Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansätzen zur Analyse von Machtbeziehungen sowie Ideen zur aktiven Strukturierung dieser Beziehungen ist für eine gut funktionierende Unternehmensführung unabdingbar. Hierzu werden im Folgenden G.W.F. Hegels Analyse der Beziehung von Herrschaft und Knechtschaft sowie Michel Foucaults Ansätze der Gouvernementalität betrachtet. Beide sind weitaus komplexer und umfassen wesentlich mehr Ideen, als für die Betrachtung nötig sind. Somit werden sie nur mit Fokus auf ihre Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen wiedergegeben und analysiert. Beide Konzeptionen werden dann kritischen Ansätzen gegenübergestellt, um am Ende in einem kurzen Fazit zu zeigen, welche Ideen sich aus ihnen gewinnen lassen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Herrschaft und Knechtschaft bei Hegel
3 Gouvernementalität bei Foucault
4 Chancen und Einschränkungen der Konzepte von Hegel und Foucault
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansätzen zur Analyse von Machtbeziehungen sowie Ideen zur aktiven Strukturierung dieser Beziehungen ist für eine gut funktionierende Unternehmensführung unabdingbar.
Hierzu werden im Folgenden G.W.F. Hegels Analyse der Beziehung von Herrschaft und Knechtschaft sowie Michel Foucaults Ansätze der Gouvernementalität1 betrachtet. Beide sind weitaus komplexer und umfassen wesentlich mehr Ideen, als für die vorliegende Betrachtung nötig sind. Somit werden sie nur mit Fokus auf ihre Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen wiedergegeben und analysiert.
Beide Konzeptionen werden dann kritischen Ansätzen gegenübergestellt, um am Ende in einem kurzen Fazit zu zeigen, welche Ideen sich aus ihnen gewinnen lassen.
2 Herrschaft und Knechtschaft bei Hegel
In Hegels Werk nimmt die Beziehung von Herr und Knecht zueinander einen wichtigen Stellenwert ein. In seiner Phänomenologie des Geistes setzt er sich über einen großen Abschnitt2 hinweg mit diesem Verhältnis auseinander. Zunächst betrachtet er den Herrn. Dieser ist für sich selbst und eine Macht über den Knecht.3 Der Knecht scheint zunächst abhängig vom Herrn, er ist an den Herrn gebunden, Hegel spricht davon, dass dies „seine Kette“4 ist. Der Knecht wiederum hat direkte Macht über die Welt der Dinge. Konkret gesagt bedeutet dies, der Knecht ist derjenige, der weiß wie das Feld bestellt, das Essen gekocht oder Feuer gemacht wird.
All diese Fähigkeiten hat der Herr nicht, nur über den Knecht in mittelnder Funktion ist er auch Herr über die Dinge. Und dadurch verändert sich das Verhältnis zwischen Herr und Knecht. Der Herr hat keine absolute Macht über den Knecht, sondern der Knecht muss den Herrn anerkennen.5 Damit ist zwar das Machtverhältnis immer noch ungleich, aber abgeschwächt. Denn nur der Knecht, der den Herrn anerkennt und ihn befähigt, sich mit seiner Hilfe über die Dinge zu erheben, macht den Herrn zum Herrn.
Wenn dieser Gedanke weitergedacht wird, dann hat sich die zunächst einseitige Machtverteilung von Befehlshaber und Befehlsempfänger in ein wesentlich komplexeres und ausgeglicheneres Verhältnis gewandelt: Herr und Knecht bedingen sich gegenseitig und geben sich gegenseitig erst die Grundlage zu sein.
