INHALTSVERZEICHNIS:
1. Vorwort
2. Definition
3. Abgrenzungen
4. Die vier Arten von Autorität
5. Chancen und Gefahren, die sich aus den unterschiedlichen Arten von Autorität ergeben
6. Missbrauch von Autorität, Milgrams Experiment zum Gehorsam, Gefahren des Missbrauchs
7. Schlusswort
8. Literatur
1. Vorwort
Diese Arbeit untersucht den Begriff Autorität und seine Bedeutung für den Lehrberuf. Hierzu wird der Begriff zunächst definiert, und im folgenden von verwandten Begriffen abgegrenzt, um das Begriffsfeld genau zu beleuchten. Diese Begriffsarbeit ist erforderlich, da nur so die Problematik des Themas erschlossen werden kann. Im weiteren werden die unterschiedlichen Arten von Autorität beschreiben und durch Beispiele ergänzt. Dabei möchte ich auch die Frage aufwerfen, ob eine Erziehung ohne Autorität möglich oder wünschenswert wäre. Abschließend soll auf die Gefahr der Autorität hingewiesen werden. Als Beispiel habe ich Milgrams Experimente zum Gehorsam gewählt, um zu zeigen, in welcher Weise ein Lehrer selbst dazu gebracht werden kann, sich einer Autorität zu beugen, und so zum Instrument einer vorgeschalteten Instanz zu werden. Dieses Beispiel soll an die Verantwortung des Lehrers erinnern, die er für das Wohl seiner Schüler hat und die er auch dann nicht außer Acht lassen darf, wenn er selbst unter Druck gesetzt wird
2. Definition
In der Literatur finden sich unterschiedliche Definitionen des Begriffes Autorität. So findet man im Brockhaus die Aussage, Autorität sei ,,in der Soziologie die soziale Relation, in der Personen und Institutionen innerhalb bestimmter Gruppenordnungen eine Führungs- oder Vorbildrolle übernehmen" (Brockhaus, 155). Die MS Encyclopedia Encarta schreibt hingegen: ,,authority is the power to enforce obedience." (Microsoft Encyclopedia Encarta 2000). Dies deutet ein anderes Verständnis von Autorität an, da wir mit dem Begriff "to enforce" eine Gewaltanwendung verbinden, von der in der oben zitierten Definition keine Rede ist. Nach Strzelewicz ist ,,Autorität ein strukturiertes Führungs-Nachfolge-Verhältnis, in der der eine Partner der Beziehung Führungs- und Vorbildrolle spielt und in der Erfüllung dieser Rolle bestimmte, meistens von beiden Teilen der Relation anerkannte Normenordnungen garantiert oder repräsentiert." (Kron, 244) Auch hier ist nicht von einer Gewaltanwendung die Rede. Es handelt sich vielmehr um eine freiwillig zugestandene Vorbildrolle, die von beiden Teilen anerkannt wird, und nicht erzwungen werden kann, da eine solche nur auf Akzeptanz beruhen kann.
Im folgenden wird der Begriff Autorität im Sinne der Definitionen von Strzelewicz und Brockhaus verwendet. Der Ansatz, den die Encyclopedia Encarta gewählt hat, wird im Folgenden noch erwähnt und soll zur Erläuterung der folgenden Abgrenzungen dienen.
3. Abgrenzungen
Außer dem Führungs- und Nachfolge-Verhältnis welches wir als Autorität bezeichnen gibt es noch weitere mögliche Beziehungen. Solche, in denen zusätzliche unstatthafte, ehrverletzende Befehle gegeben werden heißen autoritär. Merkmale eines autoritären Verhältnisses zwischen Personen sind unter anderem Macht und Gewalt. Dies entspricht der Definition der Encyclopedia Encarta, die einen Gehorsam aufgrund von Gewaltanwendung beschreibt. Es ist insbesondere zu beachten, dass es sich hierbei um unstatthafte, also inakzeptable, Befehle von Seiten der ,,Autoritätsperson" handelt. Die beschriebene Ehrverletzung, gehtüber das hinaus, was ein normales Verhältnis kennzeichnet. In ihr liegt etwas unnötiges, zusätzliches, das im Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern keinen Platz haben sollte. Autoritäres Verhalten gehtüber das hinaus was der Lehrer bei seinem Lehrauftrag benötigt, und was ihm gestattet ist. Eine Lehrperson darf und muss Autorität haben, aber nicht autoritär sein. Eine Ehrverletzung ist nicht erlaubt und in jedem Falle unangemessen.
