Diese Arbeit skizziert die Geschichte der Klimawissenschaft, ihrer Erkenntnisse sowie ihrer Bündelung im IPCC sowie die Geschichte der Klimakontroverse. Sie stellt anhand von Beispielen die Integration der Gegenargumente in rechtspopulistische Narrationsmuster dar. Darauffolgend wird die Rezeption und Anschlussfähigkeit dieser klimaskeptischen Positionen anhand von Nutzerkommentaren in den Kommentarbereich sozialer Medien untersucht.
Die Kommentare werden einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Dabei kann gezeigt werden, dass die Wissenschaft allenfalls als Vehikel genutzt wird, um Ressentiments zu bedienen, die auch bei den angesprochenen Zielgruppen gefunden werden können: Gegen Globalisierung, globale Argumentation und das Fremde, und für das Nationale, die Abschottung, Volk und Heimat.
Die Geschichte der Klimawissenschaft reicht bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück. Eine starke Politisierung erfährt sie seit dem Ende des 20. Jahrhunderts. Damit einher ging die Entwicklung einer politischen Gegenbewegung, die ihren bisherigen Höhepunkt im Erstarken rechtspopulistischer Parteien oder Politiker*innen fand – beispielsweise Trump, Bolsonaro oder die AfD in Deutschland. Diese bedienen sich wissenschaftsfeindlicher Argumentation, um den anthropogenen Klimawandel zu bestreiten.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Eine kurze Geschichte der Klimaforschung
3 Klimawandel als multidimensionales, komplexes Problem
3.1 Der natürliche Treibhauseffekt
3.2 Der anthropogene Klimawandel
3.3 Klimaszenarien
3.4 Folgen des Klimawandels
4 Die Globalisierung der Klimaforschung im IPCC
4.1 Die IPCC-Sachstandsberichte
4.2 Die Entwicklung der Klimadebatte
4.3 Unsicherheiten und wissenschaftlicher Konsens
5 Die Ära des Postfaktischen: Verschwörung, Populismus, „Klimaskepsis“
5.1 Die Händler*innen des Zweifels: Akteure, Hintergründe, Motivation
5.1.1 Die Rolle der Fossilenergieindustrie
5.1.2 Konservative ThinkTanks und Stiftungen
5.1.3 „Contrarian Scientists“
5.1.4 Frontgruppen und „Astroturf“-Kampagnen
5.1.5 Konservative Politiker*innen
5.1.6 Konservative Medien
5.1.7 Situation in Deutschland/Europa
5.2 Die Geschichte der Kontroversen um die anthropogene Erwärmung
5.3 Angriffe auf die Sachstandsberichte des IPCC
5.3.1 Angriffe auf den Second Assessment Report
5.3.2 Angriffe auf den Third Assessment Report (TAR)
5.3.3 Von Hockeyschlägern und schlechter Wissenschaft
5.3.4 Angriffe auf den Fourth Assessment Report
5.3.5 Climategate – der Scheinskandal
5.3.6 Angriffe auf den Fifth Assessment Report
5.3.7 Fridays und Scientists for Future – globale soziale Bewegungen und die Angriffe der Leugner*innen
6 Der politische Diskurs: Reduktion und Emotionalisierung vs. Stand der Forschung
6.1 Der Diskursbegriff
6.2 Rechtspopulistische Narrationen
6.2.1 Beispiel 1: Die Verschwörung gegen das Volk
6.2.2 Beispiel 2: Das lange Leben der „Hockeystick-Lüge“
6.2.3 Beispiel 3: Die „schwedische Göre“ und ihre Jünger
6.3 Das Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft
6.3.1 Klimawissenschaftler*innen als politische Akteure
7 Klimawandelkommunikation im Internet
7.1 Social Media und die Blogosphäre
8 Analysemethoden
8.1 Online-Öffentlichkeitsarenen
8.2 Qualitative Inhaltsanalyse
8.2.1 Datenerhebung
8.2.2 Quantitative Datenanalyse
8.2.3 Qualitative Inhaltsanalyse
9 Fallbeispiele
9.1 Die Reaktionen auf drei AfD-Beiträge auf Facebook
9.1.1 Keine Frage von Wissenschaft
9.1.2 Ad hominem: Die Klimagöre
9.1.3 Whataboutismus und Klimatote
9.1.4 Gegenstimmen ohne Dialog
9.1.5 Ein Tauchgang in die Facebook-Profile
9.1.6 Zwischenfazit
9.2 Hockeystick reloaded: Das Ende eines Prozesses, ein Prozess ohne Ende
9.2.1 Das Weltbild schließt sich
9.2.2 Eine Frage der richtigen Wissenschaft
9.2.3 Von Symbolen in einer polarisierten Welt
9.3 Zusammenfassung
10 Fazit & Diskussion
11 Literaturverzeichnis.
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1 Links (a): theoretische Ausstrahlung der Erdoberfläche
Abbildung 2 Monatliche durchschnittliche CO2-Konzentration (Mauna Loa 1958-2019)
Abbildung 3 Schätzwerte des Strahlungsantriebs im Jahr 2011 bezogen auf 1750
Abbildung 4 Abweichungen der globalen Land- und Ozeanoberflächentemperaturen der zehn wärmsten Jahre vom Durchschnitt des 20. Jahrhunderts (14,1 °C)
Abbildung 5 Vergleich der beobachteten Änderungen der Erdoberflächentemperatur (1901 bis 2005 im Verhältnis zum Durchschnitt für 1901-1950 (°C))
Abbildung 6 Wahrscheinliche Temperatur- und Meeresspiegelzunahmen bis zum Jahre 2100
Abbildung 7 Akteursgruppen der organisierten Leugner*innen-Szene
Abbildung 8 Das transatlantische Netzwerk des Heartland Instituts
Abbildung 9 Hockeyschläger-Diagramm
Abbildung 10 Verstrickungen der in die Hockey-Schläger-Debatte involvierten Forscher*innen und Institutionen
Abbildung 11 Methodischer Ablauf der Inhaltsanalyse in Anlehnung an Kuckartz
Abbildung 12 Die Ausgangsposts der AfD auf Facebook
Abbildung 13 Geschlechterverteilung der Untersuchten Nutzer, eigene Darstellung
Abbildung 14 Beispielhaftes Meme aus BS3, das Asyl und Klima verknüpft
Abbildung 15 Statement einer „patriotischen“ Gruppe geteilt in einem der Profile
Tabelle 1 Narrative Räume mit zugehörigen Attributen / Konnotationen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Es gibt keine Sicherheit, nur verschiedene Grade der Unsicherheit.“
Anton Pawlowitsch Tschechow (1860 – 1904), russischer Schriftsteller
1 Einleitung
Der Begriff „Klimawandel“ beschreibt ein vielschichtiges, komplexes Phänomen, welches von vielen teilweise großen Unsicherheiten geprägt ist. Wissenschaftler*innen verschiedenster Fachgebiete erforschen den Klimawandel und seine Implikationen auf vielfältige Themen – von Wirtschaft, Politik, Gesellschaft über Natur und Ökosysteme bis hin zu Genderfragen. In all diesen Betrachtungen ist sich die Wissenschaft trotz der Unsicherheiten aber weitestgehend einig: Der anthropogene Klimawandel ist ein Fakt. Menschliche Aktivitäten, insbesondere das Verbrennen Fossiler Energieträger (FE), das Abholzen von Wäldern sowie die industrialisierte Landwirtschaft (subsumiert als Landnutzungsänderungen) verändern das Klima auf der Erde. Diese Klimaänderungen stellen die Gesellschaften zusehends vor Herausforderungen, die nach Antworten verlangen.
