Aufgabenstellung dieser Hausarbeit ist es, einen kurzen Überblick über die Erkenntnisquellen der ethnologischen Rechtforschung zu geben. Im besonderen soll dabei der Fragebogen Jürgen Kohlers von 1896 untersucht werden. Die Anfänge der Rechtsethnologie bilden dabei Evolutionisten wie Bachofen (Mutterrecht) oder Morgan (Urgesellschaft, Eigentum). Sie formulierten in ihren Werken Vorstellungen von einer einheitlichen Entwicklung der Kulturen über mehrere Kulturstufen (z.B. Bachofen: vom Mutterrecht zum entwickelten Vaterrecht), die allen Gesellschaften gemeinsam sind, hin zur entwickelten, modernen, in ihren Augen europäischen, Zivilisation. In ihren Theorien verharren die sogenannten Natur- und Halbkulturvölker auf niedrigeren Stufen der Entwicklung und müssen erzogen werden, was in ihrer Zeit letztlich den Kolonialismus rechtfertigen soll. Die Anfänge der ethnologischen Rechtsforschung in Deutschland bilden in dieser Zeit ausschließlich Juristen, wie Kohler, Post, Steinmetz, Schultze-Ewerth, Adam und Ankermann. Ihre Ausbildung als Juristen in Deutschland beeinflußt dabei maßgeblich ihre Sichtweise, sie sind Gefangene ihrer Vorstellungen vom kontinentaleuropäischen Rechtssystem. Die Neuerung die Kohler dabei einbringt ist, daß er zum ersten Mal jedem, nach damaligem Verständnis, noch so primitiven Naturvolk zugesteht, daß es nicht im Zustand der Rechtlosigkeit lebt, sondern sein eigenes Rechtssystem hat. Die Zielsetzung die letztlich dahintersteckte ist aber differenzierter zu betrachten. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Erkenntnisquellen ethnologischer Rechtsforschung
- Feldarbeit
- Literatur
- Befragung von Eingeborenen
- Texte mit Stammesüberlieferungen, Mythen und Legenden
3. Fragebogen
- Entstehung
- Zielsetzung
- Kritik
4. Bewertung
5. Literaturliste
Einleitung:
Aufgabenstellung dieser Hausarbeit ist es, einen kurzen Überblick über die Erkenntnisquellen der ethnologischen Rechtforschung zu geben. Im besonderen soll dabei der Fragebogen Jürgen Kohlers von 1896 untersucht werden. Die Anfänge der Rechtsethnologie bilden dabei Evolutionisten wie Bachofen (Mutterrecht) oder Morgan (Urgesellschaft, Eigentum). Sie formulierten in ihren Werken Vorstellungen von einer einheitlichen Entwicklung der Kulturen über mehrere Kulturstufen (z.B. Bachofen: vom Mutterrecht zum entwickelten Vaterrecht), die allen Gesellschaften gemeinsam sind, hin zur entwickelten, modernen, in ihren Augen europäischen, Zivilisation. In ihren Theorien verharren die sogenannten Natur- und Halbkulturvölker auf niedrigeren Stufen der Entwicklung und müssen erzogen werden, was in ihrer Zeit letztlich den Kolonialismus rechtfertigen soll. Die Anfänge der ethnologischen Rechtsforschung in Deutschland bilden in dieser Zeit ausschließlich Juristen, wie Kohler, Post, Steinmetz, Schultze-Ewerth, Adam und Ankermann. Ihre Ausbildung als Juristen in Deutschland beeinflußt dabei maßgeblich ihre Sichtweise, sie sind Gefangene ihrer Vorstellungen vom kontinentaleuropäischen Rechtssystem. Die Neuerung die Kohler dabei einbringt ist, daß er zum ersten Mal jedem, nach damaligem Verständnis, noch so primitiven Naturvolk zugesteht, daß es nicht im Zustand der Rechtlosigkeit lebt, sondern sein eigenes Rechtssystem hat. Die Zielsetzung die letztlich dahintersteckte ist aber differenzierter zu betrachten.
