Das Psychodrama!
1. Was ist Psychodrama?
Dr. J.L. Moreno wurde 1889 in Bukarest geboren und ist der Begründer von Psychodrama, Soziometrie und Gruppenpsychotherapie. Psychodrama und Soziometrie bieten eine Vielfalt von Methoden an, um die Regie auf der Bühne des Lebens wieder bewußt zu übernehmen. Durch Psychodrama schaffen sich Individuen und Gruppen einen kreativen und öffentlichen Raum, um über das Leben zu reflektieren. Psychodrama bietet verschiedene kreative Techniken, die das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen stärken. Im Vordergrund stehen die Dramatisierung, die szenische Darstellung von Lebens- und Arbeitssituationen, sowie das Inszenieren und Erproben von Wunschträumen, Phantasien und Zukunftsprojektionen. Mit einer Erweiterung des Selbstbewußtsein wächst auch die Lust und Fähigkeit eines Menschen auf das eigene Leben. Psychodrama findet heute in Therapie, Schule, Managment und anderen sozialen Bereichen auf der ganzen Welt seine Anwendung.
,,Psychodrama ist mehr als eine therapeutische Methode. Es ist eine Einladung an alle Menschen, die ihr Leben bewußter gestalten wollen. Für alle, die ihre Persönlichkeit optimal ins Leben einbringen möchten."
2. Was bedeutet Psychodrama?
Ziel dieser von Jacob Moreno (1889-1974) ab den 30er Jahren unter Bezugnahme auf die Rollentheorie begründeten Therapieform ist die Freisetzung des kreativen Potentials im Menschen durch spielerisches Darstellen von für den Einzelnen wichtigen Lebenssituationen. So soll der Klient über das Rollenspiel und die anschließende Reflexio aus bisher gelebten alten ,,Rollen" neue Sichtweisen und Handlungsmöglichkeiten entwickeln. Als zentral für das Aufkommen psychischer Störungen wird das Fehlen oder auch das nicht situationsgerechte Einsetzen von Rollen (als bewältigungsorientierte personale Handlungsstrategie) angesehen.
Zentrale Techniken des Psychodramas sind das Doppeln (ein Doppelgänger drückt die Gefühle des Hauptakteurs aus), der Rollentausch (der Protagonist versetzt sich in die Rolle einer anderen , für ihn wichtigen Person) und das Spiegeln (einem Gruppenteilnehmer wird sein Rollenverhalten spielerisch rückgemeldet, in dem die Rolle des Protagonisten von jemand anderem übernommen wird). Der Therapeut als Psychodramaleiter (Regiesseur) schafft eine förderliche Atmosphäre und hat darüber hinaus eine strukturierende und beobachtende Funktion. Psychodrama wird überwiegend in der Gruppe angewandt.
3. Definition und Beschreibung des Psychodramas
Moreno selbst hat das Psychodrama klar und deutlich definiert, so heißt es in seinem Hauptwerk ,, Gruppentherapie und Psychodrama" (Moreno 1959):
,,Psychodrama kann als diejenige Methode bezeichnet werden, welche die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründet. Die Katharsis, die sie hervorruft, ist daher eine ,,Handlungskatharsis"."
Somit geht das Psychodrama durch Handlung über rein sprachliche Formen, wie z.B. die Psychoanalyse, hinaus. Eine weitere, umfassendere Definition findet sich bei Petzold:
,,Das Psychodrama ist eine Methode, in der Situationen, Konflikte, Phantasien über die Verblisation hinaus in Handlung, in dramatisches Spiel, umgesetzt werden, um emotionales Erleben, rationale Einsicht und körperlich vollzogene Aktion zu Erfahrungen von vitaler Evidenz zu verdichten, durch die Änderung von Haltungen und Verhalten möglich wird."