Dennoch werden allerorten Stimmen lauter, die den anthropogenen Klimawandel bestreiten (Radtke & Schreurs, 2019, S. 148 f.). Dabei spielen unterschiedliche Interessen und Motivationen eine Rolle. Auffällig ist, dass diese extreme Position besonders unter Verschwörungstheoretiker*innen und Rechtspopulist*innen eine Rolle spielt (Schaller & Carius, 2019). Auf der internationalen Bühne besetzen einige der lautesten Gegenstimmen bereits herausragende Posten: Jair Bolsonaro in Brasilien, der den Umweltschutz für etwas „für Leute, die Grünzeug essen“ hält (Fischermann, 2019), und Donald Trump in den USA, der u.a. twitterte, der Klimawandel sei eine Erfindung der Chinesen, um die amerikanische Wirtschaft zu schwächen1, sind gar zu Präsidenten ihrer jeweiligen Länder gewählt worden. Kritischer Empirismus, wie ihn der Philosoph Karl Popper (1902-1994) prägte, ist als Haltung in skeptischer Tradition ein wesentliches Merkmal wissenschaftlichen Handelns und Arbeitens. Es gibt aber organisierte Gruppierungen, die aus einem Geflecht politischer, wirtschaftlicher und ideologischer Motivationen heraus, sich selbst als „Skeptiker“ bezeichnen. Im Grunde aber stehen sie einerseits für einen reaktionären Wissenschaftsbegriff, der eine „Wahrheit“ gleichsam als Ware transportiert, andererseits aber auch dafür, den wissenschaftlichen Stand nicht voranbringen, sondern weitestgehend torpedieren zu wollen. Da ich eine klare Trennung zwischen der wissenschaftlichen Skepsis und der Wissenschaftsleugnung unter dem Mantel der „Skepsis“ betonen möchte, werde ich für letztere weitestgehend den Begriff der Leugner*innen verwenden, was ich in Kapitel 5 detailliert begründe und anschließend die Akteure darstelle. Die organisierten Klimawandelleugner*innen agieren dabei in einem Netzwerk mit Politiker*innen und Industrievertreter*innen. Die Politik übernimmt dort Positionen und Argumente und flicht diese in ihre Narrationen ein. Ich versuche diese Zusammenhänge zu skizzieren, die rechtspopulistischen Narrationen im politischen Diskurs nachzuzeichnen (Kapitel 6), um dann zu untersuchen, welche Positionen und Strategien der Klimawandelleugner*innen in der Öffentlichkeit besonders anschlussfähig sind, indem ich deren Kommunikation auf Social-Media-Kanälen betrachte.
Zunächst bereite ich aber die Entwicklung der Klimaforschung anhand ihrer wichtigsten geschichtlichen Meilensteine auf (Kapitel 2). Danach stelle ich den Klimawandel als multidimensionales, komplexes Problem dar und widme mich einer Zusammenfassung der wichtigsten naturwissenschaftlichen Zusammenhänge. Daraufhin stelle ich den natürlichen Treibhauseffekt dar, worauf eine Darstellung des anthropogenen Anteils am Klimawandel folgt. Es wird in einer Übersicht gezeigt, wie der menschliche Effekt einerseits aus gemessenen Daten direkt sowie aus sogenannten Proxydaten indirekt belegt werden kann und wie die Klimaforschung mittels Modellierungen und Szenarien versucht, Projektionen für zukünftige Klimaentwicklungen zu berechnen und welche Rolle dem „Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)“ dabei zukommt. Um das Bild abzurunden, stelle ich kurz die durch den Forschungsstand erwartbaren Klimawandelfolgen vor (Kapitel 3).
Daraufhin stelle ich den IPCC und dessen Sachstandsberichte genauer vor und zeichne dazu ein Bild der Entwicklung der Klimadebatte, um dann den Begriff der Unsicherheiten in der Wissenschaft näher zu beleuchten (Kapitel 4). Im Anschluss daran zeichne ich die Kontroverse um die anthropogene, globale Erwärmung nach und Stelle die Akteure der Klimawandelleugner*innen-Szene deren Typen, Motivation und Unterschiede vor (Kapitel 5). Aufbauend auf einer Darstellung des Diskursbegriffs skizziere ich rechtspopulistische Narrationen (Kapitel 6). Ich arbeite einen roten Faden der Argumente heraus, die aus unterschiedlichen Motivationen den anthropogenen Klimawandel leugnen, um ihm dann bis zu den Rezipienten der Onlineöffentlichkeit zu verfolgen (Kapitel 7). Dabei widme ich mich besonders der Situation in Deutschland. Im internationalen Vergleich ist diese hier geschichtlich bedingt etwas anders als in den USA. Mit den Erfolgen der AfD haben nun aber auch Positionen Einzug in den Bundestag gefunden, die den anthropogenen Klimawandel bestreiten. Die AfD nutzt dabei diese Positionen für ihre eigenen Narrationen. Sie agiert dabei in einem vergleichsweise überschaubaren Geflecht von Akteuren, das gleichsam eine Art „Miniatur“ der US-Landschaft darstellt. Ausgewählte Argumente der Klimawandelleugner*innen unterziehe ich zunächst beispielhaft einem Faktenabgleich und stelle sie dafür dem Stand der Forschung gegenüber. Dabei beziehe ich die diskursive Dimension mit ein und zeichne ein Bild davon, wie die Argumente inszeniert werden und welche Absichten hinter diesen Inszenierungen stecken.
Im Anschluss untersuche ich öffentliche Posts in Social-Media-Plattformen, vorrangig Facebook, in denen die Argumente und Argumentationsmuster der Klimawandelleugner*innen kommuniziert werden, und untersuche den Widerhall in den Antworten und Reaktionen ihrer Zielgruppe. Dabei untersuche ich, mittels Methoden der qualitativen Inhaltsanalyse (Kapitel 8), welche Teile der Kommunikation besonders stark aufgegriffen und weitergetragen werden und durch wen das geschieht (unter den gegebenen Einschränkungen sozialer Medien). Dazu untersuche ich Posts und Blogeinträge, die eine „klimaskeptische“ Botschaft transportieren oder Onlinemedien, die eine klimabezogene Nachricht verbreiten, und analysiere die Kommentare der Leser: Was wird besonders aufgegriffen, wer „liked“ und teilt die Beiträge? Es wird also die Anschlussfähigkeit „klimaskeptischer“ Positionen geprüft und untersucht, welche Strategien – Emotionalisierungen, Verschwörungsbezüge etc. - besonders greifen (Kapitel 9).
Dabei stellt sich auch die Frage, ob und inwiefern die qualitative Untersuchung von Nutzerkommentaren methodisch dazu geeignet ist, den wissenschaftlichen Blick sinnvoll und mit Erkenntnisgewinn zu erweitern.
2 Eine kurze Geschichte der Klimaforschung
Die Geschichte der Klimawissenschaft beginnt 1824 mit der Berechnung des französischen Naturforschers Jean Baptiste Joseph Fourier (1768-1830), dass die Erde wärmer ist, als sie sein dürfte. Es musste ihm zufolge einen weiteren Faktor neben der Sonneneinstrahlung geben, der die herrschenden Temperaturen ermöglichte. Er beschrieb dazu die erwärmte Luft als eine Art Isolierschicht, die die „nicht-leuchtende Wärme“ hielt. Etwa 40 Jahre danach entdeckte der englische Vermesser und Naturwissenschaftler John Tyndall (1820-1893) die wärmerückhaltenden Eigenschaften von Wasserdampf sowie Kohlendioxid, als er sich mit dem Versuch einer Erklärung der Eiszeit befasste (Mason, 2013). Schon 1896 publizierte der schwedische Wissenschaftler Svante Arrhenius (1859-1927) die Hypothese, dass der Mensch durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe einen Einfluss auf die Temperaturen haben könnte (Weart, 2019). Er errechnete eine Temperaturerhöhung von 5-6 °C im globalen Mittel für eine Verdoppelung des CO2-Gehaltes (Mason, 2013).
Der Geograph und Klimaforscher Eduard Brückner (1862-1927) tat sich dann in der Beschreibung wechselnder periodischer Klimaschwankungen hervor und stieß einen Paradigmenwechsel in der Klimaforschung an, das Klima als dynamisches System zu begreifen. Zudem befasste er sich bereits mit den möglichen ökonomischen, politischen und sozialen Folgen von Klimaveränderungen, also damit, was man heute Klimafolgenforschung nennt (Stehr & Storch, 2013, S. 5 ff.).
In den 1930er-Jahren führte auch der amerikanische Physiker E. O. Hulburt Berechnungen durch, die die Auswirkungen einer Verdopplung der von Kohlendioxid unter Berücksichtigung von Wasserdampf beschreiben sollen. Er kam dabei auf eine Erwärmung von ca. 4° C. Wenig später konnte der Ingenieur Guy Callendar einen Erwärmungstrend in den Temperaturaufzeichnungen nachweisen, er ermittelte eine Erhöhung der CO2-Konzentration von ca. 10 % und gab diese als möglichen Grund der Erwärmung an (Mason, 2013).
