Der Dharma
Dharma (chin. Fa, jap. Ho, auch Datsuma) bedeutet übersetzt „Lehre", „Naturgesetz" oder „so wie es ist". Wörtlich heißt Dharma „tragen, halten". Im Pali (Umgangssprache) heißt dieses Gesetz Dhamma. Dharma ist ein zentraler Begriff des Buddhismu s. Dharma hat verschiedene Bedeutungen. Grundlegend kann man sagen, dass es die Lehre ist woraus Personen entstehen, und die von ihnen erlebte Umwelt. Alle irdischen Erscheinungen sind flüchtig und beeinflussen sich gegenseitig.
Bei seiner Erleuchtung entdeckte Buddha den Dharma und lehrte ihn anderen. Die verschiedenen Richtungen des Buddhismus kann man als unterschiedliche Arten der praktischen Umsetzung dieser Wahrheit betrachten.
1. Grundsätze des Dharma
Buddha selbst hat sich unter den Dharma gestellt. Nach seinem Tod sollte sein Leichnam nicht verehrt werden. In Asien nennen sich viele seiner Anhänger auch nicht „Buddhisten" sondern „Anhänger des Dharmas". Der Dharma stellt kein spekulatives Wissen dar, das aus den gedanklichen Konstruktionen Mehrerer entstanden ist. Es besteht nicht aus Ansichten, sondern beschreibt nur „so wie es ist". Es ist kein Lerngegenstand, den man in der Schule „lernt". Der Dharma ist kein religiöser Glaube, der uns übernatürliches Gewissheit vermittelt. Auch lehnt der Buddhismus jedwege Dogmen ab. Der Dharma entstand nicht aus Spekulationen über letzte Fragen, da sie nicht belegbar sind und somit auch nicht unumstößlich sind, und keinem Heil und inneren Frieden bringen. Der Dharma ist eine geistige Realität, die nicht erst durch die Entdeckung durch Buddha entstanden ist. Dies soll sich in den Taten der Anhänger widerspiegeln. Das Ziel ist die Erlösung aus dem leidvollen Kreislauf der Geburten. Der Buddhismus ist eine sehr tolerante Religion. Sie drängt sich niemanden auf. Anhänger soll man aus eigenem Antrieb werden.
2. Das kosmische Weltgesetz
Der Dharma ist ein kosmisches Gesetz. Es ist das absolute und unpersönliche Weltgesetz. Es sind die Kräfte, die bewirken, dass Personen und die von den Personen erlebte Welt zustande kommt. Der Buddhismus sieht aber nichts als absolut an, weshalb alle Sinneseindrücke des Menschens Illusionen sind. Es ist gegenstandslos. Es kennt keine Gegensätze. Anfang und Ende haben ihren Sinn verloren. Der Dharma ist unpersönlich, weil Personen auch immer Gegensätze haben. Sind alle Gegensätze verschwunden, ist das Nirwana erreicht. Dann ist das Karma ins Dharma eingegangen.
3. Die vier edlen Wahrheiten des Leidens
Ein sehr wichtiger Bestandteil des Dharmas sind die vier edlen Wahrheiten des Leidens (dukkha). Einige reduzieren den Buddhismus sogar auf die Lehre des Leidens. Wer diese Wahrheit begriffen hat, geht ins Nirwana ein. Dieses Wissen muss emotional bis ins Unterbewusstsein eindringen, um verinnerlicht zu werden. Dies geschieht hauptsächlich bei der Meditation. Es kann nicht rational erkannt werden.
Die Wahrheit Nr. 1 ist die Allgegenwart und Unvermeidbarkeit des Leidens. Das Dasein ist Leiden. Schon die Geburt bedeutet Leiden, Alter ist Leid, Krankheit ist Leiden und der Tod ist Leiden. Auch das Verbundensein mit Ungeliebtem ist Leid und das Getrenntsein mit Geliebtem ist Leid. Auch wenn sich Träume und Wünsche nicht erfüllen oder Illusionen zusammenbrechen, ruft dies Leid hervor. Doch der Begriff „Leid" ist nicht so eng gefasst, dass er nur schmerzvolle Dinge beinhaltet. Auch Freude ist untrennbar mit Leid verbunden, denn auch alles Schöne, Freudvolle ist vergänglich und unbeständig, was leidvoll ist.
