Gibt es möglicherweise eine persönliche Disposition, welche die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Verschwörungen zu glauben? Oder ist der Verschwörungsglaube eine verständliche Reaktion auf eine komplexer werdende Welt, wie die Zunahme an Verschwörungstheorien im 20. und 21. Jahrhundert zeigen? Diese Frage soll in dieser Arbeit beantwortet werden.
Dafür ist folgender Aufbau geplant: Im zweiten Kapitel werden zunächst Grundlagen zu Verschwörungstheorien erörtert. Dazu gehören die Definition, Erklärung und Bedeutung von Verschwörungstheorien. In einem weiteren Unterkapitel des zweiten Kapitels werden die bekanntesten Verschwörungstheorien vorgestellt. Im dritten Unterkapitel finden sich wichtige Abgrenzungen zu Verschwörungstheorie und alternativen Fakten. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Bedeutung der Persönlichkeit. Dabei wird im ersten Unterkapitel die Interaktion des Verschwörungsglaubens mit Persönlichkeitsstörungen betrachtet. Im zweiten Unterkapitel erfolgt die Vorstellung einer Textanalyse von Amtsschreiben der Reichsbürger, um dabei psychologische Defizite herauszufiltern.
Die Studienlage in Bezug auf Verschwörungstheorien und Faktenwissen ist Gegenstand des dritten Unterkapitels des dritten Kapitels. Im vierten Kapitel wird die Bedeutung von sozioökonomischen Fakten und der sozialen Netzwerke in den Mittelpunkt gerückt. Hierbei wird der Verschwörungsglaube als Reaktion auf die Komplexitätszunahme diskutiert, um im Anschluss daran die Verbreitung der Theorien in sozialen Netzwerken zu erörtern. Im fünften Kapitel werden die Erkenntnisse aus der Arbeit zusammengefasst. Das sechste Kapitel beinhaltet das Fazit und den Ausblick.
Inhalt
1 Einleitung
2 Grundlagen zu Verschwörungstheorien
2.1 Definition, Erklärung und Bedeutung von Verschwörungstheorien
2.2 Bekannte Verschwörungstheorien
2.3 Abgrenzungen in Bezug auf Verschwörungstheorien
3 Die Bedeutung der Persönlichkeit
3.1 Der Verschwörungsglaube als Persönlichkeitsstörung
3.2 Textanalyse von Amtsschreiben von Reichsbürgern
3.3 Der Zusammenhang zwischen Verschwörungstheorien und Faktenwissen
4 Die Bedeutung der sozioökonomischen Fakten und der sozialen Netzwerke
4.1 Der Verschwörungsglaube als Reaktion auf die Komplexitätszunahme
4.2 Die Verbreitung von Verschwörungstheorien in sozialen Netzwerken
5 Zusammenfassung der Erkenntnisse
6 Fazit und Ausblick
1 Einleitung
Den Glauben an Verschwörungen gab es schon immer, was ein Blick auf die Geschichte zeigt. So wurden Krankheiten und Naturkatastrophen im 15. Jahrhundert auf den Schadenszauber von Hexen zurückgeführt, was eine beispiellose Jagd auf Frauen, die mit Kräutern heilten, zur Folge hatte (vgl. König, 2015). Weitere Verschwörungen, die zur Erklärung von Morden berühmter Persönlichkeiten herangezogen, folgten in den nachfolgenden Jahrhunderten. So besagt die Mozart-Verschwörung aus dem 18. Jahrhundert, dass der berühmte Komponist Wolfgang Amadeus Mozart von den Freimaurern ermordet wurde. Bereits hier zeigt sich, dass bei Verschwörungen gern Erklärungen für unerklärliche Phänomene gesucht werden. In den vergangenen Jahrhunderten zogen sich die Verschwörungstheorien relativ schwach durch die Gesellschaft. Doch im 20. und 21. Jahrhundert sollte es einen Anstieg geben. Begriffe wie Bilderberg-Konferenz, Chronovisor, Dolchstosslegende, Holocaust-Leugnung, Chemtrails, 9/11 Theorien, Pizzagate und QAnon ziehen sich wie ein roter Faden durch die Gesellschaft. Das alles fand seinen Höhepunkt mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie, die ein ganzes Bündel an Verschwörungstheorien aktivierte. Es kann gesagt werden, dass es seit der weltweiten Verbreitung des Coronavirus zu einem quantensprungartigen Anstieg des Verschwörungsglaubens kam, der sich unter anderem an einer Zunahme von Demonstrationen zeigt, die sich gegen Einschränkungen von grundrechtlichen Freiheiten richten. Meist wird beim Verschwörungsglauben davon ausgegangen, dass eine kriminelle Vereinigung die Vorherrschaft übernehmen möchte. Den Nährboden für Verschwörungstheorien bildet eine immer grösser werdende Verunsicherung. Die Zunahme der Verschwörungstheorien im 20. und 21. Jahrhundert zeigt demnach die Zunahme der Verunsicherungen.
