Der Themenschwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Darstellung des Frauenbildes in ausgewählten, deutsch-türkischen Filmen anhand einer semiotischen Filmanalyse. Der Film "40 Quadratmeter Deutschland" von Tevfik Başer, Yasemin von Hark Bohm, "Anam-Meine Mutter" von Buket Alakuş, "Die Fremde" von Feo Aladağ und "Gegen die Wand" von Fatih Akın wurden bewusst gewählt, da in diesen Filmen der Frau eine wesentliche Rolle zugeschrieben wird.
Grundlegend für diese Vorgehensweise ist die Semiotik, die Lehre der Zeichen, als Wissenschaft und Methode zugleich. Neben der Semiotik als Disziplin, wird auch der Filmwissenschaft eine wichtige Rolle in dieser Arbeit zugeschrieben. Insbesondere wurden auf die theoretischen Ansätze von den bekanntesten Filmtheoretikern und - Semiotikern wie Christian Metz, Umberto Eco, Pier Paolo Pasolini und Jan-Marie Lambert Peters aufgebaut. Da der Film auch ein Kommunikationsmittel ist, wurden wichtige Aspekte der Kommunikationswissenschaft erwähnt und diese dann auf die Analyse übertragen. Die Filmanalyse wurde mit einer eigenständig erstellten Tabelle, deren Parameter festgelegt wurden, durchgeführt. Dabei wurden die ausgewählten Filme, genauer einzelne Filmeinstellungen auf verbale, nonverbale und visuelle Zeichen hin untersucht und die Frau im deutsch-türkischen Kontext dargestellt.
INHALTSVERZEICHNIS
DANKSAGUNG
ÖZET
ZUSAMMENFASSUNG
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1. FILM UNDSEMIOTIK
1.1 GESCHICHTLICHER ABRISS DER SEMIOTIK
1.2 STRUKTURALISMUS: DIE WENDE DER ZEICHENTHEORIE?
1.2.1 Ferdinand de Saussure
1.2.2 Charles Sanders Peirce
2. SEMIOTIK IM INTERDISZIPLINÄREN BEREICH
2.1 MEDIENSEMIOTIK
2.2 EINZELMEDIEN
2.2.1 Das Bild
2.2.2 Die Fotografie
2.2.3 Das Comic
2.2.4 Der Film
3. FILMSEMIOTIK
3.1 FILM ALS SPRACHE
3.1.1 Jan-Marie Lambert Peters
3.1.2 Christian Metz
3.1.3 Umberto Eco
3.1.4 Pier Paolo Pasolini
3.1.5 PeterWollen
3.2 FILM ALS KOMMUNIKATION
3.2.1 Film als interkulturelles Massenmedium
3.2.2 Die PräsenzderAusländerin den deutschsprachigen Medien..
4. KURZER ABRISS DER FILMGESCHICHTE
4.1 ÜBERGANG VOM STUMMFILM ZUM TONFILM
5. METHODISCHES VORGEHEN
5.1 40 QUADRATMETER DEUTSCHLAND
5.1.1 Allgemeines zum Film und Regisseur
5.1.2 Filmbesetzung
5.1.3 Filmrezensionen
5.1.4 Semiotische Einstellungsanalyse
5.2YASEMIN
5.2.1 Allgemeines zum Film und Regisseur
5.2.2 Filmbesetzung
5.2.3 Filmrezensionen
5.2.4 Semiotische Einstellungsanalyse
5.3 ANAM - MEINE MUTTER
5.3.1 Allgemeines zum Film und Regisseur
5.3.2 Filmbesetzung
5.3.3 Filmrezensionen
5.3.4 Semiotische Einstellungsanalyse
5.4 DIE FREMDE
5.4.1 Allgemeines zum Film und Regisseur
5.4.2 Filmbesetzung
5.4.3 Filmrezensionen
5.4.4 Semiotische Einstellungsanalyse
5.5GEGEN DIEWAND
5.5.1 Allgemeines zum Film und Regisseur
5.5.2 Filmbesetzung
5.5.3 Filmrezensionen
5.5.4 Semiotische Einstellungsanalyse
6. SCHLUSSFOLGERUNG
7. LITERATURVERZEICHNIS
Danksagung
Mein ganz besonderer Dank geht an dieser Stelle an meinen Betreuer Herrn Assist. Prof. Mutlu ER, der mich während der Erstellung dieser Arbeit mit seinen wissenschaftlichen Kenntnissen in diesem Bereich, seinen konstruktiven Kritiken und Vorschlägen, aber auch mit seiner mentalen Unterstützung stets zur Seite stand.
Desweiteren möchte ich unserem Abteilungsleiter Prof. Dr. Musa YagarSAGLAM danken, der trotz meinen beruflichen Pflichten, mir oftmals den Gang in die Bibliothek ermöglicht hat und mich während der Erstellung dieser Arbeit stets unterstützte.
Auch möchte ich meinem Kollegen Assoc. Prof. Max Florian HERTSCH danken, der mich sowohl in meiner beruflichen Weiterentwicklung unterstützt als auch während der Erstellung dieserArbeit permanent motiviert hat.
Ein weiterer Dank geht an den deutsch-türkischen Filmemacher, Regisseur und Journalist Tungay KULAOGLU, der mit zahlreichen, themenbezogenen Filmvorschlägen meine begrenzte Auswahl erweitert und mir neue Perpektiven geöffnet hat.
Natürlich danke ich auch meiner Schwester Betül KARDE§, meiner Kommilitonin Sinern MOLLAMEHMETOGLU und Freundin Selda KOQAK, die mit ihren konstruktiven Kritiken dieser Arbeit einen enormen Beitrag geleistet haben und mich auch mental motiviert haben.
Zuguterletzt möchte ich meinen Eltern danken, die mich in dieser mühevollen Zeit toleriert, unterstützt und an mich geglaubt haben.
Auch danke ich all denen, die zur Erstellung dieser Arbeit und meiner Weiterbildung aufjegliche Art und Weise beigetragen haben.
ÖZET
KARDE§, Begüm. Türk-Alman Filmlerinde Kadin Imgesi. Sinema GöstergebilimselAnaliz, Yüksek Lisans Tezi, Ankara, 2017.
Bu galigmanin amaci, segilmig Türk-Alman filmlerindeki kadin tasvirini sinema göstergebilimsel bir analiz yöntemiyle ortaya koymaktir. Tevfik Bager’in 40 Metrekare Almanya, Hark Bohm’un Yasemin, Buket Alakug’un Anam-Meine Mutter, Feo Aladag’in Die Fremde ve Fatih Akin’in Duvara Kar§i adli filmlerinin kullanim sebebi, bu filmlerde kadin rolüne büyük bir önemin verilmesidir. Bu galigmanin dayanagini, hem biryöntem hem de bir bilim dali olan göstergebilim saglamaktadir. Göstergebilimin yarn sira, bu galigmada film bilimine ve kuramlarina da yer verilmigtir. Özellikle film göstergebilimci ve film kuramci olan Christian Metz, Umberto Eco, Paolo Pier Pasolini ve Jan-Marie Lambert Peters’in kuramsal yaklagimlarindan yararlanilmigtir. Filmin bir iletigim araci oldugundan, iletigim bilimine de kisaca deginilip analize aktarilmigtir. Film analizi, parametreler igeren özgün bir tablo yoluyla gergeklegtirilmigtir. Böylelikle segilen filmier, daha dogrusu film sahneleri, sözel, sözel olmayan ve görsel imgelere yönelik incelenmig ve kadin tasviri Türk-Alman baglaminda eie alinmigtir.
Anahtar Sözcükler Göstergebilim, Film dili, Metz, Eco, Pasolini, Türk-Alman filmi, Film analizi, iletigim bilimi
ZUSAMMENFASSUNG
KARDE§, Begüm. Das Frauenbild in ausgewählten deutsch-türkischen Filmen. Eine filmsemiotischeAnalyse, Magisterarbeit, Ankara, 2017.
Der Themenschwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Darstellung des Frauenbildes in ausgewählten, deutsch-türkischen Filmen anhand einer semiotischen Filmanalyse. Der Film 40 Quadratmeter Deutschland von Tevfik Ba§er, Yasemin von Hark Bohm, Anam-Meine Mutter von Buket Alaku§, Die Fremde von Feo Aladag und Gegen die Wand von Fatih Akin wurden bewusst gewählt, da in diesen Filmen der Frau eine wesentliche Rolle zugeschrieben wird. Grundlegend für diese Vorgehensweise ist die Semiotik, die Lehre der Zeichen, als Wissenschaft und Methode zugleich. Neben der Semiotik als Disziplin, wird auch der Filmwissenschaft eine wichtige Rolle in dieser Arbeit zugeschrieben. Insbesondere wurden auf die theoretischen Ansätze von den bekanntesten Filmtheoretikern und - semiotikern wie Christian Metz, Umberto Eco, Pier Paolo Pasolini und Jan-Marie Lambert Peters aufgebaut. Da der Film auch ein Kommunikationsmittel ist, wurden wichtige Aspekte der Kommunikationswissenschaft erwähnt und diese dann auf die Analyse übertragen. Die Filmanalyse wurde mit einer eigenständig erstellten Tabelle, deren Parameter festgelegt wurden, durchgeführt. Dabei wurden die ausgewählten Filme, genauer einzelne Filmeinstellungen auf verbale, nonverbale und visuelle Zeichen hin untersucht und die Frau im deutschtürkischen Kontext dargestellt.
Schlüsselwörter Filmsemiotik, Filmsprache, Metz, Eco, Pasolini, Deutsch-Türkischer Film,
Filmanalyse, Kommunikationswissenschaft Anmerkung der Redaktion: Der Anhang dieser Arbeit wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Das Zeichenmodell nach Saussure
Abbildung 2: Das Peircesche Dreieck
Abbildung 3: Beispiele für Ikon-Index-Symbol
Abbildung 4: Schema des dreigliedrigen Codes nach Umberto Eco
Abbildung 5: Sender-Empfänger-Modell
Abbildung 6: Grundmodell der Filmkommunikation
1. FILM UNDSEMIOTIK
Zu Beginn der Filmsemiotik deutet R. Jakobson in seinem kritischen Essay Quesitons de poetique darauf hin, dass mit der Einführung des Films eine neue Gattung der Kunst entstehe. Dieses Medium ist in der Lage, Massen zu beeinflussen und diese in Bewegung zu setzen. Das Zitat Lev Kuleshovs: „Eine Aufnahme muss handeln wie ein Zeichen, wie ein Wort“, zeigt die Parallele zu einem schriftlichen Werk (Jakobson, 1990, 67). Nach Jakobsons Auffassung, alle Gegenstände im Film durch die Technik der pars pro toto in Zeichen umwandeln zu können, können motivierte Zeichen eine Botschaft bewusst vermitteln.
