlich (psychologischer, sozialer- und umweltwissenschaftlicher) Wissensbestände und somit Paradigmenwechsel stattgefunden hat - aber die Salutogenese in der Medizin weitestgehend ungenutzt bleibt (vgl. Gangl 2015, S.03-2).
14 u.a. die Deklaration von Alma-Ata, das WHO-Dokument: „Gesundheit für alle" oder der geführten Diskussion zum „intersektoriellen Zusammenwirken für die Gesundheit" (Dehmer 2018, S.18f.).
15 Die Anwesenden der Konferenz appellierten zum aktiven Handeln für das Ziel „Gesundheit für alle" bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus. Das Präventionskonzept der Ottawa Charta stieß auf breite Resonanz. Tatsächlich haperte es aber an der Umsetzung der darin enthaltenden Grundsätze. Nachzulesen u.a. in Rosenbrock 1998 S.8.
16 Nicht unerwähnt sollte hier bleiben, dass auch die gesundheitsbezogene Forschung eine stärkere Aufmerksamkeit bekommen muss (vgl. WHO 1986, S.5).
17 Die WHO erkannte folgende Worterklärung von Hurrelmann (1988) im Jahre 1998 als Weiterentwicklung ihrer eigenen Definition an: „Gesundheit setzt sich demnach aus physischen, psychischen und sozialen Anteilen zusammen, die sich wechselseitig beeinflussen. Gesundheit ist eng mit individuellen und kollektiven Wertvorstellungen verbunden, die sich in der persönlichen Lebensführung niederschlagen. Sie ist ein Balancezustand, der zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut hergestellt werden muß (sic!). Sie ist kein passiv erlebter Zustand des Wohlbefindens, wie die rein körperliche Fixierung des Begriffes in der klassischen Medizin nahelegt, sondern ein aktuelles Ergebnis der jeweils aktiv betriebenen Herstellung und Erhaltung der sozialen, psychischen und körperlichen Aktionsfähigkeit eines Menschen. Soziale, ökonomische, ökologische und kulturelle Lebensbedingungen bilden dabei den Rahmen für die Entwicklungsmöglichkeiten von Gesundheit" (S.17). In dieser Formulierung werden gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen mitgedacht.
18 Instagram= werbefinanzierter Online Dienst. Influencer*innen= Personen die durch ihre Präsenz für Werbung und Vermarktung genutzt werden. Blog= tagebuchähnlich geführte Webseite. Vlog= Kunstwort aus Video und Blog, Einträge sind in Video-Form. (Vgl. Kobilke 2014).
19 Aus dem Bericht „The State of Food Insecurity in the World 2015" hat herausgefunden, dass ca. 795 Millionen Menschen von insgesamt 7,5 Milliarden Menschen hungern. Die meisten davon stammen aus Entwicklungsländern (stand 2015). (Vgl. o.A. Welthungerhilfe.de) Sehr überspitzt ist hier anzunehmen, dass diese Menschen wohl kaum „besessen vom Gesundheitswahn" zu sein Vermögen. Rückfassend auf das eben formulierte Beispiel (Instagram) erscheinen in diesem Kontext die ca. 220 Millionen Einträge doch schwindend gering.
20 An dieser Stelle muss betonend darauf hingewiesen werden, dass diese Entwicklung von weitaus größeren Faktoren wie dargestellt abhängig war.
21 In dem Bezug auf die zugrunde liegende Berichterstattung muss so hingehend differenziert werden, dass dort die jeweiligen Verantwortlichen angesprochen und hier die Verbraucherinnen angesprochen werden.
22 Die Hypothese lässt sich an vielfachen und allgemein bekannten Beispielen festmachen. So weiß jeder der schon einmal berufstätig war, wie sich gute oder auch schlechte Bedingungen auf das allgemeine Wohlbefinden auswirken. Ein Blick auf die Zahlen vom Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung aus dem Jahr 2017 zeigt, dass allein in Deutschland (bestehen gegenüber anderen Ländern sehr hohe Arbeitsschutzmaßnahmen) 75.187 Menschen Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit (BK) erhoben haben. In 19.794 wurde tatsächlich eine BK anerkannt, wobei in 18.286 weiteren Fällen die BK zwar festgestellt wurde, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aus juristischer Sicht hingegen nicht erfüllt waren. Im Weiteren wurden in diesem Berichtsjahr 2.580 Todesfälle infolge einer Berufskrankheit verzeichnet. (Vgl. dguv.de)
23 In dem Bericht Gesundheit 2020 wird ergänzend betont, dass ohne die aktive Beteiligung der Menschen selbst viele Chancen der Gesundheitsförderung und zum Gesundheitsschutz ungenutzt bleiben (vgl. WHO 2013, S.11).
24 Altheit und Nittel (2014) verweisen darauf, dass es zwar wichtig sei sich an der holistischen Perspektive zu orientieren, aber dies keinen falls in die triviale Perspektive rücken darf. Es bestehe die Gefahr, dass bei den ganzheitlichen Begründungsansätzen eine Simplifizierung stattfinden könne und so suchen die Autoren nach einer alternativen Legitimationsstrategie einer nicht selektiv orientieren Gesundheitsbildung (vgl. S.25).
25 In der einzelnen Betrachtung der Begriffe lässt sich Gesundheitserziehung auf Institutionen der Kinder- und Jugenderziehung und die Gesundheitsbildung auf Institutionen der Erwachsenenbildung einteilen.
26 An dieser Stelle lässt sich ergänzend darauf hinweisen das Gesundheitsbildung und Gesundheitsförderung korrekterweise auch keine synonyme Verwendung finden dürfen. Aufgrund, dass die Gesundheitsbildung an Volkshochschulen auf dem Gesundheitsförderungsansatz beruht, habe ich mich der Einfachheit wegen dazu entschieden, keine Abgrenzung vorzunehmen.
27 Überblicke zum Gesundheitszustand der Bevölkerung: Statistisches Bundesamt.
28 Betont wird, dass durch eine Vielzahl an Angeboten für Fort- und Weiterbildungen für Volkshochschul- Mitarbei- ter/-innen die Umsetzung in die Praxis sicherst gestellt werden solle (vgl. Kracke 2005, S.65).
29 Völkening (2014) verweist ebenfalls auf den wichtigen Aspekt, dass sich zudem Unterschiedlichkeiten hinsichtlich der Förderung für Gesundheitsbildung innerhalb der einzelnen Länder zeigen (vgl. S.36).
30 Käpplinger (2012) verweist auf die These von Körber et al. (1995, S. 513) „das[s] sich die Entwicklung der Gesundheitsbildung besonders eignet, um Veränderungen der Struktur in der gesamten Weiterbildung zu kennzeichnen" und zieht daraus den Schluss, dass der Stellenwert der Gesundheitsbildung „zu den Folgenreichsten Innovationen[der EB/WB] der achtziger Jahre [zählt]" (S. 58).
- Citar trabajo
- Janina Aldag (Autor), 2019, Gesundheitsbildung in der Weiterbildung. Im Spannungsgefüge zwischen medialer Kritik und den Herausforderungen des Handlungsfeldes, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/997138
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