Gegenstand der Untersuchung war der nachhaltige Hausbau in den Townships Südafrikas. Die konkrete Fragestellung, mit der sich diese Arbeit auseinandersetzte, lautet: Wie müssen Hausbauprojekte in der Eastern Cape Region gestaltet sein, damit sie einerseits ihren Zweck und andererseits die Bedürfnisse der Bewohner erfüllen? Anzustreben ist, die vorhandenen finanziellen Mittel für die Schaffung von Wohnraum effizient zu nutzen und die Zielgruppen optimal von den Anstrengungen durch alle beteiligten Akteure profitieren zu lassen. Deshalb sollte einerseits der Frage nachgegangen werden, welche Strategie die südafrikanische Regierung bei der Bereitstellung von Hilfe praktiziert. Anderseits sollte herausgestellt werden, weshalb die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Bedürfnissen der Bewohner bei der Umsetzung von Hausbauprojekten entscheidend für deren Erfolg oder Misserfolg sein kann. Im letzten Schritt sollten Hemmnisse bei der Implementierung nachhaltiger Hausprojekte benannt und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt werden.
Mithilfe leitfadengestützter Interviews sollte es gelingen, die Sichtweise des durchschnittlichen Bewohners zu ermitteln und dadurch möglicherweise neue Aspekte aufzudecken, die bei der Diskussion um die Schaffung von Wohnraum noch gar nicht in Betracht gezogen wurden. Durch zusätzliche Kurzinterviews mit Experten aus dem Bereich wurde angestrebt, verschiedene Sichtweisen – die der Bewohner und die der verantwortlichen Personen in sozialen Hausbauprojekten – gegenüberzustellen. Bisherige Untersuchungen der Wohnraumproblematik schildern lediglich die Sorgen der Bewohner wohingegen Hintergründe und Herausforderungen auf administrativer Ebene unberücksichtigt bleiben. Die südafrikanische Regierung, lokale Organisationen als auch internationale Akteure wie das INEP Institut Oldenburg investieren hohe Summen an Geldern, die in den Bau von Häusern für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen fördern sollen. Ob diese Bemühungen einen nachhaltigen Nutzen für Gemeinden, Familien und einzelne Bewohner mit sich bringen sollte durch die Interviews deutlich werden.
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Was ist Wohnen?
2.2 Nachhaltiger Hausbau in den Townships
2.3 Konzept der Community Participation
3. Wohnungsmarkt für Geringverdiener in Südafrika
3.1 Reconstruction and Development Programme
3.2 Walmer Link Wohnkomplex
3.3 Informal Settlements
4. Methodisches Vorgehen
4.1 Leitfadengestützes Interview
4.2 Vorbereitung und Durchführung der Interviews
4.3 Reflexion der Vorgehensweise
5. Ergebnisse der Untersuchung
5.1 Auswertung der Interviews
5.1.1 Identifizierte Bedürfnisse der Bewohner
5.1.2 Gründe für den Erfolg oder das Scheitern von Hausbauprojekten
5.1.3 Hemmnisse bei der Implementierung
5.2 African Sustainable House als Lösungsansatz
6. Zusammenfassung und Fazit
Literatur und Quellen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
„Never, never, and never again shall it be that this beautiful land will again experience the oppression of one group by another and suffer the indignity of being the skunk of the world.”
Nelson Rolihlahla Mandela bei seiner Rede zum Amtsantritt am 10. Mai 1994
Südafrika ist ein Land, das aus historischen Gesichtspunkten massiv durch die Zeit der Apartheid geprägt wurde. Die Hinterlassenschaft der Rassentrennung ist, besonders im Hinblick auf die derzeitige Wohnsituation, in vielen Teilen Südafrikas noch deutlich zu spüren.1 Noch immer existieren reiche Gegenden, die ausschließlich von der weißen Minderheit bewohnt werden. Nicht weit entfernt sind zahlreiche arme Siedlungen zu entdecken, in denen die sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen in selbst errichteten Blechhütten hausen, den sogenannten „Shacks".2 Eine davon ist das Walmer Township in Port Elizabeth (PE), welches auch unter dem Namen Gqeberha bekannt ist und seit 1851 besteht. Da das Township sehr zentral gelegen ist, sollte es zu Zeiten der Apartheid als weiße Vorstadtgegend dienen und seine Bewohner3 zwangsumgesiedelt werden. Mit zähem Widerstand und gegenseitiger Unterstützung gelang es den Familien unterschiedlichster Herkunft, in ihrem Wohnviertel zu bleiben.4 In den vergangenen Jahren wurden in Walmer einige Hausbauprojekte, sowohl durch die Regierung als auch durch Organisationen vor Ort, in die Tat umgesetzt. Trotzdem ist der Bedarf an Unterkünften für die häufig mittellose Bevölkerungsschicht nach wie vor hoch und die Schaffung von Wohnraum geht nur schleppend voran.5 Verstärkt wird dieses Problem durch ein hohes natürliches Bevölkerungswachstum sowie illegale Zuwanderung aus umliegenden afrikanischen Ländern.6 Diese Menschen, oftmals auch aus ländlichen Regionen des Landes, begeben sich in Städten wie PE auf die Suche nach Jobs und errichten aus der Not heraus weitere Shacks auf der ohnehin schon begrenzten Fläche. Die südafrikanische Regierung scheint mit der Bereitstellung der Infrastruktur überfordert. Es herrscht extremer Mangel an Schulen, Krankenhäusern sowie der Versorgung mit Strom7 und sauberem Trinkwasser. Ökologische Aspekte finden aufgrund dieser Situation kaum Beachtung.8
Auch 20 Jahre nach Amtsantritt Nelson Mandelas, unter dessen Regierung eines der einflussreichsten Hausbauprojekte ins Leben gerufen wurde, gibt es noch viele Herausforderungen, denen sich der African National Congress (ANC), mit Mandelas Nachfolger Jacob Zuma an der Spitze, in den kommenden Jahren stellen muss. Die größten Probleme im Land sind die hohe Arbeitslosigkeit sowie eine starke Einkommensungleichheit in der Ge- sellschaft.9 Am häufigsten von unterbezahlten Jobs oder Erwerbslosigkeit betroffen ist die schwarze Bevölkerung Südafrikas, verursacht durch den schlechten Zugang zu Bildung und die noch immer spürbare Unterdrückung bedingt durch die Apartheid. Doch auch weiße Südafrikaner sind zum Teil ohne Arbeit und betteln an viel befahrenen Straßen um Geld oder eine Essensspende. Auch wenn sich dieses Bild seltener bietet, darf es nicht außer Acht gelassen werden, wenn über die Ursachen der Armut in diesem Land diskutiert wird.10 Aufgrund dieser Ausgangslage ist es von besonderer Bedeutung, diese Menschen dazu befähigen, sich langfristig gesehen selbst aus dem Teufelskreis der Armut zu befreien. Auf die Bedürfnisse der Township-Bewohner zugeschnittener Wohnraum lässt sich als eine Grundvoraussetzung beschreiben, um sich diesem Ziel zu nähern.