Der Zusammenfluss der Semiotik und des Films dient dazu, dass der strukturelle Ansatz der Semiotik die filmischen Zeichen in den Vordergrund rückt und das Ungesagte im Film untermalt.
Während in den Anfangsphasen der Filmsemiotik, Gemeinsamkeiten zwischen dem Film und der Sprache vorzufinden waren, setzte beispielsweise Peter Wollen den Schwerpunkt dieser Wissenschaft auf die nonverbalen Zeichen wie Verkehrsschilder oder Gestiken. Doch betonte er auch gleichzeitig die Notwendigkeit der verbalen Sprache im Film, um die Botschaft aufgrund der Polyvalenz des Bildes zu verankern.
So ist der Film nach Metz zwar keine Sprache, aber er ist wie eine Sprache und weist aus diesem Grund Gemeinsamkeiten mit der Sprache auf und kann somit mit dem Ansatz der Semiotik untersucht werden. Sowohl der Film als auch die Semiotik sind zwei wesentliche wissenschaftliche Zweige, ohne deren Zusammenspiel der Film nur halbwegs zu interpretieren wäre.
Letztlich ist zu erwähnen, dass zur neuen Generation der Filmsemiotiker die Ansätze der Peirceschen Filmsemiotik, semiotischen Psychoanalyse, Ästhetik und des soziosemiotischen Strukturalismus angehören (Er, 2013).
1.1 GESCHICHTLICHER ABRISS DER SEMIOTIK
Von einer Semiotik als eigenständige Disziplin, wie sie heute anerkannt wird, ist erst seit dem 19. Jahrhundert die Rede. Zwar gab es bereits allgemeine Zeichentheorien in der griechischen Antike und auch im Mittelalter, doch die Bezeichnung Semiotik - als Zeichen oder Signal verstanden - fand zu dieser Zeit nur Entsprechung im medizinischen Bereich (Nöth, 2000). „Da [...] die Geschichte der Semiotik insgesamt noch geschrieben werden“ muss, verfügt die Geschichtsschreibung der Semiotik über keinen eindeutigen Anfang und kein eindeutiges Ende (Schalk, 2000, 61). Dennoch sind die ersten
zeichentheoretischen Überlegungen im antiken Griechenland entstanden, wobei die Relation zwischen zwei Ereignissen bedeutsam war: die des Ding 1 als Zeichen für Ding 2. Als Beispiel kann die Narbe als ein Anzeichen für eine Verletzung angebracht werden (Eschbach, 1980).
Mit Aristoteles“ Auffassung einer Zeichentheorie steht ein sprachliches Zeichen nicht mehr unmittelbar für etwas in der Realität. Erst über „Bewusstseinsinhalte (ta en té psyché pathémata)“ bezieht sich das Zeichen auf einen Gegenstand in der Realität. Anders gesagt deutet das Wort Tisch mit der Lautfolge /tis/ auf keinen bestimmten Tisch in der Realität, sondern auf die Vorstellung eines jeglichen Tisches (Trabant, 1996, 24). Sprachliche Zeichen definiert Aristoteles wie folgt:
„Nun sind die (sprachlichen) Äußerungen (tâ en té phone) unserer Stimme ein Symbol für das, was (beim Sprechen) unserer Seele widerfährt, und das, was wir schriftlich äußern, (ist wiederum ein Symbol) für die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme. Und wie nicht alle (Menschen) mit denselben Buchstaben schreiben, so sprechen auch nicht alle dieselbe Sprache. Die seelischen Widerfahrnisse aber, für welches dieses (Gesprochene und Geschriebene) an erster Stelle ein Zeichen ist, sind bei allen (Menschen) dieselben; und überdies sind auch schon die Dinge (prägmata), von denen diese (seelischen Widerfahrnisse) Abbildungen (homoimata) sind, für alle dieselben.“ (Aristoteles in Nöth, 2000, 3)
Wie später auch bei den Stoikern ist bei Aristoteles das logische Erschließen die Grundlage für die Interpretation von Zeichen. Die Beziehung zwischen zwei Ereignissen, die zeitlich aufeinanderfolgen, ist laut Aristoteles eine Semiotische. Neben der Logik spielte bei den Stoikern die Grammatik, die Theorie der Bedeutung und des Zeichens eine enorme Rolle (Griesbeck, 1998). Anders als in der Antike trat im Mittelalter die christliche Theologie an die Stelle der Logik, mit Einbezug der antiken philosophischen Zeichenlehre, indem sie jedoch „übersetzt, angeeignet und gemäß den christlichen Lehren modifiziert“ wurde (Mersch, 2001, 13).
Neben der theologischen Strömung im Mittelalter, gab es auch die rationalistischphilosophische Strömung, die auf den Quellen der Antike beruhte. Demnach wurde das Wesen der Sprache und der Welt in Frage gestellt und die Zeichenhaftigkeit der Welt erfasst. Die bekannte Zeichendefinition aliquid stat pro aliquo von Augustinus stammt aus der Scholastik und bedeutet, dass „etwas für etwas (anderes)“ steht (Nöth, 2000, 9).
Zur Zeit der Scholastik befasste sich der Philosoph und Theologe Wilhelm von Ockham ebenfalls mit der Zeichentheorie. Das Zeichen definiert Ockham als etwas, „dessen Wahrnehmung an etwas zuvor Erkanntes denken läßt“ (Nöth, 2000, 9). Besonders setzte sich die Scholastik aber mit der Klassifizierung der Zeichen auseinander: Thomas von Aquin unterschied dabei zwischen Stimmen, die menschlicher oder animalischer Abstammung waren und jener, die von anderen Lautquellen ausgehen. Diese haben wiederum die Möglichkeit konventionell oder natürlich zu sein (ebd.).
Bei Diskussionen über den Beginn der modernen Semiotik als Disziplin wird oftmals auf John Lockes An Essay Concerning Human Understanding verwiesen. Locke unterteilt die wissenschaftlichen Bereiche in drei: Die erste Einteilung nennt er die Physik oder Naturwissenschaften. Hierunter versteht er die Dinge, ,wie sie in ihrer eigenen Natur“ sind und das Ziel von der Erkenntnis der Wahrheit. Die zweite Einteilung ist die praktische Wissenschaft, also das Handeln des Menschen um das Gute zu erreichen, wobei die Ethik eine besondere Rolle spielt. Die dritte Einteilung nennt Locke sémeiotiké oder die Lehre von den Zeichen. Da für Locke Wörter als Zeichen gelten, kann sie auch logiké oder Logik genannt werden. Diese Einteilung beschäftigt sich mit dem Verständnis der Dinge und wie dieses an andere mitgeteilt werden kann (Locke, 2016).
In Deutschland hat sich Immanuel Kant zur Zeit der Aufklärung in seinem Werk Kritik der reinen Vernunft zwar mit semiotischen Fragen beschäftigt, doch ein Werk über die Zeichenlehre hat er nicht verfasst. Indem laut seiner Überzeugung, ontologische Fragen durch erkenntnistheoretische Fragen ersetzt werden müssen und diese auf einer Beziehung zwischen Bewusstsein, Erkenntnis und Welt beruhen, kann dies als ein semiotischer Ansatz angesehen werden (Walther, 1979).
1.2 STRUKTURALISMUS: DIE WENDE DER ZEICHENTHEORIE?
Der Schweizer Linguist Ferdinand de Saussure ist bekannt für seine Auffassung einer linguistischen Zeichentheorie. Laut ihm ist die Sprache ein System von Zeichen, die in einer Beziehung zueinanderstehen (Noll, 2013). Man sollte betonen, dass Saussures Theorie eine gesellschaftliche Basis hat. Demnach besteht die Aufgabe der Semiotik darin, “das Leben der Zeichen im Rahmen des gesellschaftlichen Lebens” zu erforschen (Saussure, 1967, 20). Saussure unterscheidet zwischen dem Zeichensystem (langue) und der Aktualisierung der Zeichen (parole):
„Die sozialpsychologische Ebene der kollektiven Modelle der Signifikanten und Signifikate ist die Ebene der langue oder des Systems, die Ebene der individuellen (individualpsychologischen und materiellen) Realisierung der kollektiven Modelle die Ebene der parole.“ (Trabant, 1996, 42)
1.2.1 Ferdinand de Saussure
In seinem Cours de linguistique générale (1916) definiert Saussure das Zeic hen als die Beziehung zwischen Bezeichnetem (Signifié) und Bezeichnendes (Signifiant). Unter einem Bezeichneten wird eine Vorstellung oder ein Konzept verstanden, während das Bezeichnende für ein Lautbild steht. Dabei sind Bezeichnetes und Bezeichnendes in einer arbiträren Beziehung zueinander, da das Zeichen anfangs beliebig festelegt wurde (Haßler&Neis, 2009). Mit dem Lautbild ist bei Saussure nicht der materielle Laut gemeint, sondern der “psychische Eindruck dieses Lautes” (Trabant, 1996, 40). Aufgrund der zwei Seiten des Saussureschen Zeichenmodells, wird es auch als bilaterales Zeichenmodell angesehen. Das Zeichenmodell von Saussure wird als eine Elipse dargestellt, die durch eine horizontale Linie in zwei geteilt wird. Dabei ist die eine Hälfte das Lautbild und die andere die Vorstellung. Beide Seiten des Zeichens, also sowohl das Lautbild als auch die Vorstellung sind psychisch (Rolf, 2008). Saussures bekannte Zeichenmodell lässt sich wie folgt darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 1: Zeichenmodell nach Saussure
Nach Saussure, der beide Elemente mit den Seiten eines Papiers vergleicht, sind diese unzertrennlich miteinander verbunden:
"Das Denken ist die Vorderseite und der Laut die Rückseite; man kann die vordere Seite nicht zerschneiden, ohne zugleich die Rückseite zu zerschneiden.“ (Saussure, 1967, 8)
Die zwei Pfeile an den Seiten deuten dem Zitat zufolge, dass beide Seiten einander ins Gedächtnis rufen. Saussure zufolge sind die Beliebigkeit und Linearität wesentliche Charakteristika des sprachlichen Zeichens. Wie auch oben erwähnt, ist die Beziehung zwischen der Vorstellung und dem Lautbild arbiträr, also beliebig. Darunter versteht Saussure nicht nur die Willkürlichkeit der Verbindung zwischen Bezeichnetem und Bezeichnendes, sondern auch die allgemein gültige Anerkennung dieser Verbindung seitens der Betroffenen dieser Sprachgemeinschaft (Helbig, 1989).
