Wann entstand Geistesgeschichte?
Die Anfänge der Geistesgeschichte als Ansatz zur Literaturanalyse finden sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In einer Zeit in der die wissenschaftliche Welt überwiegend durch die stark analytisch wirkende Auffassungsweise des Positivismus geprägt war, wuchs das Bedürfnis geistige Werke einer anderen Erkenntnisweise als der, der Naturwissenschaften zu unterziehen. Aus diesem Bedürfnis heraus entstand die Interpretationstheorie der Geistesgeschichte. Diese verdrängte schließlich den Positivismus aus dem Bereich der Literaturwissenschaft und hat diesen bis zum heutigen Tage geprägt. Die Blütezeit der Geistesgeschichte findet sich in den Jahren 1910- 1925, danach wurde sie von der Stil- und Formgeschichte abgelöst.
Wodurch unterscheiden sich Geistesgeschichte und Positivismus?
Wie bereits oben erwähnt, wandten sich die frühen Geistesgeschichtler gegen die zunehmende Verstofflichung literarischer Werke. Sie wehrten sich dagegen, hinter Dichtung einen eigentlichen Sinn zu suchen. Vielmehr sollte Dichtung aus sich heraus als Ganzes gedeutet werden. Auf keinen Fall sollten Daten und Fakten aus der Literaturgeschichte angesammelt werden, um aus ihnen statistische Gesetze und kausale Beziehungen zu folgern. Sie warfen den Positivisten vor die Einzigartigkeit literarischer Werke weder erkennen noch begründen zu können. Grob gefasst lassen sich folgende Kernunterschiede herausarbeiten: Während beim positivistischen Denken das Sein, das sich in der Literatur abspielt im Vordergrund steht, steht beim geistesgeschichtlich- idealistischen Denken das Denken, das die Literatur schafft im Vordergrund. Die Positivisten richteten ihr Augenmerk auf die Wirklichkeit, die der Literatur vorausgeht, die Geistesgeschichtler auf die Idee, die in der Literatur erscheint. Die einen berufen sich auf geschichtliche Tatsachen, die anderen propagieren das überzeitliche Wesen in der Dichtung. Die einen sprechen von Notwendigkeit und Kausalität, die Literatur determinieren, die anderen fordern Freiheit, die Literatur autonom sein läßt.
Geistesgeschichte
Theoretischer Teil
Definition
"(Baasler S58) Der Terminus Geistesgeschichte bezeichnet- weitgehend gleichbedeutend mit Ideen- und Problemgeschichte- einen variantenreichen Typus von Geschichtsdarstellung, in dem die Chronologie jener literarischen Sichtweisen in Zusammenhang gebracht wird, in denen Dichter einzelne Lebensbereiche epochenspezifisch artikulieren (>dichterische Weltanschauung<). Materiale historische Tatsachen können diese Sichtweisen nicht relativieren, die geistesgeschichtliche Perspektive hält die Rekonstruktion von Ideen für aussagekräftiger als etwa die gesellschaftlichen Zustände, die die Rahmenbedingungen für die Artikulation des Geistes liefern. Die zentrale idealistische These ist, daß der Geist den materialen Gegebenheiten übergeordnet sei. Dabei wird das literarhistorische Detailwissen zunehmend gering geschätzt."
Da diese Definition, gefunden bei Baasler 58, für den unbedarften Leser nahezu unbrauchbar sein dürfte, sehe ich mich gezwungen näher auf die historische Entstehung der Geistesgeschichte als Ansatz zur Literaturanalyse einzugehen.
Wann entstand Geistesgeschichte?
Die Anfänge der Geistesgeschichte als Ansatz zur Literaturanalyse finden sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In einer Zeit in der die wissenschaftliche Welt überwiegend durch die stark analytisch wirkende Auffassungsweise des Positivismus geprägt war, wuchs das Bedürfnis geistige Werke einer anderen Erkenntnisweise als der, der Naturwissenschaften zu unterziehen. Aus diesem Bedürfnis heraus entstand die Interpretationstheorie der Geistesgeschichte. Diese verdrängte schließlich den Positivismus aus dem Bereich der Literaturwissenschaft und hat diesen bis zum heutigen Tage geprägt. Die Blütezeit der Geistesgeschichte findet sich in den Jahren 1910- 1925, danach wurde sie von der Stil- und Formgeschichte abgelöst.