Gegenstand dieser Untersuchung ist daher der nachhaltige Hausbau in den Townships Südafrikas. Die konkrete Fragestellung, mit der sich diese Arbeit auseinandersetzt, lautet: Wie müssen Hausbauprojekte in der Eastern Cape Region gestaltet sein, damit sie einerseits ihren Zweck und andererseits die Bedürfnisse der Bewohner erfüllen? Der Zweck besteht nicht nur darin, Wohnraum für die sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu schaffen, sondern auch darauf zu achten, dass die Häuser von den Bewohnern mit positivem Nutzen verknüpft und akzeptiert werden. Anzustreben ist, die vorhandenen finanziellen Mittel für die Schaffung von Wohnraum effizient zu nutzen und die Zielgruppen optimal von den Anstrengungen durch alle beteiligten Akteure profitieren zu lassen. Deshalb soll einerseits der Frage nachgegangen werden, welche Strategie die südafrikanische Regierung bei der Bereitstellung von Hilfe praktiziert. Anderseits soll herausgestellt werden, weshalb die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung von Bedürfnissen der Bewohner bei der Umsetzung von Hausbauprojekten entscheidend für deren Erfolg oder Misserfolg sein kann.
Dabei konzentriere ich mich auf das Walmer Township, welches sich aufgrund der dort realisierten Hausprojekte und der bestehenden Kontakte ideal für die Untersuchung eignet. Während meines Auslandsstudiums an der Nelson Mandela Metropolitan University (NMMU) in PE im vergangenen Jahr habe ich bereits einige Zeit im Walmer Township verbracht. Auf ehrenamtlicher Basis war ich dort für die Hausaufgabenbetreuung von Kindern und Jugendlichen verantwortlich. Durch diese Arbeit war es möglich, in die südafrikanische Kultur einzutauchen und mehr über die Probleme in den sozial benachteiligten Wohngegenden des Landes zu erfahren.11 Weiterhin bot sie die Gelegenheit, viele Kontakte in der Region aufzubauen, die mir für die Vorbereitung und Durchführung dieser Arbeit eine große Hilfe waren. Die Kluft zwischen Arm und Reich zeigt sich besonders deutlich bei den Wohnverhältnissen der Südafrikaner. Auch innerhalb der Townships sind die unterschiedlichen Lebensstandards sichtbar.12 An der NMMU belegte ich ein Modul mit dem Titel „Evaluation of Development Programmes", welches unter anderem auch die Wohnungsproblematik in den Townships thematisierte. In diesem Zusammenhang erfuhr ich mehr über die Sichtweise der afrikanischen Studenten und lernte zwei Ansätze (Top- Down und Bottom-Up) über die Einbindung von Bewohnern bei Entwicklungsprojekten kennen.
Mithilfe leitfadengestützter Interviews soll es gelingen, die Sichtweise des durchschnittlichen Bewohners zu ermitteln und dadurch möglicherweise neue Aspekte aufzudecken, die bei der Diskussion um die Schaffung von Wohnraum noch gar nicht in Betracht gezogen wurden. Hierzu werden diejenigen Aspekte herausgestellt, die in den Interviews am häufigsten genannt und vom Bewohner als bedeutsam befunden wurden. Sofern notwendig, wird der Kontext kurz skizziert, in dem diese Aussagen getroffen wurden. Durch zusätzliche Kurzinterviews mit Experten aus dem Bereich wurde angestrebt, verschiedene Sichtweisen - die der Bewohner und die der verantwortlichen Personen in sozialen Hausbauprojekten - gegenüberzustellen. Diese Gespräche wurden mit dem Chief Executive Officer (CEO) einer in Walmer aktiven Organisation namens Imizi Housing und einem Projektmanager der Housing Development Agency (HDA)13 geführt.14 Zusätzlich werden zahlreiche Zeitungsartikel hinzugezogen, die sich auf bestimmte politische Ereignisse in der Nelson Mandela Bay Gemeinde15 innerhalb der vergangenen Monate beziehen.16
Hauptsächlich soll Bezug auf eine Arbeit von Tiwanna Latrease DeMoss aus dem Jahr 2012 genommen werden, die den Einfluss zweier Hausprojekte („Sakhasonke" im Walmer Township und „Coega" im Wells Estate Township) auf die Lebensqualität der Bewohner untersucht. Ihre Datenerhebung beruht auf der Methode der teilnehmenden Beobachtung aus dem Jahr 2006. Dazu lebte die Autorin mehrere Monate gemeinsam mit den Bewohnern in deren Unterkünften im Township und führte in dieser Zeit Interviews mit insgesamt 60 Bewohnern. Ihr Fokus liegt ebenso auf der Analyse der Bedürfnisse von Bewohnern südafrikanischer Townships und darauf, inwieweit diese in den ausgewählten Hausprojekten erfüllt werden. Was in dieser Untersuchung unberücksichtigt blieb, ist eine Darstellung verschiedener Sichtweisen auf die Wohnungsproblematik. Um eine einseitige Beurteilung zu vermeiden, wird in dieser Arbeit angestrebt, viele, auch widersprüchliche Meinungen zu präsentieren. Eine weitere Untersuchung von Beate Lohnert aus dem Jahr 2002 beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Bedingungen das Konzept der Selbsthilfe im Wohnungsbau eine realistische Lösung für das Problem informeller Siedlungen sein kann. Dabei bedient sich die Autorin an Kapstadt als Beispiel, wo sie Befragungen in 700 Stichprobenhaushalten durchführte. In ihren Ergebnissen behandelt sie Aspekte wie die Lebensbedingungen der Betroffenen, ihr Potenzial zur Selbsthilfe und die südafrikanische Wohnpolitik. Ausgehend vom Konzept der Community Participation sowie der Vorstellung und Evaluation eines vom INEP-Institut entwickelten Hauskonzeptes,1617 soll der Beitrag zur Debatte darin bestehen, konkrete Vorschläge zur zielgerichteten und bedarfsgerechten Gestaltung von Entwicklungsprojekten im Wohnungssektor zu unterbreiten. Unter Berücksichtigung der genannten Studien basieren die getroffenen Aussagen auf der Analyse der durchgeführten Interviews mit Bewohnern aus dem Walmer Township sowie auf den Erkenntnissen der Kurzinterviews.