Mit der Linearität des Zeichens ist die zeitliche Abfolge der Elemente einer akustischen Bezeichnung gemeint. In einem Satz ist es nicht möglich, zwei Wörter gleichzeitig auszusprechen. Sie folgen deshalb nacheinander und bilden eine lineare Redekette (Saussure, 2001).
1.2.2 CharlesSandersPeirce
Die als die moderne Semiotik bekannte Ära setzt hauptsächlich mit dem amerikanischen Philosophen, Logiker und Zeichentheoretiker Charles Sanders Peirce ein. Die Teilung des Begriffs Zeichen in Semiotik und Semiologie hat ihre Wurzeln in der modernen Semiotik, wobei die Bezeichnung Semiologie von Ferdinand De Saussure eingeführt wurde und somit eine linguistisch orientierte Tradition begann. Umberto Eco zufolge waren es Saussure und Peirce, die separat den Grundstein für die Anerkennung der Semiotik als eine Disziplin legten (Griesbeck, 1998). Der Kern der Zeichentheorie von Peirce liegt in seiner Aussage „Jeder Gedanke ist ein Zeichen“ (Nagl, 1992, 21). Die Zeichentheorie Peirces' unterscheidet sich von der des Saussureschen oder die der älteren Zeichentheorien in ihrer Zeichenrelation: Es besteht eine triadische Beziehung zwischen einem Repräsentamen, einem Objekt und Interpretanten. Der Begriff „Zeichen“ impliziert bei Peirce die Relation zwischen Repräsentamen, Objekt und Interpretant. Demnach kann das Modell wie folgt dargestellt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb 2: Das Peircesche Dreieck (eigenständige Erstellung in Anlehnung an Trabant, 1336)
Für Peirce ist die Verbindung zwischen dem Repräsentamen und dem Objekt arbiträr. Man geht immer davon aus, dass das Zeichen für etwas steht: dieses etwas ist das Objekt. Unter einem Objekt versteht Peirce im Gegensatz zu Saussure nicht nur materielle, sondern auch imaginäre Objekte, die sich nur im Bewusstsein des Interpreten befinden. Auch Phänomene können Objekte sein. Der dritte Pol des triadischen Zeichenmodells ist der Interpretant. Oftmals wird auch Bedeutung als Synonym verwendet, da er für die Wirkung im Bewusstsein des Interpreten zuständig ist (ebd.).
Charles Sanders Peirce unterscheidet in der Beziehung des Zeichens zum Objekt drei Arten von Zeichen: Ikon, Index und Symbol. Ein Ikon ist ein Zeichen, das zum Objekt eine Ähnlichkeit aufzeigt (Friedrich, 1999). Eine einfache Abbildung oder eine Fotografie von einem realen Objekt ist ein Ikon. Die Weiblich-Männlich-Figuren an Toilettentüren sind exakte Beispiele für ein ikonisches Zeichen. Es liegt eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen den Figuren und der realen Frau und dem Mann vor. Doch auch Onomatopoetika wie „WauWau“ oder „Miau“ sind ikonische Zeichen, da sie eine Ähnlichkeit zu den natürlichen Lauten von Hunden und Katzen aufweisen.
Ein Index ist ein Zeichen, dessen Beziehung zum Objekt auf einer Kausalitätsbasis beruht. Mit anderen Worten weist das Zeichen auf sein Objekt in verschiedenster Weise hin: Ein deutender Finger, eine aufsteigende Rauchwolke oder Krankheitssymptome sind gängige Beispiele für einen Index.
Das Symbol beruht laut Peirce auf einer konventionellen Beziehung zwischen Zeichen und Objekt. Man geht davon aus, dass das Zeichen so interpretiert wird, wie es interpretiert werden soll. Laut Peirce gilt ein Zeichen nur dann als Symbol, wenn die Interpretation auf Arbitrarität beruht (Kappner, 2004). Das Symbol des roten Herzens für die Liebe wird wohl kaum jemand bestreiten. Doch die Frage nach dem Grund der Auswahl gerade dieses Zeichens als Symbol für Liebe spielt eine wesentliche Rolle. Beim Verliebt sein könnte natürlich das schnelle Herzrasen als Grund angegeben werden. Doch es spricht nichts dagegen, dass der Schmetterling in gleicher Weiser als Symbol für die Liebe gelten könnte. Diese unmotivierte Beziehung zwischen dem Zeichen und dem Objekt ist nach Peirce Voraussetzung für ein Symbol.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Beispiele für Ikon-Index-Symbol (eigenständige Erstellung)
Die oben aufgeführte Tabelle zeigt Beispiele für jeweils ein ikonisches, indexikalisches und symbolisches Zeichen.
Trotz dieser deutlichen Unterscheidung können Zeichen sowohl ikonische als auch symbolische Eigenschaften zugleich tragen. Ein Verkehrszeichen, das in Form eines roten Dreiecks mit zwei Kindern dargestellt ist, hat sowohl ikonische als auch symbolische Züge. Ikonisch ist es deshalb, da die zwei Kinder eine Ähnlichkeit zum Objekt, also den Kindern in der Realität, aufweisen. Das Verkehrszeichen ist aber zugleich ein Symbol, da für den Interpreten beim Anblicks des Zeichens „gewiß ist, daß es so interpretiert werden wird“ (Peirce, 1903, 55): etwa die Verringerung der Geschwindigkeit oder gar das Tätigen des Bremspedals zum völligen Stillstand des Fahrzeugs.
2. SEMIOTIK IM INTERDISZIPLINÄREN BEREICH
„Es ist zweifelhaft, ob Zeichen jemals zuvor von so vielen Menschen aus so vielen Perspektiven untersucht worden sind. Zum Heer der Forscher gehören Linguisten, Logiker, Philosophen, Psychologen, Biologen, Anthropologen, Psychopathologen, Ästhetiker und Soziologen“ (Morris, 1938, 1 in Nöth, 2000, XI).
Tatsächlich ist die Rede von konkreten Grenzen der Semiotik sehr unzutreffend. Mit der gängigen Definition als die Lehre von den Zeichen, stößt die Semiotik in vielen Wissenschaften auf Resonanz. In seinem Buch „Einführung in die Semiotik“ führt Umberto Eco (1993) das „semiotische Feld“ an und betont somit die Komplexität und Vielfältigkeit der Grenzen der Semiotik. Mit der Einführung eines bestimmten Untersuchungsmodells könnte dieses „Feld“ systematisiert werden, indem man alle Methoden und Phänomene dem Modell anpasst, eine homogenisierte Methode nahelegt und unvereinbar scheinende Phänomene vereint. Bei der Aufzählung der Forschungsbereiche, die unter das semiotische Feld fallen, sieht Eco Folgendes als eine unabdingbare Voraussetzung der Semiotik:
„Wirstellen also fest, daß die kommunikative Dialektik zwischen Codes und Botschaften und die konventionelle und kulturelle Natur der Codes nicht Entdeckungen sind, die die Semiotik erst machen muß, sondern die Voraussetzung, auf der sie gründet, und die Hypothese, die sie leitet.“ (Eco, 1985, 20)
Da die Semiotik ihre Anfänge in der Antike im medizinischen Bereich hat, ist insbesondere dieser Forschungsbereich nicht auszuschließen. Dabei steht die Analyse zwischen dem Zeichen oder Symptom und der Krankheit im Vordergrund. Dazu zählt Eco Bereiche von Geschmacks- und Geruchscodes, Kommunikation jeglicher Art über kulturelle Codes bis hin zum Bereich der Rhetorik auf (Eco, 1985). Um konkretere Beispiele zu geben, gehören Spuren oder Abdrücke in der Archäologie, Zahlen oder geometrische Formen in der Mathematik, die Anordnung der Elemente im Satz oder die Lautfolge in der Sprachwissenschaft zu den Zeichen (Mersch, 2001). Nach Todorov (1995, 1) waren es vier Traditionen, die bei der ,Geburt der westlichen Semiotik“ ihren Anteil hatten. Zu diesen zählen unter anderem die „Semantik und allgemeine Sprachphilosophie, Logik, Rhetorik und Hermeneutik“ (Nöth, 2000, 56). Doch diese Aufzählung weißt einige Lücken auf, denn die Geschichtsschreibung der Semiotik bedient sich aus weiteren Einzelwissenschaften wie der Soziologie, Biologie, der Kommunikations- und Informationstheorie, Anthropologie, Ästhetik, Mimik und Gestik oder der Verhaltensforschung, aber nur mit Bezug auf Zeichen und Kommunikation (ebd.). Interessant ist jedoch die Frage nach den Auswirkungen, die dazu beigetragen haben, dass die Semiotik zum Trend wurde. Um dieser Frage nachzugehen, ist es vorteilhaft, einen kurzen Einblick in die Semiotik zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu werfen. Neue Entdeckungen in der Physik, die Krise einer positivistischen Auffassung der Wissenschaft oder die Relativitätstheorie waren Grund zu kritischen Neuüberlegungen der Wissenschaftler über ihre Theorien und Forschungen. Dazu kam auch das Interesse an der Erforschung der Sprache der Wissenschaft oder überhaupt der Kommunikation. Zu Zeiten des Ersten Weltkriegs hat die Krise ihren Höhepunkt, insbesondere der normativen Werte, die das „Mensch sein“ neu zu definieren schienen. Während auf der einen Seite von der Entstehung des Existenzialismus, der Avantgarde oder von Freud die Rede ist, erforschen auf der anderen Seite in Russland Volosinov und Bachtin das Zeichen im Umfeld der sozialen und ideologischen Kommunikation. Es kommen Grundfragen über die Erkenntnis und Kommunikation auf und die Semiotik wird als eigenständige Disziplin vorausgesagt. Mit den Forschungen von Claude Lévi-Strauss und Roland Barthes im Jahre I960 erlebt die Semiotik einen Ausbruch, wobei sie vorerst als Strukturalismus anerkannt wurde. Doch mit der Entwicklung der Massenmedien in diesen 60 Jahren gewann die Problematik der Kommunikation an Bedeutung (Lanza, 2009). Die heutige Gesellschaft ist ohne den Einfluss der Massenmedien nicht mehr zu denken. Vor allem die Relevanz der Bilder, d.h. der visuellen Kommunikation, ist nicht zu bestreiten: Das Internet liefert rasant Bilder zu aktuellen Ereignissen wie beispielsweise Kriege, Folterungen oder Demonstrationen. Auch bewegte Bilder wie Videoclips oder Filme und deren Einfluss auf die Menschen sollten nicht unterschätzt werden. Lanza (2009) gibt das Beispiel von der Sendung „Big Brother“ an. Jener, der den Roman „1984“ von George Orwell nicht gelesen hat, wird wohl kaum auf die Idee kommen, welche Bedeutung der Name dieser Sendung hat. In seinem 1964 erschienen Werk „Apokalyptiker und Integrierte“ verurteilt Eco sowohl diejenigen, die die Massenkultur ablehnen als auch diejenigen, die sich auf diese einlassen. Da man sich der Entwicklung dieser Massenkultur nicht in den Weg stellen kann, gibt Eco den semiotischen Pfad als Ratschlag: die kritische Auseinandersetzung mit der Sendung, die Art und Weise zeigen, wie die Sendung die Realität typisiert, perspektiviert und manipuliert, dies würde - vor allem den Jugendlichen - viel mehr helfen.“ (Lanza, 2009, Historische Semiotik, §6)
