Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Hauptteil
I. Die Vorgeschichte der Gründung der Zentrumsfraktion
1. Allgemeine Vorgeschichte
2. Die Soester Konferenzen
3. Versammlungen in Ahlen und Münster
4. Veröffentlichte Aufrufe
5. Das Essener Programm
II. Die eigentliche Gründung der Zentrumsfraktion
1. Allgemeiner geschichtlicher Hintergrund
2. Die Gründung der Zentrumspartei
C. Schlußteil
Quellen- und Literaturverzeichnis
A. Einleitung
,, Die Fraktion stellt sich zur besonderen Aufgabe, f ü r Aufrechterhaltung und organische Fortentwicklung verfassungsm äß igen Rechtes im allgemeinen und insbesondere f ü r die Freiheit und Selbst ä ndigkeit der Kirche und ihrer Institutionen einzutreten. Die Mitglieder derselben suchen dieser Aufgabe auf dem Wege freier Verst ä ndigung zu entsprechen, und soll die Freiheit des Einzelnen in Bezug auf seine Abstimmung keine Beeintr ä chtigung erleiden"1
So lautet ein Auszug aus dem endgültigen Parteiprogramm zur Gründung der Zentrumsfraktion vom 13. Dezember 1870, das fast 50 Jahre unverändert bestehen sollte.
Aber wie kam es überhaupt zur Gründung dieser Partei, die im Zuge der Weimarer Republik eine so wichtige und gewichtige Rolle spielte?
Wer waren die antreibenden Köpfe und Kräfte?
Handelte es sich wirklich -wie des öfteren behauptet- von Beginn an um eine Partei, die sich als überkonfessionell verstand?
Diese Fragen versuche ich nun in dieser kurzen Abhandlung zu klären, wobei es mir durchaus bewußt ist, daß eine umfassende Behandlung dieses Themas natürlich den Rahmen dieser Arbeit überschritten hätte.
B. Hauptteil
I. Die Vorgeschichte der Gründung der Zentrumsfraktion
1. Allgemeine Vorgeschichte
Bereits im Parlament der Paulskirche 1848/ 49 und in den Landtagen der einzelnen Bundesstaaten waren katholische Gruppen vertreten, die dort ihre Gesinnung mit in den politischen Prozeß mit einbrachten.
In der politischen Haltung hatten sie ihren Platz zumeist in der Mitte zwischen liberalen und demokratischen Gruppierungen auf der linken Seite und den konservativen Kräften auf der rechten Seite.
Trotzdem hat der Katholizismus als einer der Hauptstützen des feudalen Systems im Zeitalter der bürgerlichen Revolutionen Einbußen seiner politischen Machtstellung hinnehmen müssen.
Sowohl Liberalismus als auch Aufklärung stürzten das akademische Bildungsmonopol, die Trennung von Staat und Kirche beschnitt seine Einflußmöglichkeiten und natürlich hatte auch die Säkularisation großer Teile des Haus- und Grundbesitzes der katholischen Kirche eine immense Bedeutung.2
2. Die Soester Konferenzen
Seit Januar 1864 fanden in Soest von Zeit zu Zeit die sogenannten ,,Soester Konferenzen" statt. Sie gingen auf den Mallinckrodt`schen Freundeskreis zurück, welcher sich als eine Art politischer Stammtisch katholischer Männer um Hermann von Mallinckrodt verstand.3 Bei diesen Treffen unterhielt man sich vor allem über die Lage des politischen Katholizismus in Deutschland allgemein, aber natürlich auch über drängende tagespolitische Probleme und soziale Streitfragen.
Zum Personenkreis der Soester Konferenzen gehörten neben Hermann von Mallinckrodt zunächst sein Bruder Georg von Mallinckrodt aus Böddeken, ihr Schwager Alfred Hüffer aus Paderborn, Freiherr Wilderich von Ketteler ebenfalls aus Paderborn und der damalige Hausgeistliche von Böddeken, Eduard Klein, der später Domkapitular wurde.
Alfred Hüffer und Freiherr von Ketteler waren die treibenden Kräfte in diesem Freundeskreis und diese beiden waren es auch, die die ersten Einladungen am 16. Dezember 1863 an insgesamt zehn Männer verschickten, unter ihnen natürlich die oben erwähnten. Die Runde wurde für den 12. Januar 1864 nach Soest in den Gasthof Overweg einberufen. Nach diesem ersten Treffen erfolgten in unregelmäßigen Abständen weitere Versammlungen, auf denen sich besonders Hermann von Mallinckrodt und Alfred Hüffer hervortaten. Die Mitgliederzahl betrug zeitweise über 100.
