Interpretation Die drei dunklen Könige
Wolfgang Borchert, ein Vertreter der deutschen Trümmerliteratur nach dem 2. Weltkrieg, lebte von 1921-1947. In seiner Kurzgeschichte ,,Die drei dunklen Könige" beschreibt er in einfacher, sehr bildreicher Sprache wie sich die Menschen in der Nachkriegszeit über Leben und Geborgenheit freuen, sich andererseits aber auch Sorgen um die Zukunft machen.
Am Anfang wird von einem Mann erzählt, der mitten in der Nacht durch die Stadt läuft. Er bricht ein Stück von einer Holzplanke ab und kehrt damit nach Hause zurück, wo ihn seine Frau erwartet. Der Mann betritt das Zimmer und legt das Holzstück in den Ofen. Gemeinsam betrachten er und seine Frau ihr Kind, was schlafend neben ihnen liegt und erst eine Stunde alt ist. Dann erscheinen drei Soldaten an der Tür, die sich kurz setzen wollen. Obwohl er ihnen sagt, dass sie ein Baby haben, kommen die drei herein. Der Mann und die Soldaten gehen nach draußen um Tabak zu rauchen, den einer der Soldaten mitgebracht hat. Ein anderer Soldat gibt dem Mann einen selbstgeschnitzten Esel für das Kind. Nachdem sie wieder ins Zimmer gekommen sind und das schlafende Kind betrachtet haben, schenkt der dritte der Frau zwei Bonbons. Als sich die Soldaten über das Baby beugen, wacht dieses auf und beginnt zu schreien. Die drei brechen wieder auf. Wieder schauen die Eltern ihr Kind an und die Frau bemerkt, dass Weihnachten ist.
,,Er tappte durch die dunkle Vorstadt.", gleich im ersten Satz beginnt die Handlung ohne eine Einleitung. ,,Er" bleibt, wie für eine Kurzgeschichte üblich, anonym. ,,Die Häuser standen abgebrochen", der Krieg hat sie zu Ruinen gemacht. Es ist eine Nacht ohne Licht, ,,der Mond fehlte", ,,Sterne waren nicht da". Die Atmosphäre ist trostlos. ,,Das Pflaster war erschrocken über den späten Schritt", es ist nicht üblich, dass jemand mitten in der Nacht durch die Stadt läuft. ,,Dann fand er eine alte Planke", die Handlung wird fortgesetzt. Wir erfahren nun warum ,,er" unterwegs ist, er sucht nach Holz. Er empfindet den Geruch des Holzes als ,,mürbe und süß", es ist etwas besonderes und er denkt schon an die Wärme und Behaglichkeit, die es ihnen spenden wird. Borchert arbeitet mit vielen Personifizierungen: ,,das Pflaster war erschrocken", ,,eine Latte [seufzte auf]", alles ist vom Krieg vorbelastet. ,,Er" kehrt nach Hause zurück und öffnet die Tür, ,,sie weinte dabei", man denkt zunächst ein Mensch weint, aber es ist ,,die Tür". Die ,,blassblauen Augen seiner Frau" sahen ihm entgegen. Diese Augen sind etwas sehr wichtiges für ihn, denn sie sagt ihm vieles durch Blicke, ohne Worte. Das Gesicht der Frau ist müde, müde vom Krieg und müde von der Geburt des Kindes. Im Zimmer ist es sehr kalt, ,,ihr Atem hing weiß" in der Luft. Deshalb ist ,,er" mitten in der Nach Holz holen gegangen, damit sein neugeborenes Kind und seine Frau nicht frieren müssen. Er ,,brach das Holz", ,,[dann] roch es mürbe und süß, ,,beinahe wie Kuchen". Der Geruch ist ein Ersatz für Essen, deshalb riecht er immer wieder an dem Stück. Leise lacht er, mit den Augen sagt seine Frau ihm ,,Nicht, [...] nicht lachen. Er schläft." Die beiden verstehen sich, sie kennen sich gut. Wir als Leser wissen nicht einmal wer ,,er" ist, erst später erfahren wir, dass es sich um ein kleines Baby handelt. Mit dem Gedanken an das Kind, legt der Mann ,,das süße mürbe Holz in den kleinen Blechofen", das Kind soll nicht frieren. Wir haben inzwischen mehr über den Mann erfahren, deshalb ist er nicht mehr einfach nur ,,er", sondern der ,,Mann" und dadurch weniger anonym. Das aufglimmende Holz ,,warf eine Handvoll warmes Licht durch das Zimmer", eine Handvoll Hoffnung für diesen kleinen Moment. Das Licht ,,fiel auf ein winziges rundes Gesicht", ,,das Gesicht war erst eine Stunde alt", erst jetzt wissen wir als Leser, dass es um ein ganz kleines Baby geht. ,,[Aber] es hatte schon alles, was dazugehört: Ohren, Nase, Mund und Augen", die Eltern sind stolz auf ihr gesundes Kind. Es ist die ganze Zeit nur die Rede vom ,,Gesicht", noch haben sich der Mann und die Frau noch nicht ganz an den Gedanken gewöhnt, dass sie einen richtigen Menschen bekommen haben, noch ist das Kind nur ein ,,Gesicht". Außerdem sieht man wahrscheinlich auch nur das Gesicht, weil das Kind warm eingepackt ist. ,,Nase und Ohren waren rot", vielleicht von der Kälte, aber die Hauptsache ist: ,,Er lebt", auch wenn ,,das kleine Gesicht schlief". ,,Da sind noch Haferflocken, sagte der Mann.", das ,,noch" weist darauf hin, dass es nur wenige sind. Trotzdem sagt die Frau: ,,das ist gut", sie können froh sein, dass sie überhaupt etwas zu essen haben. Ohne Mitleid beschreibt Borchert die Nachkriegszeit, ohne Wörter wie Hunger, Armut oder Elend.
