Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit untersucht die Wechselwirkungen zwischen Emotion, Gedächtnis und Aufmerksamkeit und deren Auswirkungen auf die Erinnerung an traumatische Ereignisse. Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis für die Mechanismen zu entwickeln, die bestimmen, wie Menschen emotionale Ereignisse verarbeiten und in ihrem Gedächtnis behalten. Dabei werden verschiedene Ansätze und Studien herangezogen, um die Komplexität dieses Themas zu beleuchten.
Besondere Aufmerksamkeit wird dabei auf den "Waffeneffekt" gelegt, der aufzeigt, wie sich die Erinnerung an zentrale und periphere Details von traumatischen Ereignissen unterscheidet. Durch die Zusammenführung von Forschungsergebnissen aus verschiedenen Bereichen der Kognitionswissenschaft wird ein ganzheitlicheres Verständnis für die Rolle von Emotion, Gedächtnis und Aufmerksamkeit bei der Verarbeitung von traumatischen Ereignissen angestrebt.
Thema: Emotion, Gedächtnis und Aufmerksamkeit
1 Erinnern von emotional bewegenden Ereignissen im Alltag
Ist das Gedächtnis für positive und negative Erfahrungen unterschiedlich gut?
Untersuchungen von Kowalewski (1908) und Rapaport (1961) zeigten, daß die meisten
Menschen "Gedächtnisoptimisten" sind, d. h. sie erinnern mehr positive als negative Erlebnisse. Dafür kann es mehrere Gründe geben: es können tatsächlich mehr positive Erlebnisse vorgekommen sein, der Begriff "negatives Erlebnis" kann zu eng gefaßt worden sein oder negative Erfahrungen könnten tatsächlich schneller vergessen werden. Keine dieser Hypothesen kann eindeutig wider- oder belegt werden, da hinsichtlich der Begriffe "positiv" bzw. "negativ" Definitionsprobleme vorliegen.
Ein weiteres Problem ist, daß bei den meisten Untersuchungen negative Erlebnisse als Kontrollfaktor dienten und somit nicht das gesamte Spektrum des emotionalen Erlebens abgedeckt wurde.
Emotional gefärbtes Material wird im allgemeinen besser behalten als neutrales Material, außerdem weisen die meisten Ergebnisse darauf hin, daß positives Material besser behalten wird als negatives.
2 Wie werden traumatische Ereignisse erinnert?
Dazu gibt es zwei entgegengesetzte Thesen. Die eine behauptet, traumatische Ereignisse werden gut erinnert, die andere These behauptet, traumatische Ereignisse werden schlecht erinnert.
2.1 Studien: Erinnerungsleistung bei realen Ereignissen
Bei Studien, in denen sich die Leute an reale traumatische Ereignisse erinnern sollten, erinnerten sie sich auch noch nach vielen Jahren an Details der Ereignisse.
2.2 Flash-bulb-memories
Traumatische Ereignisse von nationaler Bedeutung werden gut erinnert. Die Menschen erinnern sich auch unter welchen Umständen sie vom Ereignis erfahren haben und was sie damals gerade gemacht haben. Dieses Phänomen wird flash-bulb-memories (BlitzlichtGedächtnis) genannt. Die Nachricht vom Ereignis wird wie von einem Blitzlicht eines Fotografen erhellt und macht damit die momentane Situation einprägsam.
Die Befunde bei flash-bulb-memories Studien und bei Studien zur Erinnerung an reale Ereignisse unterstützen die erste These.
2.3 Laborstudien
Bei Laborstudien weichen die Ergebnisse von den oben erwähnten Studien ab. Laborstudien belegen, dass sich die Leute eher an periphere Details als an Details des traumatischen Ereignisses erinnern. Dieses Ergebnis spricht für die zweite These.
2.4 Studien zum Behalten von zentralen versus peripheren Details bei neutralen versus emotionalen Ereignissen
Zeugen eines Verbrechens können oft sehr genau ein zentrales Merkmal des Geschehens, etwa eine Waffe beschreiben. Angaben über periphere Details sind dagegen eher ungenau. Dieser Vorgang wird Waffeneffekt genannt
In Laborstudien konnte gezeigt werden, dass der Waffeneffekt wirkt. Die Menschen erinnern sich genau an zentrale Details eines traumatischen Ereignisses und weniger an periphere Details. Allerdings wurde bei Studien
zur Erinnerung an reale Ereignisse festgestellt, dass sich die Leute weniger an zentrale Details des traumatischen Ereignisses erinnern und dafür an periphere Details sehr gut.
2.5 Die umgekehrte U-Form-Beziehung
Die unterschiedlichen Ergebnisse der Studien lassen erkennen, dass es keine simple Beziehung zwischen der Intensität der Emotion und der Erinnerung gibt. Es handelt sich um eine umgekehrte U-Form-Beziehung zwischen traumatischem Ereignis und Erinnerung. Meistens werden zentrale Details bei emotionalen Erlebnissen gut erinnert und periphere weniger gut. Bei sehr traumatischen Ereignissen ist es genau umgekehrt. Mit dieses Ergebnis haben also letztlich beide Thesen recht.
3 Der emotionale Zustand beim Abruf gespeicherter Informationen
Wirkt sich der emotionale Zustand beim Erinnern differentiell auf unterschiedlich getönte Gedächtnisinhalte aus?