3 Gouvernementalität bei Foucault
Der französische Philosoph Michel Foucault prägte in seiner Antrittsvorlesung am College de France 1977 den Begriff Gouvernementalität6. In dieser Vorlesung (vorliegend in der deutschen Übersetzung)7 setzte er sich mit der Art von Machtverteilung und den Anforderungen an Machthaber auseinander. Die erste Anforderung, die er an den Regierenden stellt, ist die Fähigkeit „sich selbst [zu regieren], dann auf einer weiteren Stufe seine Familie, sein gut und seinen Besitz […] um am Ende den Staat zu regieren.“8 Diese Anforderung sieht er schon in der Staatsphilosophie des 17ten Jahrhunderts gegeben. Davon ausgehend setzt er sich mit dem Begriff der Verantwortung auseinander. Denn über diese Fähigkeit kann man nur Verfügen, wenn man Verantwortung für die Untergebenen (und im Anbeginn somit schon für sich selbst) übernimmt.
Er vergleicht dies mit einem Kapitän, der für Seeleute, Schiff und Ladung verantwortlich ist. Dieser muss in der Lage sein, zwischen den Seeleuten (und deren Fähigkeiten), dem Schiff und den äußeren Gegebenheiten wie Wind und Klippen einen Zusammenhang herzustellen, erst dieser „charakterisiert die Lenkung (gouvernement)“.9
Damit steht für Foucault Regieren, „das richtige Verfügen über die Dinge“10, im Gegensatz zur Souveränität: Diese fordert absolute Unterwerfung. Denn hat der Souverän immer das Gemeinwohl im Auge, müssen die ihm Untergebenen sich seinen Anweisungen und Gesetzgebungen absolut unterwerfen, um dieses erreichen zu können.
Doch für Foucault stellt das Regieren eben mehr als Unterwerfung dar. Ähnlich dem Kapitän, der sich der Fähigkeiten und Bedürfnisse seiner Seeleute bewusst sein muss, muss eine Regierung die Fähigkeiten und Bedürfnisse der von ihr Regierten im Fokus haben. Eine Steigerung des Wohlergehens der Bevölkerung muss das Primat ihres Handelns sein.11
Somit ist Gouvernementalität bei Foucault nicht die Herrschaft über jemanden, sondern vielmehr für jemanden. Ganz extrem ausgedrückt könnte es fast als philosophische Basis für eine Umkehr des Herrschaftsprinzips gesehen werden. Der Herrscher ist Diener des Allgemeinwohls, und somit auch Diener jedes einzelnen Beherrschten.
4 Chancen und Einschränkungen der Konzepte von Hegel und Foucault
Hegels dialektische Auseinandersetzung mit der Machtbeziehung zwischen Herr und Knecht ist Basis für viele weitere Auseinandersetzungen im Laufe der folgenden Jahrhunderte gewesen. Hier sei in diesem Kontext vor allem Karl Marx erwähnt, gerade weil immer wieder geschrieben wird, dieser habe gesagt, er habe „Hegels Dialektik vom Kopf auf die Füße gestellt“12.
Für Marx stand das Verhältnis des arbeitenden Proletariats (als Knecht) zur besitzenden Bourgeoisie (als Herr) im Fokus. Er kritisierte an Hegel, dass dieses sich gegenseitige Bedingen, wie es von Hegel propagiert wird, nicht stattfindet. Die Arbeit der „Proletarierer hat […] allen selbständigen Charakter […] verloren. Er wird ein bloßes Zubehör der Maschine…“13. Der Arbeiter/Proletarier (Knecht) ist seinem bürgerlichen Herrn ausgeliefert, dieser hat alle Macht und verfügt über den Arbeiter wie über ein Ding. Und somit muss sich nach Marx der Knecht erheben und den Herrn entmachten.
Doch diese Kritik an Hegel, die zu einer Selbstbefreiung der Arbeiterklasse führen sollte, kann auch als Fehlinterpretation der Hegelschen Dialektik gedeutet werden. Denn weder wurde in der Zeit seit Marx im Sozialismus die Arbeiterschaft zur selbstbefreiten Macht, noch wurde in nicht sozialistischen Systemen die Arbeiterschaft zum völlig entmachteten Ding degradiert.14
Was bleibt ist die Frage, ob sich das idealistische Prinzip des sich gegenseitigen Bedingens von Herrschaft und Knechtschaft denn in der Realität wiederfindet. Und hier kommt Foucault den realen Umständen viel näher. Denn seine Auffassung, dass der Herr sich als Diener des Knechts verstehen soll, ist vielmehr der Versuch eines normativen Aufrufs als der einer deskriptiven Beobachtung. Aus den Gedanken Hegels abgeleitet ist es für Foucault wichtig, dass dieses sich gegenseitige Bedingen auch im Selbstverständnis der Herrschenden verankert ist, ohne dass es gleich in die von Marx ausgerufene Revolution münden muss.