Bis zum Mai im Jahr 1866 wurden die Konferenzen durchgeführt, aber dann kam die Bewegung durch den kurze Zeit später ausbrechenden Krieg mit Österreich ins Stocken und wurde erst wieder im Jahre 1869/ 70 im Zuge der bevorstehenden Neuwahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus im Herbst 1870 wieder aufgenommen. Bei diesen Versammlungen kam ein ausführlicher Programmentwurf, der ursprünglich von Mallinckrodt entworfen worden war, zustande, der dann in den Versammlungen von Ahlen und Münster weiter besprochen und verfeinert wurde.4
3. Versammlungen in Ahlen und Münster
Mallinckrodt berief eine weitere Versammlung nach Ahlen ein, auf der ebenfalls das bereits schon vorhandene Programm diskutiert wurde. Es nahmen etwa zehn Männer daran teil.5 Zu diesem Zeitpunkt herrschten innerhalb dieses Kreises verschiedene Auffassungen darüber, wie mit dem Wehretat zu verfahren sei. Mallinckrodt war der Meinung, die Militärausgaben zu kürzen, da nach dem Krieg von 1866 keine weiteren Kriege mehr in Aussicht ständen. Dem gegenüber entgegneten Freiherr von Landsberg und Freiherr von Droste-Hülshoff, das dies aus derzeitiger Sicht nicht entschieden werden könne, da die politische Lage zu unübersichtlich wäre.
Man einigte sich dann darauf, im Programmentwurf die Aufstockung des Wehretats abzulehnen.
Alle übrigen Fragen konnten einvernehmlich geklärt werden.
Die endgültige Fassung des Programms wurde aber erst bei einem Treffen in Münster Anfang Juni 1870 verabschiedet. Dieses Programm sollte als Grundlage einer neu zu gründenden Partei dienen.
Auf diesen beiden Versammlungen wurde überhaupt zum ersten mal konkret über eine Neugründung beraten.
Die Kernpunkte des Programmes waren folgende:
- Verteidigung der Selbständigkeit der Kirche, Unabhängigkeit der kirchlichen Organe und Schutz der freien Bewegung der eigenen Kirche
- Ablehnung der bürgerlichen Ehe
- Beibehaltung der Konfessionalität der Schulen
- Forderung nach einem Bundesstaat, allerdings mit Unabhängigkeit und freier Selbstbestimmung der einzelnen Bundesländer
- Dezentralisation der Verwaltung, auch in Preußen
- Keine Erhöhung des Militäretats
4. Veröffentlichte Aufrufe
Um das Programm in den damals vorhandenen Zeitungen ,,mediengerecht" zu servieren, mußte es natürlich auf die Kernsätze gekürzt werden.
Solche verkürzten Aufrufe wurden sehr schnell verfaßt und dann auch in diversen Zeitungen gedruckt.
Den Anfang solch einer Veröffentlichung eines Wahlaufrufes mit einem gekürzten Programm machte die ,,Kölnische Volkszeitung" am 11. Juni 1870.6
Wie sich später herausgestellt hat, ging der Aufruf auf Peter Reichensperger zurück; der Wortlaut der Kernaussagen des Abdruckes war fast identisch mit dem oben dargestellten Programm.
Allerdings muß man immer noch berücksichtigen, daß zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Partei gegründet worden war, sondern hier nur ein Aufruf an die jeweiligen (katholischen) Gesinnungsgenossen stattfand, damit man später die Basis dazu hatte, eine neue Partei aus der Taufe zu heben. Man kann sagen, es handelte sich hier um einen Aufruf, eine Art interfraktionellen Zusammenschluß zu bilden.
Weiterhin veröffentlichte der ,,Westfälische Bauer" am 18 Juni 1870 einen weiteren Aufruf zu den Wahlen, der natürlich vor allem an den westfälischen Bauernstand gerichtet wurde.7 Er stammt höchstwahrscheinlich vom damaligen Vorsitzenden des Westfälischen Bauernvereins Freiherr von Schorlemmer-Alst.
Allerdings muß man trotz aller Veröffentlichungen berücksichtigen, daß der Aufruf selbstverständlich weitestgehend nur den westfälischen Bauern bekannt war, da sie ja das Klientel der Leser bildeten.
