In dieser Arbeit sollen die Entwicklungen des "Arabischen Frühlings" in Syrien in Anbetracht ihrer sozialen Komponente näher untersucht werden. Zudem soll der Einfluss der sozialen Medien auf die Protestaktionen der syrischen Gesellschaft intensiver betrachtet werden. Die Frage, wie es einer heterogenen Gesellschaft wie jener der Syrer gelang, trotz gravierender lokaler, kultureller und normativer Unterschiede eine transnationale Identität zu entwickeln, soll hierbei beleuchtet werden.
Die arabischen Staaten hatten seit dem Dekolonisationsprozess, der am Ende des zweiten Weltkrieges langsam ansetzte, mit strukturellen Problemen zu kämpfen, die durch die Gründung des Staates Israels eine neue Dynamik erhielten. Auf die Hoffnung, Selbstbestimmung und Ermächtigung zu erlangen sowie eine wirtschaftliche Stabilität in den Ländern und Regionen des Nahen Ostens aufzubauen, folgten korrupte Staatsstreiche und Diktaturen.
Jahre voller Gewalt und staatlichem Machtmissbrauch führten im Jahr 2011 zu einer Explosion innerhalb der Gesellschaften der “MENA-Staaten“, welche die Willkürlichkeit wie auch die Ungerechtigkeit ihrer Regierungen nicht mehr hinnehmen wollten und auch nicht konnten. In den von Armut, Obdachlosigkeit und Perspektivlosigkeit geprägten Ländern versammelten sich viele junge Menschen, die in Massen auf die Straßen strömten und das Ende einer Ära forderten. Für viele Menschen entstand zum ersten Mal ein Gefühl der Verbundenheit und Brüderlichkeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die arabischen Länder im Umbruch
3. Einfluss auf die syrische Gesellschaft
3.1. Clan Strukturen und Arbeitsmigration
4. Soziale Medien als revolutionäres Instrument?
4.1. Die ambivalente Rolle der sozialen Medien
5. Transnationale Identität
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die arabischen Staaten hatten seit dem Dekolonisationsprozess, der am Ende des zweiten Weltkrieges langsam ansetzte, mit strukturellen Problemen zu kämpfen, die durch die Gründung des Staates Israels eine neue Dynamik erhielten. Auf die Hoffnung, Selbstbestimmung und ‑ermächtigung zu erlangen sowie eine wirtschaftliche Stabilität in den Ländern und Regionen des Nahen Ostens aufzubauen, folgten korrupte Staatsstreiche und Diktaturen.
Jahre voller Gewalt und staatlichem Machtmissbrauch führten im Jahr 2011 zu einer Explosion innerhalb der Gesellschaften der “MENA-Staaten“, welche die Willkürlichkeit wie auch die Ungerechtigkeit ihrer Regierungen nicht mehr hinnehmen wollten und auch nicht konnten. In den von Armut, Obdachlosigkeit und Perspektivlosigkeit geprägten Ländern versammelten sich viele junge Menschen, die in Massen auf die Straßen strömten und das Ende einer Ära forderten. Für viele Menschen entstand zum ersten Mal ein Gefühl der Verbundenheit und Brüderlichkeit (Schneider 2010: 22).
Bis heute sind die Folgen des Arabischen Frühlings in der Gesellschaft sichtbar, insbesondere im Staat Syrien. Das Land wird seit Jahren von einem destruktiven Bürgerkrieg heimgesucht, der durch westliche Interventionen keine Besserung verspricht. Trotzdem hat der Arabische Frühling anhand der syrischen Gesellschaft gezeigt, welche neuen dialektischen Komponenten der Freiheitsbestimmung im Staat Syrien Einzug gehalten haben (Leenders 2013: 2).
Demzufolge sollen die Entwicklungen des „Arabischen Frühlings“ in Syrien in Anbetracht ihrer sozialen Komponente näher untersucht werden. Zudem soll der Einfluss der sozialen Medien auf die Protestaktionen der syrischen Gesellschaft intensiver betrachtet werden. Die Frage, wie es einer heterogenen Gesellschaft wie jener der Syrer gelang, trotz gravierender lokaler, kultureller und normativer Unterschiede eine transnationale Identität zu entwickeln, soll hierbei beleuchtet werden.
