Diese Arbeit untersucht die Ursprünge der sogenannten Wegwerfmentalität und ihre tiefgreifenden Auswirkungen auf das ökologische System. Um dies zu ergründen, befasst sich der erste Teil mit den theoretischen Ansätzen der sozioökonomischen Entwicklung Europas seit 1950 und überprüft die Korrelation des Wertewandels und der Abfallwirtschaft. Im Weiteren wird insbesondere die Problematik von Kunststoffen sowie, auf Grundlage diverser statistischer Untersuchungen, die folgenschweren Auswirkungen des Plastikkonsums auf den natürlichen Lebensraum Meer dargestellt. Im Schlussteil wird unter Berücksichtigung bisheriger Forschungserkenntnisse die Entwicklung des Umweltbewusstseins thematisiert sowie Beweggründe des umweltorientierten Handelns herausgearbeitet.
Insofern wird mit dieser Ausarbeitung ein längst überfälliger Warnschuss gegeben, der in aktueller Zeit, in welcher das Meer aufgrund des maßlosen Konsumwahns zu verenden droht, unentbehrlich ist, um bisherige präventive Maßnahmen zu überdenken und folglich die notwendige Zusammenarbeit von Forschung, Politik und Bevölkerung zu initiieren.
Insbesondere die Ära der „goldenen Jahre“ ab 1950 hat mit ihrem exponentiellen Konsumanstieg an fossilen Energieträgern eine enorme Umweltbelastung angefacht, welche sich besonders im heutigen Zeitalter kenntlich macht. Die kontemporäre Abfallwirtschaft sieht es vor, Müll gesondert voneinander zu ordnen, um diesen wiederzuverwerten und somit präventiv die Natur vor erheblichen Schaden zu bewahren. Werkstoffe, wie Glas, Metall oder Papier, lassen sich vorwiegend „recyceln“, problematisch sind jedoch Kunststoffe. Das Endprodukt erreicht letztlich nicht mehr die ursprüngliche Qualität des Ausgangsmaterials.
Jedoch ist nicht die Wiederverwertbarkeit von Kunststoffen das primäre Problem, sondern vielmehr die Zusammensetzung des Stoffes selbst sowie ihre Auswirkungen auf die Umwelt und speziell auf den Lebensraum Meer. Schlagzeilen im World Wide Web, wie „Konzerne und Unis sortieren Plastik und Einmalbecher aus“ oder „Umweltschutz: EU-Unterhändler einigen sich auf Verbot von Einweg-Plastik“, erwecken den Eindruck, dass die europäische Gesellschaft die Gefahr der Kunststoffproduktion sowie des -konsums frühzeitig erkannt habe. Diverse Forschungen weisen jedoch vor, dass sich die Weltbevölkerung bereits in der Apokalypse der Kunststoffübermüllung befindet.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
2. Von der deutschen Kriegsgesellschaft zur Wohlstandgesellschaft
2.1. Das „1950er Syndrom“- von der Bedürftigkeit zum Massenkonsum
2.2. Die Wegwerfgesellschaft und die ansteigende Müllproblematik
3. Das undurchsichtige Plastikproblem
3.1. Begriffsbestimmung: Kunststoff und seine Beseitigung
3.2. Künstliche Stoffe im natürlichen Lebensraum Meer
4. Die langanhaltende „1970er Diagnose“
5. Fazit
Quellennachweis
Internetquellen
Literaturnachweis
Anhang
Einleitung