Aufgrund dieser strengen Abgrenzung einer Autoritätsbeziehung von autoritärem Verhalten stellt sich die Frage nach dem passenden, adäquaten Adjektiv zum Begriff Autorität. Autoritativ wäre das richtige Wort, um ein angemessenes Autoritätsverhältnis zu beschreiben, da es das Adjektiv zu Autorität ,,in allgemeiner positiver Ausformung" (Kron, 243) ist. Eine autoritative Autoritätsbeziehung kann ,,durchaus als sozialintegrativ (demokratisch) bezeichnet" (ebenda) werden. Sozialintegrativ nennt sich eine Beziehung, in der die Mitbestimmung aller Beteiligten möglich ist.
Sie grenzt sich hierdurch von der autokratischen ab, die geprägt ist vom ,,Führungs- und Befehlsanspruch des Autoritätsträgers" (ebenda), und daher negativ zu bewerten ist. Hier findet sich keine Gleichberechtigung, keine Akzeptanz, und keine Gegenseitigkeit. Sie ist geprägt durch einen Führungsanspruch. Im Falle des Lehrer-Schüler-Verhältnisses heißt dies, dass das Wohl des Educanden eher zweitrangig ist und seine Sicht der Dinge nicht beachtet wird. Auf eine freiwillige Anerkennung dieses Führungsanspruches wird keinen Wert gelegt wird. Ein solches Verhältnis kommt der Definition von Autorität der Encyclopedia Encarta ebenfalls sehr nahe.
Eine sozialintegrative Beziehung zwischen Lehrer und Schülern wäre sehr wünschenswert, da der Schüler sich durch seine Mitbestimmung, wenn dies auch nur in geringem Maße möglich ist, anerkannt und geachtet fühlt. So ist eine gr öß ere Akzeptanz möglich, was sich wiederum auf den Lernprozess positiv auswirkt. Dem Schüler wird so das Gefühl gegeben, dass der Lehrer ihm etwas Gutes will, und die Wissensvermittlung wird positiv empfunden. Antiautoritär ist schließlich ein Verhalten, dass sich gegen den Missbrauch von Autorität wendet. Es ist nicht zu verwechseln mit jeglichem Fehlen von Autorität, wenn dies auch oft missverstanden wird. Ohne Autorität ist eine Erziehung, sowohl im familiären Bereich wie auch im Schulischen nicht möglich. Dieser Ansicht ist auch Kron (Kron, 244). Ein Verzicht auf autoritäres Verhalten, wie es hier verstanden wird, ist hingegen sehr wünschenswert, da eine ehrverletzende Behandlung der Schüler nicht akzeptabel ist. Statt jeglichem Fehlen von Autorität gilt es vielmehr die Akzeptanz des Schülers zu gewinnen, so dass der Schüler die Autorität des Lehrers anerkennt und als berechtigt empfindet. Nur durch eine Autorität, die auf Akzeptanz beruht, kann dem Schüler etwas nähergebracht werden. Fehlt das Verständnis dafür, dass der Lehrer vernünftige und gute Absichten hat, so wird der Schüler auch das ihm zu vermittelnde Wissen nicht akzeptieren, und es nicht annehmen.
4. Die vier Arten von Autorität
Folglich stellt sich die Frage danach wie ein Lehrer dies erreichen kann, ob es unterschiedliche Arten von Autorität gibt, und welche dieser Arten einer Lehrperson zukommen kann.