2. Die arabischen Länder im Umbruch
Ende 2010 bzw. Anfang 2011 tobte ein unaufhaltbarer Sturm über den arabischen Staaten und veränderte die arabische Welt nachhaltig. Die enorme Stärke der sozialen Bewegung zwang mächtige Führer zum Rücktritt und vermittelte vielen Menschen das Gefühl der Selbstbestimmung. In einigen Ländern zielten die Proteste darauf ab, das Regime zu stürzen (Libyen, Syrien), während in anderen Ländern die Lebensbedingungen der Gesellschaft verbessert werden (Tunesien, Ägypten) und gleichzeitig ein unabhängiger Staat erhalten bleiben sollte. Ebenso unterschiedlich gestalteten sich die Reaktionen der Machthabenden auf die Protestaktionen (Zuber 2018: 245 f.).
Seinen Anfang nahm der Arabische Frühling am 17. Dezember 2010, als ein junger Tunesier in Sizi Bouzied aus Wut, Verzweiflung und Perspektivlosigkeit Selbstmord beging. Folglich entstanden kleinere Protestbewegungen, die sich schnell zu landesweiten Demonstrationen entwickelten und deren Einfluss über die Landesgrenzen hinausreichte. Es folgten dementsprechend weitere Protestbewegungen in Ägypten, Bahrain, Libyen, Saudi-Arabien und ebenfalls in Syrien. Langfristig bedeuteten die Proteste das Ende vieler Regierungen und Diktaturen, wie jenen von Mubarak, Ghaddafi und Ben Ali, obwohl sich ebenso viele Risse in der Gesellschaft auftaten, welche postkolonialer Natur sind (Zuber 2018: 247 f.).
Im Frühjahr 2011 schwappten die Proteste in den Süden Syriens über. Aufgrund seiner Sunni-Shia-Problematik in der Gesellschaft und seiner Geschichte in Bezug auf weitere religiöse Minderheiten wie die Christen und die Jeziden wird das Land oftmals als sehr heterogen bezeichnet und birgt somit ein großes Konfliktpotenzial. (Helberg 2012: 39)
3. Einfluss auf die syrische Gesellschaft
Es stellt sich zunächst die Frage, inwieweit und mit welchen Möglichkeiten es den syrischen Aktivisten gelungen ist, eine nationale Identität innerhalb des syrischen Staats zu schaffen. Syrien und seine 13 Millionen Bewohner sind voller unterschiedlicher Kulturen, Landschaften und Traditionen, welche kaum unterschiedlicher sein könnten. Leenders betont hierbei die Bedeutung der “Social Movement Theory“, welche die Gründe für eine soziale Mobilisierung sowie deren Einflüsse auf kulturelle und gesellschaftliche Gegenstandsbereiche näher beleuchtet (Leenders 2013: 2).
Angesichts Syriens, dessen Dritte-Welt-Status sowie seiner historischen und zeitgenössischen Begebenheiten stellt sich die Frage, inwiefern es gelungen ist, Ressourcen und „Volkswillen“ aufzubauen, obwohl Präsident Assad und dessen Regierungstruppen gewaltsam auf Demonstrationen reagierten. Leenders erkennt einen direkten Zusammenhang zwischen staatlicher Repressionen und dem Volksbegehren nach struktureller Veränderung.
„Mainstream SMT purports that opportunities for mobilization often come with ‘threats’ or the actual force of regime repression. Consequently, most people engaging in contentious politics combine response to threat with seizing opportunities.“ (Leenders 2013: 3)
3.1. Clan-Strukturen und Arbeitsmigration
Eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Demonstrationen in der syrischen Gesellschaft spielten die traditionsgeprägten Clans, dies insbesondere im Süden Syriens, in der Stadt Darʿā nahe der Grenze zu Jordanien. Wie viele andere Orte in Syrien ist Darʿā eine Stadt, in welcher die Bürger den staatlichen Verwaltungsmechanismus sowie die Kontrolle rudimentär wahrnehmen. Größere Clans konnten über Jahre hinweg, aufgrund ihrer großen Mitgliederzahl und ihres enormen Einflusses, das Vertrauen der Bürger gewinnen und dementsprechend persönliche Interessen verfolgen.