Erkenntnisquellen ethnologischer Rechtsforschung:
Der grundsätzliche Unterschied zwischen dem europäischen Rechtssystem und dem der Naturvölker, liegt bei den Quellen1 der Rechtsforschung. Im Gegensatz zum traditionell fixierten, geschriebenen europäischen Recht, gibt es bei den Völkern, die Gegenstand der Ethnologie sind, in der Regel kein geschriebenes Recht und selbst wenn es Aufzeichnungen gab, wie z.B. von den Maya, so wurden diese von den Spaniern fast vollständig vernichtet, bevor ihre Inhalte der Wissenschaft zugeführt wurden. Bei den allermeisten der Völker die Gegenstand der Ethnologie sind, handelt es sich um Völker mit fast ausschließlich oralen Rechtstraditionen. Das Recht der Naturvölker ist somit fast nur in mündlichen Überlieferungen erhalten, was andererseits auch untrennbarer Teil der jeweiligen Kultur sein kann.
Eine Möglichkeit des Erkenntnisgewinns über Rechtstraditionen der Naturvölker ist nun die eigene Feldarbeit. Mit einer sozialen Gruppe zu leben und deren Rechtsystem praktisch zu erleben im Alltag, ist sicherlich eine sehr gute Möglichkeit Einsicht zu erhalten. Man kann so das Rechtsleben „hautnah" in der Praxis erleben. Die Beobachtungen sind aus erster Hand und damit unverfälscht. Schwierig könnte dabei nur sein, seinen Standpunkt als neutraler Beobachter zu behalten, je länger man sich in der Gemeinschaft der zu Beobachtenden befindet. Schließlich hängt die Wahrheit immer von der Position ab, aus der man sie betrachtet. Aber trotzdem ist dies eine recht unverfälschte Möglichkeit der Betrachtung, bietet sie zum einen die Möglichkeit grundsätzliches zum Rechtsystem zu erfahren, zum anderen dessen Anwendung in der Praxis. Aber die Feldarbeit eines Einzelnen bietet immer nur einen sehr spezifischen Blick auf eine relativ kleine Gruppe. Ein Forscher alleine ist schon durch die Zeit die es erfordert, sich in die Sprache und die Lebensgewohnheiten einer Gruppe einzuarbeiten wohl nicht in der Lage, in rascher Folge die verschiedensten Völkerschaften die es gibt, in Feldarbeit zu erforschen. Einer alleine wird somit immer nur Auskunft über einen kleineren Ausschnitt erarbeiten können, den dafür wohl als Spezialist. Trotzdem bleibt die eigene Feldarbeit aber wohl die unverfälschteste Möglichkeit Einblick in das Rechtsystem der Naturvölker zu gewinnen.