Ein Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen in dieser Zeit zeigt, dass die Unsicherheit eine Folge von rasanten Transformationsprozessen ist. Digitalisierung, Klimawandel, unbeherrschbare Migrantenströme und unbekannte Krankheiten sind die sichtbaren Symptome der Transformationsprozesse. Die als Vorbild fungierenden Politiker scheinen keine Antworten auf die drängenden Probleme der Zeit zu haben. Eilig getroffene Interventionsmassnahmen werden stattdessen als alternativlos dargestellt. Auch die Medien spielen eine grosse Rolle bei der Verbreitung von Verschwörungen. Jeden Tag werden die Mediennutzer über Radio, Fernsehen, Internet und Printmedien mit einer Flut an Informationen überschüttet (vgl. Schmitz & Brinkmann, 2020). Oftmals stehen dabei Krisen, Kriege und Katastrophen im Mittelpunkt. Das menschliche Hirn wird mit negativen Gefühlen geflutet, die Stress, Angst und Panik erzeugen. Das erschwert die objektive Wahrnehmung der Ereignisse (vgl. Schmitz & Brinkmann, 2020). Der Nährboden für den Verschwörungsglauben wird demnach auch von den Medien gefördert. Lamberty (2020) bezieht sich auf psychologische Basiserkenntnisse, wenn sie meint, dass die Neigung zur Vermutung aussergewöhnlicher Ursachen umso mehr steigt, desto gravierender das Ereignis ist. Der Beweis für diese These zeigt sich in den derzeitigen Spekulationen um den Corona-Virus. Menschen, die Verschwörungstheorien Glauben schenken, wird oft abwertend Paranoia unterstellt (vgl. Gregory, 2011, S. 45). Doch ist dies tatsächlich so? Gibt es möglicherweise eine persönliche Disposition, welche die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Verschwörungen zu glauben? Oder ist der Verschwörungsglaube eine verständliche Reaktion auf eine komplexer werdende Welt, wie die Zunahme an Verschwörungstheorien im 20. und 21. Jahrhundert zeigen? Diese Frage soll in dieser Arbeit beantwortet werden.
Dafür ist folgender Aufbau geplant: Im zweiten Kapitel werden zunächst Grundlagen zu Verschwörungstheorien erörtert. Dazu gehören die Definition, Erklärung und Bedeutung von Verschwörungstheorien. In einem weiteren Unterkapitel des zweiten Kapitels werden die bekanntesten Verschwörungstheorien vorgestellt. Im dritten Unterkapitel finden sich wichtige Abgrenzungen zu Verschwörungstheorie und alternativen Fakten. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Bedeutung der Persönlichkeit. Dabei wird im ersten Unterkapitel die Interaktion des Verschwörungsglaubens mit Persönlichkeitsstörungen betrachtet. Im zweiten Unterkapitel erfolgt die Vorstellung einer Textanalyse von Amtsschreiben der Reichsbürger, um dabei psychologische Defizite herauszufiltern. Die Studienlage in Bezug auf Verschwörungstheorien und Faktenwissen ist Gegenstand des dritten Unterkapitels des dritten Kapitels. Im vierten Kapitel wird die Bedeutung von sozioökonomischen Fakten und der sozialen Netzwerke in den Mittelpunkt gerückt. Hierbei wird der Verschwörungsglaube als Reaktion auf die Komplexitätszunahme diskutiert, um im Anschluss daran die Verbreitung der Theorien in sozialen Netzwerken zu erörtern. Im fünften Kapitel werden die Erkenntnisse aus der Arbeit zusammengefasst. Das sechste Kapitel beinhaltet das Fazit und den Ausblick.