Trotzdem erfahren wir, dass es diese Dinge alle gab. Der Mann macht sich große Sorgen ,,Nun hat sie ein Kind gekriegt und muss frieren". ,,Aber er hatte keinen, dem er seine Fäuste in's Gesicht schlagen konnte", dieser Satz kommt ganz unvermittelt, genauso plötzlich wie seine Wut ihn immer wieder überfällt, Wut darüber, dass er seiner Familie nichts bieten kann, weil es einfach nichts gibt. Es gibt keinen, an dem er seine Wut auslassen kann, keinen der Schuld hat an dieser Situation. Nachdem er neues Holz nachgelegt hat, fällt wieder eine ,,Handvoll Licht über das schlafende Kind." Die Frau sagt: ,,Kuck, wie ein Heiligenschein, siehst du".
Wieder überkommt den Mann die Wut ,,und er hatte keinen, dem er die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte". Wolfgang Borchert benutzt viele Wiederholungen, meist für Gefühle und Eindrücke, die den Mann immer wieder überwältigen: seine Wut, die er an jemandem auslassen will, ,,das kleine Gesicht", ,,das mürbe süße Holz", die ,,blassblauen Augen" seiner Frau, die ihm so vieles sagen.
,,Dann waren welche an der Tür", das ,,welche" hat hier erst einmal eine negative Bedeutung, es sind Menschen, die die gerade herrschende Ruhe und Gemütlichkeit innerhalb der kleinen Familie stören. ,,Wir wollen uns hinsetzen.", sie bitten nicht, sie sagen es einfach nur, der negative Eindruck bleibt. ,,Aber wir haben ein Kind, sagte der Mann zu ihnen", denn er möchte nicht das sein Kind gestört wird. ,,[Aber] sie kamen doch ins Zimmer." ,,Wir sind ganz leise, flüsterten sie und hoben die Füße hoch", sie werden nun etwas sympathischer. ,,Wir sahen das Licht", ,,Drei waren es", langsam wird eine Verbindung zum Titel ,,Die drei dunklen Könige" aufgebaut. ,,Dunkel" sind diese Könige, geheimnisvoll und überhaupt nicht prunkvoll, sondern in ,,drei alten Uniformen". Einer der Soldaten ,,hatte einen Pappkarton, einer einen Sack. Und der dritte hatte keine Hände". Keine Hände zu haben ist in der Nachkriegszeit nicht außergewöhnliches, deshalb wird es wie selbstverständlich neben den Sachen, die die anderen haben aufgezählt. Erfroren sagte er, und hielt die Stümpfe hoch", er kann damit leben, hat sich damit abgefunden. ,,Dann drehte er dem Mann die Manteltasche hin". Ein, für diese Zeit großer Luxus ist darin, ,,Tabak" und ,,dünnes Papier" und trotzdem bietet er etwas davon an. ,,Aber die Frau sagte: ,,Nicht, das Kind", sie sorgt sich um das Kind. "Da gingen die vier vor die Tür", der Mann gehört nun mit dazu, das Rauchen verbindet sie, ,,und ihre Zigaretten waren vier Punkte in der Nacht", die Menschen treten in den Hintergrund, die Zigaretten sind wichtiger.
