Die Sozialliberale Koalition (1969-1982)
Chronologischer Ablauf:
1969: Der Machtwechsel beginnt:
Gustav Heinemann (SPD) wird Bundespräsident als Nachfolger von Heinrich Lübke (CDU).
Bildung der Koalitionsregierung unter Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und Außenminister Walter Scheel (FDP):
Beginn der Gespräche mit Russland und Polen (ð“Neue Ostpolitik”)
1970: Erstes Treffen zwischen Brandt und dem Vorsitzenden des DDR-Ministerrats Stoph ð Eingeständnis, dass in Deutschland 2 Staaten bestehen.
- Moskauer Vertrag
- Warschauer Vertrag
1971: Abschluss des Grundlagenvertrags mit der DDR (Anerkennung der DDR unter Vorbehalt) Brandt erhält den Friedensnobelpreis
1972: April:
Im Streit um die Ostverträge verliert die Koalition die Mehrheit im Bundestag.
Konstruktiver Misstrauensantrag der Opposition scheitert nur knapp: SPD/FDP-Regierung bleibt.
Mai:
Zustimmung des Bundestags zu den Ostverträgen
September:
Bundestagsauflösung nach Mehrheitsschwund
November:
SPD/FDP gewinnen die Neuwahlen überraschendðFortsetzung der Sozialliberalen Koalition
1974: Brandt zieht die Konsequenzen aus der Entdeckung des DDR-Spions Guillaume und tritt als Kanzler zurück.
Nachfolger Helmut Schmidt (SPD) setzt die Koalition fort.
Hans-Dietrich Genscher (FDP) wird Außenminister, Walter Scheel Bundespräsident
1979: Karl Carstens (CDU) wird neuer Bundespräsident
1980: Nachdem der linke Terrorismus seinen Höhepunkt erreicht hat und drei Politiker sterben (darunter der von der RAF ermordete Arbeitgeberpräsident Schleyer), wächst die allgemeine Friedensbewegung
ð Gründung der Partei Die GRÜNEN.
1982: Streit innerhalb der Regierung führt zum Bruch des Sozialliberalen Bündnisses.
Die Annäherung der FDP an die Union ermöglicht ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt
ð Neue CDU/CSU/FDP-Regierung mit Helmut Kohl als Bundeskanzler und Genscher als Außenminister.
Referat Sozialliberale Koalition
Die Sozialliberale Koalition (1969-1982)
Ausführliche Darstellung:
1. Der Weg von der Großen Koalition zum Sozialliberalen Bündnis:
Die Zahl der Gegner der Großen Koalition nahm vor allem in den Reihen der SPD verstärkt zu, als strittige Probleme in der Ost- und Deutschlandpolitik bei Verhandlungen ausgeklammert wurden. SPD - Mitglieder aus allen Reihen traten nun für eine Koalition mit der FDP ein.
Doch dieses neue Bündnis war nur durch einen deutlichen Wandel in der FDP möglich:
Um die Partei 1966 vor einem großen Absturz zu bewahren, entschloss sich ein Teil der Mitglieder zu einer Neuorientierung der FDP in Richtung des demokratischen und sozialen Liberalismus. Es sollte nun nicht mehr die Sicherheit, sondern die Offenheit in der Staatspolitik im Vordergrund stehen, was sich durch die Wahl Scheels zum neuen Parteivorsitzenden noch bestätigte.
Als die FDP - Mitglieder bei der Bundespräsidentenwahl 1969 ihre Stimmen dem sozialdemokratischen Kandidaten Heinemann gaben, war eine Annäherung nicht mehr zu übersehen.
Damit wurde die Grundlage für ein gemeinsames politisches Handeln der Liberalen mit der SPD geschaffen.
2. Die Sozialliberale Koalition:
So entstand 1969 die erste sozialliberale Regierung seit der Gründung der Bundesrepublik mit dem Sozialdemokraten Willy Brandt als Bundeskanzler und dem Bundespräsidenten Gustav Heinemann als Nachfolger des CDU - Politikers Heinrich Lübke.
Außenminister wurde Walter Scheel, welcher der Koalitionspartei FDP angehörte.
Mit den Parolen “Mehr Demokratie wagen” und “Demokratisierung der Gesellschaft” zog die neue Regierung alle Blicke auf sich und stellte das bis dahin umfangreichste Reformprogramm in der Geschichte vor. Vieles davon wurde problemlos realisiert, zum Beispiel die Herabsetzung des aktiven Wahlrechts von 21 auf 18 Jah- re.
Aber das wirklich Neue und Außerordentliche unter Willy Brandt war die neue Ostpolitik. Brandt war der Erste, der sich ernsthaft für eine Verbesserung der Beziehungen zu den sogenannten Ostblockstaaten (Sowjetunion, Polen, etc.) und der DDR einsetzte.