Im folgenden Kapitel werden zunächst der Begriff des Wohnens und das Verständnis von nachhaltigem Hausbau in den Townships definiert sowie das Konzept der Community Participation erläutert. Diese Begrifflichkeiten sind essenziell für das Verständnis der Ausführungen und deshalb im Vorfeld zu klären. Im dritten Kapitel soll der Wohnungsmarkt Südafrikas für Geringverdiener vorgestellt werden. Ziel ist es, einen Überblick über bestehende Hausprojekte im Walmer Township zu schaffen und die aktuelle Wohnsituation mit fotografischen Aufnahmen zu belegen. Die methodische Vorgehensweise wird näher in Kapitel vier erläutert. Dort ist auch begründet, weshalb der qualitative Ansatz sich am besten für den Zweck dieser Arbeit eignet. Ebenso soll thematisiert werden, wie die Interviews gestaltet wurden und wo Probleme bei der Durchführung aufgetreten sind. Im fünf- ten Kapitel werden die Ergebnisse vorgestellt. Zunächst werden mithilfe der ausgewerteten Interviews Bedürfnisse der Bewohner identifiziert, Gründe für den Erfolg oder das Scheitern von Hausbauprojekten diskutiert und Hemmnisse bei deren Implementierung herausgestellt. Im zweiten Schritt soll überprüft werden, inwieweit sich das Hauskonzept des INEP-Instituts als ein geeigneter Ansatz erweist, um die Bedürfnisse der Betroffenen nachhaltig zu erfüllen. Schließlich folgen in Kapitel sechs eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und ein begründetes Fazit.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Was ist Wohnen?
Wohnen ist nach Hartmut Häußermann und Walter Siebel (2002)18 ein soziales, historisch wandelbares Phänomen, geprägt von ökonomischen, kulturellen und sozialen Bedingungen, aber auch von Politik.19 Ersichtlich sind daraus die vielen Einflussfaktoren auf das sich mit der Zeit verändernde Verständnis von Wohnen. Während es früher üblich war, Arbeit in denselben Räumlichkeiten zu verrichten, in denen gewohnt wurde, so spielt sich heutzutage ausschließlich das Familienleben zu Hause ab. Auch die Unterbringung von Kindern in Krippen und Schulen, die Entwicklung der technischen und sozialen Infrastruktur, der personenbezogenen Dienstleistungen und der steigenden Mobilität in der Freizeit seien Beispiele einer abnehmenden Nutzung der Wohnung für familiäre Zwecke.20 Die soziale Schutzfunktion des Wohnens beinhalte nicht nur den Schutz vor Natur, Witterung und wilden Tieren, sondern auch vor Mitmenschen, gekennzeichnet durch Mauern, Wassergräben oder Alarmanlagen.21 Ein Haus sei für die meisten ein Symbol für individuelle Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit. Der Besitz eines Eigenheims stelle eine zentrale Voraussetzung für die Anpassungsfähigkeit der Wohnung an sich verändernde Bedürfnisse ihrer Nutzer dar.22 In einer aufstrebenden und sich modernisierenden Wirtschaft seien Bedürfnisse in Bezug auf Wohnen einem schnellen Wandel ausgesetzt.23 Häußermann und Siebel halten fest, dass die staatlichen Bestimmungen zum Wohnungsbau sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren müssten.24 Angelehnt an die Definition des Statistischen Bundesamtes erfassen die Autoren, dass eine Wohnung die Abgeschlos- senheit der Privatsphäre, eine selbstständige Haushaltsführung, die mit Essenszubereitung gleichgesetzt wird, und die körperliche Entleerung garantieren muss.25 Den beiden Autoren zufolge lassen sich dem ,Idealtypus‘ modernen Wohnens vier Merkmale zuschreiben: die Zweigenerationenfamilie als soziale Einheit, die Trennung von Wohnen und beruflicher Arbeit, die Polarität von Privatheit und Öffentlichkeit und die individuelle Aneignung durch Kauf oder Miete.26
2.2 Nachhaltiger Hausbau in den Townships
DeMoss (2012) betrachtet in ihrer Untersuchung die Reaktion der südafrikanischen Regierung auf die Herausforderung, Armut zu bekämpfen und ökonomische und soziale Nachhaltigkeit ins Leben der benachteiligten Menschen zu bringen, die historisch bedingte Diskriminierung erfahren haben.27 Besonderen Fokus legt die Autorin auf die langfristige Erhöhung der Lebensqualität von Bewohnern des Walmer Townships durch die in ihrer Arbeit thematisierten, bereits umgesetzten Hausbauprojekte. Aufgrund ihrer gesetzten Schwerpunkte eignet sich die Darstellung der zentralen Ergebnisse dafür, zu klären, was unter dem Zusatz ,nachhaltig‘ beim Hausbau in den Townships zu verstehen ist.
