Inhalt
1. Einleitung
2. Was ist therapeutisches Klonen
3. Ethische Probleme beim therapeutischen Klonen
3.1 Töten des Embryos
3.2 Verletzung der Würde des Menschen durch seine Instrumentalisierung
3.3 Spaltung des Menschlichen
3.4 Therapeutisches Klonen als Dammbruch für reproduktives Klonen
4. Alternativen zum therapeutischen Klonen
4.1 Xeno-Transplantation
4.2 Erzeugung von Organen nach dem Gewinnen von Stammzellen aus überschüssigen Embryonen von der künstlichen Befruchtung oder von Abtreibungen
4.3 Heilung mit Stammzellen von erwachsenen Menschen
5. Schlussfolgerung
1. Einleitung
Aus Mangel an Spenderorganen starben nach Angaben der Stiftung Organtransplantation im Jahr 1999 in Deutschland etwa 800 Menschen. Doch es gibt Hoffnung, dieses Problem mit Hilfe eines neuen Verfahrens in den Griff zu bekommen, so dass niemand mehr wegen eines kranken Her- zens, versagender Nieren oder einer kaputten Leber sterben oder an medizinische Apparate ange- schlossen, darauf warten müsste, dass sich irgendwo und irgendwann ein geeignetes Spenderor- gan auftreiben lässt. Man stelle sich vor, dass alle Organe, Knochen, Gewebe und sogar Nerven- zellen eines jeden Menschen aus ein paar Hautzellen dieses Menschen und einer fremden Eizelle neu produziert werden könnten. Auch die Transplantationen dieser Organe trügen nicht mehr das Risiko der lebensbedrohlichen Abstoßungen der eingepflanzten Ersatzteile. Der einzige Unter- schied zum ursprünglichen Organ wäre die Frische des neuen Körperteils. Jedes transplantierte Organ oder Gewebe würde vom Empfänger so akzeptiert wie sein eigenes, denn es wäre genauso beschaffen wie sein eigenes.
Diese Vorstellung klingt zwar für viele Menschen heute noch wie ein Science-Fiction-Roman, doch könnte sie mit Hilfe des so genannten therapeutischen Klonens schon in einigen Jahren Wirklichkeit werden. Selbst bisher unheilbar kranken Alzheimer- und Parkinson-Patienten könn- te geholfen werden.
Die Erzeugung von menschlichen Klonen zur Gewinnung von Stammzellen soll in Großbritannien erlaubt und auch mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt werden. In den USA ist das Erzeugen von Stammzellen in privaten Forschungseinrichtungen bereits Alltag. Die Regierungen von Japan und Australien planen ebenfalls das therapeutische Klonen zu erlauben. In Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern dagegen, ist das therapeutische Klonen, wie das Klonen von Menschen überhaupt, per Gesetz verboten. Bereits die Erzeugung von Embryonen, um diese fremdnützig zu verwenden, wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.
In dieser Arbeit werde ich untersuchen, ob es vernünftige Gründe gibt, die gegen den Einsatz von therapeutischen Klonverfahren und für das Beibehalten des generellen Klonverbots, trotz eines Bedarfs von jährlich 13.000 zusätzlichen Organen allein Deutschland, sprechen, oder ob es vernünftiger wäre, solche Verfahren in Zukunft auch in Deutschland zu genehmigen.