In verschiedenen Untersuchungen dieser Frage zeigten sich zwei Effekte:
Stimmungskongruenz (mood congruency) und zustandsabhängiges Erinnern (state dependent recall).
Stimmungskongruenz
Der Begriff Stimmungskongruenz beschreibt die Beziehung zwischen dem Zustand während des Erinnerns und der emotionalen Tönung des Gedächtnismaterials. Dabei konnte in vielen Experimenten beobachtet werden, daß die Informationen, die qualitativ zu der momentanen Stimmung passen, besser behalten werden als unpassende, also positiv gefärbtes Material wird in positiver Stimmung besser behalten als negatives Material.
Zustandsabhängiges Erinnern
Der Zusammenhang zwischen dem Zustand, in dem sich die Person beim Abspeichern der Informationen befindet, und dem Zustand, in dem sie sich beim Abruf befindet, wird zustandsabhängiges Erinnern genannt.
D. h., daß man sich in einem angenehmen Zustand an viele Dinge erinnert, die man in einer positiven Stimmung gelernt bzw. gespeichert hat.
Dieser Effekt tritt jedoch nur unter bestimmten Bedingungen auf, die noch nicht genau spezifizierbar sind.
Bower meint, daß zustandsabhängiges Erinnern besonders dann beobachtbar ist
- wenn relativ intensive Zustände induziert werden,
- wenn Lernmaterial persönlichen Bezug hat und
- wenn der Gedächtnistest freie Wiedergabe des Gelernten ist und nicht nur Wiedererkennen verlangt
Erklärungsversuche
Zur Erklärung dieser Effekte schlägt Bower ein Netzwerkmodell vor, in dem die Bedeutung der Emotionsqualität betont wird.
Darin werden Emotionen und Ereignisse als Knoten im Netzwerk unseres Wissens dargestellt. In diesem Netzwerk breitet sich die Erregung von Knoten zu Knoten aus. Wird ein Knoten aktiviert, profitieren naheliegende Knoten davon.
Wird z. B. Freude ausgelöst, werden Ereignisse, die mit Freude verknüpft sind (naheliegende Knoten im Netz), mit aktiviert und sind leichter abrufbar als neutrale oder mit anderer Emotion verbundene Ereignisse (entfernter liegende Knoten im Netz).
Es gibt jedoch viele Kritikpunkte an diesem Modell. Entscheidend ist vor allem, daß es keinerlei Vorhersagen ermöglicht, da weder die Entfernung der Knoten untereinander noch die zwischen ihnen fließende Energie spezifiziert wird.
4 Emotionale Störungen als aufmerksamkeits- und gedächtnisbeeinflussende Faktoren
Kognitive Biases: selektive Verarbeitung emotional relevanter Informationen
Attentional, Memory, Judgemental, Associative Bias:
- emotions-, inhalts- und aufgabenspezifisch
- nicht globale Defizite in der kognitiven Funktion infolge von emotionsbedingten Störungen
Probanden: Angstpatienten und Depressive sowie nicht - klinische Patienten mit Labor- oder naturalistischen Stimmungsveränderungen
Attentional Bias
Angst:
- Aufmerksamkeit unbewusst zu threat words abgelenkt
- ,,tunnel vision"
Kontrolle:
- Aufmerksamkeit weg von relevanten Stimuli
Memory Bias
Depressive: fokussieren Aufmerksamkeit auf negative Selbstauswertung und Verlust Angst: fokussiert auf Gefahr und Bedrohung
Judgemental Bias
Depressive:
- korrekte Einschätzung nur in Bezug auf Grad der persönlichen Kontrolle
- schreiben ihren Antworten nur geringen Einfluss auf Untersuchungsergebnis zu Angst:
- beurteilen uneindeutige Informationen als bedrohlich
Associative Bias
- spielen vermittelnde Rolle bei menschlichen Ängsten und Phobien
5 Physiologischer Ansatz
- Emotionen: z.B. Lust, Euphorie, Freude, Furcht, Depression, Ärger, Ekstase
- enthalten eindeutig kognitives Element
- gleichzeitig von autonomen, endokrinen und motorischen Reaktionen begleitet
- subkortikale Teile des Nervensystems zuständig
- periphere Reaktion: machen Körper aktionsbereit
- wichtigste Struktur: Hypothalamus = Steuersystem für autonomes Nervensystem
- autonomes NS: - Parasymphaticus: steuert Ruhe und Verdauen
- Symphaticus: steuert Kampf- und Fluchtreaktion (,,tight or fight")
- Hypothalamus: Verbindung mit Amygdala/ Hippocampus (= Bestandteil des limbischen Systems)
- Amygdala (Mandelkern): - für emotionale Komponente wichtigste Struktur
- elektrische Stimulation der Amygdala = Gefühle von Furcht = entscheidend für emotionale Prozesse
- Hippocampus (= Seepferdchenstruktur): = für emotionales Gedächtnis zuständig (Übertragung von Infos vom primären und sekundären Gedächtnis) = Speicherung von Erfahrungen
- deklaratives /prozedurales Gedächtnis => Zusammenspiel vieler Strukturen = Entstehung von Emotionen
- Citation du texte
- Stefanie Müller (Auteur), 2000, Emotion, Gedächtnis und Aufmerksamkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98769
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