Kurz vor Ende der Apartheid seien Strategien zur Armutsminderung und der Wohnungspolitik nur wenig Beachtung geschenkt worden, kritisiert DeMoss.28 Weiterhin wirft sie Bauunternehmern, die durch die Regierung mit dem Bau von Häusern beauftragt wurden, vor, die notwendige Infrastruktur sowie die Existenz Einkommen schaffender Möglichkeiten in erreichbarer Nähe nicht bedacht zu haben.29 DeMoss argumentiert, dass Hausprojekte so gestaltet werden sollten, dass sie sich nicht ausschließlich auf die Bereitstellung einer Unterkunft für die Menschen beschränken. Stattdessen sollten sie ein ,Zuhause‘ für die Bewohner realisieren und ihr Leben zukunftsfähig machen.30 Um auf langfristige Sicht eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen, seien die Bewohner mit Kompetenzen auszustatten, Humanressourcen weiterzuentwickeln und Maßnahmen einzuleiten, die Arbeitsplätze schaffen.31 Die Autorin beschreibt es als ,schädlich‘, dem Urteil von Bewohnern darüber, was ihnen zu nachhaltiger Entwicklung aus eigener Kraft verhelfen würde, nicht zu trauen.32 Um ein Haus funktional und wohnlich zu gestalten, müssten seine Ausstattung mit Strom, fließendem Wasser und der Zugang zu Beschäftigung und Einkommen sowie Transportmitteln gegeben sein. Ihre Interviews ergaben zudem, dass für die Anhebung des Lebensstandards eine Nachbarschaft, in der man sich gegenseitig unterstützt, aus Sicht der Bewohner ebenso von Bedeutung sei.33
2.3 Konzept der Community Participation
Die Idee hinter dem Konzept der Community Participation34 besteht darin, gesamte Dorfgemeinschaften intensiv und aktiv an Projekten zu beteiligen. Verhindert werden soll, die Begünstigten bei Entscheidungen, die sie selbst betreffen, zu übergehen (Top-Down). Stattdessen sollten die Bedürfnisse und Wünsche der benachteiligten Bevölkerungsschichten bereits bei der Planung von Vorhaben berücksichtigt werden (Bottom-Up). Hierfür seien Projekte transparent zu gestalten und auf offene Dialoge zwischen beteiligten Akteuren und Begünstigten zu setzen.35 Weiterhin sollten Bedingungen geschaffen werden, um ökonomischen und sozialen Fortschritt dieser Menschen zu ermöglichen.36 Dadurch könne erreicht werden, dass die Betroffenen an dem Glauben einer Verbesserung ihrer Lage festhalten. Außerdem sei anzustreben, keine Abhängigkeiten von Geldgebern zu schaffen, sondern die Menschen zum selbstständigen Handeln zu motivieren.37 Durch die Einbeziehung der Begünstigten wird also letztlich erhofft, einen größeren Erfolg bei Vorhaben zu erzielen.38 Der Erfolg eines Hausbauprojektes soll in dieser Arbeit daran gemessen werden, ob es einen langfristigen Nutzen für die Township-Mitbewohner erfüllt und sich an ihren Bedürfnissen orientiert. Dem United Nations Centre for Human Settlements (UNCHS) zufolge könnten Regierungen dadurch, trotz geringerer Investitionskosten pro Kopf, eine größere Anzahl an Bedürftigen erreichen als bei konventionellen Pro- grammen.39 Der Staat sei dazu angehalten, Partnerschaften und Bürgerbeteiligung zu fördern und sollte die Bewohner dazu befähigen, sich selbst zu helfen.40 Auf die Wohnungsproblematik angewandt meint dies, dass der Staat geeignete Rahmenbedingungen schaffen soll, anstatt eigene Hausbauprojekte zu initiieren. Laut Esther Duflo (2013) sei es nicht Aufgabe des Staates, Zuwendungen zu verteilen, auf die die Armen passiv warten.
Stattdessen müsse er die Entstehung und das Funktionieren der Märkte sichern sowie eine lebendige, lokale Demokratie erleichtern.41 Duflo geht sogar noch weiter, indem sie im Hinblick auf die Verantwortungsfrage bei der Bereitstellung grundlegender Infrastruktur formuliert:
„Folglich ist es an den Armen, Mittel zur Selbsthilfe zu finden, sei es individuell, indem sie Projekte realisieren, die ihnen am Herzen liegen, sei es kollektiv, indem sie entscheiden, welche öffentlichen Güter ihr Dorf braucht, und indem sie dabei auf eine gute Qualität dieser Dienste achten.“42
Bei der Wohnungsdebatte taucht des Öfteren der Begriff der Selbsthilfe auf, dessen Ansatz vor allem durch John F.C. Turner (1976) geprägt wurde.43 Selbsthilfe ist hierbei als eine Reaktion auf den Mangel an adäquatem Wohnraum zu verstehen, bei der die Bewohner Probleme unter Mobilisierung und Ausschöpfung der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten bewältigen.44 Turner zufolge seien die Vorteile des Selbsthilfewohnungsbaus neben der Erfüllung der Ansprüche der Bewohner und ihrer Zufriedenheit durch Identifizierung mit den Unterkünften auch die Schaffung ökonomischer Möglichkeiten während der Bautätigkeit sowie die effektivere Nutzung von Ressourcen. Lokale Baumaterialien würden verwendet und angepasste Kleintechnologie käme zum Einsatz.45 Dabei geht Turner davon aus, dass urbane Armutsgruppen in der Lage seien, ihre Situation, basierend auf Eigenanstrengung, zu verbessern. Weiterhin stellt der Autor die Bedeutung von Besitz- und Verfügungsrechten über Land heraus, da nur so der Anreiz entstünde, in Wohnraum zu investieren. Lohnert kritisiert jedoch, dass nicht davon auszugehen sei, dass Bewohner informeller Siedlungen auf Dauer im Township bleiben und somit auch nicht zwingend an partizipativen Planungsprozessen teilnehmen.46
Wird wiederum die Diskussion über Projekte betrachtet, die aus Mitteln der Entwicklungshilfe finanziert werden, so werde deutlich, dass oftmals Maßnahmen ergriffen werden, die nur geringe Verbesserungen der Situation oder sogar gegenteilige Wirkung mit sich brin- gen.47 Eine vorausgehende Analyse des Status Quo sowie eine Überprüfung der zu erwartenden Resultate von Maßnahmen sind deshalb von enormer Bedeutung. Wie verhält es sich also nun bei den Projektvorhaben, die auf die Bereitstellung von kostengünstigem Wohnraum abzielen? Wird ebenso wenig darauf geachtet, dass die Geldmittel optimal für den Zweck genutzt werden, für den sie angedacht wurden? Worauf ist zu achten, damit die tatsächlichen statt der vermuteten Bedürfnisse der Township-Bewohner in Erfahrung gebracht werden können? Diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen.
3. Wohnungsmarkt für Geringverdiener in Südafrika
In der südafrikanischen Verfassung von 1996 wurde, insbesondere als Reaktion auf die Zwangsumsiedlung während des Apartheidregimes, Folgendes festgehalten:
1) Everyone has the right to have access to adequate housing.
2) The state must take reasonable legislative and other measures, within its available resources, to achieve the progressive realization of this right.