2. Was ist therapeutisches Klonen
Um ein Gewebe oder Organ eines schon bestehenden Menschen zu klonen, muss sein Erbgut in Form von einer Körperzelle in eine fremde, leere Eizelle gegeben werden. Mit Hilfe chemischer oder elektrischer Impulse wird diese Eizelle zum Wachsen angeregt, so dass sich dieser künstliche Embryo wie eine normal befruchtete Eizelle verhält. Es beginnt die Zellteilung. Nachdem der Klon das Achtzellstadium überschritten hat, ist er nach gängiger wissenschaftlicher Definition ein Individuum. Nach etwa vier Tagen hat sich eine Blastozyste gebildet. In dieser kleinen Hohlkugel befinden sich embryonale Stammzellen, die abgeerntet werden können. Der Embryo stirbt dabei. Nach einem komplizierten Verfahren können die gewonnenen Stammzellen in einer Kultur angelegt und zur Weiterverarbeitung konserviert werden. Mit chemischen Starthilfen, die zum großen Teil noch bestimmt werden müssen, lassen sich aus den Stammzellen beliebige Gewebe und ganze Organe züchten. Diese Organe können ohne Probleme transplantiert werden. Da ihr Erbgut mit dem des Empfängers übereinstimmt, besteht keine Abstoßungsgefahr.
3. Ethische Probleme beim therapeutischen Klonen
Dem Vorteil, den Mangel an Spenderorganen zu beheben, stehen einige schwer wiegende ethi- sche Probleme entgegen, deren moralische Relevanz bisher dafür verantwortlich ist, dass das therapeutische Klonen hierzulande noch verboten ist. Die Bedenken richten sich im Gegensatz zu früheren Diskussionen weniger gegen das Verfahren des Transplantierens selbst, sondern gegen die spezifische Situation, die sich daraus ergibt, dass die Organe aus einem menschlichen Embryo entnommen werden. Zwei Voraussetzungen des Entnehmens lebenswichtiger Einzelorgane beim Menschen sind nämlich in Frage gestellt. Erstens, die Voraussetzung der Tatsache, dass der Organspender mindestens hirntot ist und zweitens, dass er noch zu Lebzeiten der Organentnahme zugestimmt hat.
Weitere Probleme ergeben sich daraus, dass die Ergebnisse des therapeutischen Klonens nicht den Embryonen zu Gute kommen und auch vor allem daraus, dass es sich um ein verbrauchendes Verfahren handelt, bei dem die Embryonen getötet werden. Der Heilung von bereits geborenen Menschen und dem medizinischen Fortschritt steht auch die Sorge der Verletzung der Würde des Menschen durch seine Instrumentalisierung oder durch die Spaltung des Menschlichen entgegen.
3.1 Töten des Embryos
Um die Frage beantworten zu können, ob man einen Embryo im Achtzellstadium töten darf, um ihm eine Stammzelle zu entnehmen, mit deren Hilfe man menschliche Ersatzteile erzeugen will, müssen wir uns über den moralischen Status eines Embryos Gedanken machen. Geht man wie die Kirchen und die Richter des Bundesverfassungsgerichts davon aus, dass das menschliche Lebewesen von seinem Beginn bei der Befruchtung der Eizelle an unter dem Schutz der menschlichen Würde steht, verbieten sich Verfahren zur Klonung, Präimplantationsdi- agnostik und Abtreibung, weil die Verfahren nicht dazu dienen, den Embryo am Leben zu erhal- ten. Doch diese Auffassung impliziert, dass der menschliche Embryo nur einen solchen hohen moralischen Wert hat, weil er zur Spezies Homo sapiens gehört und den dies bestimmenden Chromosomensatz besitzt. Mit dieser überaus anthropozentrischen Ansicht begeben wir uns schnell auf das Glatteis des Speziesismus, denn moralisch gesehen hat die Eigenschaft ein Mensch zu sein keinen Wert, genauso wie die Eigenschaft einer Rasse oder einem Volk anzuge- hören.