In den 1950er-Jahren erfuhren viele Bereiche der Naturwissenschaften einen starken Zuwachs an Förderungen, da das militärische Interesse an den Erkenntnissen groß war. Man erkannte u.a. die unterschiedlichen spektralen Absorptionslinien von Wasserdampf und Kohlendioxid und die Rolle von Kohlenstoff in höheren Schichten der Atmosphäre. Der Chemiker und Physiker Hans Suess und der Ozeanograph Roger Revelle konnten zeigen, dass die Aufnahmefähigkeit der Ozeane durch Puffer begrenzt ist. Zudem wurde die Radiokohlenstoffdatierung entwickelt, die wie oben beschrieben über das Isotopenverhältnis einen Nachweis ermöglicht, dass Kohlenstoff aus der Verbrennung fossiler Energieträger stammt (Mason, 2013). 1958 begannen die genauen Messungen der atmosphärischen Kohlendioxid-Konzentration durch Charles Keeling, fernab von Störquellen auf dem Mauna Loa und in der Antarktis. Hier konnte ein Anstieg nachgewiesen werden – dargestellt in der berühmten Keeling-Kurve (vergl. Kapitel 3.2) - und schon 1965 wurde eine deutlich messbare Veränderung des Klimas bis 2000 prognostiziert (Mason, 2013).
In den 1960er-Jahren wurden die ersten mathematischen Klimamodelle entwickelt, die wichtige Erkenntnisse zu Rückkopplungseffekten mit sich brachten, während Untersuchungen von Fossilien zu der Einsicht führten, dass heftige klimatische Veränderungen in kurzer Zeit vonstattengehen konnten. Ein erstes globales Computermodell verhalf zu einem tieferen Verständnis des Einflusses der Konvektion auf die Temperatur (Weart, 2019).
In den 1970er-Jahren klärte sich die Rolle von Aerosolen und Schwefelemissionen als kühlende Elemente, es gab gewisse Ungewissheiten wegen eines gemessenen Temperaturrückgangs seit den 1940er- Jahren und Unsicherheiten bei der Erklärung vergangener Temperaturschwankungen. Ab Mitte der 1970er-Jahre stiegen die Temperaturen dann wieder, der Einfluss anderer Treibhausgase sowie menschlicher Aktivitäten wie Abholzung und Zementherstellung wurde nachgewiesen. Die Computermodelle verbesserten sich und das Verständnis für die begrenzte Aufnahmefähigkeit der Senken Ozean und Phytosphäre vertiefte sich. 1981 stellten die Klimawissenschaftler Tom Wigley und Phil Jones in einer Studie fest, dass eine deutliche Klimaveränderung zum Ende des Jahrhunderts hin unvermeidbar sei (Weart, 2019).
Durch Eisbohrkerne aus Grönland und der Antarktis wird es möglich, in Bläschen eingeschlossene Luft zu isolieren und zu analysieren, dadurch lässt sich die Zusammensetzung der Atmosphäre zur Zeit des Einschlusses bestimmen. Der Vostok-Eisbohrkern lieferte etwa 150 tausend Jahre Klimageschichte, was einem Interglazial-Eiszeit-Interglazial-Zyklus entspricht. Aus der Analyse ergab sich eine starke Übereinstimmung der Temperaturen mit den CO2-Konzentrationen und Hinweise auf den großen Einfluss von Rückkopplungen: Die zusätzliche Freisetzung von Treibhausgasen aus Ozeanen und Permafrost. Dazu kam die Erkenntnis, dass die Kohlendioxidkonzentration nun höher war als irgendwann in den vergangenen zwei Millionen Jahren und damit ein ernstzunehmendes Problem. Man nahm nun an, dass bei einer Verdopplung der Konzentration eine Erwärmung von 3 °C wahrscheinlich sei. Aus paleogeographischen Rekonstruktionen ging zudem hervor, dass es deutlich wärmere Perioden auf der Erde gegeben hatte, die auch immer mit hohen CO2-Konzentrationen einhergingen (Mason, 2013).
In den 1980er-Jahren dann gewannen Forscher*innen verschiedener Disziplinen ein Verständnis über den Kohlenstoffkreislauf und seine Rolle als Thermostat des Planeten. Es zeigte sich, dass Störungen, die zu einer erhöhten Aufnahme oder Freisetzung von Kohlendioxid führten, immer auch mit einer Abnahme oder einem Abstieg der Temperaturen einhergingen (Mason, 2013). Außerdem konnte man nachvollziehen, dass schnelle Änderungen im Kohlenstoffhaushalt in der Erdgeschichte zumeist zu Massenaussterben geführt hatten. Es wurde also offensichtlicher, dass die Folgen eines (zumindest für die vergangenen 66 Millionen Jahre) beispiellos schnellen CO2-Anstiegs (Zeebe, Ridgwell, & Zachos, 2016), potenziell verheerende Auswirkungen haben könnten. 1988 wurde daraufhin der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – auch „Weltklimarat“ - gegründet. Zum 21. Jahrhundert hin waren die Folgen und Risiken der anthropogenen Klimaänderung dann immer klarer ((Mason, 2013); siehe auch Kapitel 3.4)).
3 Klimawandel als multidimensionales, komplexes Problem
Im Kern dieser Arbeit soll es um den Klimawandel als politisch umkämpftes Phänomen gehen. Für das Verständnis ist es aber zunächst notwendig, die naturwissenschaftlichen Grundlagen zu skizzieren, deren Geschichte ich vorangehend kurz dargestellt habe. Einige der basalsten Argumente, die gegen die Klimawissenschaft und darüber hinaus auch gegen die Klimapolitik vorgebracht werden, zielen nämlich auf eben diese Zusammenhänge.
Was aber ist Klima und wie definiert sich Klimawandel? Der IPCC definiert diese Begriffe folgendermaßen:
„Klima im engeren Sinne ist normalerweise definiert als das durch schnittliche Wetter, oder genauer als die statistische Beschreibung in Form von Durchschnitt und Variabilität relevanter Größen über eine Zeitspanne im Bereich von Monaten bis zu Tausenden oder Millionen von Jahren. Der klassische Zeitraum zur Mittelung dieser Variablen sind 30 Jahre, wie von der Weltorganisation für Meteorologie definiert. Die relevanten Größen sind zumeist Oberflächenvariablen wie Temperatur, Niederschlag und Wind. Klima im weiteren Sinne ist der Zustand, ein schließlich einer statistischen Beschreibung, des Klimasystems.“ (IPCC, 2016, S. A-14)
Der Begriff Klimaänderungen oder Klimawandel bezeichnet zunächst
„eine Änderung des Klimazustands, die aufgrund von Änderungen des Mittelwertes und/oder des Schwankungsbereiches seiner Eigenschaften identifiziert werden kann (z. B. mit Hilfe von statistischen Tests) und die über einen längeren Zeitraum anhält, typischerweise Jahrzehnte oder länger. Klimaänderung kann durch interne natürliche Prozesse oder durch äußere Antriebe wie Modulationen der Sonnenzyklen, Vulkanausbrüche sowie andauernde anthropogene Änderungen der Zusammensetzung der Atmosphäre oder der Landnutzung zustande kommen.“ (IPCC, 2016, S. A-14)
Während der Erdgeschichte fanden viele, teils drastische Klimaänderungen statt (National Research Council, 2002). In der öffentlichen Debatte wird der Begriff „Klimawandel“ heute allerdings fast ausschließlich für die gegenwärtige Klimaerwärmung genutzt und meint damit den anthropogen induzierten Temperaturanstieg, dessen Ursachen überwiegend in Landnutzungsänderungen und der Verbrennung fossiler Energieträger sowie der damit verbundenen Freisetzung von Treibhausgasen liegen(Feldman, et al., 2015) und die zu den natürlichen Klimaschwankungen hinzukommen (IPCC, 2016, S. A-14).