Die Weltmeere erstrecken sich über ca. 70 Prozent der Erdoberfläche. Auf lediglich 30 Prozent ist es dem Menschen möglich langfristig zu existieren. Dieses fulminante Verhältnis lies das Meer lange ein Symbol für unberührte Weiten sein und als unerschöpfliche Quelle des Lebens gelten. Tatsächlich hat der Mensch es geschafft, seinen Abfall bis in die entlegensten Gebiete des Ozeans zu verteilen. Seit Beginn der Menschheitsgeschichte muss sich die Gesellschaft mit der Problematik des Mülls auseinandersetzen. Insbesondere die Ära der „goldenen Jahre“ ab 1950 hat mit ihrem exponentiellen Konsumanstieg an fossilen Energieträgern eine enorme Umweltbelastung angefacht, welche sich besonders im heutigen Zeitalter kenntlich macht. Die kontemporäre Abfallwirtschaft sieht es vor, Müll gesondert voneinander zu ordnen, um diesen wiederzuverwerten und somit präventiv die Natur vor erheblichen Schaden zu bewahren. Werkstoffe, wie Glas, Metall oder Papier, lassen sich vorwiegend „recyceln“, problematisch sind jedoch Kunststoffe. Das Endprodukt erreicht letztlich nicht mehr die ursprüngliche Qualität des Ausgangsmaterials. Jedoch ist nicht die Wiederverwertbarkeit von Kunststoffen das primäre Problem, sondern vielmehr die Zusammensetzung des Stoffes selbst sowie ihre Auswirkungen auf die Umwelt und speziell auf den Lebensraum Meer. Schlagzeilen im World Wide Web, wie „Konzerne und Unis sortieren Plastik und Einmalbecher aus“1 oder „Umweltschutz: EU-Unterhändler einigen sich auf Verbot von Einweg-Plastik“2, erwecken den Eindruck, dass die europäische Gesellschaft die Gefahr der Kunststoffproduktion sowie des -konsums frühzeitig erkannt habe. Diverse Forschungen weisen jedoch vor, dass sich die Weltbevölkerung bereits in der Apokalypse der Kunststoffübermüllung befindet. Aufgrund dessen untersucht diese Arbeit die Ursprünge der sogenannten Wegwerfmentalität und ihre tiefgreifenden Auswirkungen auf das ökologische System. Um dies zu ergründen, befasst sich der erste Teil mit den theoretischen Ansätzen der sozio-ökonomischen Entwicklung Europas seit 1950 und überprüft die Korrelation des Wertewandels und der Abfallwirtschaft. Im Weiteren wird insbesondere die Problematik von Kunststoffen sowie, auf Grundlage diverser statistischer Untersuchungen, die folgenschweren Auswirkungen des Plastikkonsums auf den natürlichen Lebensraum Meer dargestellt. Im Schlussteil wird unter Berücksichtigung bisheriger Forschungserkenntnisse die Entwicklung des Umweltbewusstseins thematisiert sowie Beweggründe des umweltorientierten Handelns herausgearbeitet. Insofern wird mit dieser Ausarbeitung ein längst überfälliger Warnschuss gegeben, der in aktueller Zeit, in welcher das Meer auf Grund des maßlosen Konsumwahns zu verenden droht, unentbehrlich ist, um bisherige präventive Maßnahmen zu überdenken und folglich die notwendige Zusammenarbeit von Forschung, Politik und Bevölkerung zu initiieren.
2. Von der deutschen Kriegsgesellschaft zur Wohlstandgesellschaft
Um die gegenwärtigen Zustände einer Gesellschaft nachvollziehen zu können, ist es unausweichlich, sozioökonomische Veränderungen und Entwicklungen in einer spezifischen Zeitspanne zu betrachten. Auf Grund dessen werden in den folgenden Kapiteln, mittels des theoretischen Ansatzes von Christian Pfister, die Entwicklungsprozesse der deutschen Nachkriegsgesellschaft hin zur Wohlstandgesellschaft erörtert. Insbesondere wird ermittelt, in welchem Ausmaß tiefgreifende Werteverschiebungen und die Abfallwirtschaft miteinander korrelieren.