Für Moreno gibt es f ü nf wesentliche Bausteine des Psychodramas:
1.Die B ü hne
Die von Moreno eigens für das Psychodrama entworfene Bühne ist rund und erhebt sich in drei Stufen aus dem im Halbkreis darum angeordneten ZuschauerInnenraum. Auf eine spezielle Bühnenform kann allerdings auch verzichtet werden, da Moreno sie als Lebensraum verstanden wissen will, der überall dort ist, wo sich Menschen befinden, also auch auf der Straße, einem Platz usw. Der Bühnen raum ist eine Erweiterung des Lebens über das wirkliche Leben hinaus. (Moreno 1959)
2.Die ProtagonistIn
ist die zentrale Figur, die AkteurIn im (Psycho-) Drama. Sie soll sich selbst und ihre Konfliktsituationen darstellen, wie sie in der Vergangenheit auftraten oder sich in der Zukunft abspielen könnten.
3.Die LeiterIn
Der SpielleiterIn ist TherapeutIn und leitet die Gruppe. Sie soll stets bereit sein, ,,jeden Fingerzeig, den das Subjekt bietet, aufzunehmen und in die dramatische Handlung einzugliedern, das Spiel mit dem Leben des Subjekts zu identifizieren und es nie die Fühlung mit dem Publikum verlieren lassen" (Moreno 1959).
4.Das Hilfs-Ich
AssistentInnen der TherapeutIn oder MitspielerInnen können zur Hilfe genommen werden, um die ProtagonistIn zu unterstützen. So kann ein Hilfs-Ich z.B. die Rolle der WidersacherIn, des Vaters usw. übernehmen. Beim Doppeln wird als DoppelgängerIn der ProtagonistIn agiert, wodurch nicht nur ermutigt oder gewarnt werden kann, sondern auch Gefühle und Standpunkte verdeutlicht werden können.
4.Das Publikum
Eine kleine Gruppe von Zuschauenden verfolgt das Spiel und ist aufgefordert, sich mit der ProtagonistIn zu identifizieren und als ,,Resonanzbogen der öffentlichen Meinung zu agieren (Moreno 1959), indem es z.B. mit Bemerkungen reagiert. Durch die Identifizierung wird auch das Publikum zur PatientIn, sieht es sich selbst auf der Bühne dargestellt. Es kommt zu einer Gruppenkatharsis.
Moreno teilt den Ablauf einer Psychodrama Sitzung in drei Phasen:
- Lockerung / Erwärmung der Gruppe. In Gesprächen wird ein gemeinsames Thema und eine ProtagonistIn gesucht.
- Spiel- / Handlungsphase
- Integrationsphase. In Form von Gesprächen wird die Gruppe erneut therapeutisch beteiligt.
Heute ist das Psychodrama eine wichtige Gruppentherapieform, die eine Vielzahl moderner Therapieansätze beeinflußt hat, so das Gestaltdrama von Perls oder die Transaktionsanalyse von Bernes. Auch Elia Kanzan und Lee Strasberg, die Gründer und Leiter des Actor`s Studio (New York) studierten am Moreno-Institut (New York). Pina Bausch und George Tabori greifen auf Mehoden des Psychodramas zurück, ebenso wie das Living Theatre und viele freie Theatergruppen bzw. Improvisationstheater.
5. Die Rolle
Da der Begriff der Rolle in der Theaterwissenschaft und im sozialpsychologischen Diskrus extrem unterschiedliche Bedeutungen hat, ist eine Gegenüberstellung sehr schwierig.
In der Sozialpsychologie beinhaltet Rolle das Ausüben einer Funktion bzw. eines spezifischen Verhaltens des Individuums in einer Gruppe. Eine Erweiterung des Rollenrepertoires und die Entdeckung verborgener Handlungsmöglichkeiten ist eine Ziel des Psychodramas. Die ProtagonistIn hat in ihrem Spiel die Möglichkeit, vorhandene Rollen auf ihre Funktion zu überprüfen und / oder neue Rollen zu erproben.