Amtsautorität besitzt eine Person, die gegenüber einer legalen Instanz die Verantwortung für die Erfüllung einer Aufgabeübernommen hat. (Kron, 244-245) Sie kommt selbstverständlich einem Lehrer zu, der als Amtsperson fungiert und seinem Dienstherrn, sowie den Eltern Rechenschaft abzulegen hat. Ein anderes Beispiel wäre das eines Polizisten der ebenfalls seinem Dienstherrn verpflichtet ist, und Kraft seines Amtes Autorität ausüben kann. Um Personautorität zu erlangen ist eine höherwertige psychische Ausstattung, Erfahrung, Wissen und das Vertrauen der anderen nötig. (Kron, 244-245) Diese Art der Autorität kann einem Gruppenleiter,älteren Geschwistern, aber auch einem Lehrer zukommen, wenn er das Vertrauen der Jugendlichen hat. Er muss durch sein Wesenüberzeugen, und eventuell auch durch sein Wissen weiterhelfen können. Eine solche Person muss glaubwürdig erscheinen, um das Vertrauen der anderen zu gewinnen.
Die Sachautorität, die auch Expertenautorität genannt wird, ist eine funktionale Autorität aufgrund persönlicher Sachverständigkeit. (Kron, 245-246) Eine Person, dieüber Sachautorität verfügt, kann zukünftiges Handelnändern. Diese Art der Autorität sollte ein Lehrer immer haben, da er nur so den Schülern Wissen vermitteln kann. Er muss immerüber ein Mehr an Wissen verfügen, dass er an seine Schüler weitergeben kann, oder zumindest sachkundig auf einem bestimmten Gebiet sein. Andere Personen, die aufgrund ihres Wissens eine Sachautorität haben, sind beispielsweise Rechtsanwälte oder Richter. Sachautorität kann sehr oft mit Personautorität einhergehen, was im allgemeinen wünschenswert ist, da ein Lehrer nicht nur durch sein Fachwissen, sondern auch durch seine Persönlichkeitüberzeugen sollte. Auf diese Art kann er Interesse für den zu vermittelnden Stoff wecken, was einer Person mit reiner Sachautorität nicht unbedingt gelingen wird
Auftragsautorität beruht auf ausdrücklichem Auftrag aller als gleichberechtigt anerkannten Mitglieder einer Gruppe. (Kron, 245-246) Ein gewählter Vereinsvorstand oder ein Klassensprecher hat beispielsweise eine solche Autorität. Sie kommt einem Lehrer nur in seltenen Fällen zu, kann aber, wie im Falle eines Vertrauenslehrers, eine besonders wichtige Funktion erfüllen. Diese Art der Autorität kann ebenfalls mit Personautorität einhergehen.
5. Chancen und Gefahren, die sich aus den unterschiedlichen Arten von Autorität ergeben
Aus den einzelnen Arten von Autorität ergeben sich unterschiedliche Chancen und Gefahren für das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern. Bei einer Amtsautorität ist die Gefahr eines Missbrauchs am gr öß ten, da sie zum einen gesetzlich verankert ist (Kron, 245) und zum anderen noch eine andere Instanz vorgeschaltet ist, der wiederum der Lehrer Folge zu leisten hat. Auf die von dieser vorgeschalteten Instanz ausgehenden Gefahr wird im Kapitel 6, wo Milgrams Experimente zum Gehorsam erläutert werden, noch ausführlicher eingegangen werden.
