Marie Kniehase, Effi Briest, Ebba von Rosenberg, Hilde Rasmussen, Cecile und Melusine von Barby - sind Frauengestalten, denen Theodor Fontane in den ihnen zugeordneten Romanen eine besondere Rolle zugedacht hat. Liebevoll und lebendig von ihrem Autor geschildert, verbindet diese weiblichen Protagonisten ein Zug ins Geheimnisvolle, eine märchenhafte Distanzierung von der Realität.
Gemeinsam ist ihnen das Aparte und im „Sinnbezirk des Aparten bündeln sich die Restbestände des Infernalischen, Dämonischen, Languissanten und Elementaren“. Das Elementare, das Hingezogensein zu den Elementen und die Bedrohung der menschlichen Ordnung durch diese ist ein Charakteristikum Fontanescher Frauengestalten. In zwei Romanentwürfen aus den Jahren 1877 und 1882 hat Fontane diese Eigenschaft des Elementaren, das sich besonders in einer starken Affinität zum Element Wasser offenbart, programmatisch mit einem Mädchen, das ausdrücklich als eine Art Wassernixe, eine Melusine, bezeichnet wird, verbunden. Die Melusine tritt jedoch schon erheblich früher in das Fontanesche Romanwerk ein. Im `Schach von Wuthenow` erwähnt Josephine von Carayon ihrer Tochter Victoire gegenüber das Geschlecht der Lusignans, aus der nach der Volkssage die schöne Melusine stammt, als mit dem Hause der Carayons verwandt, und auch in `Frau Jenny Treibel` wird der Name der Lusignans als Inbegriff alles altadlig Vornehmen verwendet. Die Melusine als Typus durchzieht, meist in verschlüsselter Form, nahezu das gesamte Romanwerk Fontanes, doch erst in seinem letzten Roman, dem `Stechlin`findet sich ihr ausdrücklich genannter Name in Melusine von Barby wieder. Die Melusine-Frauen bei Fontane sind zwar nicht auf eine einheitliche Form festgelegt, aber sie verbinden bestimmte, immer wiederkehrende, teilweise auch metamorphisierte Züge.
Dieses Charakteristikum des nixenhaft Elementaren am Beispiel der Melusine von Barby herauszuarbeiten, soll das Ziel dieser Arbeit sein. Weiterhin soll die Frage erörtert werden, wie Fontane die Melusine im `Stechlin` im Gegensatz zur programmatischen Entfaltung des Melusine-Typus in den oben genannten Fragmenten, zu denen sich noch das der `Melusine von Cadoudal`gesellt, verwandelt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Der Melusine-Mythos
- III. Melusine bei Fontane
- IV. Melusine von Barby
- V. Exkurs: Zum Realismusbegriff Fontanes
- VI. Die Bedeutung des Melusine-Symbols im 'Stechlin'
- VII. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert das Melusine-Motiv im Werk Theodor Fontanes. Ziel ist es, das Charakteristikum des nixenhaften Elementaren anhand der Figur Melusine von Barby im Roman 'Der Stechlin' herauszuarbeiten und zu untersuchen, wie Fontane die Melusine im 'Stechlin' im Vergleich zu seinen programmatischen Entwürfen des Melusine-Typus in anderen Fragmenten verwandelt.
- Die Rolle des Melusine-Mythos in Fontanes Romanwerk
- Die Entwicklung des Melusine-Typus bei Fontane
- Die Bedeutung des Melusine-Symbols im 'Stechlin'
- Die Verbindung von Mythos und Realismus bei Fontane
- Die gesellschaftliche und politische Bedeutung des Melusine-Motivs im 'Stechlin'
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentralen Frauengestalten in Fontanes Romanen vor und hebt deren Gemeinsamkeiten im Geheimnisvollen und Märchenhaften hervor. Die Arbeit konzentriert sich auf das Elementare, das besonders in der Affinität zum Element Wasser zum Ausdruck kommt, und zeigt, wie dieses Merkmal programmatisch mit der Melusine-Figur verbunden ist. Die Einleitung führt den Leser in die Problemstellung ein und skizziert die wichtigsten Punkte, die in der Arbeit behandelt werden.
Das zweite Kapitel bietet einen kurzen Abriss über den Inhalt und die Überlieferung des Melusine-Mythos. Es werden die wichtigsten Fassungen der Sage, von der ältesten Version des Jean d'Arras bis hin zu den Bearbeitungen des 19. Jahrhunderts, vorgestellt. Die Zusammenfassung der verschiedenen Interpretationen des Melusine-Motivs bildet den Hintergrund für die Analyse des Themas in Fontanes Werk.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Rolle der Melusine in Fontanes Romanentwürfen. Es wird insbesondere auf das Fragment 'Oceane von Perceval' eingegangen, welches die ausführlichste programmatische Beschreibung einer Melusine enthält. Oceane, eine Wassernixe, schwankt zwischen nixenhafter Kühle und dem Bedürfnis nach menschlicher Wärme. Sie ist unfähig zu lieben und wird letztlich vom Element Wasser zurückgerufen. Das Kapitel zeigt, wie die Eigenschaften der Melusine-Figur in den Romanentwürfen bereits die zentralen Themen der Arbeit anklingen lassen.
Das vierte Kapitel analysiert die Figur Melusine von Barby im Roman 'Der Stechlin'. Es werden die verschiedenen Anspielungen auf den Namen Melusines und die Reaktionen der anderen Figuren auf diese Namensgebung beleuchtet. Melusine wird als kokett, vernihrerisch und sinnlich charakterisiert und steht im Kontrast zu ihrer Schwester Armgard und der Domina Adelheid von Stechlin. Das Kapitel zeigt, wie die Melusine-Figur im 'Stechlin' eine neue Ausprägung erfährt und sich von ihren Präfigurationen in den Fragmenten unterscheidet.
Der Exkurs befasst sich mit dem Realismusbegriff Fontanes. Es wird dargestellt, wie Fontane Realismus als künstlerische Verklärung der Wirklichkeit versteht und die Bedeutung des Symbols in seiner Poetik betont. Der Exkurs bildet die Grundlage für die Analyse des Melusine-Motivs im 'Stechlin' und die Frage, in welchem Zusammenhang mythologische Motive in Fontanes Werk auftreten.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Melusine-Motiv, Theodor Fontane, 'Der Stechlin', Realismus, Mythos, Symbol, Elementares, Gesellschaft, Adel, Familie, Ehe, Soziales, Fortschritt, Demokratie, Humanität, Kunst, Verklärung, Weiblichkeit, Nixe, Wasser, See, Stechlin-See.
- Citar trabajo
- Bianka Rademacher (Autor), 1999, Betrachtung zum Melusine-Motiv im Werk Fontanes, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9876
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