Die Relevanz von statischen und bewegten Bildern; den Videoclips und Filmen im Kontext der Massenmedien ist wie folgt: Nichts widerspricht der Tatsache, dass Menschen eher eine Neigung zum Bild, sprich zum Visuellen haben, als zum sprachlichen Text. Versetzen man sich in eine alltägliche Situation, in der wir gerade dabei sind eine Zeitung zu lesen: Eine bildlich dargestellte Werbeanzeige fällt uns eher auf, als eine schriftlich gedruckte Stellenanzeige. Dieses Phänomen kann durch die Gemeinsamkeit in der Medialität von geschriebenem oder gedrucktem Text und vom Bild erklärt werden: Die Zeichenträger beider Zeichen (Text und Bild) benötigen ein zweidimensionales Medium (z.B. Papier), während akustische Zeichen (Lautsprache oder auditives Zeichen) von der Dimension der Zeit abhängig sind. Doch im Gegensatz zu den akustischen Zeichen besteht bei Texten und Bildern die Möglichkeit, dass sie im Falle eines Buches beim Text und eines Bilderbandes beim Bild, dreidimensional existieren können (Nöth, 2000). Doch abgesehen von einer Gemeinsamkeit ist der Unterschied von Bild und Text wesentlicher. Während wir die Komponente eines Bildes synchron wahrnehmen, wird der geschriebene Text sowohl etappenweise produziert als auch auf dieselbe Art und Weise verarbeitet. Der ausschlaggebende Unterschied von Bild und Text liegt aber in ihrer kognitiven Verarbeitung. So wie Emotionen werden auch Bildinformationen seitens der rechten Gehirnhälfte verarbeitet, während die linke Gehirnhälfte für rationales und analytisches Denken zuständig ist. Somit ist sie auch bei der Sprachverarbeitung gewichtig (ebd.). Die Performanz unseres Gehirns unterscheidet sich ebenfalls bei Bild- und Textinformationen:
„Bilder werden schneller als sprachliche Texte rezipiert, haben größeren Aufmerksamkeitswert, und ihre Information bleibt länger im Gedächtnis.“ (Nöth, 2000, 481)
2.1 MEDIENSEMIOTIK
Die Semiotik und die Medienwissenschaft sind zwei eigenständige Disziplinen, die allerdings in folgender Weise aufeinandertreffen: Die Semiotik als die allgemeine Lehre von den Zeichen und zeichenbasierten Kommunikationsprozessen gilt als Nachbardisziplin der Medienwissenschaften, die aufgrund ihres publiken Zeichengebrauchs unter die Rubrik der Angewandten Semiotik kategorisiert wird (Nöth, 1999). Der Begriff „Medium“ geht etymologisch auf das lateinische Wort „medius“ zurück, welches die Bedeutung von „das in der Mitte Befindliche, das dazwischen liegende“ hat. Mit der Zeit unterwirft sich dieser Begriff einer Bedeutungserweiterung und entspricht somit einem „Hilfsmittel, Mittel und Werkzeug“, das als Zweck zum Erreichen eines Ziels dient (Wolf, 2006, 25). Nach Nöth (2000) ist eine Kommunikation ohne ein Medium heutzutage nicht denkbar. Unter einem Medium ist nicht nur eine vermittelnde Instanz zwischen Sender und Empfänger zu denken, wie etwa eine Zeitung, der Fernseher oder das Radio. Alles Materielle, das zur Übertragung der Zeichen von einem Sender an einen Empfänger dient, ist ein Medium. Diese Aussage wird auch vom bekannten Medientheoretiker Marshall McLuhan mit folgender Definition eines Mediums unterstützt: „Denn die Botschaft jedes Mediums oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt“ (McLuhan, 1994, 22). Infolgedessen weist jeder Gegenstand, der jegliche Auswirkungen auf das Menschenleben hat, eine mediale Eigenschaft auf. Mit McLuhans berühmten Ausspruch „Das Medium ist die Botschaft“ verweist er auf die Wichtigkeit der Struktur des Mediums, da dieses den Inhalt beliebig überarbeiten und umformen kann. Der Inhalt ist dabei irrelevant, da er durch das Medium selbst verändert wird. Es ist deshalb nicht möglich von Medien als neutrale Apparate zu reden, weil sie zum Zweck der Manipulation von Mensch und Gesellschaft dienen (Thießen, 2009). Die Semiotik in Bezug auf die Medienwissenschaft hat ihre Anfänge in den 1960er Jahren, in den Linguisten und Literaturwissenschaftler ihren Forschungsfokus auf audiovisuelle Medien wie Filme, Comics, Fotografie oder Bilder legten oder Presse und Werbung bezogene Themen analysierten (Nöth, 1999). Die Haupttätigkeit der Mediensemiotik kann wie folgt erklärt werden:
„Sie erforscht sowohl die Zeichensysteme in den Medien als auch die einzelnen Medien als Zeichensysteme [...]. Ihre Themen sind die Strukturen und Bedeutungen der Zeichen in den Medien, die Prozesse ihrer Verarbeitung, ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit und einzelne Rezipienten im gesellschaftlichen Kontext.“ (Nöth, 1999, 283)
Emotionen, Kommunikation und Kognition sind ebenfalls relevante Themen, mit denen sich die Mediensemiotik auseinandersetzt. Als ihre Vertreter stehen mit seinen Forschungen Roland Barthes, Umberto Eco, Christian Metz und W.A. Koch im Vordergrund (ebd.).
2.2 EINZELMEDIEN
In Anlehnung an die Definition eines Mediums und der Mediensemiotik im vorigen Kapitel werden im Folgenden ausgewählte visuelle, audiovisuelle und Printmedien mit Bezug aufdie Semiotik näher dargestellt.
2.2.1 Bild
Die theoretische Beschäftigung mit Bildern aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen variiert: Während Definitionsansätze im angloamerikanischen Raum aus den Cultural Studies hervorgehen, resultieren theoretische Überlegungen zu Bildern im deutschsprachigen Raum aus dem philosophischen, kunstwissenschaftlichen Bereich und neulich auch aus der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Die Frage „Was ist ein Bild?“ scheint zunächst sehr primitiv zu sein. Tatsächlich enthüllt sie sich ohnehin als eine komplexere Fragestellung. Denn sobald man sich im wissenschaftlichen Bereich oder auch im Alltagsleben exakt mit dem Begriff „Bild“ auseinandersetzt, stößt man auf diverse Interpretationsmöglichkeiten (Lobinger, 2012).
„Das Bild ist zum einen das manifeste und vergegenständlichte (also gezeichnete, gemalte, fotografierte, gefilmte) Bild, zum anderen das mentale Bild (mental imagery) in den Köpfen, das für die Vorstellung steht. Zusätzlich kann das Bild auch metaphorisch verstanden werden (z.B. als literarisches Bild).“ (Hickethier, 2016, 83)
Ausgehend vom Zitat kann man über eine klare Unterscheidung zwischen einem mentalen Bild und einem Abbild des Gegenstands in der Realität reden. Eine detaillierte Auseinandersetzung zum Bild bezüglich seiner Wahrnehmung ist im Kapitel 2.0 vorzufinden.
Die eigentlichen Arbeiten der Semiotik des Bildes beginnen in der strukturalistischen Semiologie, wobei Roland Barthes eine eigenständige Semiotik des Bildes in Anlehnung an Saussure und Hjemslev konzipiert (Nöth, 2000). Der Begriff des Bildes hat zwei konträre Bedeutungen; zum einen wird darunter das materiell existierende Bild verstanden, zum anderen bezeichnet es das mentale Bild. Diese semantische Zweiheit ist in der abendländischen Denkweise tief verankert. In der Antike ist die Mehrdeutigkeit des Bildbegriffs exakt sichtbar, denn er umfasste alle Arten von bildlicher Darstellung wie z.B. Gemälde, Schatten - und Spiegelbilder oder gar das sprachliche Bild und das Vorstellungsbild (Nöth, 2000). Die Wahrnehmung des Visuellen und Mentalen eines Bildes unterscheidet sich in kultureller Hinsicht. Während mentale Bilder in der abendländischen Kultur als positiv bewertet werden, da sie dem Denken oder dem Göttlichen nahestehen, sind sie beispielsweise im Islam (teilweise auch im protestantischen Glauben)verboten (ebd.).