Eine Personautorität, zum Beispiel aufgrund einer charismatischen Persönlichkeit des Lehrers, kann sehr positiv sein, aber auch missbraucht werden. Im Falle eines Missbrauchs ist sie besonders gefährlich, da der Lehrer das Vertrauen des Schülers hat und dieser unter Umstanden sehr beeinflussbar wird. Eine Personautorität kann aber sehr positiv für das Verhältnis von Lehrer und Schüler sein, wenn der Lernende selbst aktiv zum Zug kommt und zum eigenen Denken angeregt wird. Hier besteht die Möglichkeit den Educanden für Themen zu interessieren und ein selbständiges Lernen zu fördern. Unter Umständen kann man auf diese Art auch positive Werte vermitteln und so zur ethischen Bildung des Schülers beitragen. Eine Sachautorität, die im Falle eines Lehrers im Studium erworben, und durch Prüfung legitimiert wurde, ist sehr wichtig, da der Lehrer nur durch sein Mehr an Wissen etwas an den Schüler weitergeben kann. Es ist unerlässlich, dass der Lehrer fachlich kompetent ist. Das Einhergehen von Sachautorität mit einer positiven Personautorität kann eine große Chance für den Erziehungsprozess sein, jedoch stellt sie auch eine große Gefahr dar, wenn sie mit einer negativen Personautorität gekoppelt wird. (Kron, 246) Die Gefahr ergibt sich daraus, dass in diesem Falle der Schüler unter Umstanden nachhaltiger beeinflusst werden kann, als es dem Lehrer allein mit Sachautorität möglich gewesen wäre. Auch wenn der Lehrer im allgemeinen eine Sachautorität darstellt, ist es wichtig, die Denkansätze der Schüler zu achten und in Erwägung zu ziehen. Man sollte anerkennen, wenn einem Schüler auf einem gewissen Gebiet aufgrund einer sachlichen oder sozialen Kompetenz Sachautorität zukommt. Ein Lehrer sollte in der Lage sein, es anzuerkennen, wenn Schüler sich beispielsweise mit technischen Geräten besser auskennen, oder sich aufgrund einer Vereinstätigkeit eine höhere fachliche Qualifikation angeeignet haben. Wichtig ist es auch Fehler einzugestehen und Mängel zuzugeben. Der eventuelle Verlust der Sachautorität wird durch einen Gewinn an Glaubwürdigkeit und Personautorität mehr als aufgehoben, was letztendlich wesentlich hilfreicher sein kann.
Die Auftragsautorität birgt nur eine geringe Gefahr, da sie nur für begrenzte Zeit gilt.
Innerhalb dieser Zeit kann sie jedoch auch, insbesondere in Zusammenhang mit einer negativen Personautorität, einen schädigenden Einfluss auf den Schüler haben. Geht sie mit einer positiven Personautorität einher, so kann sie eine große Chance für den Erziehungsprozess sein. In Zukunft könnte ihr somit eine neue Bedeutung zukommen. Ebenso wichtig ist es, dass ein Lehrer andere Auftragsautoritäten, wie Schüler- oder Klassensprecher, anerkennt und ernstnimmt. Auch hierin kann eine große Chance für den Lern- und Entwicklungsprozess bestehen, da so ein soziales Lernen gefördert wird.
6. Missbrauch von Autorität, Milgrams Experiment zum Gehorsam, Gefahren des Missbrauchs
Das im folgenden erläuterte Experiment soll als mahnendes Beispiel dienen, und aufzeigen, dass ein Lehrer nicht besonders disponiert sein muss, um der Gefahr des Missbrauch seiner Autorität zu unterliegen. Wie dieses Beispiel zeigen wird, kann ein Lehrer seinerseits unter Druck gesetzt werden, was darin resultieren kann dass er das Wohl des Educanden aus den Augen verliert und in der Absicht seine Pflicht zu erfüllen, zu unangemessenen oder gar inakzeptablen Mitteln greift.
Milgrams Experimente zum Gehorsam zeigen, wie ,,normale Menschen" dazu gebracht werden, sich einer Autorität zu beugen, hier dem Versuchleiter, der als ,,legitimierte Autoritätsfigur" (Zimbardo, 715) auftritt. In dieser Versuchsreihe ist die Versuchsperson, die als Lehrer fungiert diejenige die sich beugt, mit Bestrafung der Schüler reagiert und auch gegen ihre eigene Ü berzeugung handelt.