Hans-Martin Sass geht davon aus, dass einem Menschen 70 Tage nach der Empfängnis der volle rechtliche Schutz und die ungeteilte ethische Solidarität und Achtung entgegengebracht werden muss. Da erst dann die zentrale neuronale Steuerung, Schmerzempfindung, Kommunikation, Bewusstsein und Selbstbewusstsein, die den Menschen als Person ausmachen ausgebildet sind.1 Peter Singer zeigt in seiner Praktischen Ethik, dass im Vergleich zu den hier zur Debatte stehen- den Embryos, viele Wirbeltiere einen höheren Wert haben. „Denn bei jedem fairen Vergleich moralisch relevanter Eigenschaften wie Rationalität, Selbstbewußtsein, Bewußtsein, Autonomie, Lust- und Schmerzempfindung und so weiter haben das Kalb, das Schwein und das viel verspot- tete Huhn einen guten Vorsprung vor dem Fötus in jedem Stadium der Schwangerschaft - und wenn wir einen weniger als drei Monate alten Fötus nehmen, so würde sogar ein Fisch mehr An- zeichen von Bewusstsein zeigen.“2 Deshalb schlägt Singer vor, dem Leben eines menschlichen Embryos keinen größeren Wert zuzubilligen als dem eines Lebewesens auf einer ähnlichen Stufe der geistigen Entwicklung.3
Manche Menschen meinen, dass ein menschlicher Embryo schon deshalb einen höheren Wert hat, weil er eine potentielle menschliche Person ist, die später einmal wesentlich selbstbewusster und rationaler als eine Kuh, ein Schwein oder ein Fisch handeln wird. Jedoch gibt es „keine Re- gel, die besagt, daß ein potentielles X denselben Wert oder alle Rechte von X hat.“4 Viele Bei- spiele beweisen das Gegenteil, so würde es etwa wesentlich verwerflicher sein, ein lebendiges Huhn in einen Kochtopf zu werfen, als ein Ei, das ebenfalls ein potentielles Huhn wäre. Schon Aristoteles ging davon aus, dass potentielles Sein im Unterschied zu aktuellem Sein nicht zu be- werten ist, weil potentielles Sein stets auch die Realisierung des Gegenteils als Möglichkeit imp- liziert.5
Darauf könnte man wiederum antworten, dass der Wert des Potentials eines menschlichen Emb- ryos viel höher einzuschätzen sei, als der Wert des Potentials eines Hühnereis, und das Potential sei nicht wichtig, weil der Embryo ein Recht auf Leben habe, sondern weil derjenige, der einen Embryo tötet, die Welt um ein selbstbewusstes und rationales Wesen beraubt. Diese Behauptung impliziert jedoch, dass rationales und selbstbewusstes Leben an sich schon einen Wert habe, was ziemlich schwierig zu beweisen sein dürfte, vor allem auch deshalb, weil man damit auch jede Form von Abtreibung, Verhütung und Bevölkerungskontrolle trotz dramatischer Überbevölke- rungsprobleme ablehnen würde. Selbst sexuelle Abstinenz und das Zölibat wären zu verurteilen, weil sie die Chancen zur Erzeugung von rationalem, selbstbewussten Leben vereiteln.
Diese Ausführungen führen uns zu der Erkenntnis, dass das Leben eines menschlichen Embryos moralisch nicht mehr (sondern eher weniger) wert ist, als das eines Wirbeltieres, von denen wir jeden Tag mehrere Millionen schlachten, nur um unseren Hunger nach Fleisch zu stillen. Es sollte daher erst recht erlaubt sein, einen menschlichen Embryo, der noch keine Person ist, zu töten, um dadurch einer bereits existierenden Person das Leben zu retten.