Schon in seiner Antrittsrede vor dem Bundestag sprach der Kanzler davon, dass es die wichtigste Aufgabe der Politik sei, “ein weiteres Auseinanderleben der deutschen Nation zu verhindern, also zu versuchen, über ein geregeltes Nebeneinander zu einem Miteinander zu kommen.”
Die Regierung griff bei der Umsetzung dieser Forderungen auf Konzepte zurück, die Brandt und sein engster Mitarbeiter Egon Bahr bereits einige Jahre zuvor entwickelt hatten und in welchen sie sich für eine “Politik der kleinen Schritte aussprachen”.
Ein Jahr später gestand die deutsche Regierung ein, dass in Deutschland zwei Staaten existierten, was bis dato bestritten wurde. Damit verzichtete die Bundesrepublik auf den Anspruch, die einzige rechtliche Vertretung des Deutschen Volkes zu sein.
Das war die Voraussetzung für das Zustandekommen des ersten Treffens zwischen Willy Brandt und dem Vorsitzenden des DDR-Ministerrats Willy Stoph in Erfurt.
Dabei wurde das Minimalziel Brandts, ein weiteres Treffen in Westdeutschland, erreicht. Man einigte sich aber nicht grundlegend über das Verhältnis der zwei Staaten, doch sahen alle dieses Treffen als Wendepunkt an.
Verhandlungen zwischen Deutschland und der UdSSR führten 1970 zum
Moskauer Vertrag:
Die UdSSR und Deutschland einigten sich auf gegenseitigen Gewaltverzicht, d.h. Lösung eventueller Streitfragen nur mit friedlichen Mitteln. Des weiteren verpflichtete sich die Bundesrepublik, die bestehenden Grenzen in Europa zu achten und nie wieder Gebietsansprüche gegen irgend ein Land zu hegen.
Nachdem einige Gespräche zwischen der BRD und Polen geführt wurden (ðDer spontane Kniefall Brandts bei der Kranzniederlegung im ehemaligen Ghetto von Warschau!!), kam es zum
Warschauer Vertrag:
Deutschland verhandelte mit Polen über eine stabile Aussöhnung der beiden Länder. Schließlich erkannte die Bundesrepublik die Oder-Neiße-Linie als westliche Grenze Polens an und erklärte sich außerdem bereit, keine weiteren Gebietsforderungen zu haben. Polen sicherte hingegen zu, dass alle deutschstämmigen Polen nach Deutschland übersiedeln dürfen.
Willy Brandt erhält 1971 für seine Bemühungen im Osten den Friedensnobelpreis, nachdem auch endlich der Grundlagenvertrag mit der DDR unterzeichnet wurde. Darin bestätigte Deutschland nochmals die Anerkennung der DDR unter Vorbehalt. Dies zeigte sich darin, dass lediglich ein ständiger Vertreter an Stelle eines Botschafters bereitgestellt wurde, weil die BRD die DDR sonst als souveränen Staat anerkannt hätte! Außerdem wurde ein Abkommen zur Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten geschlossen, so dass nun die Besuche zwischen Ost und West beginnen konnten.
Im Streit um die Ostverträge kam es innerhalb der Regierung zu Konflikten, die zum Übertritt einiger FDPbzw. SPD-Bundestagsabgeordneten zur Opposition führten.
Dadurch verlor die Koalition 1972 ihre sowieso relativ knappe Mehrheit im Bundestag.
Daraufhin machte die CDU/CSU erstmals in der Geschichte von der Möglichkeit des konstruktiven Misstrauensvotums Gebrauch, welches aber knapp scheiterte.
So konnte zwar die sozialliberale Regierung fortgesetzt und die Ostverträge (durch Enthaltung der Union bei der Abstimmung) durchgesetzt werden, doch blieb sie im weiteren Verlauf durch den großen Widerstand im Bundestag handlungsunfähig.
Deshalb leitete Brandt im November Neuwahlen ein, bei denen die SPD das erste Mal stärkste Partei wurde und folglich, für viele überraschend, die Koalition fortgesetzt werden konnte.
Doch mit dieser Wiederwahl begann eine gelähmte Zeit in Bonn, in der Willy Brandt nicht mehr an seine früheren Erfolge als Kanzler anknüpfen konnte.
Führungsschwäche, Schwierigkeiten innerhalb der Regierung, Inflation und dieölkrise (weil derölpreis verdreifacht wurde) hinterließen ihre Spuren, weshalb die gesamte Regierung immer mehr Vertrauen bei den Wählern einbüßte.