Wodurch unterscheiden sich Geistesgeschichte und Positivismus?
Wie bereits oben erwähnt wandten sich die frühen Geistesgeschichtler gegen die zunehmende Verstofflichung literarischer Werke. Sie wehrten sich dagegen, hinter Dichtung einen eigentlichen Sinn zu suchen. Vielmehr sollte Dichtung aus sich heraus als Ganzes gedeutet werden. Auf keinen Fall sollten Daten und Fakten aus der Literaturgeschichte angesammelt werden, um aus ihnen statistische Gesetze und kausale Beziehungen zu folgern. Sie warfen den Positivisten vor die Einzigartigkeit literarischer Werke weder erkennen noch begründen zu können. Grob gefasst lassen sich folgende Kernunterschiede herausarbeiten: Während beim positivistischen Denken das Sein, das sich in der Literatur abspielt im Vordergrund steht, steht beim geistesgeschichtlich- idealistischen Denken das Denken, das die Literatur schafft im Vordergrund. Die Positivisten richteten ihr Augenmerk auf die Wirklichkeit, die der Literatur vorausgeht, die Geistesgeschichtler auf die Idee, die in der Literatur erscheint. Die einen berufen sich auf geschichtliche Tatsachen, die anderen propagieren das überzeitliche Wesen in der Dichtung. Die einen sprechen von Notwendigkeit und Kausalität, die Literatur determinieren, die anderen fordern Freiheit, die Literatur autonom sein läßt.
Wer hat sich Geistesgeschichte ausgedacht?
Als Urheber der Bewegung dürfte wohl der deutsche Philosoph, Theologe und Historiker Wilhelm Dilthey benannt werden. Mit seinen Schriften "Das Erlebnis und die Dichtung" (1906) und "Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften" (1910) legte er den Grundstein für eine Erneuerung der Literaturbetrachtung in der wissenschaftlichen Welt.
Warum hat er das gemacht (Motive)?
Ziel Diltheys war die Schaffung eines Grundlagenwerkes für die Geisteswissenschaften, d.h. die systematische Abgrenzung der Erkenntnisweise der Naturwissenschaften von der, der Geisteswissenschaften. Dabei begriff er die Naturwissenschaften als Gesetzeswissenschaften, die über kausale, statistische Zusammenhänge die Natur zu erklären versuchen. Dagegen fasste er Geisteswissenschaften, als Wissenschaften von den handelnden Menschen auf, die sich im geistigen Überbau einer Gesellschaft widerspiegeln, wie zum Beispiel in Literatur, Religion, Philosophie, Psychologie und Sozialwissenschaften.
Was hat er ausgesagt (Thesen)?
Geleitet wurde Dilthey von der These, daß Produkte des Geistes einer völlig anderen Erkenntnisweise unterliegen wie die der Natur. Die Erkenntnisweise zu den Geisteswissenschaften lag, nach Dilthey, nicht etwa im Erklären, sondern vielmehr im Erkennen, im Verstehen von Sinnstrukturen, das heißt von vergangenen oder gegenwärtigen geschilderten Gebilden auf der Grundlage eines universellen Lebenszusammenhanges. (intuitive Synthese). Mit diesem universellem Lebenszusammenhang bezieht sich Dilthey auf die Gleichartigkeit und Überzeitlichkeit aller menschlichen Erlebnisse. Daraus resultiert auch seine Modifizierung des hermeneutischen Zirkels, wobei er nicht mehr von erlerntem, kulturellem Vorwissen des Lesers ausgeht, sondern von einer allen Individuen innewohnenden Gleichartigkeit des Erlebens. Dabei hat er immer im Blick, daß Dichtung als Ganzes betrachtet werden müsse, das heißt das diese keine Nachahmung der Natur sei, sondern eine freie Schöpfung des menschlichen. Geistes (isolierend betrachtende Methode). Zwar verneint er nie, daß bei dieser Betrachtungsweise auch gegebene, reale Einflüsse (zum Beispiel biographische Daten) mit einbezogen werden müssen, doch widerspricht dies der Ganzheitsthese und somit werden diese lediglich sekundär herangezogen.
Wie soll man vorgehen (Methode)?
Zunächst einmal muß das Stück auf der Basis des Erlebens verstanden werden. Dann sollte man das Werk weitesgehend isoliert von geschichtlichen Fakten und Tatsachen betrachtet und auf Sinnstrukturen hin untersucht werden.
