I. Sturm und Drang
,,Sturm und Drang - Das Z ü ndkraut der Revolution" (Goethe)
Definition: ,,...geistige Bewegung in Deutschland von Mitte der sechziger bis Ende der achtziger Jahre des 18. Jh.s. Die Bez. >Sturm und Drang< wurde nach dem Titel eines Schauspiels von F. M. Klinger (1777) auf die ganze Bewegung übertragen. Ihr Ausgangspunkt ist eine jugendliche Revolte gegen Einseitigkeiten der Aufklärung, gegen ihren Rationalismus, ihren Fortschrittsoptimismus, ihre Regelgläubigkeit und ihr verflachtes Menschenbild, aber auch gegen die >unnatürliche< Gesellschaftsordnung mit ihren Ständeschranken, erstarrten Konventionen und ihrer lebensfeindlichen Moral." (Schweikle, 1990: S. 448)
Werte des Sturm und Drang: Das Programm des Sturm und Drang war geprägt von einem neuen Menschenbild, welches des Menschen als Individuum in einer Welt begriff, die diesem die Chance zur Selbstverwirklichung ließ. Subjektivität, Individualität (nämlich die individuelle Selbstauferlegung von Regeln), Autonomie, Selbstverwirklichung waren die erklärten lebensphilosophischen Ziele der Stürmer und Dränger. Auf geistiger Ebene galten die Begrifflichkeiten Genie, Einbildungskraft und Ästhetik als hochgehaltene Werte der Epoche. Diese Werte resultierten in einer breiten Ablehnung der damals vorherrschenden Philosophie. Dogmen und bindende Regeln galten als ablehnenswerte Widersacher eines freien und neuen Menschenbildes.
Das Menschenbild: Goethes Frühwerke, wie die Gedichte Prometheus und Ganymed stehen ganz in der Tradition des Sturm und Drang. Das Individuum steht im Zentrum einer Welt, die subjektiv beurteilt wird und deren Vorstellung von Authorität und Hierarchien primär als Bühne für die Selbstverwirklichung des Subjekts fungiert. Schillers wohl bekanntestes Werk Die R ä uber, beschert dem Subjekt eine Daseinsform ausserhalb des Gesetzes, nachdem die Zweifel an althergebrachtem übermächtig wurden. Schnell lässt sich jedoch eine philosophische Unschärfe in der Sturm und Drang-Lebensauffassung identifizieren: Eine Gesellschaft, die nur aus Individualisten besteht, ist weder eine Gesellschaft noch überlebensfähig. Dementsprechend ist das idealisierte Weltbild von Sturm und Drang nicht zu verwirklichen.
Die Subjektproblematik: Schönheit und Ästhetik galt als ein zentrales Sturm und Drang- Identifikationsmoment. Mit Johann Christoph Gottsched bricht eine Diskussion los, die die Frage nach literarischer Normierung klären will. Gottsched ist der Auffassung, dass elementare Bestandteile poetischer Dichtkunst aus literarischen Werken verbannt werden müssten und eine Literaturnormierung nach dem Vorbild der Antike vorgenommen werden solle. Ab 1750 veröffentlich Alexander Gottlieb Baumgarten ein Werk mit dem Titel Aesthetica. Hier wird Ästhetik als Wissenschaft der sinnlichen Wahrnehmung definiert. Die Subjektproblematik (Gesellschaft voller Individuen ist nicht zu verwirklichen), kann literarisch bearbeitet und angegangen werden. Das Ziel ist die Vervollkommnung der sinnlichen Erkenntnis. Der subjektive Faktor wird jetzt in einem Zustand sinnlicher Wahrnehmung gesehen, den das Individuum einnimmt. Kurz: Ästhetisch ist nicht das Betrachtungsobjekt (z.B. ein Buch), sondern der Zustand, den das Individuum bei der sinnlichen Erkenntnis dieses Objektes hat.