Eine Rolle in einem Theaterstück ist als ein Teil, als eine Figur innerhalb eines Stückes, zu verstehen. Dabei ist das Verhaltensmodell der Rolle von der DramatikerIn konzipiert und nicht von der SchauspielerIn. Dennoch wird diese Rolle mit den persönlichen Rollen der SchauspielerIn wechselwirken; die SchauspielerIn kann sich im Theater nicht von ihrer sozialen Rolle als SchauspielerIn oder ihren individuellen Positionen innerhalb des gesellschaftlichen Interaktionsnetzes trennen. Zum Rollenverständnis im Theater gehört im allgemeinen auch die Fiktionalität des Stückgefüges. Wobei es natürlich andererseits viele Theaterstücke gibt, die auf realen Begebenheiten beruhen, teilweise sogar authentische Zitate verwenden; v.a. die Werke Kipphardts, Hochuths und Weiss sind hier zu nennen. Umgekehrt stellt die ProtagonistIn im Psychodrama nicht nur vergangene Konflikte oder ihre momentane Lebensrealität dar, sondern auch mögliche zukünftige Entwicklungen oder fiktive Lösungen von Konfliktsituationen.
6. Publikum (Gruppe) - ZuschauerInnen
Rein formal betrachtet gibt es natürlich auch im Psychodrama Zuschauende. Die Gruppenmitglieder betrachten das Spiel der ProtagonistIn, schauen ihr zu. Allerdings ist genauer nach ihrer Funktion zu fragen und inwieweit man überhaupt von einem Publikum sprechen kann. Wie bereits dargestellt, forderte Moreno selbst ein ,,Theater ohne Zuschauer" und die Teilnahme aller an einem Spiel. So können Teilnehmende am Psychodrama jederzeit in das Spiel einbezogen werden bzw. eingreifen. Da sie ebenso wieder aussteigen können, ist es insgesamt nicht möglich, eine klare Trennung zwischen Spielendenn und Zuschauenden vorzunehmen. Die ZuschauerInne im Theater sind jedoch im wesentlichen (psychisch) passiv. Spontane Handlungen finden im allgemeinen nur in Form von Beifalls- oder Mißfallenskundgebungen statt. An dieser Stelle sind allerdings erneut moderne Theateransätze zu nennen, die gerade diese Passivität des Publikums zu verändern suchen.
Interessant für die Analyse der Kategorie ZuschauerInnen sind gruppensoziologische Gesichtspunkte. Eine Psychodramagruppe ist durch bestimmte Merkmale charakterisiert. Zum einen stehen die Mitglieder in direktem , persönlichen Kontakt, es herrscht keine Anonymität. Außerdem ist die Gruppe meistens nicht zufällig zusammengesetzt. Sie ist nicht nur quantitativ beschränkt, sondern auch in Bezug auf Lebenssituationen und (soziale) Erfahrungen möglichst homogen gewählt, damit Gefühlskonflikte nachvollzogen werden können. Eine Identifizierung der Zuschauenden mit der ProtagonistIn ist so möglich, ohne die es nicht zu einer Gruppenkatharsis kommen kann.
Das Theaterpublikum ist jedoch im allgemeinen bezüglich seines Erfahrungsgutes stark inhomogen. Gemeinsam ist den Zuschauenden nur, daß sie am gleichen Ort und zur gleichen Zeit sind. Außerdem ist ihnen eine besimmte Zeichenkonvention vertraut, ohne die es keine Kommunikation geben kann. Aufgrund der starken (sozialen) Unterschiede ist eine Identifikation der Zuschauenden mit den dargestellten Personen nicht immer möglich. Sie ist auch nicht immer erwünscht, bzw. Ziel der DramatikerIn oder der Inszenierung. An dieser Stelle stellt sich die Frage nach der Wirkung des Theaters. Es ist jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, den Katharsisbegriff bzw. die Wirkungsweise des Theaters ausführlich zu diskutieren. Unbestritten dürfte allerdings sien, daß - zumindest ds moderne Theater - kiene kathartische Wirkung im medizinischen-psychologischen Sinne erzielen kann (und oft auch nicht anstrebt). Es gibt zwar Darstellungen im Theater, die eine emotionale Auseinandersetzung erreichen bzw. erreichen wollen, ihre Effizienz wird jedoch erheblich niedriger sein als die des Psychodramas. Allein die mangelnde soziale Homogenität des Publikums spricht dagegen. Gemeinsam ist Psychodrama und Theater, daß Konflikte aufgezeigt werden, miterlebt werden können und ,,über das Gehörte und Gesehene hinaus eine Einsicht in verborgene, unbewußte Zusammenhäng" möglich ist.