2.1. Das „1950er Syndrom“- von der Bedürftigkeit zum Massenkonsum
Mit den 1950er Jahren der Bundesrepublik Deutschland werden tiefgreifende Umbrüche innerhalb der politischen, wirtschaftlichen, wie auch sozialen/kulturellen Entwicklung assoziiert. Insbesondere Begrifflichkeiten, wie die goldenen 50er Jahre, das Wirtschaftswunder oder der Nachkriegsboom, definieren das Bestreben der Rehabilitierung Deutschlands nach dem Krieg. Geplagt von den Konsequenzen der Kriegsniederlage erweist sich insbesondere das mittlere und letzte Drittel der 50er Jahre als Lichtblick für die zerrüttete Gesellschaft. Wachsende Arbeitsproduktivität, ansteigende Sparanlagen sowie die enorm sinkende Arbeitslosigkeit3 verhelfen zum Erfolg der Demokratie, der Marktwirtschaft und somit zur erneuten Integration in den Weltmarkt. Weltgeschichtlich betrachtet hat es seither keine vergleichsweise außergewöhnliche Wohlstandssteigerung gegeben als in Deutschland.4 Binnen 30 Jahren hat sich beispielsweise der allgemeine Energieverbrauch verdreifacht, der Mineralölverbrauch verdreißigfacht und der Kraftwagenbestand stieg von vorerst 1 Millionen auf 27 Millionen an.5 Wie divers und tiefgreifend die Veränderungen de facto sind, konkretisiert Christian Pfister in seiner Publikation Das 1950er Syndrom- Der Weg in die Konsumgesellschaft. Pfisters Intention ist die Aufklärung der Entwicklungsprozesse der heutigen Konsumgesellschaft. Das sogenannte „1950er Syndrom“ ist ein Erklärungsansatz des globalen exponentiellen Energieanstiegs zwischen 1950 und 1960 sowie der damit einhergehenden Konsequenzen und gilt somit als Übergangsphase von der Industrie- zur Konsumgesellschaft. Er betrachtet primär den Wachstumsschub des Energieverbrauchs, Bruttoinlandsprodukts, Flächenbedarfs, Siedlungen, Abfallvolumens sowie der Schadstoffbelastungen von Luft, Wasser und Boden.6 Den leichtsinnigen Umgang der westlichen Gesellschaft mit Rohstoffen und Energie sowie die sich daraus bildende Umweltbelastung, führt er auf den andauernden Rückgang der Relativpreise von fossilen Energieträgern zurück.7 Globale Statistiken diesbezüglich weisen einen exponentiellen Anstieg nach.8 Im Folgenden werden weniger die politischen oder wirtschaftlichen Aspekte vertieft, sondern viel mehr die Veränderungen der Lebensweisen und die Verschiebung der Werteprioritäten innerhalb der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Pfister führt aus, dass mit dem anwachsenden Wohlstand die Individualität im Lebensstil in spezifischen Formen des Konsums ausgedrückt würde. Einer der wesentlichsten Veränderungen im Lebensstandard seien die massenhafte Verbreitung von technischen Konsumgütern (wie Haushaltsgeräte, Fahrzeuge, Unterhaltungselektronik), die erhebliche Verlängerung der Freizeit und Ferien, der Bau von Zweitwohnungen sowie der Erschließung neuer „Paradiese“ für den Flugtourismus.9 Mit den einschneidenden Modifikationen mittels neuer Formen des Konsums, findet infolge dessen eine Verschiebung der Werteprioritäten auf diversen Ebenen statt. Berechtigterweise löst sich die Gesellschaftsstruktur von der ehemals hierarchisch geschichteten Ordnung und gliedert sich in sogenannte Lebensstilgruppen. Zentrale Werte der Industriegesellschaft, wie Pflichterfüllung, Sparsamkeit und Arbeit, werden von Selbstverwirklichung, Genuss und Konsum eingetauscht. Auch die Mobilität ändert sich von kleinräumig und regional in weiträumig und interkontinental. Einer der gravierendsten Verschiebungen hat im Bereich des Umweltverhaltens stattgefunden. Die Reparatur- und Recycling Mentalität entwickelt sich rasant in eine schwerwiegende umweltbelastende Haltung, welche jedoch in den frühen 1970er Jahre wieder kritisiert wird.10 Mit dem allgemeinen Wohlstandsanstieg rücken Pflicht- und Akzeptanzwerte in den Hintergrund, Arbeits- und Leistungspflicht werden infrage gestellt und Individualität, Privatheit sowie Autonomie werden zur zentralen Sinnhaftigkeit der Gesellschaft.11 Die ersten 20 Jahre nach dem Krieg können schließlich als Versuch der Loslösung vom globalen Sündenbock betrachtet werden. Deutschland hat sich im Gegensatz zu anderen Ländern, welche sich vor des Falls der diktatorischen Herrschaft zurückzogen, mit der kollektiven Schuld auseinandersetzen müssen. Eine typisch psychologische Reaktion des Menschen sich von Schuld o.Ä. zu befreien, ist die Verdrängung des Geschehens mittels diverser Ablenkungen. Somit waren der wirtschaftliche Aufschwung und der damit einhergehende Wohlstand eine ideale Möglichkeit die Schreckensjahre zu supprimieren und ein neues Gesellschaftsbild zu erschaffen. Folglich ist der derzeitig leichtsinnige Umgang mit Konsumgütern in Deutschland einer nicht überwundenen Kriegsschuld zuzuschreiben. Global betrachtet ist zu schlussfolgern, dass der gegenwärtig unbegrenzte Verbrauch von Konsumgütern die Konsequenz der Verschiebungen von Werteprioritäten durch tiefgreifende Umbrüche der Gesellschaftsstrukturen ist.