Der Soldat mit dem Sack holt etwas heraus, ,,ein Esel, sagte er, ich habe sieben Monate daran geschnitzt. Für das Kind". Der Mann fragt die Soldaten nach ihren Leiden: ,,Was ist mit den Füßen? fragte der Mann. Wasser, sagte der Eselschnitzer, vom Hunger.", ,,Und der andere? [...] Oh nichts antwortete er, das sind nur die Nerven. Man hat eben zu viel Angst gehabt." Jeder von ihnen hat einen Schaden im Krieg erlitten, doch sie kommen damit zurecht, können offen darüber reden, sie haben wahrscheinlich schon viel schlimmere Dinge im Krieg gesehen. Nachdem sie ihre Zigaretten zu Ende geraucht haben, gehen sie ganz leise wieder ins Zimmer und sehen ,,auf das kleine schlafende Gesicht". Auch der dritte holt eine kleine Gabe ,,aus seinem Pappkarton zwei gelbe Bonbons" für die Frau. Obwohl sie bei einer fremden Familie sind und selbst fast nichts haben, verschenken sie Dinge, die ein absoluter Luxus in der Nachkriegszeit sind. Sie sind dankbar, weil sie hier endlich einmal wieder die Geborgenheit in einer Familie spüren konnten, ein Kind sehen durften, was neues Leben und Hoffnung bedeutet. ,,Die Frau machte die blassen blauen Augen weit auf", es spricht Angst aus ihnen, weil ,,sie die drei Dunklen über das Kind gebeugt sah." Sie hat sich nicht mit ihnen unterhalten, sie fürchtet sich immer noch ein wenig vor ihnen und auch der negative Eindruck vom Anfang ist bei ihr nicht ganz verschwunden. Plötzlich ,,schrie [das Kind] so kräftig, dass die drei Dunklen", Geheimnisvollen ,,zur Tür schlichen". Sie wollen nicht länger stören, ,,sie stiegen in die Nacht hinein", wie ,,Heilige". Jetzt, wo sie weg sind hat der Mann doch kein Vertrauen mehr ,,und sah nach den Haferflocken", seine Angst vor der Zukunft, die Angst seine Familie nicht ernähren zu können ist wieder da. ,,Aber wieder hatte er kein Gesicht für seine Fäuste", die drei Soldaten sind mit ihrem Schicksal klargekommen, er aber kann sich nicht damit abfinden, dass er seiner Familie so wenig bieten kann.
Vorher hatte er drei vor sich denen es noch schlechter ging und die sich trotzdem nicht beklagt haben, jetzt sind sie nicht mehr da und seine Wut kommt wieder hoch. ,,Kuck mal wie lebendig er ist, sagte sie", vorher hat er geschlafen, aber jetzt lebt er richtig. Beide versuchen das Schreien des Kindes zu deuten: der Mann fragt unsicher ,,Weint er? [...] Nein, ich glaube er lacht" Die Eltern sind stolz auf ihn. Auch wenn es in dieser Zeit schwer sein wird das Kind durchzubekommen, genügend Essen aufzutreiben und dafür zu sorgen, dass es nicht friert, sind sie glücklich über den kleinen Menschen neben ihnen. Wieder riecht der Mann an dem Holz: ,,wie Kuchen. Ganz süß. Jetzt riecht es noch süßer, weil jetzt das Kind richtig lebt. ,,Heute ist ja auch Weihnachten, sagte die Frau", es fällt ihr erst jetzt ein, vorher war das Kind einfach viel wichtiger. Erst jetzt werden die Parallelen zur Weihnachtsgeschichte richtig deutlich: die Geburt eines Kindes, das Licht was auf das Kind fällt und wie ein ,,Heiligenschein" aussieht, die ,,drei [...] Könige, die ,,das Licht" ,,sahen" und jeder eine Gabe mitbringen ... ,,[Vom] Ofen her fiel eine Handvoll Licht hell" und hoffnungsvoll ,,auf das kleine schlafende Licht. Das Ende der Kurzgeschichte ist ebenso wie der Anfang offen, allerdings ist hier die Stimmung ruhig und behaglich, am Anfang eher etwas unheimlich.
Wolfgang Borchert beschreibt in seiner Geschichte die unterschiedlichen Gefühle der Menschen in der Nachkriegszeit. Ohne Wertungen erzählt er von Menschen, die es gelernt haben mit ihrem Schicksal umzugehen und von anderen, denen es schwer fällt, die immer wieder wütend werden und Angst vor der Zukunft haben. Eines aber haben alle diese Menschen gemeinsam, sie freuen sich über ganz kleine Dinge, darüber, dass es noch Geborgenheit gibt, dass andere Menschen freundlich zu ihnen sind und einfach darüber dass sie noch am Leben sind.
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- Kathrin Neidhold (Author), 2000, Borchert, Wolfgang - Die drei dunklen Könige #, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99227
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