Der Begriff „Klimasystem“ besteht aus fünf Hauptbestandteilen die untereinander in Wechselbeziehung stehen: Atmosphäre (Gashülle der Erde), Kryosphäre (das gesamte Eis der Erde), Hydrosphäre (das gesamte Wasser der Erde), Lithosphäre (die Gesteinshülle der Erde) sowie Biosphäre (die Gesamtheit der Lebensräume der Erde) (IPCC, 2016, S. A-15): Das Klimasystem ändert sich über die Zeit durch externe sowie interne Antriebe, die anthropogenen Einflussfaktoren (insb. Treibhausgasemissionen und Veränderungen der Landoberfläche) kommen hinzu. Interne Faktoren sind insb. Schwankungen des ozeanischen Strömungssystems, der atmosphärischen Zirkulation und Wechselwirkungen zwischen Ozean und Atmosphäre, externe Faktoren sind die Sonnen- und Vulkanaktivität oder Veränderungen der Plattentektonik, diese stehen untereinander in Wechselwirkung (Hunt, 2011). Klimaänderungen laufen auf verschiedenen Zeitskalen ab. Sie können dabei hunderttausende bis Jahrmillionen umfassen, wenn sie beispielsweise aufgrund der Plattentektonik oder Änderungen der Erdbahnparameter (die zu Variationen der in der Intensität der Sonneneinstrahlung führen) auftreten. Kurzfristige Änderungen von mehreren Jahren bis Jahrzenten, etwa bei Vulkanaktivität oder der in periodischen Zyklen schwankenden Solaraktivität (wenige Jahre bis Jahrtausende). Natürliche und anthropogene Faktoren stehen dabei in Wechselwirkung (Hauck, Leuschner, & Homeier, 2019, S. 24 ff.).
Neben der naturwissenschaftlichen Komplexität stellt der anthropogene Klimawandel zudem ein globales Umweltproblem dar: Einerseits betrifft die Emission von Treibhausgasen das globale Klima unabhängig vom Ort der Emission und hat damit Auswirkungen auf alle Länder und Gesellschaften, die teilweise den Änderungen gegenüber empfindlich sind, dort schließt ein Gerechtigkeitsaspekt an: die Hauptverursacher der Emissionen sind nicht die Hauptträger der Folgen (Seidel, 2012). Daraus resultiert, dass zur Lösung des Problems eine Kooperation souveräner Staaten nötig ist, mit allen politischen sowie ökonomischen Hindernissen divergierender Interessen(Sturm & Vogt, 2018, S. 139 f.).
Wissenschaftlich unbestritten, wenn auch mit Unsicherheiten behaftet, ist der anthropogene Anteil am Klimawandel, im Folgenden werden daher der Treibhauseffekt und der anthropogene Klimawandel als Grundlagen für die späteren Ausführungen dargestellt. Im Anschluss daran beschreibe ich die Klimaszenarien des IPCC und beleuchte die möglichen Folgen der Erwärmung.
3.1 Der natürliche Treibhauseffekt
Um ein Verständnis für die Mechanismen zu ermöglichen, die zu Klimaveränderungen führen, stelle ich in diesem Abschnitt zunächst den natürlichen Treibhauseffekt der Atmosphäre dar. In der öffentlichen Debatte wird „Treibhauseffekt“ häufig fast synonym zum Begriff „Klimawandel“ verwendet. Beide Begriffe sind somit in der öffentlichen Kommunikation nicht mit dem naturwissenschaftlichen Verständnis dieser Phänomene vereinbar.
Der Begriff des Treibhauseffektes wurde bereits von den Wissenschaftlern Arrhenius und Tyndall geprägt. Er geht auf die Vorstellung zurück, dass ein Element der Atmosphäre ähnlich wirkt wie die Scheiben eines Treibhauses. Der Physiker R. W. Woods konnte aber schon 1909 nachweisen, dass der wärmende Effekt in einem Treibhaus hauptsächlich durch die Unterdrückung von Konvektion hervorgerufen wird und nur zu einem geringen Teil durch die Absorption und Rückstrahlung von Wärmestrahlung durch das Glas (Jones & Henderson-Sellers, 1990, S. 6). Letzteres ist aber der zentrale Mechanismus des Treibhauseffektes der Atmosphäre, in der Gase diese Funktion einnehmen:
Die Durchschnittstemperatur auf der Erde wird durch ein Strahlungsgleichgewicht bestimmt: Die von der Sonne einfallende kurzwellige Strahlung im Spektralbereich < 1,5 μm wird von der Erde als langwellige Wärmestrahlung im Spektralbereich > 1,5 μm wieder ins All abgestrahlt (ZAMG, 2010). In der Atmosphäre finden sich nun einige Gase, die in diese Strahlungsbilanz eingreifen, die sogenannten Treibhausgase bzw. klimawirksamen Gase. Diese lassen einerseits die Sonnenstrahlung passieren, absorbieren aber die von der Erdoberfläche abgestrahlte langwellige Wärmestrahlung und strahlen diese wiederrum in alle Richtungen gleichmäßig ab. Ein Teil wird also auch wieder Richtung Erdoberfläche zurückgestrahlt, dadurch verbleibt mehr Wärme auf der Erde als es ohne diese Gase der Fall wäre. Und dieser Effekt ist nicht unerheblich: 33 °C ist die Erde dadurch wärmer. Nach den 30 % der Sonneneinstrahlung, die reflektiert werden, bleiben 242 Watt pro Quadratmeter Einstrahlung. Nach dem Stefan-Boltzmann-Gesetz betrüge die Temperatur der Erdoberfläche im Mittel -18 °C, die tatsächliche mittlere Temperatur der Erdoberfläche beträgt allerdings +15°C. Das lebensfreundliche Klima auf der Erde ist also Resultat des natürlichen Treibhauseffekts, der die Oberfläche mit 324 W/m2 aufheizt (Baede, Ahlonsou, Ding, & Schimel, 2001, S. 89 ff.). Der Treibhauseffekt konnte auch auf anderen Planeten mit Atmosphärenhülle, wie Mars und Venus, beobachtet werden. Die Differenz der Oberflächentemperatur mit und ohne Treibhauseffekt liegt bei 510 °C für die Venus und 6 °C für den Mars (Hanslmeier, 2015, S. 112).
Die Verursacher dieses Effektes sind dabei die als „Treibhausgase“ zusammengefassten Gase Wasserdampf (H2O) sowie eine Reihe Spurengase, insb.: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O) und Troposphärisches Ozon (O3). Diese machen zusammen weniger als 1 % der Gesamtmasse der Atmosphäre aus, worin sich auch die Bezeichnung „Spurengase“ begründet (Latif, 2010, S. 4). Wasserdampf ist für etwa zwei Drittel des Treibhauseffektes verantwortlich und ist damit das wichtigste klimawirksame Gas. Es absorbiert die Wärmestrahlung in einem breiten Spektralbereich, der allerdings Lücken aufweist, die wiederum von den Spurengasen geschlossen werden (Abbildung 1). Die Abbildung bietet eine Übersicht der Ausstrahlung der Erdoberfläche mit und ohne Treibhauswirkung sowie der Wellenlängenbereiche in denen Treibhausgase Wärmestrahlung absorbieren bietet sich nachfolgend in.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Links (a): theoretische Ausstrahlung der Erdoberfläche ohne Treibhauswirkung (rote Kurve) und tatsächliche Ausstrahlung aufgrund der Wirkung der Treibhausgase (blaue Fläche); rechts (b): Wellenlängenbereiche, in denen die angegebenen Treibhausgase die Wärmestrahlung absorbieren. Der Absorptionskoeffizient gibt die Intensität dieser Absorption an. Quelle:(Klimawandel-Wiki, 2008), CC-BY-SA
Der natürliche Treibhauseffekt verschiebt also das Strahlungsgleichgewicht der Erde: die Erdoberfläche erhält durch ihn mehr Strahlung als ohne und gibt daher auch mehr Wärme ab. Durch den menschlichen Einfluss auf die atmosphärische Zusammensetzung verschiebt sich nun die Schicht, in der die Strahlungsgleichgewichtstemperatur von -18 °C herrscht weiter nach oben. Die mittlere Temperatur der Erdoberfläche erhöht sich dabei um 6,5 °C pro km der Verschiebung, bereits eine prozentual geringe Verstärkung kann daher zu einer Erwärmung um mehrere Grad führen (Allison, Bindoff, & Bindschatter, 2009, S. 10).