2.2. Die Wegwerfgesellschaft und die ansteigende Müllproblematik
Mit der neuen Ära des Konsums und der bereits oben angeführten strukturierten Veränderungen der Lebensweisen, geht ein erhöhter Abfallverbrauch einher. Daher sind zunächst die Fortentwicklung des Abfallvolumens sowie der Abfallwirtschaft ab 1950 zu betrachten. Im Fokus steht nicht die Inspektion von Kriegsabfällen, sondern vielmehr in welchem Ausmaß die Produktion und die übermäßige Nutzung von Gütern mit der Übermüdung korrelieren. Neben erhöhtem Produktionsabfall im Bereich der Automatisation und der Technisierung der Haushalte12 ist insbesondere im Hausmüll eine exponentielle Steigung ersichtlich. Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg bis 1990 steigt das Müllvolumen pro Kopf von anfänglich ca. 300 Liter auf 2200 Liter.13 Nach Angaben des Umweltbundesamtes produzierte 1950 jeder Bundesbürger im Jahr ca. 190 Kilogramm Müll- im Jahr 1990 waren es 351 Kilogramm.14 Bereits im Abstand eines Jahrzehntes (1950-1960) ist das Volumen pro Einwohner um 100% angestiegen. Sachverständige schätzen 1962 den Haus- und Industriemüll bei jeweils ca. 20 Mio. m3 Tendenz steigend.15 Lediglich 2,2% der erfassten Müllmengen wurden verbrannt, 0,82% kompostiert und 97% wurden abgelagert.16 Aus bisherigen Erkenntnissen ist denkbar, dass die Gemeinden nicht genügend Arbeits- sowie Raumkapazität zur Verfügung gehabt haben und infolgedessen mit der Müll-Lawine schlicht überfordert gewesen sind. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Überforderung nicht nur primär durch die Müllmasse entstanden ist, sondern auch auf neuartige Abfälle, wie Kunststoffe, zurückzuführen ist, welche nicht ausreichend in das Abfallverwertungssystem integriert wurden. Die Zusammensetzung von Hausmüll bestand vor dem Kunststoffboom aus über 60% (Volumen) Asche und Schlacke aus Kohleöfen, lediglich 20 bis 25% ließen auf organische Abfälle zurückführen. Kunststoffe waren weitgehend unbekannt und kaum bis gar nicht vorhanden.17 Dennoch ist statistisch nachgewiesen, dass es einen kontinuierlichen Anstieg im Bereich des Kunststoffverbrauches seit ca. 1960 gegeben hat.18 Besonders auffällig in einer Statistik bezüglich der Entwicklung von Hausmüllmengen nach dem zweiten Weltkrieg in Stuttgart19 ist die starke Diskrepanz des enorm ansteigenden Müllvolumens und des Müllgewichts. Obwohl es unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg einen starken Zuwachs im Bereich des Müllvolumens gibt, ist das Müllgewicht vergleichsweise nur im geringen Umfang angestiegen. Die Diskrepanz lässt sich entweder durch das allgemein bekannte geringe Gewicht von Kunststoff begründen oder aber Kunststoffe wurden nicht mit in die Statistik einberechnet. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit dem Massenkonsum und der damit einhergehenden Wegwerfmentalität die Menge und die Zusammensetzung des Abfalls nachhaltig verändert wurden.20 In Folge dessen ist davon auszugehen, dass die Verwendung von Kunststoffen und der steigende Kunststoffabfall mit der Verbreitung von Konsumgütern stark korrelieren.21
3. Das undurchsichtige Plastikproblem