3) No one may be evicted from their home, or have their home demolished, without an order of court made after considering all the relevant circumstances. No legislation may permit arbitrary evictions.48
Zu beachten ist, dass eine angemessene Unterbringung dort zwar als Recht für den Einzelnen beschrieben wird (1), die Verantwortung des Staates aber begrenzt wird (2). Es heißt „zu ihrer schrittweisen Verwirklichung im Rahmen der Möglichkeiten angemessene gesetzgeberische und andere Maßnahmen zu ergreifen".49 Weiterhin wird festgehalten, dass Häuser ohne gerichtliche Verfügung weder zwangsgeräumt noch abgerissen werden dürfen und kein Gesetz dies willkürlich gestatten sollte (3). DeMoss kritisiert, dass die Regierung Faktoren wie die Lebensqualität und ein nachhaltiges Wohnungsumfeld im Vergleich zur Betrachtung der Anzahl bereitgestellter Häuser völlig unberücksichtigt ließ.50
Es lassen sich für den Zeitraum der vergangenen zwanzig Jahre einige Projekte nennen, die im Walmer Township implementiert wurden. Neben den im Rahmen des Reconstruction and Development Programme (RDP) errichteten Häusern und dem durch die Regierung subventionierten Wohnkomplex Walmer Links existieren aber auch zahlreiche sogenannte „Informal Settlements", also Elendsviertel, in denen es an grundlegender Infrastruktur mangelt und reihenweise Shacks errichtet wurden.51 Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über die verschiedenen Unterkünfte im Walmer Township. Hierzu soll auf Aspekte wie Zielgruppe bzw. betroffene Bevölkerungsgruppe, Höhe der Mietkosten und Besitzansprüche, Qualität der Wohnungen sowie involvierte Institutionen eingegangen werden.
3.1 Reconstruction and Development Programme
Ins Leben gerufen wurde das RDP unter Mandela, um Wohnraum für die benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu schaffen,52 welche monatlich über weniger als R3500 verfügen. Das entspricht umgerechnet etwa 250 Euro.53 Wer mehr verdient, qualifiziert sich nicht für ein solches Haus. Oftmals sind es deshalb arbeitslose Eltern oder schlecht entlohnte domestic workers‘, die ein RDP-Haus zugesprochen bekommen. Zudem hat jeder Bewohner prinzipiell54 nur Anspruch auf ein durch die Regierung bereitgestelltes RDP-Haus. Die Mietkosten entfallen vollständig, da der Besitz mit der Übergabe des Schlüssels auf den Begünstigten übergeht. Zumeist wird das Haus innerhalb der Familie vererbt, sodass die südafrikanische Regierung sich in den seltensten Fällen wieder einschaltet. Stattdessen werden Aufträge für den Bau neuer Häuser erteilt. Zu der Qualität der RDP-Häuser ist zu sagen, dass die Innenausstattung oftmals nicht fertiggestellt ist und die Bewohner selbst aktiv werden müssen. Häufig sind nicht ausreichend Zimmer für alle Familienmitglieder vorhanden, sodass viele Bewohner ihr RDP-Haus mit einem Anbau vergrößern.55 Zwar haben die Begünstigten bei der Übergabe des Hauses anzugeben, ob sie mit der Qualität zufrieden sind oder etwas zu beanstanden haben,56 aber da das zur Verfügung gestellte Haus oftmals eine wesentliche Verbesserung ihres Lebensstandards darstellt, sind direkte Beschwerden vermutlich eher selten. Zudem fehlt das Wissen darüber, wie ein einwandfrei erbautes Haus auszusehen hat und bestehende Mängel werden möglicherweise erst später bemerkt. Im Jahr 2013 beschwerte sich fast jeder dritte Haushalt in der Eastern Cape Provinz über marode Wände und Dächer.57 Um das Ausmaß der Problematik zu veranschaulichen, liefert das Institute of Race Relations (IRR) regelmäßige Berichte. Zwischen 2011 und 2014 investierte das Department of Human Settlements (DHS) 2,1 Milliarden Rand,58 um Nachbesserungsarbeiten zu leisten. Im September 2014 erschien in der lokalen Zeitung ein Artikel über einen Vorfall, wo die Nelson Mandela Bay Gemeinde einen hohen Geldbetrag für solche Arbeiten aufwendete. Diese Geldmittel werden der Gemeinde im Nachhinein jedoch nicht erstattet, da die Investitionen anscheinend noch nicht durch die höhere Instanz bewilligt gewesen waren.59 Bürokratie verlangsamt den Prozess somit ungemein.60 Sie scheint aber notwendig zu sein, um Korruption vorzubeugen.61 Die Regierung hat jedes Jahr ein bestimmtes Budget für den Bau neuer RDP- Häuser vorgesehen. Sie fordert Kostenvoranschläge von verschiedenen Baufirmen und entscheidet dann, wem der Zuschlag gegeben wird.62 Dabei werden von Schwarzen dominierte Firmen aufgrund eines bestehenden Förderungsprogramms, welches unter dem Namen „Black Economic Empowerment" (BEE) bekannt ist, bevorzugt. Diese Firmen wiederum beauftragen ihre Angestellten damit, die vorgegebene Anzahl an Häusern in einem bestimmten Zeitraum zu errichten. Es sind also mehrere Institutionen in den Prozess involviert.63 Dadurch gestaltet sich der Bau von Häusern möglicherweise als zeitintensiver, als wenn nur wenige Akteure sich dieser Aufgabe annehmen würden.