3.2 Der anthropogene Klimawandel
Die Zusammensetzung der Gase in der Atmosphäre bestimmt also die Durchschnittstemperaturen der Erdoberfläche. Durch menschliche Einflüsse, insbesondere die Emissionen von Treibhausgasen, verändert sich diese Zusammensetzung. Darunter versteht man den maßgeblichen anthropogenen Anteil am Klimawandel. Schon geringe Änderungen in der Zusammensetzung können hier große Effekte haben:
„Erhöht sich nun die Konzentration von Treibhausgasen wie CO2 in der Atmosphäre führt dies dazu, dass das Klimasystem der Erde im Ungleichgewicht ist: Die Erde nimmt mehr an Sonnenenergie auf, als sie wieder ins Weltall abstrahlt. Damit ist unweigerlich eine Erwärmung der Erde verbunden – so lange bis im neuen Strahlungsgleichgewicht bei einer höheren globalen Durchschnittstemperatur wieder die aufgenommene Strahlungsenergie gleich der abgegebenen ist.“(Sturm & Vogt, 2018, S. 141)
Dieser Zusammenhang ist durch Messreihen gut beobachtbar. In den 1950er-Jahren begannen mit den Messreihen von Charles Keeling auf dem Mauna Loa in Hawaii die direkten Messungen der CO2-Konzentrationen, über die ein kontinuierlicher Anstieg sowie eine Beschleunigung des jährlichen Anstieges nachweisbar sind (Artaxo, Berntsen, Betts, & Fahey, 2007, S. 137).
Die Konzentration von CO2 wird in parts per million (ppm) gemessen, das Umweltbundesamt (UBA) gibt die weltweite Kohlendioxid-Konzentration für das Jahr 2018 mit 407,38 ppm an(Umweltbundesamt, 2019), das bedeutet, dass auf eine Million Moleküle in trockener Luft 407,38 Moleküle CO2 kommen. Bei Beginn der Messungen in Hawaii lag der Wert bei 315,71 ppm, das Referenzniveau der vorindustriellen CO2-Konzentration wird mit 280 ppm angegeben (von Brackel, 2017). Die graphische Darstellung der Messergebnisse des atmosphärischen CO2-Gehalts wird nach Charles Keeling als Keeling-Kurve bezeichnet. Der schwankende Verlauf spiegelt den Vegetationszyklus im Jahresverlauf wider (Zu- und Abnahme durch Pflanzenwachstum).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Monatliche durchschnittliche CO2-Konzentration (Mauna Loa 1958-2019), Quelle: Delorme, Wikipedia. Data from Dr. Pieter Tans, NOAA/ESRL and Dr. Ralph Keeling, Scripps Institution of Oceanography. CC BY-SA 4.0
Durch das Wissen um die Menge verbrannter fossiler Brennstoffe und der Messung der Konzentrationszunahme, die dem Anstieg der Emissionen folgt, lässt sich folgern, dass die globale Erwärmung weitgehend anthropogen verursacht ist. Hinzu kommen die Geschwindigkeit des Anstiegs ab ca. 1800 und der deutliche Hinweis auf einen Ursprung auf der Nordhalbkugel, wo die Emissionen hauptsächlich verursacht werden. Auch die Abnahme von O2-Molekülen (Oxidation organischen Kohlenstoffs wegen Verbrennung Fossiler Energieträger (FE) und Waldvernichtung) und die Veränderung der isotopischen Zusammensetzung des atmosphärischen CO2 (fossiles CO2 enthält keine 14C-Isotope und hat ein geringeres 13C/12C-Verhältnis als atmosphärisches CO2) weisen deutlich darauf hin (Kasang, o. J.). Dabei wird etwas weniger als die Hälfte des emittierten CO2 von Ozeanen und Biosphäre aufgenommen. Auch der steigende CO2-Gehalt in den Ozeanen, der zur Versauerung des Wassers und damit einhergehenden Umweltschäden führt, konnte über Messungen belegt werden (Rahmstorf & Schellnhuber, 2019, S. 34).
Kohlendioxid ist wie oben bereits erwähnt nicht das einzige Treibhausgas. Um den Beitrag der Gase auf den Strahlungshaushalt zu beziffern, nutzt man als Kennzahl den Strahlungsantrieb in Watt pro Quadratmeter (W/m2), vergl. Abbildung 3. Der 5. Sachstandsbericht des IPCC gibt den gesamten anthropogenen Strahlungsantrieb bezogen auf 1750 für 2011 mit 2,29 W/m2 an (IPCC, 2013/2014, 2016, S. WGI-11).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Schätzwerte des Strahlungsantriebs im Jahr 2011 bezogen auf 1750 sowie kumulative Unsicherheiten für die Haupttreiber des Klimawandels. Die Werte stellen globale Mittel des Strahlungsantriebs dar, aufgeteilt gemäß den emittierten Stoffen oder Prozessen, die zu einer Kombination von Treibern führen. Quelle: (IPCC, 2013/2014, 2016, S. WGI-12)
Zu welchem Grad der Erwärmung haben die anthropogenen Faktoren aber bereits geführt? Der „IPCC-Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung“ gibt die beobachtete Erwärmung folgendermaßen an:
„Menschliche Aktivitäten haben etwa 1,0 °C globale Erwärmung gegenüber vorindustriellem Niveau verursacht, mit einer wahrscheinlichen Bandbreite von 0,8 °C bis 1,2 °C.“ (Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, 2019, S. 2)
Der Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) sagte im Zuge der COP25: „The average global temperature has risen by about 1.1°C since the pre-industrial era and the ocean by half a degree.” (WMO, 2019) 2019 wird wahrscheinlich das zweit- oder drittwärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen sein. Der Fünf- sowie Zehnjahresschnitt (2015-2019 & 2010-2019) war jeweils der wärmste und jede Dekade seit den 1980er-Jahren wärmer als die vorherige (WMO, 2019). Regional liegt seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen in Deutschland 1881 der lineare Trend laut Deutschem Wetterdienst (DWD) bei +1,6 K (Kaspar & Friedrich, 2020). Sowohl regional als auch global wurden neun von zehn der wärmsten Jahre im noch jungen 21. Jahrhundert gemessen, Abbildung 4 fasst diese zusammen und verzeichnet die monatliche Differenz zum Durchschnittswert des 20. Jahrhunderts:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Abweichungen der globalen Land- und Ozeanoberflächentemperaturen der zehn wärmsten Jahre vom Durchschnitt des 20. Jahrhunderts (14,1 °C). Quelle: (NOAA, 2019), bearbeitet
Neben den seit ca. 1850 vorliegenden Temperaturmessungen und den Messungen der CO2-Konzentration seit den 1950er-Jahren lassen die sog. Klimaarchive direkt, oder über Klimaproxys indirekt, einen tieferen Blick in die klimatischen Bedingungen der Vergangenheit zu. Der daraus resultierende Forschungsstand ist beispielsweise, dass die Kohlendioxidkonzentration nie so rasant wie in den letzten zwei Jahrhunderten anstieg und die Konzentration in den letzten 800.000 bis zwei Millionen Jahren vor unserer Zeitrechnung stets unter der heutigen lag (Snyder, 2016). Der erste Wert basiert dabei auf der Untersuchung von Eisbohrkernen, z.B. aus dem European Project for Ice Coring in Antarctica(Bereiter, et al., 2014) oder dem Vostok-Eisbohrkern (Petit, et al., 1999), in denen die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre in Luftbläschen gespeichert ist, der zweite Wert auf der Auswertung von Sedimentschichten vom Meeresboden, die aufgrund indirekter Nachweise weniger verlässlich bzw. anfälliger für Fehler sind und keine Temperaturänderungen an Land abdecken (Snyder, 2016, Methods).
Zusammenfassen lässt sich sagen, dass durch den Menschen klimatische Bedingungen verursacht werden, mit denen er seit seiner Entstehung noch nicht konfrontiert wurde (Sturm & Vogt, 2018, S. 143 f.). Es bleibt anzumerken, dass die Daten häufig heterogen sind und unterschiedliche Messdichten aufweisen. Die Datenverfügbarkeit wurde seit der Verbreitung von kontinuierlichen Messungen etwa in die Antarktis (seit 1975) und dem Hinzukommen von Satellitendaten (seit den 1970-Jahren) kontinuierlich verbessert (Famiglietti, et al., 2015).