Die Versuchspersonen waren der Annahme, dass es sich um einen Versuch handelte der untersuchen sollte, wie Bestrafung das Gedächtnis beeinflusst. Zu diesem Zweck sollten sie einer anderen Person ,,extrem schmerzhafte Elektroschocks" (Zimbardo, 714) verabreichen und den Schock bei jedem Fehler zu erhöhen. ,,Es gab 30 Schalter, die in Einheiten von je 15
Volt markiert waren von >leichter Schock< (15 Volt) bis >schwerer Schock - Lebensgefahr< (450 Volt)." (Zimbardo, 715) Die Person, die zu bestrafen war, war in Wirklichkeit ein Vertrauter des Versuchleiters, ,,ein netter, höflicher Mann von etwa 50 Jahren, der eine Bemerkungüber ein Herzleiden machte". (Zimbardo, 715), dem allerdings nicht wirklich ein Schaden zugefügt wurde. Ich dieser Situation sollte die Versuchperson den Lehrer darstellen und der Vertraute des Versuchleiters den Schüler. Obschon die Versuchspersonen der Meinung waren, dem ,,Schüler" Schmerzen zuzufügen, sie die Schmerzensschreie dieser Person hören konnten und sie selbst einen Stromstoßvon 75 Volt erfahren hatten, um abschätzen zu können, wie schmerzhaft dies ist, leisteten sie dem Versuchleiter folge und bestraften den ,,Schüler" mit immer stärkeren Elektroschocks. Zunächst wehrten sich die meisten Versuchspersonen dagegen, mit den Schocks fortzufahren, doch letztendlich verabreichten fast zwei Drittel der Versuchspersonen Elektroschocks von 450 Volt, einer wie sie wussten, tödliche Stromstärke. Alle Personen, die in den Bereich der letzten fünf Schalter gelangt waren, führten den Versuch bis zum Ende durch und verabreichten die tödlichen 450 Volt. Ihr Widerstand war gebrochen. ,,Sie hatten ihren eigenen Konflikt gelöst. Sie versuchten, so schnell wie möglich damit fertig zu werden. Sie widersprachen, aber widersetzten sich nicht, sondern handelten gehorsam." (Zimbardo, 415) In späteren Versionen dieses Versuchs, zeigte sich, dass dieser Effekt des Gehorsams stärker wird, je gr öß er die Distanz zum Opfer ist. Ebenso ist er gr öß er, wenn der ,,Lehrer" unter der direkten Aufsicht der Autorität des Versuchsleiters steht. Ein weiteres mal vergr öß ert er sich, wenn der Lehrer selbst nur eine Mittelsperson ist, das heißt, wenn er nur Befehle an einen anderen Beteiligten geben muss, und nicht selbst den Auslöser für die Stromst öß e betätigen muss.
Erstaunlich ist, dass keine Merkmale bei den Versuchspersonen ersichtlich waren, die ihr Handeln erklären konnten. Es waren keine psychischen Störungen zu beobachten. Ihnen war es nicht anzusehen, ob sie bis zum Ende fortfahren würden oder nicht. Daraus schließen wir, dass soziale Zwänge auch auf uns wirken können, wenn auch in gem äß igter Form. Dies steht im Gegensatz zu den Aussagen Adornos, der davon ausgeht, dass Menschen mit einer Persönlichkeitsschwäche von diesem Phänomen des Gehorsams betroffen sind. Tatsächlich liegt darin jedoch eine weniger große Problematik, da nur einige wenige Personen eine solche Schwäche haben. Erschreckender ist vielmehr, dass niemand von dem in Milgrams Experimenten beschriebenen Phänomen ausgenommen zu sein scheint. Ein Lehrer ist vorgeschalteten Autoritäten untergeordnet, dem Gruppenzwang der Kollegen unterworfen und steht zu Anfang seiner Laufbahn unter Umständen unter großem Erwartungsdruck. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch idealistisch sein mag und sich große Ziele gesteckt hat, so besteht die Gefahr, dass er durch Frustration, Beeinflussung durch Kollegen und Druck von Autoritäten dazu veranlasst wird, zu unangemessenen Mitteln oder Strafen zu greifen, die er ursprünglich vermeiden wollte. Womöglich bestraft er mit Ausschluss vom Unterricht, Nachsitzen oder einen Klassenbucheintrag in Fällen, in denen eigentlich ein klärendes Gespräch mit dem Schüler angebracht und hilfreicher wäre. Solche unbedachten Reaktionen gilt es zu vermeiden.