3.2 Walmer Link Wohnkomplex
Beim Walmer Link Projekt handelt es sich um eine Wohnanlage, die von Imizi Housing gestartet wurde und Wohnungen für Personen mit einem monatlichen Einkommen zwischen R2500 und R750064 anbietet, die noch kein RDP-Haus zugesprochen bekommen, kein Eigenheim, Geschäftslokal oder Grundstück besessen haben.65 Häufig sind es einfache Arbeiter, Studenten oder ältere Menschen, die in solchen Wohnungen leben. Diese Personengruppen zählen aufgrund der Höhe ihres Einkommens, im Vergleich zum Durchschnittseinkommen des Landes pro Kopf,66 in die Gruppe der Geringverdiener. Oftmals fällt es diesen Menschen schwer, eine Unterkunft zu finden, die zentral und nicht weit entfernt von Arbeitsstelle oder der besuchten Universität liegt und gleichzeitig einen besseren Standard als ihre vorherige Bleibe im Township aufweist. Dort wollte die Organisation Abhilfe schaffen und bietet Wohnungen verschiedener Größe zu einer vergünstigten Miete an. Die Höhe der Mietkosten wird je nach verfügbarem Einkommen berechnet,67 sodass sie für den Mieter bezahlbar bleiben. In Bezug auf den sozialen Wohnungsbau bietet die Organisation eine Alternative für die Region und wurde damit vom DHS als bes- tes Projekt in dem Bereich ausgezeichnet,68 weshalb Walmer Link mit in diese Arbeit aufgenommen. Die Organisation konnte das Grundstück, auf dem der Walmer Link Wohnkomplex errichtet wurde, preiswert erwerben und damit bislang 400 Familien mit einer Wohnung versorgen.69 Derzeit ist Imizi Housing damit beschäftigt, weitere Wohnungen auf einer zentral gelegenen Fläche zu errichten, um die hohe Nachfrage decken zu können. Wie auch beim RDP bestehen hier lange Wartelisten.70 Außerdem erhält Imizi Housing finanzielle Unterstützung durch den Staat in Form von Subventionen71 zur Schaffung von kostengünstigen Wohnungen für Geringverdiener.72
Aufgrund des Mietkonzeptes hat der Mieter dementsprechend nicht die Möglichkeit, die Wohnung zu erwerben. Sie bleibt Eigentum von Imizi Housing. Der Vorteil daran ist, dass die Organisation sicherstellt, dass das Inventar instandgehalten sowie nötige Reparaturen zeitnah erledigt werden und zudem versucht, für sicheres Wohnen zu sorgen. Die vielen Regeln und Sicherheitsleute schränken gleichzeitig die Freiheiten der Bewohner ein, welche beispielweise keine nächtlichen Besucher empfangen dürfen. Dennoch wird das Konzept gut von den Bewohnern angenommen. Der CEO berichtete im Interview von dem geringen Anteil der Personen, die ihre Miete nicht zuverlässig zahlen.73 Wenn es aber doch mal zu dem Fall kommen sollte, dass die Bewohner ihren Job und damit ihr Einkommen verlieren, wird auf Zwangsräumungen verzichtet. Bei Unruhestiftern, welche die Regeln der Organisation missachten, komme es zur Einschaltung des Gerichtes.74 Mit dem Artikel 26 Abs. 3 wurde schließlich in der südafrikanischen Verfassung festgehalten, dass niemand rücksichtslos und willkürlich aus seiner Wohnung geworfen werden darf.
3.3 Informal Settlements
Die am härtesten von der Wohnproblematik betroffenen Bevölkerungsgruppen sind Arbeitslose und Alleinstehende, die ihren Lebensunterhalt durch Gelegenheitsjobs oder staatliche Sozialhilfe75 bestreiten müssen. Selbst für die Unterbringung im Township ist es für Obdachlose nicht unüblich, dem Besitzer des Shacks einen geringen Betrag76 als Miete für den Schlafplatz zu zahlen.77 Häufig tritt dies auf, wenn Personen von den umliegenden Farmen ins Township ziehen und kein eigenes Shack besitzen. Dabei ist die Höhe der Mietkosten abhängig von der vorhandenen Fläche und der Anzahl der Zimmer der Unterkunft. Auch eine Rolle spielt die Lage der Blechhütte im Township. Oftmals wird diese Art von Unterkünften auch direkt im Hinterhof eines RDP-Hauses für die Unterbringung weiterer Familienangehörigen errichtet. Ein großes Problem sind Einbrüche in die häufig nicht verriegelbaren Shacks. Schlechte Wetterbedingungen mindern die Qualität des Wohnens ungemein, da Regen und Überschwemmungen das Inventar aufgrund der undichten Dächer völlig zerstören können. Der Staat wird nur begrenzt tätig, um die Wohnsi- tuation dieser häufig mittellosen Familien nachhaltig zu verbessern.78
4. Methodisches Vorgehen
In diesem Kapitel werden kurz die Inhalte und Absichten der im Leitfaden formulierten Fragen erläutert, bevor im Anschluss die Vorbereitung und Durchführung des Interviews mit den Bewohnern beschrieben wird. Abschließend wird die Vorgehensweise reflektiert, wobei insbesondere auf Aspekte wie die Formulierung des Leitfadens und die Interviewsituation eingegangen wird.
Mithilfe der qualitativen Forschungsmethode war es möglich, konkrete Aussagen über die Bedürfnisse der Bewohner zu sammeln. Für die Untersuchung wurde Andreas Witzels Methode der problemzentrierten Interviews herangezogen, die er bereits 1982 entwickelte.79 In Anlehnung an Philipp Mayring (2002) wurde zur strukturierten Auswertung der Ergebnisse eine explizierende Inhaltsanalyse der Interviews mit den Bewohnern vorgenommen.80 Es galt, die untersuchten Inhalte so gut wie möglich - auch unter Hinzuziehung gesammelter Materialien und des erlangten Hintergrundwissens - verständlich zu machen.81 Für die zwei durchgeführten Experteninterviews wurde die qualitative Inhaltsanalyse, wie sie von Robert Kaiser (2014) beschrieben wurde, gewählt, da hierbei die Entstehungssituation der Interviews eine untergeordnete Rolle spielt.82 Es interessieren vielmehr die subjektive Einschätzung und Sichtweise der Experten auf die Wohnungsproblematik.