Die Wahrheit Nr. 2 ist die Ursache des Leidens. Ursache des Leidens ist der Lebensdurst. Der Streben nach Glück und Wohlstand. Das Begehren, die Gier, das Wollen und das Verlangen bringen Leid. Von diesem Streben ist der Mensch bestimmt und der Durst wird niemals gestillt werden, da es immer etwas Neues zu erleben, zu kaufen oder zu sehen gibt. Das führt dazu, dass neues Karma entsteht, und es eine neue Wiedergeburt gibt. Es zählt aber nur der eigene Lebensdurst oder der eigene Wille. Wenn ein anderer einem Leid zufügen will, gilt das nicht als Ursache des eigenen Leids. Im Buddhismus is t jeder für sich selbst verantwortlich, und somit auch für sein Leiden.
Die Wahrheit Nr. 3 ist das Überwinden des Leidens. Es ist die logische Schlussfolgerung der ersten beiden Wahrheiten. Zum Überwinden des Leidens muss die Lebensgier erlöschen. Man muss die Ursachen beseitigen, und die Auswirkungen verschwinden. Buddha kam zu dem Schluss, dass der Durst nach Existenz, Gefühlen, Dingen, Vorstellungen, Erinnerungen usw. beendet müsse, um sich vom Leid zu befreien. Jeder muss selbst für die Unterdrückung und völlige Aufhebung des Lebensdurstes sorgen. Nicht die Veränderung des Umfelds oder der Gesellschaft kann die Leiden eines Menschen lindern. Dies kann ausschließlich individuell geschehen. Dafür wird Meditation benutzt. Im Laufe seiner Geschichte hat der Buddhismus verschiedene Antworten auf die Frage gefunden, wie die Aufgabe des Lebensdurstes aussieht. Doch in allen Antworten spiegelt sich die Ablehnung der alltäglichen Genüsse wieder. Buddha selbst repräsentierte die mittlere Linie. Er lehnte völlige Enthaltsamkeit ab, da er die Askese als untaugliches Mittel ansah, weil sie nur neus Leid schafft, genau wie dem Nachgeben des Lebensdurstes. Seine Heilung nennt sich auch der „mittlere" Pfad.
Die Wahrheit Nr. 4 ist der Weg, der zur Befreiung einer Wiedergeburt führt. Dies ist der edle achtfache Pfad. Es ist die praktische Umsetzung der Wahrheit Nr. 3.
3.1 Der achtfache Pfad
1. Rechte Erkenntnis: Verständnis/Ansichten/Ideologie/Anschauung
2. Rechte Gesinnung: Absicht/Einstellung/Motivation
3. Rechte Rede: Sprache/Ausdruck
4. Rechte Tat: Handeln (Einhaltung der Ge - und Verbote)
5. Rechter Lebenserwerb: Beschäftigung (möglichst Bettelmönch)
6. Rechte Anstrengung: Streben (nicht müßig sein)
7. Rechte Achtsamkeit: Beherrschung der Gedanken/Überdenken
8. Rechte Sammlung: Meditation/Versenkung/Sich-Versenken
„Recht" ist nicht das Gegenteil von falsch. Es soll eher ausdrücken, dass jeder herausfinden muss, was in Lebenssituationen angemessen ist. Der achtfache Pfad wird in drei Gruppen unterteilt. Es gibt die Gruppe der Erkenntnis Nr. 1-2, die Gruppe der Zucht Nr. 3-5 und die Gruppe der Meditation Nr. 6-8. Der achtfache Pfad darf aber nicht als ein Regelwerk verstanden werden, das nur chronologisch befolgt werden muss. Jedes Glied steht in Beziehung zu anderen. Es ist nur rechtes Handeln durch rechte Erkenntnis zu erreichen. Der achtfache Pfad beschreibt als Ganzheit die Realität.
Gruppe der Erkenntnis:
Glied 1 steht für das Ablegen des buddhistischen Gelübdes:
„Ich glaube an den Buddha, ich glaube an den Dharma, ich glaube an den Samgha (Die Mönchsgemeinde)". Wer begreift, dass das Leiden unvermeidbar ist, hat die Erkenntnis. Er weiß, dass alles vergänglich ist und in wechselnder Beziehung steht. Daran zu glauben heißt aber nicht, dies bloß zu wissen. Man muss dies im tiefsten Innern verinnerlicht und erlebt haben.