2 Grundlagen zu Verschwörungstheorien
2.1 Definition, Erklärung und Bedeutung von Verschwörungstheorien
Zunächst soll der Begriff der Verschwörungstheorie definiert werden. Dieser kann mit dem Begriff des Verschwörungsglaubens gleichgesetzt werden, da es sich sowohl bei der Theorie, als auch beim Glauben nicht um eine erwiesene Erkenntnis, bzw. belegbares Wissen handelt. Die Verschwörungstheorie „… bezeichnet schlicht ein Modell zur Erklärung bestimmter Teile von Realität durch das Zustandekommen bzw. das Wirken einer Verschwörung” (Seidler, 2016, S. 28). Eine Verschwörung weist dabei auf eine geplante, geheime Handlung hin, an der mindestens zwei Akteure beteiligt sind. Bei der Annahme einer Verschwörung handelt es sich jedoch um einen unbestätigten Vorwurf. Die Verschwörer, so wird angenommen, wollen hinter dem Rücken der Öffentlichkeit bestimmte Ziele zu erreichen (vgl. Lantian, Muller, Nurra & Douglas, 2016, S. 1ff.).
Im allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei der Verschwörungstheorie um einen Begriff mit ablehnendem Charakter (vgl. Seidler, 2016, S. 29). Untersuchungen legen sogar nahe, dass der Begriff in den Sprachgebrauch eingeführt wurde, um ein abzulehnendes Phänomen zu beschreiben (vgl. Seidler, 2016, S. 30). Im akademischen Sprachgebrauch, wie z.B. den Politikwissenschaften oder der Psychologie wird der Begriff Verschwörungsideologie gebraucht. Dabei werden auch reale Personengruppen als Verschwörer diffamiert (vgl. Seiler, 2016, S. 31). Der Begriff der Verschwörungsideologie nimmt darüber hinaus eine ideologiekritische Perspektive ein (Seidler, 2016, S. 31). Psychoanalytisch wird Verschwörungsdenken als Paranoia verurteilt (vgl. Gregory, 2011, S. 45). Dabei wird übersehen, dass der Verschwörungsglaube auf einen Ausgleich zielt, denn der Glaube an moderne Verschwörungstheorien kann den Menschen helfen, ein Gefühl der Bedeutung, der Kontrolle und der Sicherheit zu bekommen (vgl. Lamberty, 2020).
Viele Verschwörungstheorien sind zudem kaum wiederlegbar und können sogar als Gegenbeweis für Expertenwissen dienen. Experten werden sogar oft als Teil der Verschwörung wahrgenommen (vgl. Sharp, 2008).
Bei Verschwörungstheorien oder Verschwörungshandlungen darf nicht vergessen werden, dass sie in modernen Gesellschaften auch den Machterhalt sichern. Es handelt sich dabei um eine Macht, die auf Geheimnissen, Geheimhaltung, Ausspähung, Täuschung, Desinformation und Verrat beruht (Horn, 2007, S. 9; zit. nach Seidler, 2016, S. 28). Im nachfolgenden Unterkapitel werden die wichtigsten Verschwörungstheorien der heutigen Zeit vorgestellt.
2.2 Bekannte Verschwörungstheorien
Corona – Pandemie
Zu den bekanntesten Verschwörungstheorien gehören im Moment Verschwörungen rund um die Corona-Pandemie. Dabei wird häufig gesagt, der Virus sei nicht gefährlicher als ein Grippeerreger. Weitere Verschwörungstheorien gehen davon aus, dass Multimilliardär und Teil der Weltverschwörung Bill Gates, den Virus finanziert habe (vgl. Butter, 2020). Weiterhin machen Gerüchte die Runde, dass bei der Bekämpfung des Virus den Menschen Chips unter die Haut gepflanzt werden, um so die totale Kontrolle und damit die Weltherrschaft zu erlangen. Ein Wahrheitsfunke ist dennoch an der Theorie, denn die Stiftung von Bill Gates soll erst im Jahre 2019 eine Pandemie simuliert haben. Bei dieser Simulation hatte das Virus ebenfalls seinen Ursprung in China und ist von Tieren auf den Menschen übergesprungen, um sich dann im Rest der Welt auszubreiten (vgl. Butter, 2020).