3.2 Verletzung der Würde des Menschen durch seine Instrumentalisierung
„Es sei »Wahnsinn«, einen Menschen zu schaffen, damit er einem anderen Menschen diene. Es gehe darum, zu verhindern, dass der Mensch zur Ware werde“6, sagte der italienische Kurienkar- dinal Ersilio Tonini zu den Plänen der britischen Regierung das therapeutische Klonen zu ge- nehmigen. Tonini vertritt damit einen der am häufigsten geäußerten Einwände gegen das Klonen, indem er in der Durchführung der Klonungsvorhaben eine Verletzung der Würde des Embryos und damit eines Menschen sieht, weil dieser nur noch Mittel zu einem Zweck, nicht mehr der Zweck selbst ist. „Offenkundig ist dies der Fall, wenn ein Mensch nur deshalb geklont wird, weil er [...] anderen als Organ- oder Gewebespender dienen [...] soll“7, meinten auch die Mitglieder einer Expertenkommission, die 1997 vom Minister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie zusammengerufen worden war. In so einem Fall wird nach Auffassung der Kom- mission um eines Zweckes willen manipuliert, dem der hergestellte Embryo dienen soll. Dadurch werden ihrer Meinung nach mehrere wichtige ethische Prinzipien verletzt. „Einen Menschen in seiner genetischen Identität zu manipulieren, um ihn den Zwecken Dritter zu unterstellen, bedeu- tet ohne Zweifel eine Instrumentalisierung, die den Kern der Person berührt und deshalb gegen die mit dem Prädikat der Würde geschützte Selbstzwecklichkeit verstößt, die dem Menschen als Person zukommt.“8
Doch müssen wir uns auch bei dieser Diskussion vor Augen führen, dass der Embryo noch keine Person ist und somit auch nicht den Anspruch auf die Würde einer Person hat. Nicht eine Person mit einer Vielzahl von Wünschen, Zielen und Gefühlen muss für die Rettung eines Schwerkranken ausgelöscht werden, sondern ein Embryo, der aus einer Blastozyste mit acht Zellen darin besteht und der weder Wünsche noch Bewusstsein hat.
3.3 Spaltung des Menschlichen
Der Theologe Dietmar Mieth hat die moralische Bewertung zwischen einem Embryo, der ausge- tragen werden und überleben darf und einem Embryo, der aus wissenschaftlichen oder anderen Zwecken getötet wird, als „Spaltung des Menschlichen“ kritisiert und ihr einen Zirkelschluss unterstellt, weil die Entscheidung über Leben oder Tod des Embryos nicht von seinem biologi- schen Status (denn beide haben den selben), „sondern von dem Ziel her, zu welchem sie der Mensch jeweils »ernennt«“9, abhängt. Mieth befürchtet, dass damit eine „willkürliche, weil durch keine Kriterien geleitete Entscheidung zur Basis einer wissenschaftlichen Definition gemacht [wird], die dann ihrerseits als fachliche Voraussetzung für die Einschlägigkeit eines ethischen Urteils auftritt.“10
Diese Auffassung Mieths teile ich nicht. Zwar ist es richtig, dass sich beide Embryonen in ihren Eigenschaften und Fähigkeiten nicht unterscheiden, jedoch ist das noch kein hinreichender Grund dafür, dass sie auch denselben moralischen Status haben. Deshalb stimme ich mit Johann S. Ach überein, der dem Prinzip des moralischen Individualismus folgend, nur solche Lebewesen als schutzwürdig ansieht, denen ein Schaden zugefügt werden kann. Schäden können aber nur sol- chen Lebewesen zugefügt werden, die einmal empfindungsfähig waren, sind oder sein werden. Embryonen, die vor dem Erreichen der Empfindungsfähigkeit getötet werden, fallen nicht darun- ter und haben ergo keinen moralischen Schutzanspruch. „Der moralische Status von Embryonen in einem frühen Entwicklungsstadium ändert sich also relativ zu den Handlungszielen, für die er eingesetzt werden soll, insofern, als ein Unterschied besteht zwischen der Frustration der Interes- sen eines bereits existierenden Interessenträgers einerseits und der Verhinderung der Entstehung eines Interessenträgers andererseits.“11 Die unterschiedliche ethische Bewertung von Embryonen, die zu unterschiedlichen Zwecken erzeugt worden sind, ist also doch nicht, wie Mieth behauptet, willkürlich, da es durch das Prinzip des moralischen Individualismus argumentativ gestützt wird.