7. Potentiale entwickeln
Psychodrama, ein Wort, das die Erwartungen leicht in die falsche Richtung lenken kann, wird es doch auch als Bezeichnung für Spielfilme verwendet, in denen seelische Konflikte die Handlung bestimmen. Als der Begriff in den zwanziger Jahren geschaffen wurde, hatte er jedoch viel mehr mit seinem eigentlichen Wortsinn zu tun. Psychologie befasst sich wissenschaftlich mit den Formen und Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens und Erlebens. Drama ist der Oberbegriff aller szvenischen Handlungen. Psychodrama bedeutet in seinem ursprünglichen Sinn also: Verhaltensweisen in Szene setzen. Damit ist das Wesentliche treffend bezeichnet. Es geht darum, in einem vereinbrten setting Handlungen zu erproben, zu beobachten, zu vergleichen und vor allem in ihrer Wirkung - aus der eigenen wie der Gegenrolle - zu erleben.
Das ist uns als Kindern durchaus vertraut. Wir konnten alles sein, Vater, Mutter, Arzt, Lehrerin, Polizist,... Im Spiel konnten wir uns mit Situationen auseinandersetzen über die zu reden uns schwergefallen wäre. Erwachsen werden bringt mit sich, dass wir die Fähigkeit zu spielen weitgehend verlernen und sie gesellschaftlich den Künstlern überlassen. Damit einher geht notgedrungen eine Einengung an Verhaltensmöglichkeiten, ein Verlust eigener kreativer Potentiale, ein Verlust an Vorstellungsvermögen und Gestaltungskraft.
Ausgehend von den Beobachtungen bei Kindern anerkennt das Psychodrama, dass Rollenspiee geeignet sind, Konfliktsituationen zu bearbeiten und dass im spielerischen Handeln sogar neue Strategien zur Konfliktbewältigung erfunden / erarbeitet werden können. Darüber hinaus zeigt sich, dass die Spiele es erlaube, das verfügbare Rollenrepertoire zu erweitern und Verhaltensweisen zu erproben, die ohne Spielform nicht zur Verfügung stünden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verfahren Psychodrama auf der Systmatisierung dieser Beobachtungen und der zusätzlichen Entwicklung zielgerichteter Interventionstechniken beruht. Von Anfang an wurde es in zwei unterschiedlichen Formen angewandt. Einmal psycho- und soziotherapeutisch als eine Methode, die zwar auch die Vergangenheit exploriert, aber vor allem im Hier und Jetzt Lösungen für die Gegenwart und Zukunft entwickelt. Zum anderen mit derselben lösungsorientierten Grundeinstellung zum persönlichen Wachstum ud zur Gruppen-, Team - Organisationsentwicklung.
Heute ist es längst Standard, Rollenspiel in Trainings- und Beratungssituationen einzusetzten, weil die Erfahrungen zeigen, dass handeln und erleben zu nachhaltigeren Ergebnissen führt, als nur reden. Solche sozialen Rollenspiele sind jedoch bestenfalls Vorstufen, denn beim Psychodrama handelt es sich um ein Verfahren mit ausgearbeiteten Techniken zur Untersuchung von Beziehungskonstllationen in und zwischen Gruppen, zur entwicklung produktiver Interaktionsformen und vorallem zur Erweiterung kreativer Fähigkeiten.
Ziel psychodramatischer Arbeit ist die Überwindung des Ausgeliefertsein an alte Muster, die Fähigkeit zur Verhaltensvariabilität, die Beweglichkeit im Meistern des Moments. Schliesslich sollen nicht die Rollen uns, sondern wir die Rollen beherschen. Das Verfahren Psychodrama bietet - vor allem - durch das Probehandeln die Möglichkeit, die Folgen eigenen Tuns abzuschätzen, ideale Voraussetzungen, um in allen Bereichen von Coaching und Organisationsentwicklung dauerhaft positive Ergebnisse zu erzielen.
- Citar trabajo
- Nicoletta Visconti (Autor), 2000, Psychodrama. Definition und Rollenverhältnis von Schauspieler und Zuschauer, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99472
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