Eine weitere Möglichkeit ist nun die Literatur. Diese beruht in der Regel ebenfalls letztlich auf Feldarbeit, ist aber damit mindestens aus zweiter Hand, wenn nicht noch mehr gefiltert durch die verschiedensten Ansichten. Das Problem dabei ist, daß es sich zumeist schon um Wertungen handelt, anstatt von Tatsachenschilderungen. Jeder Mensch ist geprägt durch sein eigenes Leben und seine eigenen Erfahrungen und seine Ausbildung. Dies trifft mit Sicherheit auch auf Juristen zu. Wenn man nun alleine die Unterschiede in der Prägung von Juristen aus dem angelsächsischen oder aus dem kontinentaleuropäischen Raum betrachtet, so sind deutsche Juristen um die Jahrhundertwende wie Kohler oder Post, bestimmt durch ihre Prägung nicht prädestiniert, orale Rechtstraditionen der Naturvölker wertungsfrei wiederzugeben. Nicht alle Literatur die zur rechtsethnologischen Quellenforschung dient, ist von deutschen Juristen aus der Kaiserzeit geschrieben, aber dies verdeutlicht die Problematik, daß Literatur bei der Quellenforschung in diesem Fall immer nur aus zweiter Hand sein kann. Ebenso verhält es sich mit der Befragung von sogenannten Eingeborenen. In aller Regel handelt es sich dabei um Menschen, die ihren Kulturkreis verlassen haben und in die „moderne" Welt gewechselt sind. Diese Menschen können hervorragende Quellen durch ihren natürlich gewachsenen Einblick sein. Allerdings darf man dabei nicht übersehen, daß auch diese Menschen schon durch das Leben in der ,,modernen" Zivilisation geprägt wurden und man muß dabei abschätzen inwieweit dies ihre Aussagen beeinflußt. Außerdem hat jeder dieser Menschen seine eigene Geschichte und seine Gründe die ihn zum Verlassen seiner ehemaligen Gesellschaft gebracht haben. Auch diese können ihren Einfluß auf seine Aussagen, über seine ursprüngliche Kultur und dessen Rechtssystem haben. So sind auch diese Quellen ,,aus erster Hand" kritisch zu betrachten. Letztlich erfordert eine saubere Arbeit immer die Überprüfung solcher Aussagen.
Weitere Quellen stellen Texte dar in denen Stammesüberlieferungen, Mythen und Legenden fixiert wurden. Dabei handelt es sich aber um einmalige Fixierungen von oraler Tradition. Gerade Mythen und Legenden die mündlich überliefert werden, sind einem ständigen Veränderungsprozeß unterworfen, indem sie den aktuellen Anforderungen des Lebens der Völkerschaften angepaßt werden. So bieten einmal aufgeschriebene, fixierte Mythen und Legenden immer nur Einblick in eine Momentaufnahme der Kultur. Ihr eigentliches Wesen liegt ja in der flexiblen Veränderung entsprechend der jeweiligen Situation. So verfälschen in gewisser Weise einmalige Aufzeichnungen den Blick auf die Kultur, zumindest geben sie einen nicht mehr aktuellen Blickwinkel wieder. Dies kann andererseits durchaus nützlich sein und hervorragende Dienste leisten, aber unter einer anderen Fragestellung. Als Einblick in das Rechtsystem der Naturvölker zielt es aber am Kern, nämlich der Flexibilität eines traditionell mündlichen Rechtssystems vorbei.
Fragebogen:
Eine andere Möglichkeit des rechtsethnologischen Erkenntnisgewinns war der Fragebogen, den Josef Kohler 1897 veröffentlichte. Er war einfacher gegliedert als andere Fragebogen2, die zum gleichen Sachverhalt schon vorher erschienen waren. Der Fragebogen von Josef Kohler wurde bei zwei verschiedenen wissenschaftlichen Unternehmungen benützt. Einmal wurde er der amtlichen Sammlung über die Eingeborenenrechte zugrunde gelegt, die die deutsche Kolonialverwaltung nach Reichstagsbeschluß vom 2. Mai 1907 in den Kolonien von den dortigen Verwaltungsbeamten, Missionaren und anderen Stellen erstellen ließ. Das Ergebnis dieser Tätigkeit liegt in den beiden Bänden von E. Schultz-Ewerth und Leonard Adam ,,Das Eingeborenenrecht" vor. Zum anderen wurde er der Materialsammlung über Stammesrechte zugrunde gelegt, die 1918 durch Ausfragung zahlreicher afrikanischer, kaukasischer, indischer und hochasiatischer Kriegsgefangener von Leonard Adam und Ernst Ubach angelegt wurde. Die allen Vorgängen zugrundeliegende fehlerhafte Annahme, alle Völker haben ein Rechtssystem, daß sich Kodifizieren, d. h. in Gesetzestexten festhalten läßt spiegelt sich in dem Zitat von Josef Kohler wieder:
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- Quote paper
- Werner Schima (Author), 2001, Der Fragebogen von Josef Kohler, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99147
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