5. Das Essener Programm
Ein weiteres Papier, das Essener Programm, erschien nach Beendigung einer Versammlung in Essen, die am 29./ 30 Juni 1870 stattfand.8
Auf dieser Versammlung bekam das bis dahin schon bekannte Reichensperger'sche Programm noch einen sozialen Aspekt hinzu, der von vielen Rednern gefordert worden war. Im Vorfeld dieser Versammlung in Essen hatten noch weitere stattgefunden, namentlich in Düsseldorf und Elberfeld, bei denen den katholischen Arbeitern Versprechungen im Bereich der Sozialpolitik gemacht worden waren.
Am Ende der Tagung wurde am 30. Juni 1870 das Essener Programm beschlossen, welches folgende Kernpunkte katholischer Politik vereinigte:
- Selbständigkeit der Kirche, auch kirchlicher Gesellschaften
- Ablehnung des konfessionellen Charakters des Volksunterrichts und Forderung nach Unterrichtsfreiheit, wie sie in der Verfassung manifestiert war
- Festhaltung an dem christlichen Charakter der Ehe
- Beibehaltung des föderativen Charakters des Norddeutschen Bundes und Ablehnung aller Bestrebungen einen zentralisierten Einheitsstaat zu schaffen
- Dezentralisierung und Selbstverwaltung des Volkes in Gemeinde, Kreis und Provinz
- Herunterfahren der finanziellen Belastung des Landes, insbesondere auch Verringerung der Militärausgaben und eine gerechtere Verteilung der Steuerlast
- Beseitigung der sozialen Mißstände
Mitten in die sich anbahnende Gründung einer neuen katholischen Partei ,,platzte" die Kriegserklärung Frankreichs vom 19. Juli 1870. Der Krieg an sich lähmte den Gründungseifer aber nur für kurze Zeit, denn der Krieg mit Frankreich wurde von den meisten Katholiken, vor allem denjenigen, die im Zuge des Rheins wohnten und um ihre Gebiete fürchteten, akzeptiert; trotz allem versuchten einige Protestanten, diesen Krieg zu einem Religionskrieg zu machen, da Frankreich ja ein vom katholischen Glauben geprägtes Land war.9
Desweiteren fanden bereits am 28. und 30 Oktober 1870 erneut Versammlungen in Soest und Essen statt, denn die immer näher rückenden Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus durften natürlich nicht außer Acht gelassen werden.
Aus diesen beiden Versammlungen sind ebenfalls wieder Programme und Wahlaufrufe hervorgegangen, die dem vormaligen Essener Programm sehr ähneln.
In der späteren Entwicklung wurde das Soester Programm allerdings des öfteren in Veröffentlichungen und Wahlaufrufen abgedruckt und erlangte auch mehr Bedeutung, da hier alle Anwesenden das Programm eigenhändig unterschrieben hatten.
Allgemein kann man zur Vorgeschichte der Gründung der Zentrumspartei bemerken, daß keiner dieser erarbeiteten Programmentwürfe formell den Rang eines späteren Parteiprogrammes erlangte.
Natürlich ist der katholische ,,Touch" aller Schriftstücke unverkennbar, aber die Behauptung Webers, die Partei kümmere sich nur um ureigene katholische Interessen, kann ich überhaupt nicht teilen, da es meines Erachtens unbestritten ist -und das kann man auch aus den Programmen erkennen- , daß sich die Partei allen kritischen Fragen der Zeit stellt und Lösungsvorschläge gibt.
II. Die eigentliche Gründung der Zentrumsfraktion
1. Allgemeiner geschichtlicher Hintergrund
Nach der schon oben angesprochenen Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 an Frankreich schlugen sich -für Frankreich überraschend- die süddeutschen Staaten sofort auf die Seite des Norddeutschen Bundes. Alle Nachbarn blieben neutral und die deutsche Heeresleitung unter General von Moltke ergriff mit drei Armeen die Offensive.
Nach diversen militärischen Erfolgen an der Grenze, z.B. Weißenburg, Wörth und Spichern Anfang August, wurden am 17./ 18. August die Armee des Marschalls Bazaine bei Vionville und am 2. September die Armee des Marschalls Mac-Mahon bei Sedan vernichtend geschlagen.
Kaiser Napoleon III. wurde gefangen genommen.
Daraufhin folgte der Sturz des französischen Kaisertums, und Frankreich wird Republik.