7. Schlusswort
Abschließend ist zu sagen, dass Autorität für den Erziehungsprozess unverzichtbar ist. Ohne Autorität ist keine Erziehung und keine Wissensvermittlung möglich. Außerdem ist zu beachten, dass der Begriff Autorität nicht negativ belegt ist. Vielmehr ist es wichtig, zu unterscheiden zwischen autoritärem und autoritativen Verhalten. Ein autoritatives Verhalten ist, wie ebenso wie Autorität, richtig und wünschenswert für eine Lehrperson. Autoritäres Verhalten ist hingegen inakzeptabel, da es unstatthafte und ehrverletzende Handlungen von Seiten des Lehrers einschließt.
Wichtig ist es ebenso, zu erwähnen, dass die verschiedenen Arten von Autorität für den Lehrer von Nutzen sein können. Die Sachautorität des Lehrers ist so zum Beispiel für die Vermittlung von fachlichem Wissen unerlässlich, doch kann sie von einer Personautorität noch gestützt werden. Allgemein gilt, mehrere Arten von Autorität zu besitzen, ist stets von Vorteil für den Lehrer. Jedoch gilt ebenso, dass auch eine gewisse Gefahr darin liegen kann, dass der Lehrer durch die verschiedenen Arten von Autorität, die er innehat, den Schüler leichter und nachhaltiger beeinflussen kann. Insbesondere bei Personautorität kann eine persönliche Bindung entstehen, die den möglichen Missbrauch einer negativen Personautorität fördern kann.
Auf jeden Fall sollte sich der Lehrer bewusst sein, dass für ihn die Gefahr des Gehorsams gegenüber vorgeschalteten Autoritäten besteht. Er hat sich, im günstigsten Falle, stets selbst zu prüfen, ob eine Bestrafung angemessen und nicht ehrverletzend ist, um autoritäres Verhalten zu vermeiden. Er sollte sich fragen, ob eine Bestrafung wirklich nötig ist, oder ob er nur aufgrund von sozialem Druck geneigt ist, so zu handeln. Womöglich ist der Antrieb für eine Bestrafung der, dass andere Kollegen ebenso handeln, oder dass Autoritäten von ihm ein hartes Durchgreifen erwarten, damit beispielsweise der Lehrplan eingehalten werden kann. Bei näherer Betrachtung der Sachlage kann sich herausstellen, dass eine Bestrafung vorschnell gewesen wäre und es statt dessen ein erstrebenswertes Ziel wäre, die Akzeptanz und den Respekt des Schülers zu gewinnen. In jedem Falle ist ein klärendes Gespräch mit dem Schüler, wo es möglich ist, einer Bestrafung vorzuziehen. Nur durch gegenseitige Akzeptanz ist die Erlangung einer Personautorität, die dem Lehrer sehr hilfreich sein kann, möglich. In jedem Falle gilt, wann immer Autorität gegeben ist, dann besteht auch die Gefahr des Missbrauchs dieser Vorbild- oder Führungsrolle. Aus diesem Grunde sollte sich ein Lehrer seiner Autorität und der darin liegenden Verantwortung bewusst sein. Dadurch, dass er sich auf seine Amtsautorität beruft, und auf die Anordnungen vorgeschalteter Autoritäten verweist, kann er sich dieser Verantwortung nicht entziehen.
8. Literatur:
Kron, Friedrich W.: Grundwissen Pädagogik, München: Reinhardt,1989 Zimbardo, Philip G.: Psychologie, Berlin: Springer Verlag, 1992
Adorno, Theodor W.: Studien zum Autoritären Charakter, Frankfurt am Main: Verlag Suhrkamp, 1973
- Quote paper
- Nicole Hoppe (Author), 2001, Chancen und Gefahren von Autorität am Beispiel des "Milgram Experiments", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99149
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