Des Weiteren wird bei Bildern zwischen ikonischem und plastischem Zeichen unterschieden, d.h. sie können einen Ausschnitt aus der realen Welt oder eine simple abstrakte Form oder farbige Gestalt darstellen. Ähnlichkeit und Nachahmung sind unabdingbare Eigenschaften, die ein Bild bestimmen. Aus diesem Grund werden Bilder unter Ikone subsumiert, wobei die Ikonizität des Bildes beschränkt ist. Obwohl Bilder als Ikone angesehen werden, sind nicht wiederum alle Ikone gleich Bilder (ebd.). Denn nach Peirce“ Auffassung von Ikonen fallen auch akustische Zeichen unter Ikone.
2.2.2 Fotografie
Die bedeutende semiotische Besonderheit eines fotographischen Bildes ist die Tatsache, dass es sowohl als ikonisches als auch indexikalisches Zeichen dienen kann. Demnach vertreten Einige wie Roland Barthes die These der Arbitrarität des photographischen Zeichens und andere wie Ernst Gombrich heben seine Ikonizität hervor (Nöth, 2000). Barthes (1985) stellt die Arbitrarität in den Vordergrund: Ihm zufolge ist die Fotografie kodiert und gibt die Realität nicht eins zu eins wieder, sondern erzeugt sie erneut. Außerdem verwendet Barthes das Begriffspaar „semantische Relativität“, wonach das Dekodieren des fotografischen Bildes kulturell bedingt ist. Laut Gombrich (1978) ist das Erlernen des Lesens einer Fotografie wesentlich leichter als das der arbiträren Kodes wie bei natürlichen Sprachen dies der Fall ist. Ihm zufolge ist es möglicherweise sogar die „Anpassung des Auges wie bei der Wahrnehmung eines mikroskopischen Bildes“. Mit dem Beispiel der Positiven einer Fotografie unterstützt er sein Argument der Ikonizität: Man zieht die Positive einer Fotografie vor, da diese eher der Realität entspricht, als die Negative. Denn bei dieser muss der Mensch erst einmal das Lesen dieser Negative erlernen. Martinos“ (1985) Ansicht nach lässt sich auch mithilfe der Geometrie die Ikonizität der Fotografie nachweisen, da sich das reale Objekt nach der Abbildung in gewisser Hinsicht geometrisch nicht verändert. Peirce klassifiziert Fotografien sowohl als ikonisches als auch als indexikalisches Zeichen:
“Photographien, besonders Momentaufnahmen, sind sehr lehrreich, denn wir wissen, daß sie in gewisser Hinsicht den von ihnen dargestellten Objekten genau gleichen. Aber diese Ähnlichkeit ist davon abhängig, daß Photographien unter Bedingungen entstehen, die sie physisch dazu zwingen, Punkt für Punkt dem Original zu entsprechen. In dieser Hinsicht gehören sie also zur zweiten Zeichenklasse, die Zeichen aufgrund ihrer physischen Verbindung sind” (Peirce, 1986, 193).
2.2.3 Comics
Das große Interesse einer semiotischen Analyse der Comics liegt in der Kombination von visuellen, verbalen und nonverbalen Zeichen, sowie von Bild und Text, von Sprache und Verschriftlichung. Ihre besondere Eigenschaft sind die „narrativen Bildsequenzen“, die ebenfalls beim Film und Fotoroman vorzufinden sind (Nöth, 2000, 491). In Bezug auf die semiotische Forschung sind Mimik, Gestik, Schrift und Sprache sowie Bildelemente in Comics wesentliche Themenbereiche. Die Comics beinhalten verschiedene Elemente des Bildkodes wie „Strichzeichnung [...] Farben, Kleckse, die Panels und Bildmetaphern“ (Nöth, 2000, 492).
2.2.4Film
Auch die Filmsemiotik hat ihre Anfänge im Strukturalismus und gilt heute als einer der wichtigsten Bereiche der Filmtheorie. Zu Beginn stand die Untersuchung der Strukturen der filmischen Kodes im Vordergrund, wobei mit der Zeit auch die Pragmatik und Semantik als Dimensionen der Filmsemiotik miteinbezogen wurden. Die Beziehung zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten, die kognitive Basis bei der Rezeption der Filme, die Beziehung zwischen dem Film und der Sprache, Literatur, Musik und Kultur sind heute relevante Themen der Filmsemiotik (Nöth, 2000). Auf die Filmsemiotik wird im folgenden Kapitel 2.1.2 genauer eingegangen.
3. FILMSEMIOTIK
Eine der ersten Arbeiten zur Semiotik des Films wurde von Peters entwickelt und basiert auf Charles Morris“ Zeichentheorie. Unter der Filmsprache verstand Peters ein System von ikonischen Filmzeichen und er unterschied bei der Erforschung des filmischen Zeichensystems zwischen der Syntax, Semantik, Morphologie und der Pragmatik der Filmsprache. Doch von späteren Filmsemiotikern blieb seine Arbeit unbeachtet (Nöth, 2000).
Die Filmsemiotik wie sie heute bekannt ist hat ihren Ursprung in den Arbeiten von Jakobson, Barthes, Eco und Bettetini. Wie im vorigen Kapitel erwähnt, zählt sie zum wichtigsten Gebiet der Angewandten Semiotik. Ausschlaggebend für die Filmsemiotik war jedoch die Theorie von Metz, die im internationalen Raum als ein Synonym für die Filmtheorie angesehen wurde. Man setzte sich in der klassischen Filmsemiotik mit den Fragen zur Gleichheit zwischen Film und Sprache auseinander. Zusätzlich wurde auch wie bei der Grammatik einer Sprache, die Struktur des filmischen Kodes untersucht. Die grundlegenden Theorien dazu stammen von Saussure, Hjemslev und A. Martinet (ebd.).
Für die Entwicklung der Filmsemiotik in Russland sind vor allem Lotman und Ivanov von großer Bedeutung: Während Ivanov die Beziehung zwischen Zeichen und Wirklichkeit im Film unter die Lupe nimmt, beschreibt Lotman (1973, 77) den Film „als ein System ikonischer und symbolischer Zeichen“ und sieht den Film als ein Zeichensystem, das die Welt gestaltet. Die Zeichen-Realität Beziehung im Film ist nach Lotman wechselseitig, da das Zeichen zur Wirklichkeit werden kann und die Wirklichkeit zum Zeichen. Lotman unterteilt die Kodes im Film folgendermaßen: „der Kode des Regisseurs, der Kode des Alltagsverhaltens und der Kode der schauspielerischen Darstellung“ (Nöth, 2000, 501).
In der Geschichte der westeuropäischen Filmsemiotik differenziert man zwischen drei Generationen: Die vom linguistischen Strukturalismus beeinflusste Generation mit Christian Metz als Vorläufer; die von vielen Strömungen wie der marxistischen Ideologiekritik, die Lacansche Psychoanalyse und dem Dekonstruktivismus inspirierte zweite Generation und die durch die Generative Grammatik und der Kognitionswissenschaft geprägte dritte Generation.
Beim Vergleich des Films zum Buch, zum Theater oder zur Fotografie tauchen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Differenzen auf. Zunächst haben alle diese Medien eine Botschaft, die sie dem Rezipienten vermitteln. Wie beim Buch oder bei der Fotografie besteht für den Rezipienten keine Möglichkeit mit bestimmten Kodes zu entgegnen, daher ist die Kommunikation einseitig. Beim Theater jedoch ist der Rezipient in der Lage mit seinen Reaktionen auf die Aufführung einzuwirken. Beim Film kann dies erst nach seiner Produktion durch Kritiken oder Äußerungen des Rezipienten geschehen (Nöth, 2000).
Während die Zuschauerrolle bei Casetti und Odin relevant sind und als sinnerzeugende Instanzen angesehen werden, sieht Metz den Zuschauer als keine kommunizierende Instanz, sondern als einen Voyeur, der isoliert ist und an Keines der Geschehnisse partizipieren möchte.
Eine weitere wichtige Gemeinsamkeit zwischen dem Film, dem Theater und der Fotografie ist die Erzeugung der Wirklichkeit. Die Distanz zwischen dem filmischen Zeichen und der repräsentierten Welt ist der Ursprung einer für den Film typischen Eigenschaft: die Empathie und psychische Anteilnahme des Zuschauers am Ereignis.
Obwohl das Saussuresche Zeichenmodell grundlegend für die Untersuchung der filmischen Zeichen war, wies es doch Lücken auf: das dyadische Zeichen lässt den Gedankenbezug zu einem Referenzobjekt unberücksichtigt. Daher ist die Umwandlung des Saussureschen Zeichenmodells durch Barthes die Rede (Nöth, 2000). In Anlehnung an das Zeichenmodell von Saussure wird das filmische Zeichen unterteilt in einen filmischen Signifikant und einen filmischen Signifikaten. Unter einem filmischen Signifikant versteht Barthes einzelne Elemente wie Kostüme, Gestik, dem Szenenaufbau oder die Person selbst. Im Signifikat sieht Barthes eine Mehrdeutigkeit, denn einerseits ist von einer Konzept aufweisenden Welt im Geist der Zuschauer die Rede und andererseits ist im filmischen Zeichen Signifikat ‘alles, was außerhalb des Films existiert und in diesem aktualisiert werden muß’ (Nöth, 2000, 503). Kurz gesagt differenziert Barthes zwischen „dem filmischen Ausdruck, mit dem die Realität (ob erfunden oder nicht) den Zuschauern direkt gezeigt wird, und der filmischen Signalisierung oder Signifikation, welche den Zuschauern Ereignisse vermittelt, die außerhalb der im Bild sichtbaren filmischen Szenen stattfindet.“ (Nöth, 2000, 503)
Auf die Frage, was einen Signifikanten im Film ausmacht, haben Theoretiker unterschiedliche Auffassungen: Nach Pasolini (1971) sind Filmzeichen auf der Ebene der repräsentierten Welt festzustellen, demnach setzt sich das filmische Bild aus filmischen Signifikanten wie Objekte, Formen, und Ereignisse in der Realität zusammen. Laut Möller-Naß (1978) besteht die Sprache der Objekte und der nonverbalen Handlungen im Film aus Zeichen, die außerhalb der filmischen Repräsentation konstituiert werden.