Um die Sinnstrukturen aufzudecken betrachtet man fünf verschieden Strukturtypen.
a. Stammeskundliche Strukturforschung
Bei der stammeskundlichen Strukturforschung werden Erbe, Heimat, Stamm und Landschaft (wessen?) mit dem Werk verknüpft.
b. Formale Struktur
Hierbei wird Literaturwissenschaft mit den anderen Künsten in Zusammenhang gesetzt.
c. Ideengeschichtliche Struktur
Es wird hier nach gleichen Ideen in Literatur und Philosophie gesucht.
d. Strukturpsychologie
Literaturinterpretation wird mit Seeleninterpretation gleichgesetzt. Das Verständnis der dichterischen Psyche wird zur Analyse des Werkes herangezogen.
e. Struktur der Probleme
Als Verknüpfungselemente gelten hier: Schicksal, Religiosität, Verhältnis Mensch- Natur, Liebe, Tod, Menschenbild. Das Werk wird auf diese Elementarproblemfragen des Lebens hin untersucht.
Was ist aus der Geistesgeschichte geworden? Welche Varianten gibt es?
Hierbei muß zunächst herausgestellt werden, daß Geistesgeschichte keine einheitliche, präzise Forschungsrichtung ist; sondern vielmehr eine gemeinsame Betrachtungsweise geistiger Dinge. Jeder Vertreter des Faches legte seine eigenen spezifischen Schwerpunkte und Vorgehensweisen selbst fest. Außerdem bestand die Meinung, daß die Deutung der inneren Zusammenhänge selbst schon eine Kunst sei, und somit verstehen sich geistesgeschichtliche Texte als Kunstwerke, die selbst der Interpretation bedürfen.
Trotzdem lassen sich zunächst zwei große Hauptvarianten unterscheiden, wobei Dilthey wohl zwischen beiden angesiedelt werden muß. Zum Einem die bildungsgeschichtliche Variante (Burdach, Kluckhohn), deren Analyse sich doch noch sehr stark auf den reellen Unterbau, sprich auf gegebene Daten und sonstige nachweisbare Gegebenheiten, bezieht, zum Anderen die idealistische Methode (Voßler), wobei hier sehr abstrakt, auf den Geist bezogen vorgegangen wird. Als Untervarianten des letzteren sei noch die Problemgeschichte (Unger) erwähnenswert, die überwiegend auf die Struktur der Probleme eingeht, sowie die Ideengeschichte (Korff), die sich auf ideengeschichtliche Strukturen bezieht.
Aus heutiger Sicht ist auffällig, daß der Verlauf der geistesgeschichtlichen Entwicklung geprägt ist von einer zunehmenden Gewichtung des Ideellen, bis schließlich historische Fakten gänzlich aus der Reflexion herausfallen und von einem wahren Erlebniskult gesprochen werden kann.
Praktischer Teil
Über das Werk
Die Erzählung "Himmelsbestattung" (Tianzang) von Chen Jie wurde erstmals 1986 in der Erzählsammlung "Shouhuo" veröffentlicht. Erzählung wie Autorin blieben jedoch weitesgehend unbekannt.
Über die Autorin(->stammeskundliche Strukturforschung)
Die Autorin des Werkes, Chen Jie, geb. 1960, studierte chinesische Literatur, anschließend war sie an einer Shanghaier Universität beschäftigt.
Auffällig sind Parallelen zur Protagonistin. Beide gehören in ein intellektuelles Umfeld (Autorin, Künstlerin), haben in etwa das selbe Alter und kommen aus der gleichen Stadt. Die Vermutung, daß sich die Autorin in der Geschichte selbst beschreibt, liegt dabei natürlich nahe, kann aber aufgrund fehlender Literatur nicht belegt werden und spielt auch für die geistesgeschichtliche Betrachtung des Stückes keine bedeutende Rolle. "Himmelsbestattung" als exotistisches Werk (->ideengeschichtliche Struktur)
Die Entstehung des Werkes fällt in eine Zeit in der sich China allgemein und damit auch verbunden künstlerische und literarische Strömungen zunehmend zum Fremden hin orientieren. Auch Chen Jie , zusammen mit anderen Autoren, vollziehen diesen Wandel, so daß man ihr Werke dem Exotismus zuordnen kann. Unter Exotismus versteht man sowohl ein literatur- und kulturwissenschaftliches, als auch ein sozial- gesellschaftliches Phänomen, wobei dieses Phänomen geprägt ist durch eine im besonderen Maße positive Bewertung für das jeweils Fremde (sowohl zeitliches, als auch örtliches). Der europäische Exotismus entstand zum Ende der Kolonialzeit (19.Jhd.) und war geprägt von dem Gedanken, sich die in der Realität versagten Wünsche in einer fremden Umgebung erfüllen zu können. Angetrieben wurde die Bewegung vom zunehmenden Wissenshunger, der Uniformität und Komplexität der damaligen Zeit. Der chinesische Exotismus bezieht sich, mit einer bis dahin nicht bekannten Neugier, auf die politisch bereits eroberte Fremde, d. h. auf die Minderheitenregionen innerhalb der eigenen Grenzen. Wobei auch dort das leihweise Heranziehen der Fremde zur Befriedigung eigener Interessen typisch ist.