QAnon-Bewegung
Bei QAnon handelt es sich um eine Bewegung, die behauptet, dass die USA von einer kriminellen Organisation beherrscht wird. Dieser Organisation würden berühmte Persönlichkeiten aus Politik und Filmgesellschaft angehören. Die Botschaften der Bewegung haben antisemitischen und rechtsradikalen Charakter (vgl. Hell, 2020). Die Bewegung behauptet, berühmte Personen aus Politik, Medien und Unterhaltung betrieben satanistische, sadistische und pädophile Handlungen. Dabei würden Politiker mit Kindern handeln, um aus ihrem Blut ein lebensverlängerndes Serum (Adrenochrom) zu gewinnen (vgl. Hell, 2020). Über Ex- Präsident Donald Trump heisst es, er wolle diese Verschwörung beenden und ihre Opfer befreien.
Terroranschläge vom 11. September 2001
Über die verheerenden Terroranschläge am 11. September 2001 wird behauptet, dass Islamisten nicht die Hauptakteure wären. Die US-Regierung selbst habe die Twin Towers gesprengt, um einen Vorwand für einen militärischen Angriffskrieg im Irak zu haben. Laut Seidler (2016, S. 275) hatte die Suchmaschine Google am 11. September 2001 ihre Geburt, weil noch nie so viele Menschen nach Nachrichten im Internet gesucht haben.
Chemtrails
Chemtrails werden durch weisse Streifen am Himmel sichtbar. Über dieses Phänomen wird behauptet, dem Treibstoff von Flugzeugen würden giftige Chemikalien beigemischt und versprüht, um damit die Bevölkerung zu vergiften. Ziel der Aktion sei die Manipulation und Reduktion der Bevölkerung (vgl. Haderer & Hiess, 2005).
Reichsbürger-Bewegung
Die Bewegung behauptet, die Bundesrepublik Deutschland sei nicht souverän, sondern noch immer von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges besetzt (vgl. Rathje, 2016, S. 243).
Das Grundgesetz sei keine Verfassung und besässe demnach keine direkte, demokratische Legitimation. Weiter wird behauptet, Deutschland hätte bis heute keinen Friedensvertrag mit den Alliierten. Stattdessen sei Deutschland eine Firma, die BRD GmbH (vgl. Rathje, 2016, S. 242).
Im nachfolgenden Unterkapitel werden zur Ergänzung Abgrenzungen erörtert.
2.3 Abgrenzungen in Bezug auf Verschwörungstheorien
In Bezug auf Verschwörungstheorien muss eine Unterscheidung getroffen werden zwischen unhaltbaren Verschwörungstheorien und Verschwörungstheorien mit dokumentiertem, erforschtem Detailwissen, wie beispielsweise der Tatsache, dass die beiden Präsidentschaftskandidaten des Jahres 2004, John Kerry und George W. Bush, Mitglieder der Geheimgesellschaft Skull and Bones der amerikanischen Yale Universität waren (vgl. Hübschen, 2004). Zu einer weiteren dokumentierten Verschwörung zählt unter anderem die Existenz der Schweizer Geheimarmee P-26 (vgl. Ganser, 2005, S. 48). Verschwörungstheorien mit erforschtem Detailwissen werden deshalb auch als Verschwörungsfakten bezeichnet (vgl. Sollberger, 2017). Einige Intellektuelle bemühen sich kaum, zwischen tatsächlicher verschwörerischer Politik und Verschwörungstheorien zu unterscheiden. In einer Welt voller Geheimdienste, schleichender Interessengruppen, krimineller Kartelle und terroristischer Organisationen kann man es aber sich nicht leisten, Geschehnisse von erheblicher historischer Bedeutung zu ignorieren (vgl. Bale, 2007, S. 45ff.). Eine Begründung für die Ablehnung alternativen Wissens findet sich unter Umständen in folgendem Zitat von Schütz. Man will demnach„… ermüdende Untersuchungen aus[…] schliessen, indem [man] fertige Gebrauchsanweisungen anbietet, um die schwer zu erreichende Wahrheit durch bequeme Wahrheiten zu ersetzen und um das Selbstverständliche mit dem Fragwürdigen zu vertauschen“ (Schütz, 1972, S. 58). Coady (2007) bemerkt „Because political conspiracies are common and because it is usually desirable that they be exposed, it is important that there are people who are willing to investigate evidence of political conspiracy” (Coady, 2007, S. 195 f.).
Das nachfolgende Kapitel bewegt sich zunächst weg vom gesellschaftlichen und politischen Kontext, indem es die Persönlichkeit in den Mittelpunkt stellt.