Als Grundlage der Untersuchung dienten etwa 45-minütige, leitfadengestützte Interviews mit drei Bewohnern des Walmer Townships. Interviewpartner NW83 ist ein 43-jähriger Familienvater von fünf Kindern, wovon drei Kinder bei ihm und seiner jetzigen Frau leben. Er verdient etwas Geld mit Gelegenheitsjobs, während seine Frau als Hausangestellte tätig ist. Tagsüber geben die beiden ihre noch minderjährigen Kinder in eine Krippe, die von einer Nachbarin geleitet wird. Die zweite Interviewpartnerin NL (31) hat im September letzten Jahres ihr erstes Kind bekommen und arbeitet in Johannesburg in der Kosmetikbranche, um ihrer Familie regelmäßig Geld schicken zu können. Dennoch klagte sie darüber, dass das Geld manchmal nicht zum Leben ausreicht, weil die Kosten in der Großstadt höher als in PE sind.84 Sie befand sich zum Zeitpunkt des Interviews noch im Mutterschutz und verbringt auch sonst viel Zeit mit ihrer Familie in einem erweiterten RDP- Haus im Walmer Township. Die dritte interviewte Person PD ist eine 44-jährige alleinstehende Mutter von drei Kindern im Alter von 12, 17 und 24 Jahren. Sie bewohnt mit ihrer Mutter, ihrem jüngeren Bruder sowie ihren drei Kindern ein Shack im Walmer Township zur Miete. Zuvor lebte sie mit ihrer gesamten Familie auf einer Farm etwas außerhalb der Stadt PE. Um für den Lebensunterhalt ihrer Familie aufzukommen, arbeitet PD als Hausangestellte in einer reichen Wohngegend und verfügt über ein monatliches Einkommen von umgerechnet 180 Euro. Monatliche Kosten entstehen in etwa wie folgt: 35 Euro zahlt die Bewohnerin für die Miete, 35 Euro fallen für den Schulbesuch ihrer Tochter an, 11 Euro für den Transport ihres Sohnes und rund 60 Euro für Essen. Ihrer jüngeren Tochter würde sie gerne ermöglichen, die Universität zu besuchen, damit sie dort eine gute Ausbildung genießen kann. Aber gleichzeitig benötigt die Mutter von drei Kindern dringend eine größere Unterkunft, da sie sich derzeit mit ihren sechs Familienmitgliedern 35 m2 Wohnfläche mit lediglich einem Schlafzimmer teilt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Interview bei konkreten gesellschaftlichen Problemen angesetzt wurde, mit denen der Bewohner im Alltag konfrontiert wird. Diese Probleme ergeben sich aus der Wohnsituation im Township. Es erschien zur Untersuchung der Fragestellung aus den genannten Gründen unerlässlich, ein persönliches Gespräch mit den Bewohnern zu führen. Auf diese Weise sollten Gründe erkannt werden, weshalb durchgeführte Hausprojekte in der Eastern Cape Region Südafrikas nicht zu den gewünschten Resultaten führen.
4.1 Leitfadengestützes Interview
Zunächst wurde eine Einteilung in fünf Fragenblöcke vorgenommen, die sich jeweils in ihrem Schwerpunkt unterscheiden. Diese Struktur diente einerseits dazu, während des Interviews einen Überblick über die bereits gestellten Fragen zu wahren. Anderseits bot es die Möglichkeit, sich bei der Auswertung an der Reihenfolge der Fragen zu orientieren. Dies trägt zur Nachvollziehbarkeit der durch das Interview erlangten Ergebnisse bei.
Der erste Block umfasst vier Fragen zu den persönlichen Umständen wie zur Herkunft, Familie und den sozialen Verhältnissen der befragten Person. Es sollte eine Vertrauensbasis für das Interview geschaffen und Interesse an den Lebensumständen des Gegenübers gezeigt werden. Außerdem wurden Fragen zu Ausbildung, Beruf und finanziellen Umständen gestellt. Mit diesen Angaben sollte herausgefunden werden, wo den Bewohner die größten finanziellen Sorgen plagen und wie er versucht, diesen zu begegnen.
Im zweiten Abschnitt wurde die Wohnsituation des Bewohners erfragt. Es ging zunächst um die eigene Unterkunft im Township. Dazu zählten die Größe des Haushaltes sowie vorherige Unterkünfte der befragten Person. Es erschien wichtig zu erfahren, seit wann diese im Walmer Township lebt und ob sich ihre Wohnsituation im Laufe der Zeit verändert hat. Dies sollte einerseits Aufschluss darüber geben, ob der Bewohner die Entwicklung des Townships im Laufe der Jahre selbst miterlebt hat oder nur Aussagen über die derzeitige Situation treffen konnte. Andererseits war es interessant zu erfahren, ob der Bewohner seine Wohnsituation mit dem Umzug verbessert oder verschlechtert hat. Außerdem wurde die Frage gestellt, was dem Bewohner an der Wohngegend gefällt und was nicht. Damit sollten Vor- und Nachteile am Leben im Township erfasst und Informationen zur infrastrukturellen Lage erlangt werden. Hierzu wurde eine Frage zum Thema Gesundheit ergänzt, die Aufschluss über die sanitäre Versorgung geben sollte. Im nächsten Schritt wurde der Interviewpartner darum gebeten, ein für ihn ideales Zuhause zu beschreiben und bildlich festzuhalten. Es wurde nachgefragt, wie wichtig ihm eine angemessene Unterkunft (auf einer Skala von 1 bis 10) ist und wie viel er bereit wäre dafür zu zahlen, wenn er könnte. Diese Fragen zielten darauf ab, die Erwartungen und Wünsche konkretisieren zu können, die der Bewohner an eine Wohnung stellt und zu erfahren, welchen Wert er einer angemessenen Unterbringung beimisst.
[...]
1 Vgl. Lohnert 2002, 71.
2 Vgl. Masifunde Bildungsförderung e.V. 2015.
3 Im Folgenden wird zugunsten der Lesbarkeit auf die Aufführung beider Geschlechter verzichtet.
4 Vgl. ZEIT ONLINE 2010.
5 Vgl. DeMoss 2012, 90.
6 Vgl. Lohnert 2002, 39.
7 Vgl. The Herald vom 29.07.14 - “Month-long electricity outrages lead to more protests in Walmer’, vom 01.09.14 - „Illegal electricity connections to 200 homes in Bay cut und vom 17.09.14 - „City needs to ,get smart‘ to curb theft of electricity'.
8 Vgl. INEP-Institut 2011.
9 In Kennzahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass nur etwa jeder vierte Südafrikaner erwerbstätig ist (vgl. Statista 2015). Der Gini-Koeffizient von Südafrika beträgt 0,65 (wobei 0= vollkommen gleichmäßige Einkommensverteilung und 1 = vollkommene Ungleichheit: ein Haushalt verdient das gesamte verfügbare Einkommen). Damit liegt das Land nach Namibia auf Platz zwei von insgesamt 136 betrachteten Ländern (vgl. Lexas Information Network 2013). Schaut man sich die Daten für das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nach Provinzen Südafrikas an, so ist das Eastern Cape als ärmste Region zu identifizieren. Die Wirtschaftskraft des Landes wird von Gauteng mit Johannesburg und dem Western Cape mit Kapstadt dominiert (vgl. Geo Currents 2011).
10 Vgl. Lohnert 2002, 84.
11 Organisiert wird dieses Angebot seit 2004 durch die Masifunde Bildungsförderung, einem Verein, der sich für mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche aus den Townships einsetzt.
12 Anhang 2a: Fotografische Aufnahme vom 27.11.14- „Unterschiedliche Lebensstandards im Township“ (das Bild wurde aufgenommen in Port Elizabeth, Südafrika).