Am 19. September begann die Belagerung von Paris, die militärischen Handlungen erreichten nicht mehr das große Ausmaß wie im August, wenngleich auch in der Zeit von November bis Februar immer wieder Entsatzheere geschlagen werden mußten.
In Verhandlungen -besonders mit Bayern- erreichte Bismarck im Oktober und November den Zusammenschluß der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bund zum Deutschen Reich, wobei der Süden eine Stärkung des föderalen Elements und Reservatrechte durchsetze.
2. Die Gründung der Zentrumspartei
Nachdem im November 1870 die Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus stattgefunden hatten, in das alle später wichtigen Männer des Zentrums gewählt worden waren, ging es nun darum, eine wirkungsvolle Verbindung zwischen diesen zu knüpfen, um ihren Programmpunkten mehr Gewicht zu verleihen.
Fast alle möglichen Mitglieder dieser zukünftigen Partei wußten dies auch und waren überzeugt, dies zu schaffen.
Es gab nur sehr wenige, die sich dieser Idee verschlossen und den Veranstaltungen zur immer näher kommenden Gründung fern blieben.10
Einzig und allein die polnischen Abgeordneten hielten sich den Versammlungen fern, da sie bereits 1849 eine eigene politische Fraktion gegründet hatten, um ihre Meinungen im Parlament besser vertreten zu können; sie ließen sich auch durch mehrmaliges Anfragen nicht hinzu gewinnen.
Ende November 1870 trafen sich die katholischen Abgeordneten in Berlin, da hier der Norddeutsche Reichstag zu seiner letzten Sitzung vom 24. November bis zum 10. Dezember zusammengekommen war.11
In dieser Periode sollten nur noch die mit den süddeutschen Staaten ausgehandelten Versailler Verträge verabschiedet werden, die eine Einigung des Norddeutschen Bundes mit den süddeutschen Staaten in einem Deutschen Reich zum Ziel hatten.
Interessant ist, daß bei der Schlußabstimmung alle katholischen Abgeordneten für die Annahme stimmten -bis auf zwei: Windhorst und Mallinckrodt. Sie führten aus, daß sie diesen Verträgen nicht zustimmen konnten, da sie nicht die selben Garantien für die Religionsfreiheit beinhalteten wie die preußische Verfassung, die Abgrenzung zwischen Staats- und Reichsgewalt nicht genügend klar war, und da mit den Verträgen ihrer Meinung nach, der ,,sichere Weg in den Imperialismus" beschritten würde.12
Wie oben bereits erwähnt, fanden zu diesem Zeitpunkt die letzten Gesprächsrunden zur Gründung der Zentrumsfraktion statt. Durch Rundschreiben wurden die möglichen Mitglieder befragt, ob sie einer katholischen Fraktion beizutreten bereit wären. 13
Für den 14. Dezember 1870 war der preußische Landtag nach Berlin einberufen worden. Aus diesem Grund befanden sich sehr viele Mitglieder des Abgeordnetenhauses in Berlin. An sie ging am 11. Dezember folgende Einladung:
,,Einladung
Die Unterzeichneten erlauben sich im Auftrage von Gesinnungsgenossen in der Provinz und in eigenem Namen diejenigen Herren Abgeordneten zum preu ß ischen Landtage, welche es als ihre Pflicht erachten, im wohlverstandenen Interesse staatlicher Ordnung f ü r Aufrechterhaltung und organische Entwicklung verfassungsm äß igen Rechtes im allgemeinen und insbesondere f ü r Freiheit und Selbst ä ndigkeit der Kirche und ihrer Institutionen mit Entschiedenheit einzutreten, zu einer Vorbesprechung im Englischen Hause, Mohrenstra ß e 49, f ü r Dienstag, den 13. und Mittwoch, den 14. d. Mts. abends 7 ½ Uhr einzuladen.
P. Reichensperger. Savigny. von Kehler." 14
Nachdem die geladenen Gäste am 13. Dezember zusammengekommen waren, begannen lebhafte Diskussionen zwischen den Anwesenden. Der Berliner Missionsvikar Eduard Müller trat mit sehr viel Engagement für die Gründung einer katholischen Fraktion ein. Andere stimmten ihm zu.
Auf der anderen Seite gab es aber auch Anwesende, wohl Domkapitular Künzer aus Breslau, die sich gegen jegliche Gründung einer Partei wandten. Er schlug vor, sich den jeweils geeignetsten Fraktionen anzuschließen, also je nach Problemlage zu entscheiden, welche Gruppierung die katholischen Interessen am besten vertrete.