Metz (1972) zufolge sind filmische Zeichen arbiträr. Ihm und vielen Filmsemiotikern zufolge basiert die Motiviertheit des filmischen Zeichens auf der Auffassung von Peirce und seinen Zeichenarten wie Ikon und Index. Während Bettetini für eine ikonische Motivation sprach, legte Eco auf kulturelle und filmische Traditionen wert, wodurch das Ikon im Film kodiert ist. Auch Metz unterstützt die Kodierung der Analogie zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten. Dennoch ist die Ikonizität ein wichtiges Element in Metz“ Filmtheorie (Nöth, 2000).
Filmische Bilder sind wie Fotografien indexikalische Zeichen. Ihre Beziehung zu den Lichtreflexen des Referenzobjektes beruhen auf Kausalität. Während diese zu den extrafilmischen Indexikalität gehören, basiert die intrafilmische Indexikalität auf der syntagmatischen Beziehung zwischen den Bildelementen und Bildern untereinander. Unter indexikalisch versteht Hoensch (1976, 48) verschiedene Arten „filmischer Bewegung [...] und die Beziehung zwischen dem filmischen Bild und seinem verbalen Kommentar“. Nöth (2000) gibt dazu folgendes Beispiel: Die Messer in einem Film geben einen Hinweis auf einen Mord, der in Kürze verübt werden wird. Demnach zählt dies zu den intrafilmischen Indices. Ein Zwicker (am Nasenbein befestigte, bügellose Brille) eines Arztes hat die Eigenschaft einer extrafilmischen Indexikalität, da es kulturelles Vorwissen des Zuschauers bedingt, um den Verweis auf den Adel zu erkennen.
Es ist wichtig vor Augen zu halten, dass filmische Kodes keine homogenen Einheiten sind, sondern erst durch Interaktion verschiedener Kodes zustande kommen (Bitomsky, 1972). Während einige diese Kodes als .orchestral“ oder ,plurisemiotisch‘ bezeichnen, sprechen andere von der Heterogenität dieser Kodes (Nöth, 2000, 504).
3.1 FILM ALS SPRACHE
Lange Zeit versuchten Theoretiker die Methode der Untersuchung einer Sprache auf den Film zu übertragen. Dieser nur teils erfolgreiche Ansatz führte dazu, dass Vergleiche zwischen Film und vorerst der verbalen Sprache gemacht wurden. Da der Film keine Sprache ist, besteht die Möglichkeit, dass linguistische Grundlagen für eine Herangehensweise an den Film nicht ausreichend sind. Erst mit der Entwicklung der Semiotik in den 1960er Jahren konnte ein umfassenderes Studium des Films betrieben werden. Doch mit der Annahme der Kommunikationssysteme als Sprache und nicht als Sprachsysteme, wie es mit Englisch, Deutsch oder Französisch der Fall ist, wurde die Analyse des Films wie Sprache seitens der Semiotiker, argumentativ untermauert (Monaco, 2012). Während in Sprachen sowohl das Lautbild (Signifikant) als auch die Vorstellung (Signifikat) wahrgenommen und gedeutet werden müssen, stimmen im Film beide Elemente fast schon überein und “was man sieht, versteht man auch” (Monaco, 2012, 500). Die Differenz von Signifikant und Signifikat im Sprachsystem ist sehr groß, doch im Film sind beide Elemente fast identisch, daher wird das erzeugte Zeichen auch als Kurzschluss-Zeichen bezeichnet. Trotz dieser Tatsache ist der Film wie eine Sprache. James Monaco (2012) gibt das Beispiel des Wortes “Rose”, das bei unterschiedlichen Personen diverse Vorstellungen hervorrufen kann. Der Schriftsteller ist somit eingeschränkt in der Auswahl, während der Regisseur im Film eine unbegrenzte Auswahlmöglichkeit an Rosen hat, die er entsprechend auf unterschiedlichste Art und Weise dem Zuschauer vorführen kann. Dies ist ein wichtiger Grund für ein richtiges Lesen von Bildern, um diese auch verstehen zu können.
“Der Leser einer Buchseite erfindet das Bild, der Leser eines Films tut das nicht, und dennoch müssen beide Leser daran arbeiten, die Zeichen, die sie wahrnehmen, zu interpretieren, um den Prozess des intellektuellen Verstehens zu vervollständigen. Je mehr sie arbeiten, desto ausgewogener ist die Beziehung von Betrachter und Schöpfer in dem Prozess, je ausgewogener die Beziehung, desto vitaler und mitreißender ist das Kunstwerk.” (Monaco, 2012, 170)
Erste Vergleiche des Films mit der geschriebenen und gesprochenen Sprache wurden mit dem Vorschlag „die Einstellung als das Wort des Films zu betrachten, die Szene als seinen Satz und die Sequenz als seinen Abschnitt“ (ebd., 171) gemacht. Das Wort als die kleinste bedeutungstragende Einheit in der Sprache kann laut Monaco (2012) nicht mit der Einstellung im Film gleichgesetzt werden, da diese über eine Zeitspanne verfügt, in der ein ständiges Bildwechsel stattfindet. Auch das Einzelbild kann nicht als die kleinste bedeutungstragende Einheit angenommen werden, da es diverse visuelle sowie auditive Informationen weitergibt. Selbst die Einstellung an sich bereitet Schwierigkeiten, da die Kamera nicht statisch ist und somit von mehreren Einstellungen die Rede sein kann. Damit die Herangehensweise an den Film wissenschaftlich geschehen kann, müssten kleinste Elemente definierbar sein. Dies ist jedoch - anders als bei der Sprache - im Film wesentlich komplexer, da er aus einer Zusammensetzung von mehreren Bedeutungen besteht (ebd.). Christian Metz“ (1972) folgende Aussage ist somit passend: „Als einfache Kunst ist der Film ständig in Gefahr, seinem Einfach-Sein zum Opferzu fallen“.
Im folgenden Kapitel wird auf die wichtigsten Filmtheoretiker mit Einbezug der Semiotik eingegangen.
3.1.1 Jan-Marie Lambert Peters
Jan-Marie Lambert Peters leistete mit seinem Essay „Die Struktur der Filmsprache“ (1962) einen bedeutenden Beitrag zur Filmsemiotik, indem er die Wort- und Bildsprache als Kommunikationssysteme erforschte, die beide mit Zeichen agieren. Unter einer Wortsprache versteht Peters zunächst ein Mittel zur Kommunikation, durch diese Gedanken-, Gefühls- und Wunschausdrücke realisiert werden können. Dieses Phänomen geschieht durch ein System von Zeichen, wobei ihr eine bestimmte Struktur zugrunde liegt. Peters nimmt den Film ebenfalls als ein Medium wahr, das Zuschauern etwas mitteilen kann. Er überträgt das Modell der Wortsprache auf den Film und nimmt das „Wort als kleinste Sprachgebrauchseinheit“ (Peters, 1962, 374) an, um diese mit dem einzelnen Filmbild zu vergleichen. Dabei tritt die Fragestellung auf, auf welche Art und Weise ein Filmbild Inneres wie Emotionen oder Gedankengänge zum Ausdruck bringen kann. Das Bild macht nur etwas sichtbar und da zwischen dem Bild und dem Abgebildeten eine bestimmte Distanz herrscht, hat das Bild eine abstrakte Eigenschaft. Daher wird das Bild als Zeichen angenommen und muss interpretiert werden. Laut Peters (1962) liegt der Unterschied zwischen Wort und Bild in der Art und Weise des Verstehens. Somit formuliert Peters den Unterschied dadurch, „daß das Wort ein Konzept (eine vom Denken abgeleitete Abstraktion) einer Sache gibt und das Bild ein Perzept (eine von der Wahrnehmung abgeleitete Abstraktion)“ (Peters, 1962, 375). Um zu zeigen, dass die Bedeutung eines Wortes verstanden wurde, benutzt man schon bekannte Begriffe, um diese zu deuten. Um jedoch die Bedeutung eines Bildes zu interpretieren, spielt der Wahrnehmungsvorgang eine Rolle. Sowohl das Wort auch als das Bild haben eine Mitteilung, die ebenfalls eine Bedeutung haben. Während unter dem Mitgeteilten bei der Wortsprache der Satz verstanden wird und dieser sogar aus einem einzigen Wort bestehen kann (z.B. „Stop!“), scheint das Mitgeteilte beim Bild durch ein Einzelbild zunächst unmöglich. Doch Peters betont auch die Möglichkeit einer Bedeutung eines Einzelbildes. Er gibt in seinem Essay das Beispiel eines Verkehrsschildes, auf dem ein Fußgänger zu sehen ist. Dies ist nicht nur eine einfache Darstellung eines Fußgängers, sondern der Verweis dazu, dass es hier einen Fußgängerweg gibt. Doch Peters deutet auch auf die Seltenheit der Ein-Wort-Sätze hin und spricht von Wortgruppen, die eine Mitteilung enthalten. So ist es auch bei Bildern, die aneinandergereiht werden, so wie bei Filmbildern. Nicht das einzelne Filmbild enthält die jeweilige Mitteilung, sondern die Kombination von Filmbildern. Peters Schlussfolgerung nach gibt es in Bezug aufdie Struktur und Funktion von Zeichen in bestimmten Punkten eine Übereinstimmung zwischen derWortsprache und dem Film.
3.1.2 Christian Metz
Der bekannte Filmsemiotiker, Christian Metz, beschäftigte sich mit der Frage der Existenz einer Filmsprache. Der Vergleich von Film und Sprache scheint zunächst verständlich zu sein, wenn man das Bild und die Sequenz im Film als Wort und Satz in der Sprache annimmt. Metz geht in seinen Arbeiten von der Saussureschen Linguistik aus und benutzt die Wortpaare Syntagma und Paradigma, sowie Denotation und Konnotation und wendet diese im Film an. Daher besitzen diese die Fähigkeit, Bedeutungen eben auf denotative und konnotative Art weiterzugeben. Zum Begriff der Denotation ist im „Lexikon der Sprachwissenschaft“ (Bußmann, 2008, 120)folgender Eintrag vorzufinden.