3.4 Therapeutisches Klonen als Dammbruch für reproduktives Klonen
Ein häufig genanntes Argument gegen das therapeutische Klonen ist, dass diese Art von Klonungsverfahren die Türen für weitere zurzeit nicht gewollte Verfahren, wie das reproduktive Klonen (das heißt Klonen um genetisch gleiche Nachkommen zu erzeugen) öffnen würde. Dieser Vorwurf ist rein spekulativ und logisch falsch, weil es keine Regel gibt, die besagt, dass wenn das eine (das therapeutische Klonen) erlaubt wird, automatisch etwas anderes, über das erste i- nausgehendes (das reproduktive Klonen) auch erlaubt oder auch nur vereinfacht wird. Es gibt zahlreiche Gegenbeispiele, die diese These widerlegen. So ist zum Beispiel in Ländern, in denen Euthanasie nicht strafbar ist, nicht jede andere Art von Töten von Menschen auch nicht strafbar. Auch ist bei uns nicht, weil der Besitz von Messern (die als Waffen eingesetzt werden könnten) erlaubt ist, auch der Besitz von Gewehren, Sprengstoff und Bomben erlaubt.
4. Alternativen zum therapeutischen Klonen
Alternativ zum therapeutischen Klonen sind in den vergangenen Jahren noch andere Verfahren entwickelt worden, die die oben genannten ethischen Probleme zum Teil ausschließen. Drei mögliche Alternativen möchte ich an dieser Stelle diskutieren.
4.1 Xeno-Transplantation
Seit vielen Jahren arbeiten Forscher in aller Welt daran, Organe von Tieren - vor allem Affen und Schweinen - für die Übertragung auf den Menschen zu präparieren, um dem Notstand an Spenderorganen entgegenzutreten. Schon 1996 prognostizierte Paul Schmidt, Geschäftsführer der amerikanischen Biotechnologie-Firma Nextran, „dass schon in fünf Jahren bis zu 100 000 Menschen jährlich Herz, Leber, Niere oder Bauchspeicheldrüse vom Schwein erhalten könnten. Dessen britische Konkurrenz von Imutran [...] sah sich mit Organen vom Schwein bereits auf dem Weg zur Lösung der globalen Organspenderkrise.“12 Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt das zurzeit acht Prozent der Befragten ein Herz von einem Affen oder einem Schwein in sich schlagen lassen würden.13
Doch diese Methode birgt einige enorme Risiken und Gefahren in sich. Beispielsweise war in Tierversuchen, bei denen Nieren und Herzen von Schweinen in Affen verpflanzt wurden, die Abstoßungsquote sehr hoch. Auch betrug die maximale Überlebensrate der Implantate nur 62 bis 99 Tage. Außerdem wurden die Affen einer sehr belastenden Immunsuppressiva-Behandlung unterzogen, die wegen ihrer vielfältigen Nebenwirkungen bei Menschen nicht angewendet wer- den würde. Ein weiteres bedeutendes Problem ist das erhebliche Infektionsrisiko, dass die tieri- schen Implantate mit sich bringen. Bisher unbekannte Krankheitserreger könnten auf den Organ- empfänger und eventuell auch auf andere Menschen übertragen werden. Pessimisten erinnern sich schnell an die HIV- und Ebola-Viren, die ursprünglich auch nur bei einigen Tierarten auftra- ten.14
Wegen dieser starken Bedenken sind auch die Xeno-Transplantations-Forscher zurückhaltender geworden und gehen wie Claus Hammer von der Universität München davon aus, auch in den nächsten fünf Jahren noch keine Organe vom Schwein auf den Menschen zu transplantieren.15
Nach einer Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) angefertigt wurde, liegt der Zeithorizont für eine Verbreitung der Xenotransplantation bei frühestens 15 bis 20 Jahren.16
Insgesamt sind die Gefahren bei der Xeno-Transplantation also noch wesentlich höher als beim therapeutischen Klonen. Zu den technischen Risiken kommen noch andere Ungewissheiten hinzu. Auch wäre die Qualität der Ersatzorgane nicht einmal annähernd so hoch, wie bei denen, die durch therapeutisches Klonen erzeugt wurden.