3 Die Bedeutung der Persönlichkeit
3.1 Der Verschwörungsglaube als Persönlichkeitsstörung
Es wurde bereits angesprochen, dass der Verschwörungsglaube häufig mit der paranoiden Persönlichkeitsstörung in Zusammenhang gebracht wird. Deshalb soll diese Persönlichkeitsstörung zunächst auf Basis des ICD-Codes betrachtet werden. So heisst es: „Diese Persönlichkeitsstörung ist durch übertriebene Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisung, nachtragen von Kränkungen, durch Misstrauen, sowie eine Neigung, Erlebtes zu verdrehen gekennzeichnet, indem neutral oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missgedeutet werden …” (ICD-Code, 2018). Paranoide sind darüber hinaus sehr selbstbezogen. In Bezug auf den Verschwörungsglauben werden gegenteilige Fakten so lange verdreht, bis sie wieder zum Thema passen. Darüber hinaus gehört es zur paranoiden Störung, dass Verschwörern stets negative Handlungsmotivationen unterstellt werden. Der Verschwörungsglaube ist demnach mit dem Wahn verwandt. Ereignisse der näheren Umgebung, sowie in der Welt werden mit Verschwörungen erklärt.
Wenn Verschwörungstheorien analysiert werden muss auch der Aspekt der Projektion einbezogen werden. So werden die Verschwörer von ihren “Gläubigern” mit zahlreichen Persönlichkeitseigenschaften ausgestattet. Dazu wird ausgeführt: „In der Projektion werden sie zu vollkommen skrupellosen, verschlagenen, grausamen und zugleich nahezu unfehlbaren und omnipräsenten Akteuren” (Hepfer, 2015, S. 131). Sogar die Verhaltens- und Gedankenkontrolle wird ihnen unterstellt. Demnach müssten die Verschwörer mit ausserirdischen Fähigkeiten ausgestattet sein, was der menschlichen Logik widerspricht. Im psychologischen Sinne handelt es sich bei der Projektion von Eigenschaften und Charakterzügen um eigene Wünsche, die auf die Verschwörer übertragen werden (vgl. Hepfer, 2015, S. 131). Das bedeutet, dass die Ursprünge immer beim Menschen selbst zu suchen sind, der die Gerüchte in Umlauf bringt und demnach dem Verschwörungsglauben unterliegt.
Dass Verschwörungstheorien und Verschwörungsglauben im Zeitalter sozialer Netzwerke zugenommen haben wurde bereits beschrieben. Sie finden mit dem Internet zudem eine schnelle Verbreitung. In Gruppen schliessen sich Verschwörungstheoretiker zusammen.
Und auch hier spielen bestimmte Persönlichkeitseigenschaften eine wichtige Rolle. Oftmals sind es die Menschen, welche sich vom Sozialleben ausgeschlossen fühlen, die sich Verschwörungstheorien anschliessen (vgl. Fleischer, 2017). Diese Menschen hegen Vorurteile gegen die so genannte Elite, bestehend aus Politiker, Top-Managern und Bankern. Zufällige Anordnungen von Ereignissen werden von den Menschen in einen Zusammenhang gebracht und damit zur Verschwörungstheorie. Meist handelt es sich hier um Menschen, die aufgrund von unangenehmen Erinnerungen nach einem Sinn suchen. Diesen finden sie in der Verschwörungstheorie (vgl. Fleischer, 2017).
3.2 Textanalyse von Amtsschreiben von Reichsbürgern
Der Diplom-Psychologe Jan-Gerrit Keil, Kriminalpsychologe beim Landeskriminalamt Brandenburg hat amtliche Schreiben der Reichsbürger einer Analyse unterzogen (vgl. Keil, 2015, S. 51). Die aus der Ich- Perspektive aufgesetzten Schreiben fielen dabei besonders durch eine narzisstische Selbstaufwertung auf. Weiterhin wurde ein latenter Grössenwahn deutlich, der sich auch daran zeigte, dass Fantasietitel und Ämter inflationär genutzt wurden. Die Inhaltsanalyse der Schreiben ergab, dass oftmals unerfüllbare Forderungen aufgestellt wurden, auf deren Nichterfüllung drastische Konsequenzen angedroht wurden. Aktuelle gesellschaftliche Debatten wurden immer wieder in die Texte eingebunden. Zudem wurden Reizwörter genutzt mit Wiedererkennungswert. Verweise auf Verschwörungsfantasien gab es immer wieder in den Schreiben. Weiterhin wurde mit zahlreichen Paragraphen und Gesetzestexten argumentiert. Der Stil war belehrend, von oben herab und ideologisch geprägt (vgl. Keil, 2015, S. 51).