Inwiefern ist die "Himmelsbestattung" ein exotistisches Werk?
Chen Jie's "Himmelsbestattung" ist in zweifacher Weise exotistisch aufzufassen. Zum einem wählt sie als Handlungsort ihrer Erzählung, das den Han- Chinesen fremdartig scheinende Tibet, um sich dort einem alten tibetischen Brauch (den der Himmelsbestattung) zu widmen, wobei man wissen muß, daß das Thema Tod in der chinesischen Gesellschaft stark tabuisiert wird. Zudem wird gleich zu Beginn der Erzählung die Umgebung als Phantasielandschaft gekennzeichnet ("Sie hatte sich nicht vorstellen können, daß es so sein würde.." oder "Sie hatte nicht damit gerechnet, hier ein anderes Erdenland vorzufinden, ein Land, von dem sie sich nichts hatte träumen lassen"), so daß die Umgebung der realistischen Vorstellung noch stärker entzogen wird.
Zum anderen spielt sich der zweite Teil der Erzählung komplett in einer für den Leser nicht mehr klar vorstellbaren Traumwelt ab. Dadurch wird die Exotik der Erzählung nochmals verstärkt.
Welche Ideen werden in dem Stück behandelt ?
Zur Psyche der Protagonistin
Bei der isolierten Betrachtungsweise des Werkes, zeigt sich eine Protagonistin, die vor dem Abschluß eines Lebensabschnittes steht. Sie unterzieht sich einer Initiationserfahrung um den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt zu bewältigen. Um sich dessen bewußt zu werden unternimmt sie eine Reise in eine abgeschiedene, befremdende Umgebung. Dort versucht sie in Abgeschiedenheit sich von den alten idealen, romantischen Vorstellungen zu lösen und sich mit ihrem neuem Leben anzufreunden.
Das sie eine romantische verträumte Seele ist, die ihr Leben lang auf die große Liebe gewartet hat zeigt sich in Aussagen wie: "Selbst als sie [Kommilitonen]einer nach dem anderen heirateten und ihre ersten Kinder bekamen, hielt sie nach wie vor an ihrer Verrücktheit fest, spähte immer noch voller Hoffnung auf Zehenspitzen in die Ferne und wartete auf jenes rote, Liebe tragende Segel, das über das azurne Meer schwankend und winkend auf sie zukommen sollte." Sie bezeichnet ihre damaligen Hoffnungen selbst als Verrücktheit, die es jetzt abzulegen gilt, um ein zufriedenes Leben führen zu können.
Das, das Loslassen von diesen alten Denkmustern ihr äußerst schwer fällt wird dadurch deutlich, daß der Prozeß vielfach mit dem Tod in Zusammenhang gebracht wird, zum Beispiel in der Aussage "Es war Herbstzeit, die Zeit der Reife und auch des Absterbens. Der kalte Nordwind würde über die Berge dort hereinblasen, würde Welken, Dorren, Sterben und Verrotten mit sich tragen."Auch läßt die mehrfach erwähnte Kälte, die die Protagonistin in Jiuzhaigou empfindet, darauf schließen, daß sich etwas in ihrem Inneren im Absterben befindet.