4.2 Erzeugung von Organen nach dem Gewinnen von Stammzellen aus überschüssigen Embryonen von der künstlichen Befruchtung oder von Abtreibungen
In den USA beschäftigen sich Forscherteams seit Jahren damit, Stammzellen aus bereits vorhan- denen Embryonen zu gewinnen, die nicht extra zur Erzeugung von Stammzellen produziert wur- den. So gewinnt zum Beispiel der Gynäkologe John Gearhart von der John Hopkins School of Medicine in Baltimore Stammzellen aus den Gewebefurchen von Embryos. Dazu suchen Gearharts Mitarbeiter in Abtreibungskliniken Frauen, die nach ein- bis zweimonatiger Schwan- gerschaft einen Abbruch vornehmen lassen wollen. Die ohnehin dem Tode geweihten Embryo- nen werden kurz nach der Abtreibung seziert. Dabei werden ihnen die Stammzellen entnom- men.17
Bei diesem Verfahren würde das schwerwiegende Argument, dass menschliche Wesen extra für die Organentnahme gezeugt werden, nicht gelten, da die Embryonen bereits vorher aus anderen Gründen getötet wurden und die Forschung keinen zusätzlichen Schaden verursacht. Dafür tut sich ein anderes schwerwiegendes Problem auf: Die Stammzellen aus den Überschuss- Embryonen tragen auch ein fremdes Erbgut, nicht jenes des Organspendeempfängers. Die aus den Stammzellen der Embryonen entstehenden Organe sind für die Immunsysteme aller anderen Menschen Fremdkörper, folglich besteht eine erhöhte Abstoßungsgefahr, wie bei den auch heut- zutage gängigen Transplantationsmethoden. Auch die Probleme der Verletzung der Menschen- würde durch Instrumentalisierung und der Spaltung des Menschlichen würden wieder das Entset- zen vieler Kritiker hervorrufen. Würden solche Embryonen für die Forschung freigegeben, be- stünde außerdem „die Gefahr einer Beeinflussung des Schwangerschaftsabbruches durch einen zusätzlichen (positiven) Zweck. Auch könnte bei der künstlichen Befruchtung das Interesse an »überzähligen« Embryonen zu Forschungszwecken wachsen.“18
4.3 Heilung mit Stammzellen von erwachsenen Menschen
Als weitere Alternative zum therapeutischen Klonen ist es denkbar, zu versuchen, die benötigten Stammzellen von erwachsenen Menschen zu gewinnen, in der Regel von demjenigen, der das Ersatzorgan benötigt. Im vergangenen Jahr gelang es Wissenschaftlern des Pharmakonzerns „Osiris Therapeutics“ aus menschlichem Hüftknochenmark Stammzellen zu gewinnen, die sich im Labor vermehrten und die sich mit Hilfe einer Spezialmischung von Wachstumsfaktoren zu Knochen-, Knorpel-, Fett- oder Bindegewebszellen entwickeln ließen. Bei weiteren Versuchen entwickelten sich diese sogar auf Keramik. Wurden sie in das Skelett von Tieren eingefügt, bilde- te sich neues Knochenmaterial.19
Doch derzeit ist die Gewinnung von erwachsenen Stammzellen, etwa durch Hüftpunktionen, noch schwierig und schmerzhaft. Zukünftig könnten solche Eingriffe vermieden werden, wenn schon von Neugeborenen ein Vorrat an Stammzellen eingefroren würde, das bei Bedarf genutzt werden könnte. Restblut aus der Nabelschnur wäre eine medizinisch und ethisch unbedenkliche Quelle dafür.