“D. Bezeichnet den deskriptiven, d.h. rein sachbezogenen Bedeutungsanteil eines sprachlichen Ausdrucks im Unterschied zum konnotativen, d.h. subjektiv geprägten, affektiven Bedeutungsanteil. [...] So lässt sich die D. von Nacht mit >Zeitraum zwischen Sonnenuntergang und - aufgang< beschreiben, während die Konnotation solche Komponenten wie >unheimlich<, >einsam<, >romantisch<, enthalten kann.”
Demnach ist die denotative Botschaft im Film eine vom Rezipienten auf den ersten Blick wahrgenommene Botschaft-ohne jegliche subjektive Interpretation. Im Film sind es beispielsweise die „sichtbaren Elemente wie Kostüm, Ausstattung, Gestik, Beleuchtung“ (Ahrens, Benn & Grohmann). Im Gegensatz zur Denotation ist von einer konnotativen Botschaft die Rede, die im oben genannten Lexikon wie folgt definiert ist:
“Individuelle (emotionale), stilistische, regionale u.a. Bedeutungskomponenten eines sprachlichen Ausdrucks, die seine Grundbedeutung überlagern und die - im Unterschied zur konstanten begrifflichen Bedeutung - sich meist genereller, kontextunabhängiger Beschreibung entziehen, z.B. Führer.” (ebd., 362)
Die konnotative Botschaft fügt sich unmittelbar an die denotative und ist kulturell bedingt. Metz übernimmt auch das syntagmatische und paradigmatische Achsenmodell aus der Saussureschen Linguistik. So stellt die syntagmatische Achse, die horizontal verläuft, die Linearität des Films oder die der Sequenz (ihre Narrativität) dar und die paradigmatische Achse, die vertikal ist, legt eine Alternative von Filmeinstellungen vor, die gerade zur Situation passen könnte (Monaco, 2012). Mit diesem Modell erhoffte sich Metz eine systematische Analyse des Films. Doch wie zuvor erwähnt, tauchen Probleme bei der Festlegung der kleinsten bedeutungstragenden Einheit im Film auf. Somit kommt Metz zum Resultat, dass der Film über eine langage, also etwas Sprachliches verfüge, aber über keine langue, d.h. kein Sprachsystem (Lange, 2007).
3.1.3 Umberto Eco
Der berühmte italienische Semiotiker Umberto Eco befasst sich in seiner Filmtheorie ebenfalls mit der Frage nach den Strukturen des Films. Dabei orientiert er sich zunächst an der Auffassung der doppelten Gliederung („double articulation“) der Sprachkodes von André Martinet. Unter der doppelten Gliederung versteht Martinet die zweifache Ebene der Sprachelemente: Die erste Ebene sind die bedeutungstragenden Zeichen, die Martinet als Moneme bezeichnet und die sich aus der Verknüpfung eines Signifikanten und einem Signifikat zusammensetzen. Nöth (2000) gibt das Beispiel des Wortes „inaktiv“, das aus drei Bedeutungseinheiten, nämlich in-akt-iv besteht und somit drei Moneme hat. Bei der zweiten Gliederungsebene geht es um die Einteilung der Moneme in bedeutungslose jedoch bedeutungsunterscheidende Elemente: den Phonemen. Ihre Aufgabe ist es, Moneme zu differenzieren (Nöth, 2000). Das Phonem /H/ im Monem Haus beispielsweise dient dazu, die Moneme Haus und Maus voneinander zu unterscheiden. Nun versuchen Filmsemiotiker wie Bettetini und Pasolini sowie Eco diese Strukturen an Filmen anzuwenden und neben dem Phonem auch den sprachlichen Wörtern und Sätzen Entsprechungen zu finden. Für Eco besteht das einzelne Filmbild (z.B. von einem menschlichen Körper) aus kleineren Elementen (wie Beine, Kopf, Arme und Brust usw.), die für ihn als kleinste bedeutungstragende Einheiten gelten und er diese als ikonische Zeichen bezeichnet. Ecos Definition einer zweiten Gliederungsebene weicht von der von Pasolinis ab, der die Gegenstände im Filmbild als Phoneme bezeichnet: Denn anders als die sprachlichen Phoneme tragen laut Eco die im Film gezeigten Gegenstände bereits Bedeutungen und die Elemente, die eine bedeutungsunterscheidende Funktion haben, nennt Eco Figurae. Die eigentliche Differenz zwischen der Auffassung Ecos über die Gliederungsebenen und der der anderen Filmsemiotiker ist folgende: die Existenz einer dritten Gliederungsebene. Eco Zufolge existiert im Film - anders als in der Sprache - eine dritte Gliederungsebene. Wie bis jetzt erklärt bezieht sich die doppelte Gliederung auf das statische Filmbild. Die dritte Ebene systematisiert die Dimension des Filmbildes, d.h. die mit Bewegung in Verbindung gebrachten Geschehnisse, Handlungen und Gesten (Kinemorphe) sind mit den Prinzipien dieser dritten Gliederungsebene aufzufassen. Den Sinn dieser dreifachen Gliederung des Films beschreibt Eco wie folgt:
„Die Gliederungen in einem Code entstehen zu dem Zwecke, ein Maximum an möglichen Vorfällen mit einem Minimum kombinierbarer Elemente zu vermitteln. [...] In dem Augenblick, in dem die kombinierbaren Elemente sich festsetzen, zeigt sich ohne Zweifel die Armut des Codes der Wirklichkeit gegenüber, der er Form gibt; aber in dem Augenblick, in dem die Kombinationsmöglichkeiten sich festsetzen, erlangt er etwas von jenem Reichtum an Vorkommnissen wieder, die vermittelt werden sollen [...]. So kommt es, daß in dem Augenblick, indem wir die Wirklichkeit mit Hilfe einer Wortsprache oder mit Hilfe des armen Code des weißen Blindenstocks benennen, wir unserer Erfahrung ihre Fülle nehmen; aber das ist der Preis, den man zahlen muß, wenn man sie übermitteln will.“ (Eco, 1972, 92)
So gibt Eco das Beispiel mit der poetischen Sprache, die dem Zeichen eine Polysemie verleiht und durch den Einsatz von verschiedenen gleichzeitig vorhandenen Bedeutungen den Rezipienten dazu zwingt, diese „verlorene Fülle“ wiederzugewinnen (ebd.). Ein dreigliedriger Code gibt dem Rezipienten die Möglichkeit, einen tieferen Erfahrungsbereich wahrzunehmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Schema des dreigliedrigen Codes nach Eco (1972)
Das oben angeführte Schema eines Codes mit drei Gliederungsebenen stellt die Funktionsweise der jeweils einzelnen Gliederungsebenen dar. In der diachronischen Aufeinanderfolge der einzelnen Photogramme sind mehrere kinesische figurae miteinander verbunden und im Verlauf des Bildausschnittes sind mehrere kombinierte Zeichen zu Syntagmen verknüpft. Daraus folgt, dass der Film als eine Kommunikationsart mehrwertig ist als die Sprache (oder das Wort), „denn im Film wie schon im ikonischen Sema folgen die verschiedenen Bedeutungen nicht längs der syntagmatischen Achse aufeinander, sondern scheinen gleichzeitig vorhanden zu sein und reagieren abwechselnd, dadurch verschiedene konnotative Bedeutungen hervorrufend.“ (Eco, 1972, 93)
Laut Eco (1972) wird durch die Ergänzung des dreifachen Codes mit der Gliederungsebene der Wörter und Klänge die Übermittlung der Wirklichkeit stärker realisiert als zuvor.
Desweiteren beschäftigt sich Eco (1985) mit den Codes der visuellen Kommunikation und unterscheidet zunächst zwischen folgenden Ebenen der visuellen Codifizierung: der ikonischen, der ikonographischen, der tropologischen, der topischen und der enthymematischen Ebene. Im Folgenden wird aufdie ersten drei Ebenen eingegangen:
Die ikonische Ebene umfasst die Signifikanten im Bild, also bildliche Details wie Farben, Formen, Teile und Gegenstände usw. und deren Signifikate, also mit anderen Worten die Denotation des Bildes (Sowinski, 1998). Aber auch Wirkungen der Sinneseindrücke und der Stimmung wie z.B. kalt, hell, unfreundlich, düster), also die Konnotate befinden sich ebenfalls auf dieser Ebene (ebd.). Laut Eco (1985) vermitteln Bilder weitere Botschaften, die er als ikonographische Ebene bezeichnet und diese in zwei Codifizierungstypen unterteilt: der historische und der publizitäre Typ. Der historische Codifizierungstyp umfasst konventionalisierte Bedeutungen wie z.B. „der Aureole, die Heiligkeit anzeigt, bis zu einer bestimmten Konfiguration, die die Idee der Mutterschaft suggeriert, bis zur schwarzen Binde auf dem Auge, die Pirat oder Abenteuer konnotiert usw.“ (ebd., 272). Der publizitäre Typ dagegen umfasst gegenwärtige und moderne Signale, so wie Ecos Beispiel des „Mannequin-Seins“. Denn dieses wird durch das Stehen mit überkreuzten Beinen gedeutet (ebd.).
Die tropologische Ebene umfasst Bildkombinationen, die den verbalen Tropen, also den rhetorischen Figuren entsprechen (ebd.). Während verbale Tropen die Wirkung einer Aussage kräftigen, haben visuelle Tropen (die äquivalenten Bildkombinationen) eine gleiche Funktion. Im Folgenden sind einige schon im verbalen Zusammenhang bekannte Tropen dargestellt, die ebenfalls in Film und Werbung zurStärkung derAussagewirkung angewendet werden:
Zu den rhetorischen Figuren Metonoymie und Synechdoche im Film sind im nächsten Unterkapitel ausführliche Definitionen und Beispiele nach Monaco angeführt worden. Beispiele zu weiteren Tropen stellt Guy Bonsiepe wie folglich dar: Ein Autoreifen, das unproblematisch zwischen aneinandergereihten Nägeln fährt ist ein Beispiel für eine Hyperbel (Eco, 1985). So wie es verbale Metaphern gibt, ist auch von bildlichen Metaphern im Film die Rede. Eine Metapher im Sinne einer „Bildübertragung aus einem sachähnlichen, aber nicht sachgleichen Bildbereich“ (Sowinski, 1998, 82) ist zum Beispiel in der Filmkomödie „Bruce Allmächtig“ (Originaltitel: Bruce Allmighty) mit Jim Carrey in der Hauptrolle vertreten. Der mit seinem Leben schon unzufriedene Bruce Nolan hält Gott für dafür verantwortlich, dass er von seinem Beruf als Fernsehreporter entlassen wird. Daraufhin werden all die Fähigkeiten des jüdisch-christlichen Gottes auf Bruce übertragen, was dazu führt, dass er mit Gott gleichgesetzt wird.