Keil (2015) analysierte auch die formale Perspektive der Texte. Diese fielen durch eine ausladende Textlänge mit zahlreichen Anhängen, Referenzen und Verweisen auf. Die Behördensprache wurde dabei versucht zu imitieren, was mit Ich-Botschaften vermischt wurde. Der Schreibstil war pseudowissenschaftlich. Teilweise war der Stil zudem missionarisch. Ein Hang zur Weitschweifigkeit und Pedanterie war ebenfalls deutlich. Grundsätzlich war die Gesamtgestalt der Texte fragmentarisch. Die Argumentation gelang den Verfassern nur unvollkommen. Die Stringenz der Argumentation war mangelhaft (vgl. Keil, 2015, S. 51). Insgesamt zeigt sich bei den Schreiben der Reichsbürger, dass sie Grösser erscheinen wollen, als sie tatsächlich sind. Mit den zahlreichen Verweisen und Fussnoten wollen sie ihre Adressaten beeindrucken, überfordern und verwirren. Darin spiegelt sich auch der bereits erwähnte Narzissmus wieder. Insgesamt kann den Reichsbürgern an Hand ihrer Schreiben durchaus eine Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und narzisstischen Zügen unterstellen.
3.3 Der Zusammenhang zwischen Verschwörungstheorien und Faktenwissen
Von Psychologen wurden Verschwörungstheorien und Verschwörungsdenken vielfach untersucht, doch gibt es nur oberflächliche wissenschaftliche Betrachtungsweisen über den Zusammenhang zwischen Faktenwissen und dem Glauben an Verschwörungstheorien. In einer Studie von Miller, Saunders und Farhart (2016, S. 824ff.) konnte festgehalten werden, dass Personen, die über ein gutes Faktenwissen in der Politik verfügen, denen es aber an Vertrauen mangelt, vermehrt an ideologisch motivierte Verschwörungen glauben.
Sollberger (2017) konnte nachweisen, dass ein höheres Wissen über Verschwörungsfakten positiv mit dem generellen Glauben an Verschwörungstheorien korreliert. Auch zeigte sich in dieser Untersuchung, dass Männer über ein höheres Wissen über Verschwörungsfakten verfügen, als Frauen. Es wurde in dieser Forschung unter anderem untersucht, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Offenheit für Erfahrungen, Urteilsvermögen und Aufgeschlossenheit und die Liebe zum Lernen positiv mit dem Wissen über Verschwörungsfakten assoziiert sind. Es kann gesagt werden, dass die Persönlichkeit einen Einfluss auf das Wissen über Verschwörungsfakten hat. Es zeigte sich zudem ein Geschlechterunterschied zu Gunsten des männlichen Geschlechts. Eine positive Korrelation zwischen Faktenwissen und dem generellen Glauben an Verschwörungstheorien konnte nachgewiesen werden. Es ist also davon auszugehen, dass sich der von Sollberger (2017) beschriebene Einfluss von Faktenwissen in Abhängigkeit von Geschlecht und Persönlichkeit, unterschiedlich manifestieren könnte in Bezug auf den Glauben an Verschwörungstheorien.
4 Die Bedeutung der sozioökonomischen Fakten und der sozialen Netzwerke
4.1 Der Verschwörungsglaube als Reaktion auf die Komplexitätszunahme
In der Einleitung wurde gefragt, inwieweit es sich beim Verschwörungsglauben um eine Reaktion in Bezug auf die Sinn- und Ordnungssuche in einer komplexer werdenden Welt handelt. In diesem Unterkapitel soll diese Frage untersucht werden. Zur komplexer werdenden Welt gehört in jedem Fall die Globalisierung. Die Menschen fühlen sich durch den Wegfall der Grenzen ihrer Sicherheiten beraubt. Das zeigt sich deutlich am Beispiel der Reichbürger, die ihren eigenen Staat gründen. Dazu kommt der technologische Fortschritt. Die Digitalisierung schreitet voran, was mit einer Auflösung von zeitlichen und räumlichen Grenzen einhergeht. Es verschwimmen demnach nicht nur die Ländergrenzen, sondern auch die privaten Grenzen der Erreichbarkeit, was mit einer Informationsüberflutung einhergeht, so dass es immer schwerer wird Fakten von Phantasmen zu unterscheiden. Auflösungsprozesse, bzw. Desintegrationen finden sich auch im familiären Bereich, indem Scheidungen und Patchwork - Familien zunehmen. Auch hier ist wieder die Reaktion der Reichbürger zu benennen, die sich ein eigenes Idyll erschaffen. Verwirrung stiften auch die Migrationsbewegungen, die ihre Ursache in Kriegen, defizitären Staaten und Klimakrisen haben.