Um das Ausmaß des Plastikproblems zu erfassen, wird im Weiteren die Begrifflichkeit des Kunststoffes sowie seine Beseitigung näher erläutert werden. Auf Grund der Komplexität der technischen und chemischen Zusammensetzung folgt lediglich eine kurze Einführung in die Thematik. Auf die Aspekte des Energieaufbrauchs und der Kosten von Müllbeseitigung bzw. Weiterverarbeitung wird weitgehend verzichtet, da primär der (Kunst-)Stoff selbst und seine Auswirkungen auf die Natur im Vordergrund stehen. Auf Grund dessen wird im Anschluss der für die Arbeit relevante Themenschwerpunkt, die Auswirkung des Kunststoffes auf den natürlichen Lebensraum Meer, erörtert.
3.1. Begriffsbestimmung: Kunststoff und seine Beseitigung
Eine simple Annäherung für Laien an ein spezielles und komplexes Themengebiet ist die Betrachtung der Wortbildung einer Begrifflichkeit. Die Wortbildung des „Kunststoffes“ ist eine Zusammensetzung der Wörter Kunst und Stoff. Daher ist zu vermuten, dass es sich hier um künstlich erzeugte Substanzen handelt. Seit ca. der 60er Jahren ist folgende Definition in der Literatur vertreten: „„Polyplaste“ (später Plaste und heute Kunststoffe) „sind Materialien, deren wesentliche Bestandteile aus makromolekularen organischen Verbindungen bestehen und die entweder synthetisch oder durch Umwandlung von Naturprodukten entstehen. Sie sind in der Regel [...] plastisch formbar oder sind plastisch geformt worden.““22 Eine Klassifizierung erfolgt entsprechend ihrer Eigenschaften als Thermoplaste, Duroplaste und Elastomere. Während der Produktion werden in der Regel zusätzliche Chemikalien hinzugefügt, um bestimmte Eigenschaften und Funktionen zu erhalten. Hier zählen beispielsweise Weichmacher, Haftvermittler, Flammschutzmittel oder diverse Farbpigmente.23 Das weitere Vorgehen der Arbeit wird sich an diese Begriffsdefinition orientieren. Die Verwendung von Kunststoffen reicht weit in die Menschheitsgeschichte zurück. Braun führt an, dass bereits in der Steinzeit bestimmte Werkstoffe verwendet wurden, welche als Hilfsmittel im täglichen Leben dienen sollten. Einer der ersten vollsynthetischen Kunststoffe im heutigen Sinne war das von Leo Hendrik Baekland entwickelte Bakelit, welches zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine vermehrte Anwendung fand. Mit den sogenannten Phenolharzen und der Entstehung weiterer synthetischer Produkte, wie Polyvinylchlorid, Polystyrol und Polyolefine, gilt dieser Zeitabschnitt als die Ära der modernen „Kunststoffzeit“.24 Eine steigende Produktion von Kunststoffen ist jedoch erst ab ca. 1960 anzusetzen.25 Wie bereits im vorigen Kapitel intensiv aufgegriffen, entsteht mit den innovativen Verwendungsmöglichkeiten des Kunststoffes, wie beispielsweise sogenannten „Einweg-Artikel“, diverse Verpackungen oder Hygieneartikel, ein erhöhter Zulauf von Produktions- und Haushaltsmüll. In Folge dessen war die Gesellschaft gezwungen, sich mit der Thematik der Kunststoffbeseitigung auseinanderzusetzten. Jedes hergestellte Produkt wird über kurz oder lang zu Abfall und somit zu einem Problem. Unbrauchbare Gegenstände landen entweder auf Müllverbrennungsanlagen, Deponien