Für sie gilt es jetzt sich mit dem Leben abzufinden, in der Realität Fuß zu fassen. Anstelle des Traums von der großen Liebe tritt ein Freund, den sie über Vermittlung kennengelernt hat und mit dem sie zufrieden ist. Es geht darum diese Sache zu Ende zu bringen, zu heiraten, ein gemütliches Heim mit einem orangenen Sofa zu haben und sich dort wohl zu fühlen. Zur Rolle der Umgebung
Wie bereits erwähnt beschreibt Chen Jie keine klar vorstellbare Realität, sondern bedient sich der Landschaft vielmehr um ein Spiegelbild der Seele der Protagonistin zu schaffen.
Bereits zu Beginn der Erzählung wird eine melancholische Stimmung erzeugt. Die sich in dem Zusammentreffen mit dem tibetischen Mädchen vollzieht. Der ungleiche Tausch von ein paar Süßigkeiten gegen einen Strauch frischer Wildblumen beschämt die Protagonistin zunächst. Jedoch bleiben von dieser rührenden Begegnung im Verlauf der Handlung nur noch die Saftspuren der zerqetschten Beeren in ihrem Tagebuch, "die sich im Mondlicht zu rosa wandelten, genau wie ihr schöner Traum vom roten Segel..."
Auch die Landschaft von Jiuzhaigou wird als melancholisch schön geschildert. Die Rinnsale und Seen werden mit Tränen verglichen, wobei der Protagonistin jedoch auch bewußt wird, daß sie angesichts solcher Tränenmassen, doch relativ zufrieden sein müßte. So bemerkt sie: "Aber sie wußte, daß sie nicht weinen konnte. In Jiuszhaigou und Rizegou, angesichts dieser Seen, an deren Grund in ununterbrochenem Strom die Sehnsuchstränen von Jahrtausenden flossen, war diese kleine menschlich Liebe und Trauer, waren diese Tränentröpfchen allzu winzig und unbedeutend."
Die Verwirrung in der sie sich befindet zeigt sich in der Darstellung des Kongsheng- Sees. Die Masse an Farbwahrnehmung bringt sie durcheinander und ist für sie nicht erklärbar. Der einzige für sie wahrnehmbare Zusammenhang ist die Kälte der Farben. Wobei hier wieder die Idee der Kälte aufgegriffen wird, die sich wiederum auf ihren bevorstehenden Lebenswandel bezieht.
Zur Rolle des Traumes
Die Darstellung des Traumes beruht auf einer traditionellen Form der Beisetzung in Tibet. Dabei wird zunächst die Leiche im Rauch von Pinien- und Zypressenholz nach tibetischer Vorstellung gereinigt, anschließend wird das Fleisch in Stücke zerlegt und den Geiern (hl. Tiere in Tibet) zum Fraß vorgeworfen. Nach alter tibetischer Tradition schließt sich so der Kreis der Natur.
In der vorliegenden Erzählung vollzieht sich im Traum die Initiation. Das heißt die Protagonistin stellt sich hier noch einmal ihrem früheren verträumten, romantischen Ich, um die Aufnahme in die normale gesicherte Gesellschaft zu vollziehen. Dies wird schon in der Einleitung zur Traumwelt deutlich mit der Aussage: "Und jenen schwarzen Drachen wollte sie sehen. Es hieß, er wolle nur Jungfrauen, sie käme also gerade noch rechtzeitig, um ihn zu sehen. Sie hatte noch nie einen echten Drachen gesehen, sie mußte ihn unbedingt angucken gehen, solange es noch nicht zu spät war."