Jedoch gibt es auch Kritik an Foucaults Konzeption. Stellt man ihm beispielsweise ein anderes, nicht-hierarchisches Ordnungskonzept gegenüber. Hier eignet sich das von Gilles Deleuze und Felix Guattari beschrieben Konzept des „Rhizom“, nicht zuletzt, da sich Deleuze und Foucault seit 1977 in gegensätzlichen Lagern eines Disputs zwischen französischen Intellektuellen befanden.15 In ihrem Werk „Rhizom“ entwickeln Deleuze und Guattari ein nicht-hierarchische Kategoriensystem. Anders als in einem baumartigen System mit über- und untergeordneten Kategorien gehen sie von einer wurzelartigen (griech. ῥίζωμα rhizoma ‚Wurzel‘) Netzwerkstruktur aus, mit vielen unterschiedlichen Kategorien, die sich gegenseitig bedingen. Und in einem solchen wurzelartigen System würde Foucault mit seiner Drehung der Rollen von Dienendem und Bedienstetem an die Grenzen stoßen, denn wer sollte denn jetzt wem dienen.
Natürlich negiert diese Kritik nicht Foucaults gesamte Konzeption. Besonders, da es selten komplett hierarchiefreie Systeme (Unternehmen) gibt – auch in Zeiten, in denen Agilität (und damit so wenig Hierarchie wie möglich) zum neuen Schlagwort in allen Formen der Unternehmensführung geworden zu sein scheint. Trotz dessen zeigt diese Gegenüberstellung Grenzen und Lücken beziehungsweise Anpassungsbedarf in Foucaults Ansatz auf.
[...]
1 Frz.: La ›gouvernementalite‹
2 B. SELBSTBEWUSSTSEIN. IV. Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst. A. Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft. In: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Phänomenologie des Geistes. 5.Aufl. Frankfurt am Main 1996. S. 145 – 155.
3 Vgl. Hegel 1996, S. 149f.
4 Hegel 1996, S. 150.
5 Vgl. Hegel 1996, S. 151.
6 Der Begriff umfasst für ihn noch wesentlich mehr als den reinen Ansatz zum Umgang mit Machtbeziehungen, dies geht jedoch, wie in der Einleitung erwähnt, weit über das hinaus, was für die vorliegende Betrachtung benötigt wird.
7 Foucault, Michel: Die ›Gouvernementalität‹. In: Bröckling, Ulrich; Krasmann, Susanne; Lemke, Thomas (Hrsg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt am Main 2000. S. 41 – 67.
8 Foucault 2000, S.48.
9 Foucault 2000, S.51.
10 Foucault 2000, S.52.
11 Vgl. Foucault 200, S. 61.
12 Ein Zitat, dass ihm in dieser Form überhaupt nicht zu belegen ist. Marx sprach von einem „umstülpen“ der Hegelschen Dialektik.
13 Marx, Karl; Engels, Friedrich: Marx-Engels-Werke Band 26.3: Theorien über den Mehrwert. Berlin 1972. S. 104.
14 Vgl.: Becker, Werner: Idealistische und materialistische Dialektik. Das Verhältnis von ›Herrschaft und Knechtschaft‹ bei Hegel und Marx. Stuttgart 1970. S. 132 ff.
15 Vgl. Schönher, Mathias: Deleuze, a Split with Foucault. In: Le foucaldien, 1/1 Zürich 2015.
- Arbeit zitieren
- Kersten Kottnik (Autor:in), 2020, Herrschaft, Knechtschaft, Gouvernementalität. Machtverhältnisse von Hegel bis Foucault, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/994245
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