oder werden recycelt26 Unter Recycling wird die Rückführung von Materialien in den Wirtschaftskreislauf verstanden. Mittels dieses Verfahrens können Abfallmengen reduziert werden sowie knappe Rohstoffe geschont werden.27 Verpackungen, welche derweil 50% des Gesamtmüllvolumens einnehmen28, können auf Grund ihrer Rohstoffbasis Erdöl nicht gefahrlos verbrannt werden, PVC beispielsweise wandelt sich in diesem Verfahren in Salzsäure um.29 Auch das kompostieren scheint unmöglich, da Plastik nicht auf natürlichen Weg zersetzt werden kann, sondern akkumuliert und sich so in immer kleinere Partikel teilt.30 Das Recyceln von Kunststoffabfällen hat schließlich zum Vorteil, dass Luftverschmutzungen dieser Art vermieden werden und zusätzlich den Ölverbrauch reduzieren. Die Wiederverwertung von bestimmten Stoffen, insbesondere Kunststoffen, führt jedoch zu einer Qualitätsminderung des Produkts. Auf Grund der Komplexität der chemischen Zusammensetzungen von Kunststoffen benötigt das Recyclingverfahren spezifische Vorgänge, um die schonende und korrekte Zerteilung gewährleisten zu können. Somit endet irgendwann auch die Wiederverarbeitung eines Kunststoffes und landet letztendlich erneut auf den Müllberg. In Folge dessen ergibt sich die Fragestellung, was mit solch komplex künstlichen Stoffen geschieht, wenn sie nicht mehr sachgerecht recycelt werden können oder erst gar nicht ihren Weg zur Recyclingstation finden und beispielsweise in einen natürlichen Lebensraum eindringen.
[...]
1 https://www.waz.de/wirtschaft/konzerne-und-unis-sortieren-plastik-und-einmalbecher-aus- id216195809.html (Aufgerufen 14.01.2019, 10:20).
2 https://www.zeit.de/wissen/2018-12/plastik-verbot-eu (Aufgerufen 14.01.2019, 10:20).
3 Vgl. Willenborg, K.-H.: Vorwärts in die goldenen Jahre. Der wirtschaftliche Aufstieg der Bundesrepublik. In: Weber, J. (Hrsg.): Aufbau und Neuorientierung. Die Geschichte der Bundesrepublik 1950-1955. Landsberg am Lech 1998, S.279-304.
4 Ebd. Willenborg (1998).
5 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Was Sie schon immer über Abfall und Umwelt wissen wollten. Stuttgart 1988.
6 Pfister, C., Kaufmann-Hayoz, R., Messerli, P., Stephan, G., Lanzrein, B., Weibel, E., Gehr, P.: Das ,1950er Syndrom‘: Zusammenfassung und Synthese. In: Pfister, C. (Hrsg.): Das 1950er Syndrom. Der Weg in die Konsumgesellschaft. Bern u.W. 1995, S. 21-47.
7 Ebd. Pfister 1995.
8 Siehe Anhang: Abb. 1. Statistik der Schweiz bzgl. Luftverschmutzung. In: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) 1992. Zit. nach: Leutert, G.: Luftverschmutzung als Beispiel für die Rückwirkung auf die Umwelt. In: Ebd. Pfister, C. 1995, S. 351-376.
9 Ebd. Pfister 1995, S. 24.
10 Ebd. Pfister 1995. Vgl. Tabelle S. 26.
11 Ebd. Pfister 1995.
12 Siehe Anhang Abb. 3: Ausstattung der Haushalte mit elektrischen Geräten. In: Haase, R.: Das bisschen Haushalt... ? Zur Geschichte der Technisierung und Rationalisierung der Hausarbeit. Stuttgart: Museum für Volkskultur in Württemberg 1992, S. 24. Zit. nach: Bär, P., Hubacher, P., Regez, S.: Makroperspektive: Energie- Wirtschaftswachstum- Umwelt. In: Ebd. Pfister 1995, S. 397-404.