Politiker machen sich diese Komplexitätszunahme im Sinne ihres Machterhalts zu Nutze, indem sie Lösungen anbieten (vgl. Blume, 2016). Diese Lösungen sind oftmals nicht nachhaltig, sondern stellen allenfalls Interventionen dar.
4.2 Die Verbreitung von Verschwörungstheorien in sozialen Netzwerken
In der Einleitung wurde deutlich, dass die sozialen Netzwerke eine besondere Rolle bei der Verbreitung von Verschwörungstheorien spielen. Das liegt nicht nur daran, dass die Nutzer hier mit unübersichtlichen und ungeordneten Informationen überflutet werden. Soziale Netzwerke haben zudem einen Beschleunigungseffekt. Das bedeutet, dass sich Verschwörungstheorien schneller verbreiten, als Wahrheiten (vgl. Bundesregierung, 2020). Dazu kommt ein psychisches Phänomen, was besagt, dass Nachrichten, die sich im privaten Raum verbreiten für besonders glaubhaft gehalten werden. Jedem, der soziale Netzwerke nutzt ist bekannt, dass hier jeder Pseudo-Experte seine Meinung verbreiten kann. Die Nutzer wählen dann die Informationen aus, die zu ihrem Weltbild passen, das unter Umständen eine Verschwörungstheorie beinhaltet. Durch diese einseitige Selektion von Informationen wird das eigene Weltbild psychologisch verstärkt. Das wird dann als Leben in einer „Blase“ bezeichnet.
5 Zusammenfassung der Erkenntnisse
In dieser Arbeit sollte die Frage beantwortet werden, ob es sich beim Verschwörungsglauben um die Folge einer Persönlichkeitsstörung handelt oder um die logische Reaktion auf eine komplexer werdende, unsichere Welt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es im 20. und 21. Jahrhundert zu einer massiven Zunahme an Verschwörungstheorien kam. In dieser Zeit stieg auch die Komplexität der Welt durch die technologische Entwicklung und den Fortschritt der Wissenschaften, bei einer gleichzeitigen Entzauberung der Welt, die ihre religiöse Basis verlor. Es wäre demnach nicht abwegig zu behaupten, dass die Persönlichkeitsstörungen im 20. und 21. Jahrhundert ebenfalls zugenommen haben, zumal sich der wissenschaftliche Zweig der Psychologie etablierte. Ein auf sich selbst zurückgeworfenes Individuum ist in jedem Fall anfällig für Unsicherheiten und Verwirrung, da der Halt in der Gemeinschaft zu suchen ist. Insofern ist anzunehmen, dass die Komplexitätszunahme der Welt sowohl zu einer Zunahme an Persönlichkeitsstörungen als auch zu einer Zunahme an Verschwörungsgläubigern führt. Laut Definition handelt es sich bei Verschwörungstheorien um eine neue Erklärung der Welt, bei der mindestens zwei Akteure gemeine Ziele erreichen wollen. Werden die unterschiedlichen Verschwörungstheorien der modernen Zeit betrachtet, dann zeigt sich, dass die Corona-Pandemie nochmals zu einer massiven Zunahme der Verschwörungstheorien geführt hat. Fast kann gesagt werden, dass die Corona-Pandemie verschiedene Verschwörungstheorien auf einen gemeinsamen Nenner bringt. Dabei steht oft die Weltherrschaft im Mittelpunkt, die einige wenige privilegierte Personen für sich beanspruchen möchten. Für dieses Ziel wird Schaden an der Bevölkerung in Kauf genommen. Wenn von Verschwörungstheorien die Rede ist, darf nicht vergessen werden, dass auch solche Theorien einen Funken Wahrheit erhalten. Nicht selten gibt es sogar belegbare Fakten. So wurde, wie in der Arbeit erwähnt, ein Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, die gleiche Situation unter der Leitung von Bill Gates simuliert. Solcherlei alternatives Wissen wird von den politischen Machthabern oft mit Ablehnung gestraft, obwohl ein Hinterfragen dieses Wissens im Zeitalter von Terrorbewegungen, vielfältigen Interessengruppen und kriminellen Kartellen unabdingbar wäre. Diese Leugnung alternativer Fakten