Zur Erklärung der Beobachtungen nutzt man Klimamodellrechnungen, die für die aktuellen Klimabedingungen konzipiert sind und etwa nicht ohne weiteres zeitlich weit zurückreichende vorindustrielle Verläufe modellieren können. Hier gibt es Klimamodelle, die nur natürliche Antriebskräfte berücksichtigen und solche, die sowohl natürliche (bspw. Sonnenaktivität und Vulkanismus) als auch anthropogene Antriebskräfte berücksichtigen. Jene, die nur die natürlichen Antriebskräfte einschließen, können die beobachteten Temperaturänderungen nicht abbilden. Jene, die die anthropogenen Faktoren miteinbeziehen, modellieren einen ähnlichen Verlauf im Vergleich mit den beobachteten Temperaturentwicklungen:
Abbildung 5 Vergleich der beobachteten Änderungen der Erdoberflächentemperatur (1901 bis 2005 im Verhältnis zum Durchschnitt für 1901-1950 (°C)) auf kontinentaler und globaler Skala mit den von Klimamodellen auf Grund entweder natürlicher oder natürlicher und anthropogener Antriebe berechneten Resultaten. Quelle: (IPCC, 2008, S. 7)
Das Ausmaß der Klimaerwärmung ist mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Für die Beschreibung der Spanne hat sich ein theoretischer Wert etabliert, die „Klimasensitivität“. Neben den eingangs beschriebenen direkten Effekten auf die Atmosphäre kommen Rückkopplungseffekte hinzu, die die Erwärmung teils beschleunigen, teils verlangsamen. Die wichtigsten Rückkopplungseffekte sind die Eis-Albedo- und die Vegetations-Albedo-Rückkopplung, die sich verringernde Löslichkeit von Gasen in den Ozeanen bei steigenden Wassertemperaturen, die Wasserdampfrückkopplung und die Freisetzung von Methan aus tauenden Permafrostböden (ZAMG, o. J.).
Die Klimasensitivität gibt nun die Spanne des Temperaturanstiegs in °C an, die eine Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre verursachen kann. Dazu können einerseits Klimamodelle und andererseits empirische Daten genutzt werden. Im Fünften Sachstandsbericht des IPCC wird eine Fülle wissenschaftlicher Studien zur Klimasensitivität ausgewertet, die Klimasensitivität liegt dabei bei 1,5 – 4,5 °C für eine Verdoppelung der atmosphärischen CO2-Konzentration (IPCC, 2013, S. 82 ff.). Sowohl die beobachteten als auch die modellierten Werte deuten hier auf eine deutliche Verstärkung der Erwärmung durch die indirekten Rückkopplungseffekte hin, die Erwärmung durch CO2 allein läge bei ca. 1 °C (Wayne, 2015).
Seit 1850 beträgt der globale Temperaturanstieg über 1 °C. Der überwiegende Anteil der Erwärmung lässt sich auf die gestiegene CO2-Konzentration zurückführen. Eine Verdopplung der Konzentration führt wahrscheinlich zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,5-4,5 °C (IPCC, 2013/2014, 2016, S. WGI-14). Die Konzentration ist von 280 ppm in 1850 auf 407 ppm in 2017 angestiegen (Sturm & Vogt, 2018, S. 147). Während die Zunahme der globalen Emissionen sich zwar verlangsamt, erreichten diese 2019 ein neues Rekordhoch (Jordan, 2019).
3.3 Klimaszenarien
Im vorangehenden Abschnitt haben wir einen Blick auf die beobachtete globale Erwärmung und deren Ursachen geworfen. Im Folgenden wird es um die wissenschaftlichen Versuche einer Abschätzung des zukünftigen Klimas gehen. Dafür werden Szenarien entworfen, die mittels Klimamodellen zu Klimaprojektionen führen. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass diese keine Prognosen im Sinne von Wettervorhersagen sind, sondern ein „wenn-dann“-Ergebnis auf Basis des Szenarios liefern (Umweltbundesamt, 2020). Diese Szenarien sowie der IPCC als Institution sind regelmäßig Ziel „klimaskeptischer“ Angriffe, deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie diese Szenarien und die Modellierungen beschaffen sind sowie ihre Möglichkeiten aber auch ihre Grenzen aufzuzeigen. Dafür werden die Szenarien des IPCC dargestellt und deren jeweilige klimatische Auswirkung skizziert.
Die Wissenschaft nutzt komplexe numerische Modelle zur Beschreibung und zum Verständnis des Klimas. Diese Modelle interpretieren dabei das Klimageschehen quantitativ auf Basis physikalisch-chemischer Grundgesetze. Beobachtete Veränderungen (Temperaturerhöhung, Abschmelzen der Eismassen, Anstieg des Meeresspiegels) können damit in Zusammenhänge, etwa zu Treibhausgasemissionen, gebracht werden. Dazu ist ein umfängliches Wissen notwendig, besonders zu CO2-Emissionen, Solarstrahlung, atmosphärischer Wasserdampfverteilung, Kohlenstoffsenken und -quellen sowie Interaktionen und Folgen menschlicher Entwicklung (Ranke, 2019, S. 66). Diese Modelle sind ihrem Wesen nach mit großen Unsicherheiten behaftet. Um diese zu minimieren, beschränkt sich die Klimaforschung zumeist auf eine Darstellung der nächsten 100 Jahre. Während Temperaturanstiege zufriedenstellend simuliert werden können, ist bspw. die Projektion von Niederschlägen mit sehr viel größeren Unsicherheiten verbunden.
„Das Vertrauen der Wissenschaft in Belastbarkeit der Klimamodelle beruht darauf, dass in den Modellen nur solche Faktoren des aktuellen und vergangenen Klimas simuliert wurden, die mit Beobachtungsdaten übereinstimmen.“ (Ranke, 2019, S. 67)
Es kommen globale sowie regionale Modelle zum Einsatz, die wiederum Unter- oder Teilmodelle umfassen können: So gibt es etwa „Ozeanmodelle“ und „Atmosphärenmodelle“, die in einem komplexen System mit 8 und mehr Untersystemen zusammengefasst werden (IPCC, 2011, S. , Box 3, Fig. 1, S. 48). Mit solchen Systemen untersuchen Forscher*innen auch, welche Effekte menschliches Handeln auf die Zukunft des Klimas haben könnte und welche Auswirkungen das auf Parameter wie Temperatur, Niederschläge, Extremereignisse etc. haben kann. Dabei lässt sich aber nicht sagen, welche soziale, ökonomische und technische Entwicklung die Zukunft mit sich bringen wird und welche Auswirkungen das auf Emissionen klimawirksamer Gase hat. Dafür formulieren die Forscher*innen Annahmen, die dann in sozio-ökonomischen Szenarien beschrieben werden. Für die Szenarien werden jeweils Entwicklungspfade für Treibhausgasemissionen berechnet, die dann als Grundlage für die Klimamodelle dienen. Die Klimamodelle können dann für diese spezifischen Annahmen Auswirkungen auf das Klimasystem simulieren. Diese nennt man „Klimaprojektionen“ (Fischer-Bruns & Petersen, 2016).
Der IPCC stellt seit den frühen 1990er-Jahren Klimaszenarien vor, die immer weiter verfeinert wurden. Diese Szenarien befinden sich derzeit in der 4. Generation, im Folgenden werde ich die SRES- (Special Report on Emissions Scenarios) sowie die RCP- (Representative Concentration Pathways) Szenarien vorstellen, die dem 3. und 4. (SRES) sowie dem 5. Sachstandsbericht (RCP) des IPCC zugrunde liegen (Ranke, 2019, S. 75). Bei den SRES-Szenarien werden vierzig entwickelte Szenarien in vier Familien zusammengefasst, die unterschiedlichen, „Storylines“ genannten, Entwicklungspfaden folgen. Sie werden eingeteilt in die Gruppen A1, A2, B1 und B2. Diesen Szenarien liegen jeweils andere Vorstellungen einer zukünftigen Entwicklung zugrunde, ausgeklammert werden dabei allerdings zusätzliche Klimaschutzaktivitäten.