13 Siehe Anhang Abb. 2: Entwicklung der spezifischen Hausmüllmengen in Stuttgart. Schenkel, W.: Stand und Entwicklungstendenzen der Abfallwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. In: Der Landkreis Nr. 8 bis 9/1977, S. 274. Zit. nach: Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Was Sie schon immer über Abfall und Umwelt wissen wollten. Stuttgart u.A. 1988, S. 11.
14 Kursawa-Stucke, H.-J., Liebert, N., Jensen, A.: Der Grüne Punkt und die Recycling Lüge. Abfallwirtschaft in der Krise. München 1994.
15 Hösel, G.: Entwicklung und gegenwärtiger Stand der Bemühungen um eine zentrale Regelung auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung. Korrespondenz Abwasser. In: Heft 12/1965. Zit. nach: Hösel, G.: Unser Abfall aller Zeiten. Eine Kulturgeschichte der Städtereinigung. München 1990.
16 Ferber u.A.: Müll-Anfall, Abfuhr und Beseitigung in Zahlen. Gutachten, erstattet für das Bundesministerium für Gesundheitswesen über die Ergebnisse der Müllstatistik 1961. München 1964. Zit. nach: Ebd. Hösel 1990.
17 Vgl. Ebd. Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1988.
18 Siehe Anhang Abb. 5: Globales Produktionsvolumen von Plastik (1950-2013). PlasticsEurope: Plastic- the Facts 2016. An analysis of European plastics production, demand and waste data. Belgien 2016.
19 Siehe Anhang Abb. 2. Ebd. Schenkel 1977.
20 Vgl. Ebd. Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1988.
21 Vgl. dazu auch: Detloff, K. C.: Die Vermüllung der Meere. Ozeane in Plastik. In: politische ökologie. Meeresschutz. Von der Rettung des blauen Planeten. 145 2016, S. 52-57.
22 Fischer, E. J.: Das Ebenholz und seine Ersatzmittel. Kunststoffe. 14. 1924, S.115-116 u. 164-165, 181-183. Zit. nach: Braun, D.: Kleine Geschichte. Der Kunststoff. München 2013, S. 5. Anm.: Der Autor führt weiter aus: „Falsch ist hier nur das Wort „Verbindungen“, das heute durch „Stoffe“ ersetzt werden muss, da makromolekulare Stoffe wegen ihrer molekularen Uneinheitlichkeit [.] keine chemisch einheitlichen Verbindungen sind.“ (ebd. Braun 2013, S.5)
23 Essel, R., Engel, L., Carus, M., nova-Institut GmbH: Quellen für Mikroplastik mit Relevanz für den Meeresschutz in Deutschland. In: Ahrens; R. H. (Hrsg.): Im Auftrag des Umweltbundesamtes. 63 Köln 2015.
24 Ebd. Braun 2013.
25 Siehe Anhang: Abb. 4: Produktionsmenge von Kumtstoffverpackungen in der BRD. In: Zusammenstellung von Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft e.V. (RKW), Abt. RGV, diverse Nummern. Eschborn. Zit. nach: Beutler, N. et al.: Eine Gesellschaft packt aus: Konsum, Verpackung und Abfall. In: Ebd. Pfister 1995, S. 405-410.
26 Ebd. Kursawa-Stucke et al. 1994.
27 Ebd.
28 Ebd.
29 Vgl. Ebd. Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1988.
30 Ebd. Detloff 2016., Vgl. dazu auch: Pimpke, S. et al.: Umweltchemie. Mikroplastik in der Umwelt. In: Chemie in unserer Zeit 51 Weinheim 2017 S. 402-412.
- Quote paper
- Ines Wafa Boebers-Salim (Author), 2019, Die "Wegwerfgesellschaft" und das Meer. Eine Geschichte des Plastikproblems, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/988779
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