Beiden Ansichten wurde allerdings sehr heftig von Seiten Reichenspergers und Savignys widersprochen. Sie stellten fest, daß es sehr wohl notwendig sei, eine neue Partei ins Leben zu rufen, welche die Interessen besser vertreten könne, als jede andere Fraktion. Sie lehnten sich aber gegen eine Gründung einer katholischen Fraktion, da sie auch den Weg für Protestanten offenlassen wollten, da sogar Protestanten an diesem Abend anwesend waren, auch wenn man das heute als nicht ganz gelungen bezeichnen kann.
Sie stimmten dafür, der Partei einen rein politischen Namen zu geben.
Noch während der Aussprache entfernte sich Ludwig Windthorst aus der Runde, wobei es bis heute unklar ist, warum er dies getan hat. Karl Bachem hat vermutet, daß er sie deswegen verlassen hatte, da er befürchtete, es könnt doch eine katholische Fraktion gegründet werden. Nichtsdestotrotz nahmen die Gespräche weiter ihren Lauf und man kam dann darüber überein, nicht die alte katholische Fraktion wieder auferstehen zu lassen, sondern eine neue politische Partei mit dem Namen ,,Zentrum" zu gründen.
Auch auf Bitten Savignys ließ sich Windthorst nicht dazu bewegen, den Besprechungen weiter beizuwohnen, denn der wollte zunächst einmal abwarten, was die weiter Entwicklung bringe.
An diesem Abend ging das in der Einleitung genannte Programm hervor, das fast 50 Jahre als offizielles Programm der Partei Bestand haben sollte.
Dieses Programm war der Grundstein, auf dem sich mit sofortiger Wirkung 48 Mitglieder des preußischen Abgeordnetenhauses zur ,,Fraktion des Zentrums" zusammenschlossen. Vorsitzender dieser Fraktion wurde der Wirkliche Geheime Rat Karl Friedrich von Savigny, welcher oben schon erwähnt worden war.
Noch bevor der Landtag am 14. Dezember das erste mal zusammentrat, war die Fraktion konstituiert.
In der Zeit zwischen dem 14. Dezember und dem 11. Januar versuchten Savigny und Reichensperger, Windthorst davon zu überzeugen, daß es jetzt an der Zeit sei, der neu gebildeten politischen Partei beizutreten. Windthorst nahm das Angebot an und er unterzeichnete bereits den Aufruf zu den Reichstagswahlen vom 11. Januar 1871.
Man kann also durchaus behaupten, Ludwig Windthorst gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Zentrumspartei, wenn man berücksichtigt, daß er bereits vor den ersten Wahlen zum Deutschen Reichstag ordentliches Mitglied der Partei war. Ab dem 01. Januar 1871 erschien auch das neue Organ des Zentrums, die ,,Germania, Zeitung f ü r das deutsche Volk", welche sich in kürzester Zeit unter den Zeitungen in Berlin Respekt verschaffen konnte.15
Am 03. März 1871 fanden die Wahlen zum ersten Deutschen Reichstag statt, in denen das Zentrum nach der Nationalliberalen Partei mit 18,6% der Stimmen zweit stärkste Fraktion wird und 63 Abgeordnete stellt.16
C. Schlußteil
Im weiteren Verlauf gelang es dem Zentrum, seine Mandatszahl nahezu stabil zu halten, nachdem sie im zweiten Deutschen Reichstag auf 91 Mandate gekommen war. Sie bewegte sich meist um die 100 Mandate. Das Zentrum profitierte damit ganz deutlich vom Wahlsystem des Kaiserreiches.
Zusammenfassend kann man sagen, die Gründung der Partei war durchaus notwendig, vor allem aus heutiger Sicht, wenn man den Verlauf des Kulturkampfes beachtet. Ludwig Windthorst war zwar bei dieser Gründung nicht die treibende Kraft, aber er entwickelte sich im weiteren Verlauf zu ihrem unumstrittenen Führer, dessen Redekunst und Redegewandtheit sogar den Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck bisweilen in Verlegenheit brachten.