„Jede Familie weist verschiedene Parameter auf, die die weltweite Entwicklung beschreiben und besitzt ein Basis-Szenario mit typischen Charakteristiken seiner Familie. Hierzu gehört auch die Höhe der Treibhausgas-Konzentration (angegeben in ppm CO2 oder in ppm CO2-Äquivalenzwerten), die entsprechend diesem Szenario im Jahr 2100 erreicht ist. “ (Fischer-Bruns & Petersen, 2016)
Die SRES-Szenarien berücksichtigen Faktoren wie Bevölkerungswachstum, ökonomische, soziale und technologische Veränderungen und solche im Ressourcenverbrauch und Umweltmanagement weitaus differenzierter als ihre Vorläufer (Ranke, 2019, S. 77). Da die Szenarien ausdrücklich keine Umsetzung des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) oder den Emissionszielsetzungen des Kyoto-Protokolls annehmen, der steigenden politischen Nachfrage nach belastbaren Daten begegnet werden sollte und sich die Kenntnisse des Klimasystems und die Berechnungsverfahren verbessert hatten, wurden die Szenarien überarbeitet. Daraus gingen die „Representative Concentration Pathways“ (RCP) hervor, „mit ihnen konnte die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre einschließlich der veränderten Landnutzungen in ihrer Zeitabhängigkeit noch besser als bisher abgebildet werden. Erstmals konnte darüber hinaus der Einfluss von Klimaschutzmaßnahmen in den Modellen gebührend Berücksichtigung finden.“ (Ranke, 2019, S. 79)
Die Möglichkeit zur Modellierung von Auswirkungen von Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen und verschiedener Anpassungsstrategien war insbesondere ein Resultat der Nachfrage aus Politikberatung und Wirkmodellierung (Deutscher Wetterdienst b, o. J.). Für die RCP wurden die folgenden vier Szenarien-Familien entwickelt:
- „ RCP 2,6 („geringe bzw. konstante Emission“): Die Energieaufnahme wird zunächst bei 3,1 W/m2 liegen (= 490 ppm CO2) und nach 2100 bei 2,6 W/ m2 konstant bleiben. Dies setzt eine Verringerung der globalen Erwärmung auf nicht mehr als 2 °C im Jahr 2100 voraus. Um dies zu erreichen, muss der Verbrauch an Energierohstoffen (Öl) reduziert werden und sich der Weltenergiebedarf insgesamt abschwächen. Die Weltbevölkerung müsste sich bei 9 Mrd. einpendeln und die Landwirtschaft nachhaltiger ausgerichtet werden. Die Methanemissionen müssten weltweit um 40 % reduziert werden, während die CO2-Emissionen dafür bis zum Jahr 2020 auf dem heutigen Niveau verbleiben müssten, um nach 2100 negativ zu werden. Die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre müssten dazu im Jahr 2050 ihren Höhepunkt erreichen und danach auf etwa 400 ppm (2100) absinken.
- RCP 4,5 („mittlere Emissionen“): In diesem Szenario wird von einem Strahlungsantrieb von 4,5 W/m2 ausgegangen, was einer Zunahme der CO2-Konzentration auf 650 ppm im Jahr 2100 entspricht. Danach verbleibt der Strahlungsantrieb bis zum Jahr 2300 konstant. RCP-4,5 ist vergleichbar dem „SRES-Szenario B1“, mit einem geringeren Energiebedarf, großflächigen Wiederaufforstungen, einer nachhaltigen Agrarwirtschaft, Zunahme der landwirtschaftlichen Produktivität und einer angepassten Ernährung.
- RCP 6 („erhöhte Emissionen“): Der Strahlungsantrieb in diesem Szenario wird mit 6 W/ m2 angenommen, was einer CO2-Konzentration von 850 ppm entsprechen würde. Der Antrieb würde sich kurz nach dem Jahr 2100 stabilisieren und danach leicht abnehmen. Das Szenario entspricht im Wesentlichen dem „SRES-Szenario B2“ und beruht auf einer weiter hohen Abhängigkeit von fossilen Energierohstoffen, einem vergleichsweise immer noch hohen Energiebedarf, einer Zunahme an landwirtschaftlichen Flächen, dem Verlust großer Graslandflächen und einem Methanausstoß auf heutigen Niveau. Die CO2-Emissionen würden im Jahr 2060 bei etwa 75 % über dem heutigen Niveau verbleiben und danach um etwa 25 % abnehmen.
- RCP 8,5 („hohe Emissionen“): Der Strahlungsantrieb steigt auf 8,5 W/m2 und bleibt auf diesem Niveau auch im Zeitraum bis 2300. ,5 W/m2 entsprechen einer CO2-Konzentration von 1370 ppm, was dem „SRES-Szenario A2“ entspricht. Das Szenario reflektiert damit eine Zukunft ohne wesentliche Reduzierzungen der derzeitigen Treibhausgasemissionen, wodurch es im Jahr 2100 zu einer Verdreifachung der heutigen CO2-Emissionen kommt. Ebenso werden bis dahin die Methanemissionen weiter zunehmen. Die landwirtschaftlichen Flächen werden intensiver genutzt werden, da bis dahin die Weltbevölkerung auf 12 Mrd. angewachsen sein wird. Der technologische Fortschritt stellt sich langsamer ein als erforderlich. Der Energiebedarf bleibt weiterhin hoch und vor allem kommt es zu keiner wirksamen Umsetzung der klimapolitischen Ziele.“(Ranke, 2019, S. 79 f.)
Zwischen den SRES und den RCP gibt es einige deutliche Unterschiede:
- Anstelle der CO2-äquivalenten Konzentrationen der Treibhausgase in ppm werden nun die Änderungen im Strahlungsantrieb angegeben, damit werden auch Landnutzungsänderungen und Änderungen der Albedo abgedeckt.
- Parallele Arbeiten der Beteiligten Modelliergruppen ermöglichten eine bessere Integration von Rückkopplungen durch Integrated Assessment Modelle (IAM).
- Projektionen für verschiedene Zeitfenster werden auf Basis der Szenarien berechnet, mit abnehmender räumlicher Auflösung, je weiter in der Zukunft sie liegen. (Deutscher Wetterdienst b, o. J.)
- Es sind keine genauen Annahmen über die demographische, ökonomische und technische Entwicklung nötig, da die zusätzliche Energieaufnahme aus unterschiedlichen Bedingungen zustande kommen kann. (Ranke, 2019, S. 79)
Die RCP-Szenarien decken die SRES-Szenarien ab. Das RCP2.6-Szenario allerdings macht die Annahme, dass der Strahlungsantrieb bei 3 W/m2 gedeckelt werden kann, um dann gegen Ende des 21. Jahrhunderts auf 2,6 W/m2 zu sinken, was einer knappen Unterschreitung des 2 °C-Zieles der internationalen Klimapolitik entspricht. Interessant sind hier die Bedingungen, unter denen dies geschehen kann: die globalen CO2-Emissionen müssten bis 2080 auf null fallen (Sturm & Vogt, 2018, S. 146). Der IPCC sieht derzeit allerdings wenig Chancen, das RCP2,6-Szenario zu erreichen. Die aktuellen CO2-Emission- und Konzentrationsentwicklungen lassen eher ein Hochemissionsszenario wie RCP8,5 vermuten (Ranke, 2019, S. 80). In Abbildung 6 finden sich die wahrscheinlichen Temperatur- und Meeresspiegelzunahmen der verschieden Szenarien im Überblick.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 Wahrscheinliche Temperatur- und Meeresspiegelzunahmen bis zum Jahre 2100 für die verschiedenen IPCC-Szenarien. (Quelle: IPCC-AR5 2013, aus: (Ranke, 2019, S. 80))
Zur Zuverlässigkeit der Modelle heißt es in der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (IPCC, 2014) auf Seite 2: „ Die Modelle geben die beobachteten Muster und Trends [des Klimas] über viele Dekaden der Erdoberflächentemperatur im kontinentalen Maßstab wieder, einschließlich der stärkeren Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts und der unmittelbar auf große Vulkaneruptionen folgenden Abkühlung. “
Während ich mich bislang mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Klimaerwärmung, der direkten und indirekten Messung von atmosphärischen Spurengaskonzentrationen und der Zuordnung der Anstiege zu menschlichen Aktivitäten und der darauf basierenden Entwicklung von Modellen und Szenarien befasst habe, die alle mit zunehmenden Unsicherheiten einhergehen, möchte ich nachfolgend die möglichen Folgen der Klimaänderungen darstellen.