Im Traum verschmelzen hierbei die Elemente aus der Psyche mit den äußeren Entsprechungen der Landschaft zu einer Umgebung, in der die eigentliche Initiation vollzogen werden kann. Sie bricht also auf mit der Absicht dem Drachen ihre Jungfräulichkeit zu präsentieren und sich dieser selbst auch noch einmal zu vergewissern. Wobei der Drache als Symbol für ihren Traum von der großen Liebe verstanden werden muß, für die sie sich ihr lebenlang aufgespart hat. Doch tritt an die Stelle des Drachens, der sich in tiefem Schlaf befindet, der Totenvogel, dem sie unbewußt über eine Felsklippe in eine Tagwelt folgt. Diese Tagwelt, die gekennzeichnet ist von einer unglaublichen Schönheit, versetzt sie in ein Glücksgegühl, wobei ihr Herz wie ein vom Wind geblähtes Segel anschwellt von Bewegung, Begeisterung und Glück. Doch schnell wird sie durch den Geier an den wahren Grund ihres Hierseins erinnert. Es gilt darum sich ihrer Kindheit, ihrer Jugendträumen zu entledigen. Bereit zu diesem Schritt, legt sie sich flach auf den Boden, um die Himmelsbestattung über sich ergehen zu lassen. Während sie so daliegt, versinkt sie nocheinmal in Reflexion über ihr Tun, sie scheint sich aber ihrer Entscheidung bewußt zu sein, da für sie nur durch das endgültige Verwerfen ihrer Jugendträume, diese für die Zukunft konserviert werden und in schöner Erinnerung bleiben. Dies zeigt sich in der rhetorischen Frage :"Konnte denn alles auf der Welt nur durch den Tod hindurch die Veredlung, den Weg zur Ewigkeit hin erreichen?" Daher empfindet sie auch selbst in Anbetracht der Totenvögel keine Furcht und als die Geier beginnen, sie bei lebendigem Leibe zu verzehren, empfindet sie lediglich einen leichten Schmerz, der jedoch vielmehr begleitet ist von einer ungeheuren Lust. Just in dem Moment, in dem es scheint als ob die Dinge ihren vorgeschriebenen Lauf nehmen, das heißt die alten Denkmuster sich von dem neuen Ich lösen, wird jedoch wieder das Bild von dem Liebe tragenden roten Segel aufgegriffen. Das im Sterben liegende Ich ist sich zwar der Unerreichbarkeit des Segels bewußt, fühlt sich aber dennoch so stark von diesem angezogen, daß sie am liebsten darauf zulaufen will. Das ist der Moment in dem sie erwacht.
Der Schluß. Ist die Initiation geglückt ?
Leider gestaltet die Autorin den Schluß der Erzählung recht offen. Jedoch deutet schon das Wiederaufgreifen des Symbol des Liebe tragenden Segels am Schluß des Traumes darauf hin, daß die Initiation gestört wurde. Die Protagonistin ist sich zwar im klaren darüber, daß sie den Lauf der Dinge nicht aufhalten kann. Nur ob sie auch wirklich in ihrem neuen Leben glücklich sein wird, scheint mir persönlich unwahrscheinlich. Zwar fühlt sie sich durch die orangene Farbe des Raumes angenehm an ihr zu Hause wartendes Sofa erinnert und mag man auch das nicht zu unterdrückende Gähnen, als ein Gähnen der Entspannung verstehen, jedoch sollte man von einer Frau, in den Vortagen ihrer Hochzeit, mehr Enthusiasmus erwarten können als nur die banale Vorfreude auf ein orangenes Sofa.
Historisierende Methoden: Geistesgeschichte Theoretischer Teil
- Definition: "(Baasler S58) Der Terminus Geistesgeschichte bezeichnet- weitgehend gleichbedeutend mit Ideen- und Problemgeschichte- einen variantenreichen Typus von Geschichtsdarstellung, in dem die Chronologie jener literarischen Sichtweisen in Zusammenhang gebracht wird, in denen Dichter einzelne Lebensbereiche epochenspezifisch artikulieren (>dichterische Weltanschauung<). Materiale historische Tatsachen können diese Sichtweisen nicht relativieren, die geistesgeschichtliche Perspektive hält die Rekonstruktion von Ideen für aussagekräftiger als etwa die gesellschaftlichen Zustände, die die Rahmenbedingungen für die Artikulation des Geistes liefern. Die zentrale idealistische These ist, daß der Geist den materialen Gegebenheiten übergeordnet sei. Dabei wird das literarhistorische Detailwissen zunehmend gering geschätzt."
- Entstehungszeit: Knüpft an den Positivismus an, zu Beginn des 20. Jhd.
- Abgrenzung zum Positivismus:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Geisteschgeschichtler wehrten sich gegen die zunehmende Verstofflichung, gegen die Annahme hinter Literatur sei ein eigentlicher Sinn.
- Begründer: Wilhelm Dilthey (1833-1911), deutscher Philosoph, Theologe und Historiker -> Werke: "Das Erlebnis und die Dichtung", "Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften". Versuch der Schaffung eines Grundlagenwerkes für die Geisteswissenschaften-> systematische Abgrenzung Naturwissenschaften - Geisteswissenschaften
- Citar trabajo
- Jens Kohlhaas (Autor), 2001, Geistesgeschichte als Ansatz zur Literaturanalyse. Mit einem Praktischen Beispiel an der Chin. Erzählung "Himmelsbestattung" von Chen Jie, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99468
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