3.1.4 Pier Paolo Pasolini
Der berühmte italienische Dichter, Filmemacher und Filmtheoretiker Pier Paolo Pasolini setzt sich in seinem Essay „Sprache als Film“ - wie schon die Überschrift deutet - mit der Filmsprache auseinander. Zunächst spricht Pasolini die Problematik der fehlenden sprachlichen Basis des Films an, während die Literatur sich mit ihren poetischen Mitteln auf die Sprache stützt, die Allgemeingut ist und zur Verständigung dient. Pasolini spricht das „System mimischer Ziechen“ an, die wichtig für eine Kommunikation ist, da eine Gestik zusätzlich zur Wortsprache ihr die unterschiedlichsten Bedeutungen zuschreiben kann. Das Beispiel eines einzigen Systems von mimischen Zeichen schlägt Pasolini als einziges Verständigungsmittel vor und auf dieses System von visuellen Zeichen würde die Sprache ihre Existenzmöglichkeiten aufbauen. Doch was seiner Meinung nach fehlt, ist die Gewohnheit des Filmpublikums, „die Wirklichkeit visuell zu ,lesen“‘ (Pasolini, 1971, 39). Pasolini weist daraufhin, dass sich der Mensch ständig in einem Zwiegespräch zwischen sich selbst und der Umwelt befindet, die sich durch Bilder ausdrückt: seien es vorbeigehende Menschenmengen, ihre entsprechenden Handlungen, Straßenschilder oder Reklame, die allein schon durch ihre Existenz sprechen“ (ebd.). Pasolini nennt diese Bild-Zeichen, die sowohl Erinnerungen als auch in Träumen existieren.
„So ist jederTraum eine Folge von Bild-Zeichen, die alle typischen Merkmale von Filmsequenzen haben: Großaufnahmen, Totalen, Details etc. Kurz, es gibt eine ganze Skala von bedeutungsvollen Bildern, die Erinnerungen und Träume begleiten, und diese gleiche Skala dient als Kommunikationsbasis im Film.“ (Pasolini, 1971, 39).
Pasolini bezeichnet die Sprache des Filmes im Gegensatz zur dichterischen und philosophischen Sprache als „roh, ja fast animalisch“ (ebd., 39). Denn Mimik sowie Träume und Erinnerungen gebrauchen keiner Wortsprache und sind daher „vormenschlich“ (ebd.). Pasolini deutet daraufhin, dass jedes System von Wortzeichen über ein Lexikon verfügt. Jeder Schriftsteller oder Dichter hat die Möglichkeit Wörter diesem Wörterbuch zu entnehmen, entsprechend zu gebrauchen und diesen eine tiefere Bedeutung zuzuschreiben. Aber es gibt kein Wörterbuch der Bilder, die festgelegt sind und jederzeit zum Gebrauch bereitstehen. Der Filmautor hat somit eine unbegrenzte Möglichkeit; dafür muss er zweifache Arbeit leisten: Während der Schriftsteller den Worten nur Ästhetik verleihen muss, ist der Filmautor dazu gezwungen die ausgewählten Bilder zunächst einem Lexikon zuzuordnen und dann erst ästhetische Arbeit zu leisten (ebd.). Pasolini vertritt die Meinung, dass jeder Gegenstand schon im Voraus eine Ausdruckskraft hat (auch wenn sie nicht in einem Film-Wörterbuch verankert sind), weil er in unseren Träumen und Erinnerungen gefestigt ist. Die BildZeichen entsprechen den Bildern in unseren Erinnerungen und Träumen. Dieses Ereignis (innere Kommunikation) verleiht eben diesen Zeichen eine gewisse Subjektivität, und somit nimmt die Filmsprache neben der dichterischen Sprache ihren Platz ein. Mimische Zeichen werden ebenso in die Kommunikation miteinbezogen und verleihen der Filmsprache somit Objektivität, da sie Teil der Alltagskommunikation sind (ebd., 43). Zudem ist der Filmautor nicht in der Lage, abstrakte Begriffe zu wählen, da er mit Bildern arbeitet und Bilder stets konkret sind (ebd., 42). Pasolini fasst den Film als eine „Sprache der Prosa“ auf (ebd.). Der literarischen Prosa ähnelt sie nur äußerlich, denn ihr fehlt die ratio. Sogar ein ernster Unterhaltungsfilm verfügt über kindliche und mythische Züge, trotzdem wurde die Prosasprache angenommen, also eine „erzählerische Konvention ohne expressive, impressionistische und expressionistische Elemente“ (ebd., 43).
3.1.5 PeterWollen
In seinem Werk „Signs and Meaning in the Cinema“ (1969) schildert der Engländer Peter Wollen seine Ansätze einer Filmtheorie, die er dem Philosophen Charles S. Peirce entlehnt. Wollen zufolge gibt es drei Arten von filmischen Zeichen: das Icon, der Index und das Symbol. Unter einem Icon versteht Wollen ein Zeichen, dessen „Signifikant das Signifikat hauptsächlich durch seine Ähnlichkeit mit ihm darstellt“ (Monaco, 2012, 175). Der Index ist ein Zeichen, dessen Beziehung zum Objekt auf einer daseinsbedingenden beruht. Wollen führt in seinem Buch „Signs and Meaning in the Cinema“ (1972) folgendes Beispiel hierfür an:
„I see a man with a rolling gait. This is probable indication that he is a sailor.
I see a bowlegged man in corduroys, gaiters and a jacket. These probable indications that he is a jockey or something of the sort. A sundial or clock indicates the time.“ (Wollen, 1972, 122)
Das Symbol versteht Wollen als ein arbiträres Zeichen, dessen Signifikant und Signifikat in einer konventionellen Beziehung zueinander stehen. Wie auch nach Metz, ist im Film das Icon das Kurzschluss-Zeichen und das Symbol „Basis der geschriebenen und gesprochenen Sprache“ (Monaco, 2012, 175). Das interessanteste aber unter den Zeichenarten ist der Index, die Wollen in zwei unterteilt: in technische und metaphorische. Die technischen Indizes sind beispielsweise Symptome für die Gesundheit oder Uhren für die Zeit. Metaphorische Indizes sind wie schon der Terminus vorgibt, im übertragenen Sinne verstandene Zeichen. Ein Beispiel hierfür ist der schaukelnde Gang, der aufeinen Matrosen hinweisen soll (ebd.). Doch hauptsächlich ist der Index eine weitere Möglichkeit im Film Bedeutungen weiterzugeben:
“Der Index scheint einer der brauchbaren Wege für den Film zu sein, sich direkt mit Ideen zu befassen, da er uns konkrete Darstellungen und Maßeinheiten dieser Ideen gibt. Wie können wir filmisch zum Beispiel die Idee von Hitze vermitteln? [...] Schweiß ist ein Index sowie flimmernde, atmosphärische Schlieren und heiße Farben. [...] Hier entdeckt der Film die ihm eigene, einzigartige, metaphorische Stärke, die er der Flexibilität des Bildes verdankt: seine Fähigkeit, viele Dinge gleichzeitig zu sagen.” (ebd., 176).
Genaueres bezüglich des oben angeführten Zitates ist im Kapitel 3.1.2 vorzufinden. Aber auf die Frage nach der Art und Weise der Vermittlung dieser konnotativen Botschaften macht Moncao (2012) von literaturwissenschaftlichen Begriffen wie Metonymie und Synekdoche Gebrauch. In seiner Einführung in die literaturwissenschaftlichen Grundbegriffe von Ivo Braak (2001, 47) ist bei den Stilmitteln unter Metonymie folgender Eintrag vermerkt:
Sie ersetzt vielmehr das gebräuchliche Wort durch ein anderes (gr. metonomazein anders nennen; onyma, onoma Name), das zu ihm in engster Beziehung steht, doch zumeist mit zusammenraffender Wirkung = eingebürgerte Wortersetzung; z.B. „Zeppelin“ für „Luftschiff“, „Traube“ für „Wein“, das „19. Jahrhundert“ für „die Menschen des 19. Jahrhunderts“.
Die weiter oben erwähnten Indizes für Hitze sind metonymische Beispiele im Film. Ein weiteres Beispiel wären herunterkullernde Schweißperlen im Gesicht einer Person. In Bezug auf die Definition der Metonymie (ein Wort wird durch ein anderes ersetzt), werden im Film „assoziierte Details“ (hier Schweißperlen) verwendet um „abstrakte Ideen“ zu erzeugen (Monaco, 2012, 178). Da die Metonymie wie oben angeführt verwendet werden kann, bewirkt sich Größeres als die Litereatur.
Die Synekdoche gilt nicht als eigenständiges Stilmittel, sondern eher als eine Sonderform der Metonymie und ist im gleichen Werk wie folgt definiert: “(gr. syn-ekdechesthai durch Andeutungen bezeichnen): der Metonymie stilistisch ähnliche Figur; sie gibt die bloße Andeutung des eigentlichen Begriffs, das Ganze steht für einen Teil oder umgekehrt (pars pro toto): “Lenze” statt “Jahre”.
In vielen Hollywood-Filmen werden beispielsweise Nahaufnahmen von marschierten Füßen gemacht, um eine Armee darzustellen (ein Teil steht für das Ganze). Laut Monaco (2012) beruht unser Verständnis der Konnotationen auf eben diesen Vergleichen wie dem Teil und dem Gazen oder die assoziierten Details mit der Idee und weist darauf hin, dass die Bedeutung des Filmes nicht nur dem Gesehenen und Gehörten entspricht, sondern „dem, was wir nicht sehen, oder, genauer gesagt, einem [...] Prozess des Vergleichs zwischen dem, was wir sehen, und dem, was wir nicht sehen“ (ebd., 178).
[...]
- Citar trabajo
- Begüm Kardeş (Autor), 2017, Das Frauenbild in ausgewählten deutsch-türkischen Filmen. Eine filmsemiotische Analyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/990183
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