Glied 2 steht für das Ablehnen jeglicher Gewalt, Begehren, Sinnenlust und Übelwollen. Gruppe der Zucht:
Glied 3 besagt, dass wer recht redet nicht lügt, niemanden verleugnet, sinnvoll redet, nicht schimpft, nicht flucht und keine rohe Reden führt. Rechtes Reden beinhaltet, dass man freundlich und zweckentsprechend spricht. Glied 4 ,rechte Tat, ist nicht zu töten, nicht stehlen, keinen unerlaubten Geschlechtsverkehr zu haben und gute Werke vollbringen.
Glied 5 seinen rechten Lebenserwerb nur mit ehrlichen Tätigkeiten zu fristen, die nicht gegen die Gebote verstoßen. Sie müssen mit dem Grundsatz der Gewaltlosigkeit vereinbar sein.
Gruppe der Meditation:
Glied 6 sagt aus, dass zur rechte Achtsamkeit gehört, unheilvolle Dinge nicht entstehen zu lassen, dass man unheilvolle Dinge beseitigt, dass man heilvolle Dinge schafft ,und dass man heilvolle Dinge erhält. Meditation soll einem davor bewahren, sich zu tief in die Dinge einzulassen, und damit Karma anzuhäufen. Glied 7 ist rechte Sammlung. Es meint ein ruhiges, besonnenes Betrachten des Körpers, seiner Empfindungen, des Denkens und der Gegenstände außerhalb von uns. Beim Meditieren soll man auf seine Empfindungen achten und sich klar machen, dass all dieses unbeständig ist.
Glied 8, das des Sich-Versenkens, stellt die Methode des Meditierens dar. Zuerst konzentriert sich der Meditierende auf einen Gegenstand. Er eliminiert alle anderen Sinneseindrücke und sammelt sich. Hemmungen und Triebe verschwinden. Nun kann er die verschiedenen Stufen der Meditation erreichen. Bei der ersten Stufe ist man begeistert und denkt folgerichtig. Dann nimmt man die Außenwelt nicht wahr, das folgerichtige Denken hört auf und man ist nur glücklich. Bei der nächsten Stufe ersetzt Gleichmut, Bewußtheit und Vollkommenheit das Glücksgefühl. Jetzt verschwinden alle Gefühle und Empfindungen. Der Meditierende ist freudlos, leidlos. Der Geist ist gleichmütig rein.
4. Der mittlere Pfad
Ein Teil des edlen achtfachen Pfades ist der mittlere Pfad. Er ist die buddhistische Ethik. Dies sind zehn Gebote. Die letzten fünf gelten nur für Mönche; die ersten fünf auch für Laien.
1. Man schadet keinem Lebewesen. Hier stimmt der Buddhismus mit dem Hinduismus völlig überein und vertritt den absoluten Gewaltverzicht.
2. Man nimmt nicht, was nicht gegeben wird. Der positive Teil des Gebots ist, dass man auch freigiebig sein soll.
3. Man soll nicht unkeusch leben. Für Laien bedeutet das nur, dass Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehr untersagt ist. Mönche ist dies ganz untersagt.
4. Man soll nicht lügen. Außerdem soll man nur freundliche Worte sprechen.
5. Es verbietet sich berauschende Getränke oder Drogen zu konsumieren.
6. Mönche dürfen nach dem Mittagsmahl kein Essen mehr zu sich nehmen.
7. Es werden Tanzen, Musik, Singen und ungebührliche Darbietungen verboten.
8. Girlanden, Parfüms und persönlicher Schmuck sind nicht erlaubt.
9. Die Verwendung hoher und luxuriöser Sitze und Betten ist untersagt.
10. Man darf kein Gold oder Silber annehmen.
5. Die fünf Daseinsfaktoren Skandhas
Buddha bestreitet, dass es ein oder mehrere Urstoffe gibt, aus denen sich der Mensch zusammensetzt. Auch war er nicht der Meinung, das der Mensch aus Leib und Seele besteht. Den Dualismus verneint er. Für ihn gibt es kein Urgrund des Seiens. Er glaubte auch nicht an einen Anfang oder ein Ende des Universums. Substanzen, die eine längere Zeitdauer überstehen, werden fälschlich als absolut angenommen, also Bausteine für anderes. Doch die beobachteten Eigenschaften sind von Menschen künstlich geschaffene Begriffe. Menschen sind aber zu beschränkt und kurzlebig, um den unbegrenzten Lauf der Zeit zu überblicken. Das einzige was zu beobachten ist, sind die wechselnden Einflüsse Dharmas, auch Daseinsfaktoren genannt. Es sind wechselnde Prozesse. Völlig unbeständig und vergänglich.