II. Kunstepoche
In Heinrich Heines Rückblick erscheint die Kunstepoche als die Zeit zwischen der französischen Revolution (1789) und Goethes Todesjahr (1832). Heine nannte diese Literaturperiode, eine Zeit, in der der Künstler einen besonders hohen Stellenwert einnahm. Die Kunstepoche lässt sich in drei Hauptrichtungen unterscheiden: die klassische, die maßgeblich von Goethe und Schiller formuliert wurde, die romantische, die insbesondere von den Brüdern Schlegel und Novalis ausgearbeitet wurde, und die jakobinische, die von einer Reiher revolutionärer Demokraten vertreten wurde. (vgl. Stephan, 1994: S.154-157)
Gesellschaftlich-politisch fällt die Kunstepoche in die Zeit zwischen zwei Phasen europäischer Revolutionen. Während Frankreich sich seiner Aristokraten entledigte, fand die Revolution in Deutschland nicht statt. Stattdessen beschritt Deutschland einen Sonderweg mit einem aufgeklärten Absolutismus. Gesellschaftlich fand ein Prozess der Differenzierung statt. Für oder gegen Revolution, Städtisches Bürgertum oder Kleinbürgertum, Idealismus oder Materialismus: die Zeichen der Zeit standen auf Gesellschafts- und Glaubenskonflikt. In dieser konfliktträchtigen Zeit, einen Halt zu gewinnen, wurde als kulturgesellschaftliche Aufgabe gesehen.
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Klassik: Absetzung Goethes von Sturm und Drang. Der Autonomiegedanke wird jetzt der Kunst unterworfen. Ziel: Das in sich geschlossene Kunstwerk. Kunst wirkt nicht mehr zum Selbstzweck sondern als Fortführung der Aufklärung über ästhetische Formerfahrung. Gefühle sollen in einen harmonischen Zustand gebracht werden.
Schiller: Wenn eine Gesellschaft funktionieren soll, kann der Einzelne nur bestimmte Fähigkeiten ausbilden, während andere brach liegen - Entfremdung des Subjekts durch Teilkonzentration auf bestimmte Fähigkeiten. Schiller sucht eine Ästhetisierung der Gesellschaft, wodurch das Subjekt frei wird und eine Humanität durch ästhetische Erfahrung stattfindet.
Die Hauptvertreter der deutschen Klassik lehnen die französische Revolution und ihre mögliche Ausweitung auf Deutschland ab. Literarisch wird eine Anlehnung an die griechische Klassik als höchste Kulturform gesucht.
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Romantik: Die Romantiker versuchen zunächst Poesie und Mythologie wieder in Einklang zu bringen. Die geschieht über eine Idealisierung und Romantisierung des Mittelalters, welches als goldene Epoche angesehen wird. Der Traum vom einigen Christentum steht hierbei in enger Verbindung mit dem Wunsch nach der Restauration des heiligen römischen Reiches deutscher Nation.
Als progressive Universalpoesie versucht die Romantik , Welt und Wissenschaft zu poetisieren, während die Poesie verwissenschaftlicht werden soll. Ziel ist die Aufhebung aller Differenzen. Die Spätromantik (mit Vertretern wie E. T. A. Hoffmann), leidet unter existentiellen Identifikationsproblemen, die sich in Spot über die Frühromantiker offenbaren. Zentrale Auffassung der Romantik ist, dass nicht das ,,Ich" Herr über das Individuum ist sondern Unbewusstes den Menschen lenkt.
Schaubild: Kulturphilosophische Auffassung der Romantik
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Jakobiner: Von der Reaktion als Jakobiner (nach dem nachrevolutionären französischen Schreckensregime unter Robespierre) verunglimpfte Gruppe deutscher Radikaldemokraten. Kunst und Literatur haben nach den Jakobinern keine bildende oder ästhetisierende Funktion sondern eine politisch aufklärende. (vgl. Stephan, 1994: S. 182-186) Ziel der nicht sonderlich ausgeprägten jakobinischen Literatur ist der demokratische Umsturz. Besonders die Kluft zwischen Intellektuellen und dem Volk soll überbrückt werden.
Die Jakobiner bedienten sich vor allem politischer Lyrik, Satire und dem Reiseroman. Der Reiseroman war ein Versuch, der drückenden Zensur ein Schnippchen zu schlagen, indem er über vermeintlich bessere Verhältnisse in anderen Regionen der Welt aufklärte, ohne direkt die bestehden Ordnung zu verunglimpfen.
Die Jakobinische Epoche endete in Folge der napoleonischen Kriege und die darauf folgende Besetzung Deutschlands durch französische Truppen.
Quellen:
1. Schweikle, Günther / Schweikle, Irmgard (Hg.): Metzler-Literatur-Lexikon. 2. überarbeitete Auflage, Stuttgart 1990
2. Stephan, Inge: Kunstepoche, in: Wolfgang Beutin (Hg.), Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 5. überarbeitete Auflage, Weimar 1994
- Quote paper
- Gerald Hensel (Author), 2001, Die deutsche Kunstepoche, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99187
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