Betrachtet man das Wählerklientel, so kann man feststellen, daß sehr wohl die meisten aller Personen, die dem Zentrum nahestanden, Katholiken waren. Dies klingt auch plausibel, wenn man bedenkt, daß die Partei ja vor allem ureigene katholische Prinzipien verfolgte. Das Argument, die Partei sei eine rein überkonfessionelle Gruppierung gewesen, wie es auch zwischen den Zeilen Bachems des öfteren durchkommt, kann ich so nicht bestätigen, da sie wie gesagt, zwar nicht offiziell, aber doch inoffiziell eine katholische Partei war, was natürlich auch dadurch bekräftigt werden kann, daß die Fraktion von katholischen Männern geprägt wurde.
Gleichwohl hatten sie auch protestantische Abgeordnete in ihren Reihen, die aber in der Minderheit waren und auch die Wähler fühlten sich wohl durch andere politische Gruppierungen besser vertreten.
Das Selbstverständnis der Partei allerdings war nach meinem Dafürhalten sehr wohl überkonfessionell, aber die Wähler bzw. die Protestanten hatten wohl zu viele Vorurteile bzw. zu wenig Vertrauen in diese Partei.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Aschoff, Hans-Georg (Hrsg.): Ludwig Windthorst 1812-1891, (= Quellentexte zur Geschichte des Katholizismus, Bd 9), Paderborn 1991.
Bachem, Karl: Das neue Zentrum und der Kulturkampf in Preussen 1870-1880, (= Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd III), Köln 1927.
Fuchs, Konrad/ Raab, Heribert: dtv Wörterbuch Geschichte, München11 1998.
Hofmann, Robert: Geschichte der deutschen Parteien. Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart, München² 1993.
Hüffer, Forstrat a.D.: Die Soester Konferenzen, in: Festschrift für Felix Porsch zum siebzigsten Geburtstag, hg. von der Görres-Gesellschaft, Paderborn 1923 (= Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Sozialwissenschaft, Heft 40), S. 30-55
Müller, Helmut M.: Schlaglichter der deutschen Geschichte, Mannheim 1996.
Schulze, Hagen: Kleine Deutsche Geschichte, München 1996.
Sebaldt, Martin: Katholizismus und Religionsfreiheit. Der Toleranzantrag der Zentrumspartei im Deutschen Reichstag, (= Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften; Bd 625), Frankfurt am Main 1994.
Spahn, Martin: Das deutsche Zentrum, Mainz/ Kirchheim² o.J.[1907].
Weber, Christoph: Eine starke, enggeschlossene Phalanx. Der politische Katholizismus und die erste Reichstagswahl 1871, Essen 1992.
[...]
1 Bachem, Karl: Das neue Zentrum und der Kulturkampf in Preussen 1870-1880, (= Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd III), Köln 1927, S. 128.
2 Hofmann, Robert: Geschichte der deutschen Parteien. Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart, München² 1993, S. 94
3 Vgl. Bachem, Karl: Das neue Zentrum und der Kulturkampf in Preussen 1870-1880, (= Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd III), Köln 1927, S. 97.
4 Siehe dazu auch: Hüffer, Forstrat a.D.: Die Soester Konferenzen, in: Festschrift für Felix Porsch zum siebzigsten Geburtstag, hg. von der Görres-Gesellschaft, Paderborn 1923 (= Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Sozialwissenschaft, Heft 40), S. 30-55
5 Vgl. Bachem, Karl: Das neue Zentrum und der Kulturkampf in Preussen 1870-1880, (= Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd III), Köln 1927, S. 99/ 100.
6 Vgl. Bachem, Karl: Das neue Zentrum und der Kulturkampf in Preussen 1870-1880, (= Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd III), Köln 1927, S. 105.
7 Vgl. Bachem, Karl: Das neue Zentrum und der Kulturkampf in Preussen 1870-1880, (= Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd III), Köln 1927, S. 107.
8 ebd., S. 108-110.
9 ebd, S. 107
10 ebd. S. 109
11 ebd., S. 124-125.
12 ebd., S. 124.
13 Vgl.: Spahn, Martin: Das deutsche Zentrum, Mainz, Kirchheim² (1907), S. 43.
14 Nach: Bachem, Karl: Das neue Zentrum und der Kulturkampf in Preussen 1870-1880, in: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd III, Köln 1927, S. 125.
15 Vgl. Bachem, Karl: Das neue Zentrum und der Kulturkampf in Preussen 1870-1880, in: Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd III, Köln 1927, S. 127-129.
16 Nach: Hofmann, Robert: Geschichte der deutschen Parteien. Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart, München² 1993, S. 100.
- Arbeit zitieren
- Ulrich Arnold (Autor:in), 1999, Die Gründung der Zentrumspartei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98910
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