„Combining social conservatism with practical coping mechanisms, clans also provide strong values for and a social locus of local conflict management and dispute settlement based on notions of justice and dignity.“ (Leenders 2013: 5)
Demzufolge entwickelte sich eine große Feindschaft gegenüber der syrischen Regierung, als Assad versuchte, Einfluss auf die Wertegemeinschaft der Stammesclans zu nehmen. Das soziale und traditionell geprägte Netzwerk der Stammesclans, in enger Verknüpfung mit dem stetigen Informationsaustausch mit der jordanischen Grenzstadt, welche durch die Arbeitsmigration einiger Bewohner Darʿās geprägt wurde, führten zu einem komplexen Geflecht aus neuen Handlungsoptionen, die der Regierung Assads diametral gegenüberstand. Jordanien blieb von den Demonstrationen des Arabischen Frühlings bis auf kleinere Bewegungen unberührt, bot sich jedoch anhand seines informellen Netzwerks als Informationsbasis für revolutionäre Aktivitäten in Ägypten und Tunesien an (Leenders 2013 6 ff.).
Jenes Bewusstsein sowie die eindeutige Beleidigung gegenüber den Werten des Clans in Form von Anschuldigungen und Verhaftungen forcierten starke Reaktionen gegen die Regierung und zeigten ferner, inwiefern die Drohungen und Repression seitens Assads in spezifischen Regionen erfolglos blieben.
4. Soziale Medien als revolutionäres Instrument?
Der Arabische Frühling wird aufgrund des hohen Informationsaustausches in den sozialen Medien oftmals auch als „Facebook-Revolution“ dargestellt. Tatsächlich boten soziale Medien, insbesondere Twitter und Facebook, neue Möglichkeiten, um über Staats- und Stadtgrenzen hinaus in Kontakt zu treten und vor allem über soziale Missstände zu berichten (Hofheinz 2013: 1).
Dies bezieht sich speziell auf eher ungebildete Jugendliche, die über wenige Möglichkeiten verfügen, objektive Informationen zu beziehen, und sich von den politischen Strukturen im Land entfremdet fühlen. „Aus ihrer Sicht hatte Facebook in der Tat einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der Ereignisse; ohne Facebook, so meinten viele, hätte die Revolution so nicht stattgefunden. Über soziale Medien wurde Anfang 2011 der Funke revolutionärer Hoffnung aus Tunesien übertragen, die Zuversicht, dass es möglich ist, einen Diktator zu stürzen, und es wurden konkrete Erfahrungen und Tipps vermittelt, wie die Konfrontation mit Polizeikräften am besten zu meistern sei.“ (Hofheiz 2013: 2)
Ferner muss berücksichtigt werden, inwiefern soziale Medien die Kulturlandschaft in den arabischen Staaten, unter anderem Syrien, verändert haben und auch weiter verändern werden. Die Verfügbarkeit eines solchen Mediums bedeutet für viele Syrer und andere Bewohner des Nahen Ostens eine Möglichkeit der Selbstermächtigung und des Zusammenhalts (El Difraoui 2011).
4.1. Die ambivalente Rolle der sozialen Medien
Anhand des leichten Zugangs zu sozialen Medien, wie beispielsweise Twitter, ist es ebenso für viele Menschen möglich, ihre eigene, persönliche Geschichte und Wahrnehmung darzulegen und sich somit als relevantes Subjekt der zeitgenössischen Politikgeschichte zu positionieren. Darüber hinaus besteht wenig Gefahr einer vollständigen Kontrolle der Social-Media-Kanäle seitens der Regierung, da soziale Medien eine nahezu aufdringliche Dynamik entwickeln, die für Regierungen bis auf komplette Website-Schließungen nicht zu kontrollieren sind (El Difraoui 2011). „Das Zusammenspiel verschiedener Medien und vor allem die Wechselwirkung zwischen virtuellem und realem Raum können dann zur tatsächlichen Ermächtigung und zu realem Wandel führen“ (El- Difraoui 2011).
Jedoch ist die Rolle der sozialen Medien bezogen auf revolutionäre Umstände nicht nur auf positive Elemente beschränkt. Soziale Medien können gleichermaßen für manipulative Zwecke instrumentalisiert werden, wie es im Beispiel Syrien geschah. Die Regierung als auch die oppositionellen Demonstranten instrumentalisierten demnach Falschmeldungen, um der Reputation der anderen Partei zu schaden und innerhalb der Bevölkerung Verwirrung zu stiften. „Am 8. Februar 2011 hob Damaskus nach mehr als drei Jahren die Sperrung von Facebook sowie von YouTube auf. Seither hat das Regime von Bashar al-Assad diese neuen Medien selbst für Desinformations-Kampagnen sowie zur Identifizierung von Oppositionellen genutzt.“ (El-Difraoui 2011)
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- Quote paper
- Krishan Abbasi (Author), 2020, Der Umbruch der syrischen Gesellschaft während des Arabischen Frühlings, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/989031
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