Als 1974 sein enger Mitarbeiter Guillaume als DDR-Spion enttarnt wurde, zog Brandt die Konsequenzen und trat im Mai als Bundeskanzler zurück. Er begründete seine Entscheidung damit, dass in dem staatlichen Sicherheitssystem einige Löcher vorhanden sein müssten, wenn ein Spion von ihm unentdeckt als Referent im Kanzleramt tätig sein konnte.
Neuer Kanzler wurde der Sozialdemokrat Helmut Schmidt, so dass die Koalitionsregierung weiter bestehen konnte, was auch Brandts größter Wunsch beim Rücktritt gewesen war. Der frühere Innenminister HansDietrich Genscher wurde nun Außenminister und löste damit den langjährigen Begleiter und Freund Brandts, Walter Scheel ab, welcher nun das Amt des Bundespräsidenten übernahm.
Unter Helmut Schmidt wurde energisch versucht, die Wirtschaftskrise (hohe Arbeitslosigkeit, Preisanstieg und Staatsverschuldung) zu überwinden und es kehrte nach den Intrigen und gegenseitigen Beschuldigungen am Ende der Ära Brandt erstmals wieder Ruhe in den Reihen der SPD ein.
Bei der Bundestagswahl 1976 konnte die CDU/CSU große Erfolge verbuchen, doch reichte es noch nicht zum Sieg, so dass die Koalition Schmidt/Genscher weiterhin bestehen blieb.
Während der ganzen 70er Jahre hatte Deutschland mit dem wachsenden Terrorismus, sowohl von Links als auch von Rechts, zu kämpfen.
Es bildeten sich terroristische Gruppen, wie zum Beispiel die “Rote Armee Fraktion” (RAF), die vorgaben für ein gerechtes und menschliches Deutschland einzutreten. Doch verfolgten sie diese Ziele mit allen Mitteln und schreckten auch vor Ermordungen nicht zurück. Ihr Leitspruch lautete: “Wer das Gewehr ablegen will, muss zum Gewehr greifen!!” Der Terrorismus erreichte 1977 seinen Höhepunkt als drei bedeutende Staatsmänner starben. Einer von ihnen war der Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer, der von der RAF entführt und ermordet wurde.
Nach diesen Ereignissen entschloss sich die Regierung, energisch zu handeln. Polizei und Verfassungsschutz wurden verstärkt und die Gesetze verschärft. Doch auch dadurch entstanden neue Probleme in der Bundesrepublik: Diejenigen, die gegen die strengen Regelungen waren, wurden nun als Sympathisanten der Terroristen gesehen. Da dies auch linksorientierte Politiker der SPD waren, entwickelte sich innerhalb der Regierung erneut eine große Spannung, wodurch das gesamte politische Klima beeinflusst wurde.
Zu Schmidts politischen Großtaten zählte der NATO-Doppelbeschluss im Jahre 1979. Dabei entschlossen sich die USA, neue Waffen in Europa zu stationieren, um so das Übergewicht der UdSSR an Waffen auszugleichen. Auf der anderen Seite bemühten sich die westlichen Staaten um ein Abkommen mit der Sowjetunion, alle bestehenden Mittelstreckenwaffen in der UdSSR sowie in Europa zu vernichten, was dann auch erreicht wurde.
Durch die Vorkommnisse der letzten Jahre war die allgemeine Friedensbewegung bis 1980 stark angewach- sen, was sich in der Gründung der Partei DIE GRÜNEN niederschlug. Die Partei deutete eine ganz neue Ge- neration an, sie engagierte sich für den Umweltschutz, gegen die Atomkraft und setzte sich für die Frauenbe- wegung ein. Damit wurde der Regierung eine gesamtpolitische Veränderung signalisiert. Obwohl ein anderer Teil der ehemaligen liberalen Gruppierung eine “Tendenzwelle” in Richtung konservativer Gesinnung zeigte, konnte Helmut Schmidt die Wahl 1980 noch einmal gegen Franz-Josef Strauß gewinnen.
Doch auch Deutschland war es nicht möglich, Arbeitslosigkeit und Inflation entscheidend einzuschränken. Als Schmidt 1982 auf Gelder aus dem Sozialbereich zurückgreifen wollte, zog er damit den Unmut der gesamten Koalition auf sich. Infolge dessen sagte sich die FDP unter ihrem Parteichef und Außenminister Genscher von der SPD los und näherte sich der Opposition an.
Dadurch wurde ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt möglich, welches dieser klar ver- lor.
Das bedeutete das Ende der sozialliberalen Koalition und den Beginn der Ära Helmut Kohl.
- Citation du texte
- Carmen Zilch (Auteur), 2001, Die Sozialliberale Koalition, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99263
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