13 Vgl. Housing Development Agency 2015.
14 Alle Zitate aus den Transkripten werden zur besseren Lesbarkeit sprachlich geglättet.
15 Zusammenschluss der südafrikanischen Gemeinden Port Elizabeth, Uitenhage, Despatch und weiterer Orte unter einer gemeinsamen Verwaltung zur Metropolgemeinde (seit 2000).
16 Diese Zeitungsartikel sind überwiegend aus der Lokalzeitung „The Herald" und teilweise aus der „Weekend Post" entnommen und in Anhang 1 einsehbar.
17 Vgl. INEP-Institut 2013.
18 Die durch Häußermann und Siebel (2002) aufgestellte Definition von Wohnen ist in den Sozialwissenschaften gängig und wurde deshalb in dieser Arbeit als Ausgangsdefinition gewählt.
19 Vgl. Häußermann und Siebel 2000, 285.
20 Vgl. ebd., 14.
21 Vgl. ebd., 13.
22 Vgl. ebd., 229.
23 Vgl. Corder 1997, 185.
24 Vgl. Häußermann und Siebel 2000, 215.
25 Vgl. Häußermann und Siebel 2000, 17.
26 Vgl. ebd., 19.
27 Vgl. DeMoss 2012, 237.
28 Vgl. ebd., 5.
29 Vgl. ebd., 6.
30 Vgl. ebd., 241.
31 Vgl. ebd., 253.
32 Vgl. ebd., 254.
33 Vgl. DeMoss 2012, 254.
34 Wird in der Fachliteratur oftmals mit dem Term „Community Development“ gleichgesetzt. In dieser Arbeit soll jedoch die aktive Mitwirkung („Participation“) der Bewohner von Gemeinden im Vordergrund stehen.
35 Vgl. DeMoss 2012, 253.
36 Vgl. UNCHS 1986, zit. nach Moser 1989, 82.
37 Vgl. Unite for Sight 2010.
38 Vgl. United Nations 1995, zit. nach Moser 1989, 81.
39 Vgl. UNCHS 1986, zit. nach Moser 1989, 82.
40 Vgl. Mackay 1999, 388.
41 Vgl. Duflo 2013, 99.
42 Ebd., 99.
43 Vgl. Turner 1976, 1978, 1980.
44 Vgl. Lohnert 2002, 51.
45 Vgl. Turner, zit. n. Lohnert 2002, 53 f.
46 Vgl. Lohnert 2002, 68.
47 Vgl. Kucklick 2012, 101 f.
48 South African Government 04.02.1997.
49 Venter 2007, 67.
50 Vgl. DeMoss 2012, 6.
51 Vgl. ebd., 88.
52 In Verbindung mit der Bereitstellung kostenloser Unterkünfte wurden gleich mehrere Ziele formuliert, auf die an dieser Stelle nicht explizit eingegangen werden kann. Diese können im White Paper on Reconstruction and Development (Parliament of the Republic of South Africa) von 1994 nachgelesen werden.
53 Bei einem Kurs von R14 pro Euro (Stand September 2014).
54 In der Praxis wird dies häufig versucht zu umgehen, bspw. indem das Haus auf einen anderen Namen umgeschrieben wird.
55 Anhang 2b: Fotografische Aufnahmen vom November 2014 - RDP Häuser im Walmer Township.
56 Vgl. Projektmanager HDA, 218 ff.
57 Vgl. Cronje 2014, 1.
58 Bei einem Kurs von R14 pro Euro entspricht dies 150 Millionen Euro (Stand September 2014).
59 Vgl. The Herald vom 17.09.14 - „Bay’s R50m housing gap“.
60 Vgl. Corder 1997, 187.
61 Vgl. CEO Imizi Housing Utility, 323 ff.
62 Vgl. Projektmanager HDA, 76 ff.
63 Vgl. ebd., 151 ff.
64 Dies entspricht etwa zwischen 180 und 535 Euro bei einem Kurs von R14 pro Euro (Stand September 2014).
65 Vgl. CEO Imizi Housing Utility, 37 ff. und siehe Anhang 2c: Fotografische Aufnahmen vom November 2014 - Walmer Links Wohnkomplex.
66 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit 2013.
67 Laut Auskunft durch Herrn Ngcezula, CEO von Imizi Housing, fallen 20% bis maximal 33,3% des Einkommens für die Miete an (82).
68 Vgl. The Herald vom 06.11.14 - “Accolade for Bay housing expert' und Zertifikat für Walmer Link als „Best Social Housing Project of the yeah'.
69 Vgl. CEO Imizi Housing Utility, 9 ff.
70 Vgl. ebd., 147 ff.
71 Vgl. ebd., 88 ff. und 340 ff.
72 Der Interviewleitfaden mit dem CEO von Imizi Housing ist im Anhang (3a) einsehbar.
73 Vgl. CEO Imizi Housing Utility, 285 f.
74 Vgl. The Herald vom 27.09.14 - „Walmer Links troublemakers'“ und „Bad behaviour at estate outlined' sowie CEO Imizi Housing Utility, 273 ff.
75 Diese Sozialhilfeleistung beträgt für einen Erwachsene R1130 monatlich (etwa 80 Euro) und ein Kind R310 (etwa 22 Euro), kann aber prinzipiell (in der Realität wird das System oftmals ausgenutzt) nur von Personen ab 60 Jahren oder arbeitsunfähigen Personen beantragt werden (siehe dazu auch South African Social Security Agency 2014).
76 Es handelt sich hierbei um eine subjektive Einschätzung! Das, was ein Deutscher als geringen Betrag bezeichnet, ist für einen Südafrikaner möglicherweise ein hoher Geldbetrag.
77 Diese Tatsache wurde in Gesprächen mit Bewohnern offenbart. Meistens handle es sich um Beträge zwischen R100 und R500. Dies entspricht etwa zwischen 7 und 35 Euro bei einem Kurs von R14 pro Euro (Stand September 2014).
78 Anhang 2d: Fotografische Aufnahmen vom November 2014 - Shack im Walmer Township.
79 Witzel 1982.
80 Mayring 2002.
81 Vgl. Ebster und Stalzer 2008, 204.
82 Vgl. Kaiser 2014, 91.
83 Die Namen der Interviewpartner wurden zu Anonymisierungszwecken abgekürzt.
84 Vgl. NL, 295 ff.
- Citar trabajo
- Mareike Hinrichs (Autor), 2015, Nachhaltige Hausbauprojekte in den Townships Südafrikas, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/990579
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