Vorteile dieses Verfahrens wären, dass die oben behandelten ethischen Probleme ausbleiben würden. Weder müsste ein menschliches Lebewesen getötet werden, noch bestehen die Gefahren der Instrumentalisierung, der Spaltung des Menschlichen oder des Dammbruchs. Doch auch diese Methode birgt Probleme, die es als Ersatz für therapeutisches Klonen nicht ausreichend erscheinen lassen. So gilt es als so gut wie sicher, dass erwachsene Stammzellen nicht aus allen Regionen des menschlichen Körpers, zum Beispiel aus dem Gehirn, gewonnen werden können. Auch können nicht alle der 210 menschlichen Gewebetypen aus ihnen gebildet werden. Außerdem altern die erwachsenen Stammzellen mit dem Körper aus dem sie entnommen werden, auch vervielfältigen sie sich wesentlich träger als ihre embryonalen Vorgänger.20
5. Schlussfolgerung
Die rasante technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte macht vielen Menschen Angst. Sie fürchten sich vor neuen Ideen und Verfahren, die ihre alteingesessenen oft anerzogenen Vor- stellungen und Weltbilder durcheinanderbringen könnten. So verhält es sich zurzeit auch mit dem therapeutischen Klonen. Doch wenn auch diese skeptischen Menschen von positiven Ergebnissen dieses Verfahrens hören und sie diese Ergebnisse vielleicht sogar am eigenen Leib erfahren, wer- den auch sie bereit sein, den Verlust von achtzelligen Embryos in Kauf zu nehmen. Wenn wir bedenken, dass vor gar nicht langer Zeit auch zwischenmenschliche Transplantationen und künst- liche Befruchtungen heiß umstritten waren, die heute zum medizinischen Alltag gehören und fast ausnahmslos akzeptiert sind, kann man sich gut vorstellen, dass es sich mit dem therapeutischen Klonen genauso verhält. Wenn die Menschen dieses Verfahren bei sich selbst oder in ihrer Um- gebung als etwas Positives, Funktionierendes erfahren, werden sie es vermutlich innerhalb kurzer Zeit akzeptieren und schätzen lernen und schon die nächste Generation wird kaum noch verste- hen können, warum sich ihre Vorfahren gegen die Vorzüge der Technik gewährt haben. Auch wenn die Akzeptanz für solche Art von Transplantationsmedizin derzeit in der Bevölkerung noch gering ist (nur sechs Prozent der Bevölkerung würde sich ein aus Embryonalzellen gezüchtetes Organ einpflanzen lassen21 ) wird sich bei vernünftiger Argumentation das therapeutische Klonen durchsetzen, weil nur dies voraussichtlich das einzige Verfahren ist, mit dem das Problem des Ersatzorganmangels zu bewältigen ist.
Aufgabe der bioethischen Kontrollorgane sollte es sein, die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung auf dem Niveau der menschlichen Verkraftbarkeit zu halten und neue Technolo- gien, die das Leben entscheidend beeinflussen können kritisch zu überprüfen, aber sie nicht auf- zuhalten.
Das Töten von empfindungsunfähigen achtzelligen menschlichen Embryonen beim therapeutischen Klonen ist weniger unmoralisch, als das alltägliche Handeln vieler Bauern und Fleischer, die vorsätzlich Lebewesen töten, die ein Leben mit Bewusstsein haben und die vielmehr zur Empfindung von Lust und Schmerz in der Lage sind.
Es ist ebenso unmoralisch Kranken, wegen der ohne den Zweck der Organbildung nicht existen- ten Embryonen, die medizinische Hilfe zu verweigern, indem die Erforschung und Anwendung des Verfahrens der therapeutischen Klonung, das wirkliche dauerhafte Heilung für Schwerkranke verspricht, weiter durch Gesetze verhindert wird.