3.4 Folgen des Klimawandels
In den vorherigen Abschnitten habe ich die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Treibhauseffektes sowie die Modellierungen der Klimaszenarien vorgestellt. Nachfolgend werde ich nun beschreiben, welche konkreten Folgen die Klimaänderungen haben können.
Der IPCC teilt die Folgen des Klimawandels in beobachtete Folgen sowie Risiken ein. Ein Risiko umfasst dabei „die Kombination aus unsicheren Folgen und bedrohten Werten“ (IPCC, 2016 b, S. 8). Die Folgen werden dabei unterteilt in Auswirkungen auf natürliche Systeme sowie auf Systeme des Menschen. Der Beitrag des Klimawandels ist dabei verschieden stark ausgeprägt und die Zuordnung geschieht über ein Vertrauensintervall von „sehr gering“ bis „sehr hoch“ und auf verschiedenen geographischen Ebenen (IPCC, 2016 b, S. WGII-7). Die natürlichen Systeme sind aufgeteilt in physikalische sowie biologische Systeme.
1. Beobachtete Folgen für natürliche Systeme
Die Auswirkungen, die dem Klimawandel zugeordnet werden, betreffen entweder physikalische oder biologischen Systeme. Erstere beinhalten Auswirkungen auf Gletscher, Schnee, Eis und/oder Permafrost, auf Wassersysteme an Land (Flüsse/Seen), Überschwemmungen und/oder Dürre sowie auf Küstenerosion, Ozeansysteme und/oder Meeresspiegeländerungen. Letztere umfassen Folgen für Terrestrische Ökosyteme, Wald- und Flächenbrände sowie marine Ökosysteme.
2. Beobachtete Folgen für bewirtschaftete Systeme und solche des Menschen
Die Auswirkungen betreffen hier die Ernährungssicherheit und Nahrungsmittelproduktionssysteme, Existenzgrundlagen und Armut, Siedlungen, Industrie und Infrastruktur, Gesundheit und Sicherheit des Menschen oder die Wirtschaft.
Der IPCC fasst die beobachteten Folgen so zusammen:
„Es gibt starke Belege für Folgen des jüngst beobachteten Klimawandels für physikalische, biologische und menschliche Systeme. Viele Regionen haben Erwärmungstrends und häufigere Hitzeextreme erfahren. Steigende Temperaturen werden mit einer abnehmenden Schneemasse in Verbindung gebracht, und viele Ökosysteme erfahren klimabedingte Verschiebungen der Aktivität, Bandbreite oder des Bestands der in ihnen lebenden Arten. Die Ozeane zeigen ebenfalls Veränderungen von physikalischen und chemischen Eigenschaften, die wiederum küstennahe und marine Ökosysteme wie Korallenriffe und andere Meeresorganismen wie Weichtiere, Krustentiere, Fische und Zooplankton beeinflussen. Pflanzenanbau und Fischereibestände sind empfindlich gegenüber Temperaturänderungen. Die Folgen des Klimawandels führen zu Verschiebungen von Ernteerträgen, zu einem Rückgang der Erträge insgesamt, sowie manchmal auch zu einem Anstieg der Erträge in gemäßigten und hohen Breiten. Das Fangpotenzial von Fischereien steigt in einigen Regionen, während es in anderen abnimmt. Einige indigene Gemeinschaften ändern saisonale Migrations- und Jagdmuster, um sich den Temperaturänderungen anzupassen.“ (IPCC, 2018, S. 12)
3. Zukünftige Risiken
Auf Basis der beobachteten Folgen, verschiedener Belege, Modellierungen, experimenteller Ergebnisse und dergleichen mehr werden zukünftige Risiken bewertet. Diese variieren erheblich je nach Entwicklungspfad und sind mit großen Unsicherheiten behaftet, besonders wenn sie miteinander verbundene natürliche Systeme und solche des Menschen betreffen. Zahlreiche miteinander wechselwirkende soziale, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren müssen berücksichtigt werden:
„Reichtum und dessen Verteilung in der Gesellschaft, demografische Faktoren, Migration, Zugang zu Technologie und Information, Beschäftigungsstrukturen, die Qualität von Anpassungsmaßnahmen, gesellschaftliche Werte, Strukturen für politische Steuerung und Koordination sowie Institutionen zur Konfliktlösung. Internationale Aspekte wie Handel und zwischenstaatliche Beziehungen sind ebenfalls wichtig für das Verständnis der Risiken des Klimawandels auf regionaler Ebene.“ (IPCC, 2016 b, S. 8)
Die Projektionen zukünftiger Risiken erfolgen anhand der Szenarien und der sozio-ökonomischen Entwicklungspfade. Der IPCC fasst regionale Schlüsselrisiken zusammen und gibt damit zusammenhängende Potentiale für Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen an. Zusätzlich aggregiert der IPCC seit dem dritten Sachstandsbericht die Schlüsselrisiken zu fünf „reasons for concern“ (RFC), die einen Ausgangspunkt für die Bewertung gefährlicher anthropogener Beeinflussung des Klimasystems liefern (IPCC, 2018, S. WGII-12):
1) Korallenriffe, bedrohte Tier- und Pflanzenarten, seltene und besonders artenreiche Lebensräume, Inselstaaten, tropische Gletscher oder indigene Bevölkerungsgruppen könnten erheblichen Schaden nehmen oder unumkehrbar zerstört werden.
2) Extremwetterereignisse: Häufigkeit, Stärke und Folgeschäden von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Überschwemmungen, Dürren oder tropischen Wirbelstürmen nehmen zu.
3) Verteilung der Folgen: Regionen, Länder und Bevölkerungsgruppen werden unterschiedlich schwer von Klimafolgen getroffen. Die ärmsten Länder, mit dem geringsten Beitrag zum Klimawandel, leiden überdurchschnittlich stark an den Folgen, können sich aber nur eingeschränkt selbst schützen.
4) Globale aggregierte Folgen: Unterschiedliche Klimafolgen können für die Biodiversität der Erde als auch die Weltwirtschaft insgesamt bemessen werden. Weitere Erwärmung führt zu einem erheblichen Verlust an Biodiversität und dem Verlust von Ökosystemgütern und -dienstleistungen.
5) Großräumige singuläre Ereignisse: Mit steigender Erwärmung könnte das Klimasystem der Erde über kritische Grenzen (Kipp-Punkte) hinaus belasten, sodass wichtige Prozesse im Gesamtgefüge sich abrupt und irreversibel Verändern. Ein Beispiel ist das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds und ein damit verbundener Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels um bis zu 7 m.
Im Kern fasst der IPCC Folgen und Risiken als globale Bedrohung für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung zusammen. Nachhaltige Entwicklung ist dabei eng mit Minderung und Anpassung verwoben, dabei bestehen sowohl Synergieeffekte als auch Zielkonflikte, was den Klimawandel zu einem globalen „Problem kollektiven Handelns“ macht. Ein wirksamer Klimaschutz auf Ebene der Anpassung sowie der Minderung erfordert gemeinsame Lösungen und kann nicht über die Verfolgung nationaler Eigeninteressen erreicht werden (BMU, 2018). Diese Einschätzung entspricht damit diametral den Ansichten nationalistischer und rechtspopulistischer Akteure wie Trump, Bolsonaro oder der deutschen AfD, die sich grundlegend gegen jede globale Lösung ins Nationale zurückziehen. Deshalb werde ich im Folgekapitel den IPCC als Institution globaler Bündelung von Klimaforschung genauer vorstellen.
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1 @realdonaldtrump am 6. November 2012 auf Twitter (Screenshot im Anhang): https://twitter.com/realDonaldTrump/status/265895292191248385 zuletzt aufgerufen 02.07.2020
- Citation du texte
- Philipp Höffken (Auteur), 2020, Klimawissenschaften und ihr Widerhall in den sozialen Medien. Klimawandel als Vehikel des Rechtspopulismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/984882
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