führt bei den Menschen wiederum zur Politikverdrossenheit, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Verschwörungen zu glauben. Natürlich werden Verschwörungstheorien nicht ausschliesslich durch politische Verwicklungen ausgelöst. Es gibt durchaus eine persönliche Disposition zum Verschwörungsglauben. Hier ist die paranoide Persönlichkeitsstörung zu nennen, die äussere Ereignisse in völlig neue Zusammenhänge bringt. Häufig werden dabei eigene negative Eigenschaften und Befürchtungen in die Verschwörer projiziert. Die sozialen Netzwerke beschleunigen dies, da sich isolierte, einsame Menschen hier leicht in Gruppen zusammenschliessen können, die das eigene Weltbild teilen. Wird der Forschungsstand betrachtet, dann ist die Textanalyse von Keil (2015) recht eindeutig. Hier zeichneten sich besonders die narzisstischen Züge der untersuchten Reichsbürger ab. In Bezug auf Studien über den Zusammenhang zwischen dem Verschwörungsglauben und Faktenwissen ist es so, dass Personen, die zwar über ein gutes politisches Faktenwissen verfügen, aber gleichzeitig einen Mangel an Vertrauen haben, anfälliger für Verschwörungstheorien sind. Dem vorausgegangen ist die bereits erwähnte Abneigung von Politikern, alternative Meinungen und alternatives Wissen zuzulassen und dem nachzugehen.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass beim Verschwörungsglauben eine Mischung aus persönlichen Faktoren, wie z. B. einer Disposition zu einer Persönlichkeitsstörung und äusseren Faktoren, wie z. B. Verunsicherung durch Komplexitätszunahme, Corona- Krise usw., wirksam wird. Dabei dürfen soziale Aspekte nicht ausser Acht gelassen werden. So sind einsame, sozial isolierte Menschen ebenfalls dafür anfällig, sich in einer Gruppe in sozialen Netzwerken zusammenzuschliessen, die ins eigene Weltbild passt. Angesichts der Tatsache, dass die Corona- Krise eine soziale Isolation zur Folge hat, wird nochmals die Gefahr des Verschwörungsglaubens deutlich. Insofern ist die Flucht in Verschwörungstheorien eine nachvollziehbare Reaktion auf die Komplexitätszunahme und Verunsicherungen. Diese Komplexität wird durch einfache Erklärungen reduziert.
6 Fazit und Ausblick
Im Fazit ist zu sagen, dass Verschwörungstheorien auch in Zukunft zunehmen werden, da sich die Komplexität der Welt in absehbarer Zeit nicht reduzieren wird. Die Krisen der letzen zehn Jahren zeigen dies deutlich. Auch in Zukunft werden die Menschen mit Krisen konfrontiert, deren Lösung Flexibilität und Anpassungsvermögen erfordert. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, wie dem Verschwörungsglauben vorgebeugt werden kann. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten (vgl. Reichhardt, 2020). Eine Möglichkeit ist das Angebot alternativer Erklärungsmodelle. Hier sind die grossen Medienkonzerne gefragt, die ihrerseits Erklärungsmodelle in sozialen Netzwerken und auf von Verschwörungstheoretikern frequentierten Netzwerken und Webseiten anbieten sollten. Die Politiker sollten sich darum bemühen wieder Vertrauen zum Volk aufzubauen. Die einzelnen Menschen sollten ihre Selbstbestimmtheit stärken und reflektieren (vgl. Reichhardt, 2020). Dabei hilft es bewusst Medienpausen einzulegen. Gleichzeitig helfen Achtsamkeitsmeditationen dabei, die innere Mitte zu finden und die Intuition zu stärken. Solche Meditationstechniken sollten bereits im Bildungssystem Eingang finden.
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- Anonymous,, 2020, Der Glaube an Verschwörung. Folge einer Persönlichkeitsstörung oder logische Reaktion auf eine undurchsichtige Welt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/993026
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