LITERATURVERZEICHNIS
- Ach, Johann S. (1998): Hello Dolly? Biotechnik, Biomoral und Bioethik. In: Johann S. Ach / Gerd Brudermüller / Christa Runtenberg (Hg.): Hello Dolly? Über das Klonen. Frankfurt, 1998, 123-151.
- Aristoteles (1993): Metaphysik. Übersetzt und herausgegeben von Franz F. Schwarz. Stuttgart.
- Eser, Albin u.a. (1997): Klonierung beim Menschen. Biologische Grundlagen und e- thisch-rechtliche Bewertung. Stellungnahme für den Rat für Forschung, Technologie und Innovation. In: Johann S. Ach / Gerd Brudermüller / Christa Runtenberg (Hg.): Hello Dolly? Über das Klonen. Frankfurt, 1998, 223-247.
- Görlitzer, Klaus-Peter (2000): Ersatzorgane vom Schwein. In: Die Tageszeitung vom 17. März 2000.
- Golin, Simon (2000): Der Mensch ist eine Baustelle. Vom Hirnchip bis zum Schweine- herzen. In: Die Zeit Nr. 44 vom 26.10.2000, 39.
- Hammer, Claus (1999): Xenotransplantation zwischen medizinischen Möglichkeiten und ethischen Ansprüchen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 6/99 vom 5. Februar 1999, 30-38.
- Kaminsky, Carmen (1998): Embryonen, Ethik und Verantwortung. Eine kritische Analyse der Statusdiskussion als Problemlösungsansatz angewandter Ethik. Tübingen. § Koch, Klaus (2000): Schwein oder nicht Schwein. In: Süddeutsche Zeitung vom 22.08.2000, V2/9-10.
- Mieth, Dietmar (1997): Die Spaltung des Menschlichen. Die Klonierungsdebatte macht die Schwächen der Bioethik-Konvention deutlich. In: Frankfurter Rundschau vom 28.07.1997.
- Ochmann, Frank (2000): Töten für das Leben. In: Der Stern Nr. 38 vom14.09.2000, 76- 86.
- Podschun, Trutz Eyke (1999): Sie nannten sie Dolly. Von Klonen, Genen und unserer Verantwortung. Weinheim.
- Sass, Hans-Martin (1990): Wann beginnt das Leben? In: Die Zeit. Nr. 49 vom 30. No- vember 1990, 104.
- Siep, Ludwig (1999): Klonen. Die künstliche Schaffung des Menschen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 6/99 vom 5. Februar 1999, 22-29.
- Singer, Peter (1994): Praktische Ethik. Neuausgabe. Stuttgart (11984, 21994).
- Tonini, Ersilio (2000). Zitiert nach KATHweb. Ein elektronischer Informationsdienst der Österreichischen Katholischen Presseagentur KATHPRESS: Vatikan-Experte vergleicht Klon-Freigabe mit Nazi-Experimenten. 17.08.2000.
[...]
1 Sass, 1990.
2 Singer, 1994, 196f.
3 Siehe Singer, 1994, 197.
4 Singer, 1994, 199.
5 Siehe Aristoteles, 1993.
6 Tonini, 2000.
7 Eser u.a., 1997, 234f.
8 Eser u.a., 1997, 235.
9 Mieth, 1997.
10 Mieth, 1997.
11 Ach, 1998, 146.
12 Koch, 2000, 9.
13 Siehe Golin, 2000.
14 Görlitzer, 2000.
15 Siehe Koch, 2000, 9.
16 Görlitzer, 2000.
17 Siehe Ochmann, 2000, 78f.
18 Siep, 1999, 25.
19 Siehe Ochmann, 2000, 86.
20 Siehe Ochmann, 2000, 86.
21 Siehe Golin, 2000.
- Citation du texte
- Christian Suhrbier (Auteur), 2000, Therapeutisches Klonen - Ethische Überlegungen zu Nutzen, Problemen und Alternativen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99039
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