Dies könnte man mit einem Feuerwerk vergleichen. Ein Feuerwerk besteht aus vielen Explosionen. Jede Rakete explodiert, glüht und vergeht. Jede diese Rakete könnte ein Dharma darstellen. Nur zusammen ergeben die Raketen ein Feuerwerk und sind doch völlig unbeständig.
Wenn man dies auf den Menschen bezieht, ergibt sich, dass der Mensch kein erfahrbares Selbst hat, da auch der Mensch nicht von Dauer ist. Die Vereinigung vieler Daseinsfaktoren Dharma, bildet eine Persönlichkeit. Die sind Farben, Töne, Sinne, Atem, Rede, Schlaf, Gesundheit, Krankheit, Unglück, Reichtum, Schönheit usw. Die Daseinsfaktoren für den menschlichen Körper sind in fünf Gruppen unterteilt; die Skandhas (Sanskrit). Im Pali (Umgangssprache) werden sie Khandas genannt. Wörtlich übersetzt heißt dies „Gruppe, Anhäufung".
1. Rupa bedeutet das Körperliche. Hiermit sind die Körperwärme, der Atem, sowie Haut, Fleisch, Muskeln und Knochen gemeint. Im menschlichen Organismus sind die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft enthalten.
2. Wedana sind Empfindungen bzw. Gefühle. Damit sind erste passive Reaktionen des Körpers auf äußere Reize, aufgenommen mit den Sinnesorganen, gemeint. Sie zeigt uns, was heilvoll, unheilvoll und neutral ist.
3. Sandnja steht für Wahrnehmungen. Dies sind reflexartige Reaktion auf Farben, Töne, Gerüche, materielle und geistige Bilder, die sehr viel komplexer und aktiver sind.
4. Samskara sind Triebkräfte. Dies sind Willens- und Geistesregungen, die karmaerzeugend wirken. Nun reagiert der Mensch auf die Sinneseindrücke und Wahrnehmungen und interpretiert sie. Er entwickelt Begierden, Vorstellung oder Sehnsüchte. Von diesen Wünschen wird der Mensch gelenkt und sie bestimmen sein Handeln. Das führt zu neuem Leid und verlängert den Kreislauf der Geburten.
5. Widnjana ist das Bewusstsein. Erst hier kann sich der Mensch selbst und seine Umgebung wahrnehmen. Das Bewusstsein wertet die Empfindungen, Wahrnehmungen und Willens- und Geistesregungen aus. Es kann eine Selbstreflektion stattfinden.
Im Laufe der Jahrhunderte haben viele Dogmatiker versucht möglichst viele Daseinsfaktoren in diese fünf Skandhas einzuordnen.
Nicht-Ich
Der Mensch ist keine eigenständige, abtrennbare Persönlichkeit. Die Betrachtung des Menschens als ein Individuum mit einem „Ich" ist eine Illusion. Das Ich ist nicht abgrenzbar von seiner Umwelt. Die Persönlichkeit ist nur ein Zusammentreffen verschiedener Daseinsfaktoren. Diese Ich-Bezogenheit führt zum Leiden. Wer einsieht, dass es kein aus sich selbst existierendes Ich gibt, kann das Leiden überwinden. Meditation ist die Aufgabe des Ichs und das unmittelbare Wahrnehmen der Ganzheit und Ungetrenntheit von der Welt.
Im modernen Buddhismus ist dies nicht so bekannt. Oft wird das Nicht-Ich auch psychologisch umgedeutet und soll nur die Aufgabe von Egoismus bewirken. Die Zentriertheit auf das Ich behindert den Blick auf das Ganze. Im volkstümlichen Buddhismus ist die Lehre vom Nicht-Ich kaum bekannt, da sie sehr schwierig und kompliziert ist. Auch ist eine Wiedergeburt schwer zu erklären, wenn es kein Ich gibt. Die Qualen der Hölle und Freuden des Himmels, sind schwer vermittelerbar ohne Ich. So geht eine Mehrheit selbstverständlich von einem Ich aus.
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- Enrico Horn (Author), 1999, Der Dharma. Grundsätze, Pfade und Wahrheiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99594
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